II. Krankheit

13.
Wie mensch im Knast gesund bleiben kann

Was ist denn überhaupt Gesundheit? Die Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sagt Folgendes: „Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“

Schon hier wird klar: Es ist schon unter „normalen“ Umständen schwierig, diesen Zustand dauerhaft zu halten. Und unter Knastbedingungen wird es umso schwerer vorstellbar, sich in seinem Körper wohl zu fühlen, fit und aktiv zu sein, sich stark und ausgeglichen zu fühlen. Zumindest sozial beeinträchtigt ist wohl jede Person im Knast.

Was könnte also das Ziel sein? Vermutlich für jede ein bisschen was anderes. Ich würde es selbst etwa so sagen: Wenn wir uns um uns kümmern, unseren Körper und unsere Seele, so gut es gelingt, in einem fitten und wachen Zustand halten, selbst etwas in der Hand haben, um unser Wohlbefinden etwas verbessern zu können, uns einigermaßen kräftig, klar und ausgeschlafen fühlen und uns, soweit es möglich ist, mit schönen und angenehmen Dingen und Tätigkeiten umgeben, ist das auch gut für unser Selbstwertgefühl und unser Selbstbewusstsein. Und ein gutes Selbstbewusstsein zu erhalten oder zu erlangen hilft sicherlich dabei, am Alltag im Knast weniger kaputtzugehen. Ich will versuchen, in diesem Kapitel Anregungen zu geben, um dir etwas dafür in die Hand zu geben, mit dem du dir etwas aufbauen kannst, was dir guttut, was dich im besten Fall zu dir selbst kommen lässt. Dabei ist es mir wichtig, dass alles hier Beschriebene nur Vorschläge sind. Jeder Mensch ist anders und nichts ist für alle gleichermaßen gut. Vielleicht musst du dich am Anfang überwinden, anzufangen oder dabeizubleiben. Vielleicht ist dir etwas beim ersten Mal nicht so angenehm, fühlt sich vielleicht ungewohnt und fremd an. Das ist okay. Spätestens nach einer Zeit solltest du aber deutlich merken, dass es sich gut anfühlt. Wenn du dich quälst oder dir etwas weh tut, hör damit auf. Wenn du kein gutes Körpergefühl hast, bemerkst du vielleicht einen Gedanken, so etwas wie das Wissen darum, dass es gut wäre, diese oder jene Sache zu üben oder auszuprobieren. Das kann sehr gut sein, wir wissen oft mehr, als wir uns vorstellen können. Aber auch hier: Wenn sich der Gedanke nicht bestätigt, bleibe nicht krampfhaft dabei. Vielleicht findest du etwas, was dir mehr entspricht. Oder probiere, ob es sich für dich so abwandeln lässt, dass es dir angenehm ist.

Ich weiß, dass auch das unter gewöhnlichen Bedingungen etwas ist, was viele von uns nicht gelernt haben und was uns schwerfällt. Im Knast umso mehr, wo ja alles dahin führt, das Gefühl für sich selbst und die eigenen Bedürfnisse, die eigene Persönlichkeit zu verlieren. Also nicht der einfachste Zeitpunkt, das zu trainieren. Aber gerade deshalb finde ich es wichtig, sich etwas davon erhalten oder aufbauen zu können.

Auch wenn euch das hier Angebotene vielleicht albern oder nutzlos vorkommt, ist es etwas, was viele als hilfreich erleben. Auch hier nochmal: Nichts ist für alle gleich gut. Aber sicher ist etwas dabei, was dir helfen kann. Ich würde dich gerne ermutigen, darauf neugierig zu sein, dich kennenzulernen, dich auszuprobieren.

So wichtig wie der körperliche Teil sollte auch der seelische sein. Diese bedingen sich natürlich gegenseitig. Wenn du dich in deinem Körper wohl fühlst, wird es dir auch sonst besser gehen, und umgekehrt. Aber es ist auch wichtig, dass wir uns um unser seelisches Wohl aktiv kümmern, vor allem im Knast, wo dieses besonders leidet.

Vielleicht habt ihr schon mal den Begriff „Psychohygiene“ gehört. Der beschreibt, dass wir uns regelmäßig, am besten täglich, auch um den gegenwärtigen Zustand unserer Seele kümmern sollten, so ähnlich wie Zähneputzen oder Waschen, um gesund zu bleiben. Dahinter steht der Gedanke, dass wir bewusst Einfluss nehmen können.

Wir können z. B. entscheiden, mit welchen Gedanken wir uns beschäftigen wollen. Ob wir destruktive Gedanken immer wiederholen, uns in Gedankenkreisen verlieren oder uns bewusst etwas zuwenden, was guttut und mit schönen Gefühlen verbunden ist. Das geht sicher nicht von selbst, aber wir können lernen, selbst wieder mehr Einfluss zu nehmen.Ich biete euch hierfür einige Übungen an, die ihr probieren könnt.

Aus den Anregungen in diesem Kapitel kann sich jede das aussuchen, was ihr im Moment eine wichtige Überlebensstrategie zu sein scheint und was sie meint, am ehesten lernen zu können.

Und vor allem sollte sie sich sagen, dass jeder kleine Schritt schon wichtig genug ist und nicht ernst genug genommen werden kann. Wer meint, dass die folgenden Ratschläge zu wenig mit der tatsächlichen Knastsituation zu tun haben, sollte das aufschreiben und für ihre spezielle Situation ändern.

13.1 Übungen für Muskulatur
und Kreislauf

Egal in welcher Situation, ist es nötig, für ausreichend Bewegung zu sorgen, um fit zu bleiben.

Ich kann mir vorstellen, dass dir gymnastische Übungen in der Zelle nicht besonders attraktiv erscheinen. Auch wenn du dir am Anfang komisch vorkommst, probiere es aus. Vielleicht kannst du dir ein kleines Übungsprogramm zusammenstellen, das zu dir passt. Wenn das so ist, wirst du nach kurzer Zeit merken, dass du dich wohler und kräftiger fühlst und die Bewegung einen positiven Einfluss auf dein Selbstbewusstsein hat.

Alle folgenden Übungen sind als Vorschläge gedacht; du kannst dir daraus ein deinen Bedürfnissen und Möglichkeiten entsprechendes Übungsprogramm zusammenstellen, das du nach Belieben ändern kannst.

Probiere aus, was dir passend erscheint, vielleicht musst du dich auch überwinden. Aber zumindest nach einer Weile sollte es sich gut anfühlen oder zumindest nicht unangenehm sein. Denke nicht, du musst es nur stark genug wollen oder dich einfach mehr anstrengen. Was dir nicht guttut, mach auch nicht. Vieles lässt sich abwandeln, oder du erinnerst dich an Übungen, die mal gut für dich waren. Das ist alles erlaubt, zwänge dich nicht in etwas hinein, was dir nicht passt.

Empfehlenswert ist täglich etwa eine halbe Stunde, aber auch zehn Minuten sind schon gut. Fange besser mit weniger an, und steigere dich dann, wenn du Spaß daran gewinnst.

Hier findest du für die einzelnen Körperteile jeweils Übungen zur Entspannung, Lockerung, Dehnung und Kräftigung und eine Reihenfolge von Kopf bis Fuß. Fange am besten mit Lockerungsübungen an. Das kann z. B. das Schütteln von Kopf, Armen und Beinen sein, danach nacheinander die Gelenke kreisen, auch die Fingergelenke.

Erst wenn die Verspannungen ein wenig gelockert sind, nach etwa fünf Minuten, ist es ratsam, mit den Kraftübungen zu beginnen. Mit Musik oder rhythmischem Zusammenschlagen der Hände machen diese Übungen sehr viel mehr Spaß und du merkst die Anstrengung nicht so sehr.

Um deine körperliche Leistungsfähigkeit zu erhalten oder zu verbessern, ist es sinnvoll, dass du bei den Übungen ins Schwitzen kommst und dein Puls beschleunigt wird, damit dein Herz- und Kreislaufsystem richtig belastet wird und Herz und Lunge gekräftigt werden. Natürlich kannst du ein solches „Kreislauftraining“ auch beim Hofgang durch Laufen erzielen oder in der Zelle durch Hopsen auf der Stelle oder nach Musik tanzen, wenn du Lust dazu hast, oder was immer für dich denkbar ist.

1. Hals:

Zweck: Geschmeidigmachen und Kräftigen der Halsmuskulatur, Lockerung der Halswirbelsäule, Verbesserung der Kopfhaltung durch Kräftigung der hinteren Streckmuskeln des Halses und des Kopfnickers

Ausführung: Vor Beginn jeder Übung den Hals lang strecken – jede Bewegung ausgiebig durchführen.

Lockerung und Dehnung:

Kopf nach vorn

fallen lassen und

nach hinten legen

Halsseitbeugen

(Kinn hoch oder Ohr auf Schulter)

Kopfkreisen und

Kopf rollen

Kräftigung:

Nackenübung:

Zur Kräftigung der Halsmuskulatur eignen sich die Nackenübungen:

die Brücke mit Handstütze

und das Senken zur Brücke

(als Partnerübung)

Verliert nicht den Mut, wenn diese Übung nicht auf Anhieb klappt. Bei all diesen Übungen zum Geschmeidigmachen und Kräftigen der Halsmuskulatur und zur Lockerung der Halswirbelsäule achtet darauf, dass vor jeder Übung der Hals lang gestreckt und jede Bewegung ausgiebig durchgeführt wird.

2. Arme und Schultern:

Wenn ihr Verkrampfungen im Arm- und Schulterbereich loswerden wollt, euch auf Muskeldehnungsübungen vorbereiten oder eine rasche Durchblutung der Muskeln erreichen wollt, dann beugt euren Oberkörper einfach leicht vor bzw. zurück und schüttelt eure entspannt herabhängenden Arme locker aus.

Zur Lockerung der Muskulatur eignen sich auch besonders

die weiten Pendelschwünge vorwärts und rückwärts,

seitwärts

und als ganzer Armkreis über den Kopf.

Lasst dabei euren Körper einfach mitschwingen und atmet ein, wenn die Arme in die Höhe, und aus, wenn sie durch die Tiefe schwingen. Versucht euren eigenen Rhythmus zu finden, das erleichtert den Bewegungsfluss.

Zum Geschmeidigmachen des Schultergürtels eignen sich die folgenden Übungen besonders gut: Stellt euch locker hin und lasst die Arme entspannt herabhängen. Nun zieht die Schulterblätter zusammen (ausatmen) und stoßt sie wieder auseinander (einatmen), danach schiebt mehrere Male die Schultern vor (ausatmen) und zurück (einatmen) und hebt anschließend ein paarmal eure Schultern (einatmen) und lasst sie wieder fallen (ausatmen). Sehr wohltuend ist auch das Schulterkreisen, das ganz langsam gemacht die beste Wirkung hat: Dabei zieht ihr beide Schultern gleichzeitig bis zu den Ohren hoch (ausatmen) und rollt sie nach hinten (einatmen) in einem ganzen Kreis wieder nach vorn.

Macht diese Übung am besten ein paarmal von vorn nach hinten und umgekehrt. Spätestens bei dieser Übung spürt ihr, wie sich allmählich die Verkrampfungen im Schultergürtel zu lösen beginnen.

Jetzt noch eine Übung, die nicht immer auf Anhieb gelingt. Versucht einmal, eure Hände hinter dem Rücken zu berühren! Dabei greift die rechte Hand über die rechte Schulter und die linke Hand von unten über die linke Schulter bzw. umgekehrt. Ihr werdet sehen, dass euch mit zunehmender Gelenkigkeit im Schulterbereich diese Übung immer leichter fallen wird.

Wer etwas für die Dehnung und Kräftigung seiner Schulter- und Rückenmuskulatur tun will, kann sich aus den Übungen die für ihn möglichen heraussuchen. Eure Muskulatur sollte aber schon durch einige der vorher genannten Übungen vorgewärmt sein, damit ihr keinen Muskelkater bekommt.

Übung: Schulterstrecken

Übung: Spannbeugesitz

Übung: Sitzwiegen

Am einfachsten ist das leichte Rumpfwippen und kann auch gut allein gemacht werden, indem ihr die Hände auf eine Stuhllehne oder Tischkante legt. Bei den Übungen zu zweit versucht zu erspüren, wieweit ihr die andere wirklich dehnen könnt, ohne dass es ihr weh tut, also keine Kraftakte!

Wer nicht weiß, wohin mit seiner Kraft, sollte die folgenden Übungen ausprobieren.

Übung: Liegestütz (allein oder mit Partnerin)

mit beiden Armen / auf einem Arm

mit Vorgreifen

Liegestütz-

Schiebekampf

Liegestütz-Ziehkampf

(oder Hände wegschlagen)

große

Bodenwelle

Eidechsenlauf

Schubkarren

Doppelliegestütz

Und wer mal so richtig zuschlagen will, kann sich vielleicht mit den folgenden Schnellkraftübungen Luft machen.

gerader Stoß vorwärts

gerade Boxstoß

Innenstoß/Arm-Kreuzstoß

3. Die Beine:

So, wer noch nicht genug hat, kann gleich mit den Beinen weitermachen. Zur Lockerung eurer Hüft- und Kniegelenke und der Beinmuskulatur könnt ihr

einfach die Unterschenkel

kreisen lassen

oder nach vorn und hinten pendeln.

Ihr könnt auch mehrere Male zuerst das eine und dann das andere Bein vor- und zurückpendeln.

Die ganz Standfesten unter euch sollten einmal versuchen mit dem Bein eine 8 zu ziehen, dabei kann man ganz schön leicht das Gleichgewicht verlieren.

Wer noch heute vom Ballett träumt, der kann ja mal versuchen, sein Bein bis zur Nasenspitze hochzuspreizen oder mit der Fußspitze die Hand zu berühren, vielleicht könnt ihr sogar mit der Hand den Fuß halten? Und wer kann mit der Nasenspitze seine Knie berühren? Oder seine Füße fassen?

Wenn ihr zu zweit seid, dann könnt ihr euch gegenseitig helfen.

Wollt ihr in alle Himmelsrichtungen gelenkig und geschmeidig sein? Dann probiert doch mal einige von diesen Übungen aus:

Kniestützbeuge

rückwärts

Fußrückziehen

Schrittweitung

im Knien

Beininnenseite (Beinbewegungen seitwärts):

Zweck: Dehnung der Muskeln auf der Innenseite der Oberschenkel

WICHTIG: Beim Einnehmen der weiten Seitgrätschstellung sind die Füße zur Vermeidung übermäßiger Belastung des inneren Fußrandes und daraus folgender Begünstigung einer Knick- und Senkfußbildung genau gleichlaufend nach vorn zu richten.

4. Weitere Übungen

Beine:

Rücken:

Bauch:

Auch Yoga kann eine sehr gute Art sein, sich körperlich und mental fit zu halten. Es gibt sehr viele Formen, Yoga zu praktizieren, z. B. Hatha-Yoga (körperbetont), Kundalini-Yoga (zur Erweckung und Lenkung der Lebensenergie), tibetisches Yoga, Vinyasa-Yoga usw.

Je nach Richtung spielen die verschiedenen Elemente unterschiedlich ausgeprägte Rollen, dazu zählen die Asanas (Körperübungen), Pranayama (Atemtechnik), Meditation, Mantras, Mudras. Yoga ist ein Teil des Ayurveda, der alten indischen Medizin, die den ganzen Menschen mit einschließt und außerdem Ernährungslehre, Heilpflanzen, Ölmassagen und Reinigungstechniken zur Gesunderhaltung benutzt.

Es gibt sehr viele Bücher zum Thema, ich verzichte deshalb an dieser Stelle auf weitere Ausführungen. Vielleicht könnt ihr euch verschiedene Bücher ausleihen und probieren, was euch gefällt.

13.2 Atemübungen

Unsere Gefühle beeinflussen unseren Atem. Wenn wir uns erschrecken, uns sehr ärgern, uns kurz und intensiv anstrengen oder auch von etwas hingerissen sind, halten wir ihn an. Wenn wir Panik bekommen oder aufgeregt sind, atmen wir schneller, wenn wir entspannt sind, ruhiger und tiefer.

Andersrum funktioniert es aber auch: Wenn wir uns z. B. in einer angstmachenden Situation auf unseren Atem konzentrieren, ihn tiefer und langsamer werden lassen, werden wir ruhiger und die Angst kann etwas zurückgehen, wir werden wieder handlungsfähiger. Durch Übung und Steuerung der Atmung können wir uns besser kontrollieren und Belastungen besser aushalten. Man kann üben, seinen Atem bewusster wahrzunehmen, um z. B. Hinweise auf Gefühle zu bekommen, aber auch um Einfluss auf Körper und Psyche auszuüben.

Wenn du ein paarmal kräftig tief und langsam durchatmest, merkst du, wie spannungslösend und gleichzeitig erfrischend das sein kann. Oder dir wird erstmal schwindlig. Das zeigt dir, dass dein Kreislauf gar nicht mehr gewohnt ist, so viel Sauerstoff auf einmal zu bekommen. In dem Fall solltest du wirklich mal Gymnastik oder Atemübungen machen oder einfach ab und zu rumhopsen oder dich sonst wie verausgaben, bis du richtig außer Atem kommst.

Wenn du magst, setz dich doch mal aufrecht hin, am besten auf die Kante vom Stuhl oder Bett, die Füße fest auf dem Boden, die Schultern locker, das Gesicht nach vorne gerichtet, und achte auf deinen Atem, ohne ihn zu verändern:

Ist er schnell oder langsam, gleichmäßig, oder machst du Atempausen, atmest du durch Mund und Nase gleichermaßen, oder z. B. durch die Nase ein und durch den Mund aus? Ist dein Atem flach oder tief, geht er in Bauch, Brust, Flanken? Benutzt du noch andere Muskelpartien, ziehst z. B. die Schultern hoch? Nimmst du wahr, wie sich deine Bauchdecke hebt und senkt, wie deine Rippen sich bewegen? Wie lang sind deine Einatmung, deine Ausatmung und die Pause dazwischen?

Wenn du Lust hast, kannst du jetzt versuchen, wie es sich anfühlt, wenn du deinen Atem bewusst veränderst, z. B. die Intensität oder Häufigkeit der Atemzüge, Bauch- oder Brustatmung usw. Bemerkst du einen Unterschied?

Was gehört zum „guten“ Atmen?

Relativ langsam und regelmäßig atmen, dabei ist das Ausatmen wichtiger als das Einatmen, d. h., es muss erstmal alle verbrauchte Luft aus der Lunge heraus, ehe wieder frische Luft rein kann. Ausatmen soll also länger dauern als Einatmen. Am Anfang kann das Schwierigkeiten machen, weil man’s meist nicht gewöhnt ist. Als Hilfe z. B. auf vier zählen beim Einatmen, die Luft kurz anhalten, auf sechs zählen beim Ausatmen, wieder kurze Pause. Ihr könnt auch gehen und dabei die Schritte zählen. Einatmen wenn möglich durch die Nase, Ausatmen durch Nase oder Mund. Wenn möglich mit Bauch und Brustkorb atmen. Wenn es euch schwerfällt, legt euch mal hin, die Hände auf den Bauch gelegt, und versucht ganz bewusst, beim Einatmen die Luft in den Bauch strömen zu lassen, so dass der Bauch sich wölbt und die Hände sich heben. Beim Ausatmen mit den Händen ein wenig helfen, die Luft wieder rauszupressen, bis der Bauch ganz flach ist. Dabei sollte sich der Brustkorb gar nicht bewegen. Oder ihr legt die Hände mal an die Körperseite in Höhe der Taille und versucht bewusst gegen sie zu atmen (= Flankenatmung, die von den meisten Menschen viel zu wenig genutzt wird). Bei „guter“ Atmung sollten alle drei Atmungsarten miteinander verbunden sein.

Was kann durch „gute“ Atmung erreicht werden?

Ein guter Atemrhythmus kann sich sehr positiv auf Kreislauf und Nervensystem auswirken, weil die ja alle miteinander in Verbindung stehen. Eure Atem- bzw. Atemhilfsmuskulatur bleibt kräftig und elastisch: Bauchmuskeln, Zwischenrippenmuskulatur, Zwerchfell – ihr könnt also richtig tief Atem holen, wenn’s notwendig ist. Die Lunge wird beim Atmen ganz entfaltet, mehr Sauerstoff kann aufgenommen werden und Krankheitserreger können sich nicht so leicht einnisten. Euer Kreislauf kann ökonomischer arbeiten. Das Herz braucht nicht mehr so schnell zu schlagen, der Blutrückfluss zum Herzen wird unterstützt. Durch Bauchatmung massiert ihr gleich die Organe im Bauchraum mit. Besonders wirksam kann das bei Verstopfung sein. Wenn ihr nicht einschlafen könnt, versucht ganz langsam und regelmäßig zu atmen, zählt sogar mit. Und gerade auch bei Aufregung oder Angst kann es helfen, wenn ihr bewusst und ruhig zu atmen versucht; euer Herz schlägt dadurch langsamer und ihr seid mehr auf euch selbst konzentriert, „bei euch“, wie es so schön heißt.

Schmerzen – bei Bauchschmerzen wird das besonders deutlich – können auch durch gezielt eingesetzte Atmung gelindert werden. Weil man sich einerseits dadurch von der direkten Quelle des Schmerzes etwas ablenkt und weil andererseits etwaigen Muskelverkrampfungen, die den Schmerz häufig noch verschlimmern, entgegengewirkt wird. Versucht in diesen Fällen ganz bewusst in die schmerzende Körpergegend „hineinzuatmen“. Ein „Hineinatmen“ in einen Körperteil hilft z. B. auch, wenn ihr kalte Füße oder Hände habt: Sie werden dann besser durchblutet, ähnlich wie das beim autogenen Training der Fall ist.

Hier noch einige Atemübungen:

Im Stehen: Atmet ein und nehmt dabei Schultern und Arme mit nach oben; lasst sie beim Ausatmen wieder locker fallen.

Führt die Arme beim Einatmen langsam seitlich hoch, über dem Kopf die Hände bei gestreckten Armen fassen, die Handflächen nach oben drehen und zur Decke strecken. Ausatmen und dabei die Arme wieder seitlich absinken lassen.

Stellt euch gegrätscht mit leicht gebeugten Beinen hin. Macht kräftige Fauststöße nach allen Richtungen und atmet dabei stark und hörbar aus.

Im Knien: Diese Übung unterstützt vor allem die Bauchatmung und damit die Beweglichkeit des Zwerchfells. Kniet euch auf den Boden und stützt beide Arme auf („Bankstellung“). Wenn ihr jetzt ausatmet, dann macht einen Katzenbuckel und zieht den Kopf auf die Brust; beim Einatmen lehnt ihr den Kopf weit zurück und lasst den Bauch so richtig durchhängen.

Im Liegen: Besonders um die Flankenatmung zu üben, geht mit den Beinen hoch in die Kerze und versucht dann langsam mit den Füßen hinter dem Kopf auf den Boden zu kommen. Legt jetzt die Hände an die Taillenseite und atmet bewusst gegen die Hände.

Übrigens, was ganz wichtig ist: Wenn ihr irgendwas Kurzes, aber Anstrengendes macht, z. B. was hebt, stoßt, schiebt oder irgendwelche Übungen macht, bei denen ihr eure Muskeln schnell kräftig anspannt, dann atmet immer dabei aus! Ruhig hörbar. Ihr habt dann tatsächlich mehr Kraft, euer Zwerchfell ist entspannt und es entsteht kein Pressdruck im Brustraum.

13.3. Entspannungsübungen

1. Autogenes Training

Autogenes Training beruht auf der Erkenntnis, dass sich mit der körperlichen Entspannung auch seelische Verkrampfungen lösen können. Mangelnde Konzentration, Angst, Unruhe können mit Hilfe von autogenem Training bekämpft werden. Durch innere Entspannung kann die, die autogenes Training macht, besser in der Lage sein, Situationen einzuschätzen, sich zu beherrschen, wenn man am Ausflippen ist.

Autogenes Training ist erstmal nichts anderes, als sich körperlich und seelisch zu entkrampfen. Zu lernen, ein besseres Gefühl zu sich selbst zu bekommen. Das autogene Training beruht darauf, dass man sein autonomes vegetatives Nervensystem zu regulieren beginnt. Das heißt, man beeinflusst bewusst die Körperfunktionen, die sonst unbewusst und automatisch arbeiten, wie Herzschlag, Atmung usw. Normalerweise hat man genug damit zu tun, sein willkürliches Nervensystem zu beherrschen. Durch Abschalten und Konzen-
tration kann man genauso die Weite der Blutgefäße steuern, wie man zu laufen gelernt hat. Dabei handelt es sich um nichts anderes als Entspannung und ein anderes „Sich-selbst-Kennenlernen“.

Um es zu erlernen, braucht man Geduld, und wenn nach einem Monat noch nichts hinhaut, sollte man nicht gleich das Handtuch werfen.

Man sollte anfangs wenigstens dreimal am Tag zu üben versuchen. Dazu braucht man jeweils 10–15 Minuten, manchmal etwas kürzer. Wenn man Spaß dran hat, halt etwas länger.

Ihr könnt euch die Formeln (s. u.) selbst im Inneren leise vorsagen. Oder ihr bittet jemanden, sie euch vorzulesen, dann könnt ihr euch besser auf euren Körper konzentrieren. Ihr könnt das auch wunderbar in der Gruppe machen, dann kann immer jemand anderes die Formeln sagen, wenn ihr geübt seid, kann die Person dabei auch selbst mitmachen.

Wenn ihr die Möglichkeit habt, eine CD zu benutzen, könnt ihr alleine üben und trotzdem besser bei euch bleiben. Es gibt haufenweise solcher CDs, auf denen die Formeln aufgenommen wurden.

Eins noch vorab: Jede Entspannung, das gilt auch für Meditation, braucht ein gewisses Maß an Sicherheitsgefühl. Indem ihr euch auf euren Körper konzentriert, verwendet ihr weniger Aufmerksamkeit auf eure Umgebung, das ist auch der Sinn dieser Übungen. Wenn ihr euch allerdings überhaupt nicht sicher fühlen könnt, bedeutet das nur zusätzlichen Stress. Das kann an eurer realen Situation liegen, aber auch Menschen mit traumatischen Erfahrungen bekommen oft zusätzlichen Stress, wenn sie Kontrolle abgeben, ganz besonders bei autogenem Training. Wenn du also den Eindruck hast, du kannst dich gar nicht einlassen, oder du bekommst Angst oder fühlst dich sehr unwohl, dann hör damit auf. Es kann sein, dass du andere Übungen gut machen kannst, ohne Probleme zu bekommen, z. B. PMR(progressive Muskelrelaxation) oder den Bodyscan. Oder Entspannungsübungen sind nichts für dich, du kannst dich aber z. B. beim Malen entspannen.

Die einfachste Übung ist die Schwereübung. Jede hat schon mal schwere (müde) Beine gehabt. Auch die Wärmeübung ist einfach zu lernen. Aber man soll immer erst eine Stufe beherrschen, bevor man zur nächsten übergeht. Man kann autogenes Training im Sitzen auf einem Stuhl bei möglichst entspannter Haltung üben, in der sogenannten Droschkenkutscherstellung: Dabei richtet man sich im Sitzen auf, streckt die Wirbelsäule und sackt dann in ihr zusammen. Dabei darf der Bauch nicht gepresst werden. Der Kopf hängt locker nach vorn. Die Hände liegen spannungslos auf den Oberschenkeln. Sie sollten sich nicht berühren. Die Beine nicht übereinanderschlagen! Die Augen sind geschlossen, wenn das für dich geht. Ansonsten kannst du auch einen Punkt anvisieren und den Blick dort ruhen lassen.

Man kann natürlich auch im Liegen trainieren. Die Handflächen liegen neben den Oberschenkeln. Die Ellenbogen sind leicht angewinkelt. Wichtig ist die entspannte Haltung. Man beginnt nun das Training mit der Formel „Ich bin vollkommen ruhig“. Beendet wird das Training mit der Formel „Arme fest“ (dabei werden die Arme gebeugt und gestreckt), „tief atmen“ (dabei wird einmal tief durchgeatmet) und „Augen auf“ (Augen werden geöffnet – Trainingsende). Diese drei Formeln sollten unbedingt am Ende jedes Trainings stehen, um wieder gut in der äußeren Situation anzukommen.

Diese formelhaften Sätze spricht man nicht laut, sondern denkt sie nur ganz intensiv.

Erste Übung: Schwereübung

Nach der Formel „Der rechte Arm ist ganz schwer“ (bei Linkshänderinnen der linke Arm). Die ersten 2–6 Wochen übt man also in entspannter Haltung:

„Ich bin vollkommen ruhig“ (einmal)

„Der rechte Arm ist ganz schwer“ (sechsmal)

„Arme fest, tief atmen, Augen auf“ (einmal)

Anfangs kann man diese Übung 10-, 20-, 30-mal wiederholen. Aber immer die ganze Übung, natürlich ohne die Formel „Arme fest“ usw. Die kommt immer erst am Trainingsende. Die eingetretene Schwere kann man auch in den gegenüberliegenden Arm, in die Beine, in den gesamten Körper gleiten lassen. Mit der Formel „Der ganze Körper ist schwer“. Du kannst diese Übung ausprobieren, wenn du nicht einschlafen kannst.

Zweite Übung: Wärmeübung

Nach der Formel „Der rechte Arm ist ganz warm“. Natürlich kann man, wenn die Übung mit dem Arm klappt, die Wärme auch in den ganzen Körper fließen lassen, nach der Formel „Der ganze Körper ist warm“.

„Ich bin vollkommen ruhig“ (einmal)

„Der rechte Arm ist ganz schwer“ (sechsmal)

„Der ganze Körper ist schwer“ (sechsmal)

„Der rechte Arm ist ganz warm“ (sechsmal)

„Der ganze Körper ist warm“ (sechsmal)

Nach Bedarf kann die Formel „Ich bin vollkommen ruhig“ zwischendrin immer wieder eingeschoben werden. Am Ende der Übung wieder:

„Arme fest, tief atmen, Augen auf“ (einmal)

Auch diese Übung kann man wiederholen, so oft es Spaß macht. Wenn’s gut klappt, die nächste Übung.

Dritte Übung: Herzübung

Mit der Formel „Herz schlägt ganz ruhig und kräftig“. Bei manchen kommt ein unregelmäßiger Herzschlag vor, dann nach der Formel „Herz arbeitet ruhig und regelmäßig“. Alle, die sich eingehender mit dem autogenen Training beschäftigt haben, sagen, dass es gerade bei der Herzübung wichtig ist, die angegebene Formel zu denken und nichts anderes. Versucht man sein Herz zu verlangsamen oder zu beschleunigen, kann es zu sehr unangenehmen Erscheinungen kommen, die sogar lebensgefährlich werden können!

„Ich bin vollkommen ruhig“ (einmal)

„Der rechte Arm ist ganz schwer“ (sechsmal)

„Der ganze Körper ist schwer“ (sechsmal)

„Der rechte Arm ist ganz warm“ (sechsmal)

„Der ganze Körper ist warm“ (sechsmal)

„Herz schlägt ganz ruhig und kräftig“ (sechsmal)

Am Ende der Übung:

„Arme fest, tief atmen, Augen auf“ (einmal)

Jede hat mal ihr Herz bewusst schlagen gefühlt, z. B. nach schnellem Laufen oder bei Aufregung, da kann man’s bis zum Hals schlagen fühlen. Durch autogenes Training wird einer der Herzschlag wieder bewusst, ohne dass man sich körperlich anstrengt oder psychisch beansprucht ist. Spürst du bei dieser Übung den eigenen Herzschlag nicht, dann lege deine rechte Hand auf die Herzgegend und mache die Übung nochmal. Mit der Zeit spürst du dann dein Herz auch ohne dieses Hilfsmittel.

Vierte Übung: Atemübung

Nach der Formel „Atmung ganz ruhig“, d. h., die Atmung soll nicht bewusst beeinflusst werden, sondern sie soll sich selbst entwickeln. Man soll sich ihr „hingeben“. Die Atmung geht dann durch den ganzen Körper. Bisherige Übungen:

„Ich bin vollkommen ruhig“ (einmal)

„Der rechte Arm ist ganz schwer“ (sechsmal)

„Der ganze Körper ist schwer“ (sechsmal)

„Der rechte Arm ist warm“ (sechsmal)

„Der ganze Körper ist warm“ (sechsmal)

„Herz schlägt ganz ruhig und kräftig“ (sechsmal)

„Atmung ganz ruhig“ (sechsmal)

Vor Beendigung wieder:

„Arme fest, tief atmen, Augen auf“ (einmal)

Fünfte Übung: Leibübung

Nach der Formel „Sonnengeflecht strömend warm“. Das Sonnengeflecht (Solarplexus bei der Boxerin) liegt hinter dem Magen, in der Tiefe. Man kann die Gegend zwischen Ende des Brustbeins und Bauchnabel fühlen. Es ist das größte Nervengeflecht des vegetativen, d. h. unbewussten Nervensystems, das hier von dir beeinflusst wird. Man spürt bei dieser Übung ein angenehmes Wärmegefühl im Oberbauch, das sich von dort ausbreitet. In der zweiten Übung (Wärmeübung) geht die Wärme von den Gliedern aus. Hier geht die Wärme vom Zentrum des Körpers aus. Training:

„Ich bin vollkommen ruhig“ (einmal)

„Der rechte Arm ist ganz schwer“ (sechsmal)

„Der ganze Körper ist schwer“ (sechsmal)

„Der rechte Arm ist ganz warm“ (sechsmal)

„Der ganze Körper ist warm“ (sechsmal)

„Herz schlägt ganz ruhig und kräftig“ (sechsmal)

„Atmung ganz ruhig“ (sechsmal)

„Sonnengeflecht strömend warm“ (sechsmal)

Am Schluss:

„Arme fest, tief atmen, Augen auf“ (einmal)

Sechste Übung: Kopfübung

Mit der Formel „Stirn angenehm kühl“. Manche erleben bei dieser Übung, dass vor der Stirn ein angenehm kühler Wind vorbeistreift. „Einen kühlen (klaren) Kopf behalten“, genau das erreicht man mit Hilfe dieser Übung. So sieht jetzt das gesamte autogene Training aus. Die zwischen jede Übung eingeschobene Formel „Ich bin vollkommen ruhig“ ist ratsam, weil sie einen noch mehr in sich einsinken lässt, aber man kann sie auch weglassen.

„Ich bin vollkommen ruhig“ (einmal)

„Der rechte Arm ist ganz schwer“ (sechsmal)

„Ich bin vollkommen ruhig“ (einmal)

„Der ganze Körper ist schwer“ (sechsmal)

„Ich bin vollkommen ruhig“ (einmal)

„Der rechte Arm ist ganz warm“ (sechsmal)

„Ich bin vollkommen ruhig“ (einmal)

„Der ganze Körper ist warm“ (sechsmal)

„Ich bin vollkommen ruhig“ (einmal)

„Herz schlägt ganz ruhig und kräftig“ (sechsmal)

„Ich bin vollkommen ruhig“ (einmal)

„Atmung ganz ruhig und gleichmäßig“ (sechsmal)

„Sonnengeflecht strömend warm“ (sechsmal)

„Ich bin vollkommen ruhig“ (einmal)

„Stirn angenehm kühl“ (sechsmal)

„Ich bin vollkommen ruhig“ (einmal)

Eigener formelhafter Vorsatz, wie z. B.:

„Ich schaffe es“ (ca. 10- bis20-mal)

„Ich bin vollkommen ruhig“ (einmal)

„Arme fest, tief atmen, Augen auf“ (einmal)

Noch etwas zu den eigenen formelhaften Vorsätzen: Wenn man ein besonderes Problem bewältigen will, kann man die Wirkung des autogenen Trainings ganz gezielt verstärken. Eigene formelhafte Vorsätze: Das sind kurze ermutigende Sätze, die man in das Training einbaut. Man kann diese Sätze auch immer wieder zwischen die einzelnen Übungen einbauen. Durch das ständige Wiederholen dringen diese kurzen Formeln ins Unterbewusstsein und wirken wie eine Art Selbsthypnose. So kann man sich tatsächlich mehr Mut, mehr Selbstvertrauen, mehr Sicherheit einflößen. Wichtig ist, dass diese Formeln einfach sind und dass sie positiv ausgedrückt werden, z. B. wenn man sich von übermäßiger Angst befreien will, sagt man: „Ich bin ganz ruhig und frei“ anstatt „Ich habe keine Angst“. Die formelhaften Vorsätze sollen keine Verbote und Gebote sein, im Sinne von „Ich darf nicht ...“ oder ,,Ich muss. Sie sollen ganz einfach nur Selbstvertrauen und Optimismus ausdrücken.

Wie schon anfangs gesagt, man sollte sich für die ersten zwei Übungen zwei bis sechs Wochen Zeit lassen. Für jede weitere Übung ca. zwei Wochen. Dabei sollte man wenigstens zweimal täglich 10–15 Minuten trainieren. Und unbedingt systematisch, genau nacheinander vorgehen.

Der Sinn des autogenen Trainings ist es also, bessere Konzentration zu erlangen. Situationen durchzustehen, die man sonst nicht so einfach bewältigen würde, z. B. bei Verhören, beim Prozess. Das autogene Training kann dir helfen, das Spiel der anderen zu durchschauen, bedacht, aber wirksam zu reagieren, so dass man unangreifbarer wird und Psychospiele schwieriger. Es mag einem etwas künstlich vorkommen, sich mit Hilfe solcher „Selbstbeschwörungen“ zu beeinflussen, aber es kann sehr wirksam sein und ist eine Sache der Gewöhnung.

2. Progressive Muskelrelaxation (PMR) nach Jacobson

Das ist auch eine Entspannungsmethode, die jedoch nicht über Autosuggestion funktioniert, sondern darüber, den Kontrast zwischen körperlicher Anspannung und Entspannung bewusst wahrzunehmen und dadurch zu lernen, sich selbst schnell in einen entspannten Zustand zu bringen bzw. Spannungsgefühle besser wahrzunehmen. Dabei ist der Leitgedanke, dass ein entspannter Körper auch zu einem entspannten Geist führt.

Auch hierzu gibt es CDs, es lässt sich aber auch ganz gut alleine machen, ist leicht zu lernen.

Lege oder setze dich dazu bequem hin, die Augen geschlossen oder auf einen Punkt gerichtet. Anders als beim autogenen Training ist der Wortlaut hier nicht von Bedeutung. Die Übung muss auch nicht jedes Mal exakt gleich ablaufen.

Ihr findet hier eine lange Version, ihr könnt aber mit wenigen Muskelgruppen anfangen und mal länger, mal kürzer üben, indem ihr Muskelgruppen zusammenfasst, z. B. die Beine und Füße als Ganzes anspannt, oder euch z. B. nur auf Kopf und Gesicht beschränkt.

Wichtig ist, dass die Entspannungsphase länger dauert als die Anspannung. Wenige Sekunden Anspannung reichen aus, erforscht danach in Ruhe, wie sich die Entspannung im Gegensatz dazu anfühlt und ob ihr vielleicht noch etwas mehr loslassen könnt.

Der Text soll nur zum Lernen und als Erinnerungshilfe dienen, versucht währenddessen nicht abzulesen, sondern so zu üben, wie es euch gerade in den Sinn kommt. Wenn dir der Text nicht gefällt, formuliere ihn so um, dass du dich angesprochen fühlst.

Vorbereitung: Ich setze oder lege mich ganz entspannt hin – lockere alles, was mich beengt –, schließe die Augen und lasse die Schultern möglichst locker. Nun atme ich fest ein – halte die Luft fest und lasse sie wieder ausfließen. Ich stelle mir dabei vor, dass alles Unangenehme des Tages aus mir herausströmt. Jedes Ausatmen lässt mich noch ein bisschen inneren Druck loswerden.


Hände und Arme: Ich balle die dominante Hand zur Faust, halte sie gespannt und beobachte die Spannung. Nun löse ich sie wieder, achte auf dieses Gefühl des Überganges und nun auf die Entspannung der Hand. Ich nehme alle kleinen Zeichen wie Kribbeln, Wärme und dergleichen war.

Und nun balle ich die andere Hand zur Faust, halte sie gespannt – und löse sie wieder. Wie erlebe ich diese Hand heute? Erkenne ich Unterschiede?

Jetzt wende ich mich beiden Händen gleichzeitig zu und spanne die Fäuste fester und fester. Ich studiere die Empfindungen und entspanne wieder.

Jetzt gehe ich weiter zu den Oberarmen. Ich beuge die Ellenbogen und drücke die Unterarme gegen die Oberarme. Ich lasse dabei die Hände ganz locker und konzentriere mich auf die Spannung der Bizepsmuskeln. Nun lasse ich die Arme wieder locker auf die Unterlage sinken und entspanne wieder.

Nun drehe ich beide Hände, so dass die Handflächen nach oben zeigen. Ich drücke die Arme in den Ellenbogen fest durch und spüre die Spannung von den Fingerspitzen bis zu den Schultern. Dann lasse ich wieder los und bringe die Arme wieder in eine bequeme Ausgangslage. Ich genieße die Entspannung. Die gesamten Arme sind nun entspannt – ich lasse mir Zeit, nachzuspüren.

Gesicht: Ich bleibe ruhig und entspannt und wende mich nun dem Gesicht zu.

Zuerst runzle ich die Stirn, indem ich die Augenbrauen gegen den Haaransatz hochziehe. Ich registriere die Spannung in der Stirn und lasse wieder los. Ich mache die Stirn ganz glatt und achte auf die Veränderung. Ich spüre die Ruhe, die von meiner entspannten Stirn ausgeht.

Nun gehe ich zur Augenregion: Ich drücke die Augenlider fest zusammen – beobachte die Spannung – und lasse los. Ich erlebe, wie sich die Augen und das ganze Gebiet rundherum entspannen und sich alle Fältchen glätten. Die Augen, Augenlider und Wangen können sich nun gut entspannen.

Nun geht es weiter zur Mundregion: Ich beiße die Zähne fest aufeinander – ich erspüre den Druck und die Spannung in den Kiefermuskeln – und lasse locker. Ich öffne leicht den Mund und lasse den Unterkiefer heruntersinken – und spüre der Entspannung nach.

Ich drücke die Zunge hinter den oberen Zähnen gegen den Gaumen. Ich beobachte den Druck und Gegendruck und alle Empfindungen der Zunge bis in den Hals. Nun lasse ich los und erlaube der Zunge, in eine bequeme Lage zurückzukehren. Ich lasse die Entspannung wirken. Ich beobachte die Entspannung im Mundinnenraum und den freien Speichelfluss.

Und jetzt zu den Lippen: Ich presse die Lippen fest aufeinander. Ich halte die Spannung fest und lasse wieder locker. Ich achte auf das angenehme Gefühl der Lösung und Wärme in den Lippen.

Das ganze Gesicht ist nun entspannt und ruhig. Ich lasse noch mehr los und erlaube der Entspannung, sich überallhin auszubreiten.

Nacken, Schultern, oberer Rücken: Ich bleibe so ruhig und entspannt und wende mich Nacken, Schultern und oberem Rücken zu.

Ich verschiebe den Kopf nach hinten, so dass ich die Nackenmuskeln gut spüren kann. Nun rolle ich ihn in der Spannung nach rechts – und nach links, beobachte dabei die Verlagerung der Spannung – und lasse ihn locker auspendeln. Ich nehme die Entspannung und Wärme im Nacken wahr. Ich lasse im Nacken ganz los und angenehme Wärme auch in den Hinterkopf strömen.

Nun ziehe ich die Schultern hoch in Richtung Ohren, achte auf das Spannungsgefühl in den Schultermuskeln – und lasse die Schultern wieder locker fallen. Ich beobachte die Entspannung, Nacken und Schultern lösen sich wieder. Die Entspannung kann sich im Schultergürtel und Hals weiter entwickeln und vertiefen.

Falls ich sitze, lasse ich nun den Kopf nach vorne sinken und drücke mit dem Kinn leicht Richtung Brust. Ich fühle den Zug im Nacken und den Druck in der Kehle – und richte den Kopf wieder so auf, dass er gut in der Wirbelsäule ruht. Ich spüre gut nach, wie sich das anfühlt.

Falls ich gerade liege, so hebe ich den Kopf, drücke auch Richtung Brust kurz nach, nehme die Empfindungen wahr und lasse den Kopf auf die Unterlage zurücksinken. Ich spüre die Erleichterung in Hals, Nacken und Schultern und genieße die Entspannung.

Nacken, Schultern und oberer Rücken sind nun ganz entspannt. Ich gönne mir einige Zeit, die Entspannung wirken und sich in den ganzen Körper ausbreiten zu lassen.


Brust, Bauch, Kreuz: Ich wende mich nun der Brust, dem Bauch und dem Kreuz zu. Ich atme leicht und frei ein und aus und spüre, wie ich mich bei jedem Ausatmen mehr und mehr entspanne. Nun atme ich fest ein und fülle die Lunge, so weit ich kann, – halte die Spannung fest – und lasse die Luft ausfließen. Ich spüre, wie der Druck nachlässt, und atme frei weiter. Ich erlaube den Muskeln des Brustkorbes, sich ganz zu lösen. Ich genieße, wie ich wieder in meinem eigenen Atemrhythmus weiter atmen kann, ohne Druck und Spannung.

Nun gehe ich zum Bauch über und ziehe ihn fest ein. Ich registriere das Gefühl und lasse locker. Nach ein paar guten Bauchatemzügen mache ich meine Bauchmuskeln fest und hart, drücke den Bauch hinaus und lasse locker. Nach ein paar neuerlichen freien Atemzügen ziehe ich ihn jetzt, ohne dazwischen zu atmen, ein, drücke ihn hinaus, ziehe wieder ein und lasse jetzt völlig locker. Ich genieße nun meinen Atem in meinem persönlichen Rhythmus und lasse den ganzen Leib leicht mitschwingen.

Nun konzentriere ich mich auf das Kreuz. Ich wölbe das Kreuz zu einem Hohlkreuz und beobachte die Spannung in der Wirbelsäule, in den Hüften und im Rücken. Dann entspanne ich das Kreuz wieder und achte genau auf alle Veränderungen. Der Leib ist nun gut entspannt und durchwärmt. Ich lasse die Entspannung, die ich fühle, sich weiter ausbreiten und heilend überall hingehen, wo ich es besonders brauche.

Beine: Als Letztes gehe ich zu den Beinen, von den Hüften bis zu den Zehenspitzen. Ich spanne gleichzeitig die Gesäß- und Oberschenkelmuskeln an, halte die Spannung fest – und löse sie wieder. Ich achte dabei auf alle Veränderungen bei der Spannung und Entspannung.

Und jetzt zu den Unterschenkeln und Füßen: Ich spanne den Rist, drücke die Zehen nach unten, weg vom Gesicht, und beobachte, wo ich überall die Spannung fühlen kann. Nun lasse ich los und spüre nach: Ich lasse die Füße wieder gut auf den Boden und spüre die Entspannung.

Nun drücke ich die Zehen nach oben, in Richtung Gesicht, bis ich die Spannung an den Schienbeinen verspüre – halte sie fest – und entspanne wieder. Ich spüre in den Unterschenkeln den Veränderungen nach und lasse alle Fußreflexzonen gut entspannen.

Der ganze Körper ist jetzt entspannt. Die Entspannung breitet sich aus und fließt überall hin. Ich atme nun zehnmal aus und ein und zähle mit. Bei jeder Zahl werde ich spüren, wie ich immer mehr loslasse, bis ich mich bei 10 ganz angenehm entspannt fühle: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10.

Nach einer beliebigen Pause: Jetzt wandle ich das Gefühl der Entspannung um in eine Frische und ein Ausgeruhtsein, wie nach einem kleinen Mittagsschlaf, indem ich von 5 bis 1 rückwärts zähle. 5 – es geht langsam ans Aufwachen, 4 – ich bewege leicht die Finger und Zehen, 3 – ich mache eine Faust mit beiden Händen und ziehe dreimal ganz kräftig die Arme an. Ich atme aus, 2 – ich mache die Augen auf und 1 – ich bin wieder ganz wach.

13.4 Imaginationsübungen:

Viele innere Vorgänge können wir durch unsere Vorstellung beeinflussen. Die Hirnforschung sagt, ob wir etwas real erleben oder uns nur vorstellen, es zu erleben, macht für die körperlichen Vorgänge, die ablaufen, also was in unserem Gehirn und Nervensystem passiert, keinen großen Unterschied.

Das heißt z. B., wenn du dir vorstellst, in den Arm genommen zu werden (aber auch jede andere Situation ist denkbar), daran denkst, wie sich das anfühlt, laufen in deinem Körper vergleichbare Vorgänge ab wie bei einer realen Umarmung, es werden z. B. die gleichen Hormone ausgeschüttet. Wenn eine Umarmung für dich angenehm ist, wird vielleicht dein Atem ruhiger, du bekommst ein warmes Gefühl im Bauch, fühlst dich angenommen und geborgen.

Gerade im Knast, wo Körperkontakt sehr schmerzlich fehlen kann, können wir uns das zunutze machen.

Wenn du z. B. nicht schlafen kannst, weil du dich nicht sicher fühlst, kannst du dir beispielsweise vorstellen, eine Hecke um dein Bett wachsen zu lassen, die niemand durchdringen kann, eine unsichtbare Wand, eine Glasglocke oder was immer für dich vorstellbar ist. Das verändert zwar nichts an deiner äußeren Situation, aber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wird sich dein Gefühl verändern.

Wenn du auf diese Art deine Phantasie gebrauchst, rumprobierst, was sich gut anfühlt, wird sich auch dein Gefühl zu dir selbst verändern. Du wirst handlungsfähiger, kannst selbst Einfluss nehmen. Du wirst vielleicht deine Grenzen stärker wahrnehmen und dich sicherer damit fühlen, sie zu stärken und zu verteidigen. Nach einer Weile wirst du dich vielleicht weniger angreifbar fühlen.

1. „Der sichere innere Ort“

Eine sehr oft angewandte Übung ist „Der sichere innere Ort“ nach Luise Reddemann:

Nimm dir etwa fünfzehn Minuten Zeit, in denen du möglichst ungestört bist. Entwickel innerlich ein Bild von einem Ort, an dem du dich absolut sicher, wohl und geborgen fühlst ... Das kann ein Ort sein, an dem du schon einmal warst. Vielleicht erinnerst du dich an einen Ort, der für dich etwas Besonderes war und der auf dich eine heilende Wirkung hatte ... Es kann aber auch ein Ort sein, den du dir in deiner Phantasie vorstellst, von dem du einmal gelesen hast oder von dem du geträumt hast. In deinerVorstellung ist alles möglich ... Es ist ein Ort, den nur du allein betreten kannst und allenfalls freundliche, hilfreiche Wesen, die du herbeibittest oder -rufst. Menschen sollten keinen Zugang zu diesem Ort haben. Lass dir Zeit und begib dich auf die Suche nach einem solchen Ort ...

Vielleicht siehst du Bilder ... vielleicht spürst du irgendetwas ... vielleicht denkst du zunächst auch nur an einen solchen Ort. Lass auftauchen, was auch immer auftaucht, und nimm es an ... Sollten bei deiner Suche nach dem sicheren inneren Ort unangenehme Bilder oder Gedanken auftauchen – was schon einmal geschehen kann –, so beachte diese möglichst nicht und gehe weiter. Sei dir gewiss, dass es diesen sicheren Ort für dich gibt und du nur eine Zeit lang geduldig suchen musst.

Es kann sein, dass der Ort ganz in deinerNähe aufzuspüren ist, es kann aber auch sein, dass er sehr weit entfernt irgendwo auf dieser Welt / in diesem Universum ist ... Mach dir bitte klar, dass du bei der Suche und Ausgestaltung deines sicheren inneren Ortes alle nur denkbaren Hilfsmittel zur Verfügung stehen hast, zum Beispiel Fahrzeuge, Werkzeuge, Materialien und sogar magische Hilfsmittel.

Wenn du das Gefühl hast, einen Ort gefunden zu haben, an dem du dich wohl und geborgen fühlst, dann gib ihm einen Namen deiner Wahl ... Jetzt prüfe, ob du dort wirklich ganz und gar sicher bist und dich wohl fühlst. Schaue nach, ob du es dir dort bequem machen kannst. Es ist wichtig, dass du dich vollkommen wohl, geborgen und sicher fühlst. Richte dir deinen sicheren inneren Ort also bitte so ein, dass dies möglich ist. Lass dir Zeit, stell dir das alles genau vor und beschreibe es für dich in deinem Inneren ...Wenn du deinen sicheren inneren Ort gefunden hast und ihn zu deinem völligen Wohlbefinden und deiner Sicherheit ausgestaltet hast, lass dich dort ein wenig nieder und spüre bitte genau, wie es deinem Körper damit geht, an diesem sicheren Ort zu sein. Lass dir Zeit.

Was siehst du? – Was hörst du? – Was riechst du? – Was spürst du auf der Haut? – Wie geht es deinen Muskeln? – Wie ist deine Atmung? – Wie geht es deinem Bauch? – Entspricht die Temperatur an deinem sicheren Ort deinen Bedürfnissen? Nimm das bitte ganz genau wahr, damit du weißt, wie es sich anfühlt, an diesem sicheren Ort zu sein. Bleibe noch einen Augenblick an deinem Ort und genieße das Wohlgefühl, die Sicherheit und die Geborgenheit, die dir dein Ort gibt ...

Damit es dir künftig leichter fällt, an deinen sicheren Ort zurückzukehren, verabrede jetzt mit dir selbst ein Zeichen, mit dessen Hilfe du jederzeit an deinen sicheren Ort gehen kannst. Das kann eine kleine Körpergeste sein, die du oft ausführst, oder eine neue kleine Geste. Es wäre gut, wenn du die Geste jetzt ausführst und gleichzeitig noch einmal intensiv an deinen sicheren Ort denkst... So verknüpfst du in der Vorstellung deinen sicheren Ort mit dieser Geste. Immer wenn du diese Geste machst, kannst du zukünftig an den sicheren Ort gehen und ihn spüren. Spüre jetzt bitte noch einmal, wie gut es dir an diesem sicheren Ort geht, und komme dann bitte wieder zurück in den Raum, in dem du dich befindest.

2. Umgang mit Selbstzweifeln

Im Knast wirst du immer wieder und wahrscheinlich viel häufiger als draußen mit Selbstzweifeln und Schuldgefühlen zu kämpfen haben. Du solltest versuchen, dich nicht davon zerfressen zu lassen. Hier sind einige Vorschläge, was dir dabei helfen könnte. Vorschläge für stressmildernde Gedanken:

Ich lasse Provokationen an mir vorbeigehen.

Andere machen auch Fehler.

Ich konzentriere mich nur auf meine Aufgaben.

Eines nach dem anderen.

Ich werde es durchstehen.

Erstmal tief durchatmen.

Das lasse ich an mir vorbeigehen/abprallen.

Ich lasse die Angelegenheit sich entwickeln.

Ich habe keinen Grund, an mir selbst zu zweifeln.

Andere vor mir haben es auch geschafft.

Hauptsache, die Ruhe bewahren, und dann Schritt für Schritt.

Ich werde es schon schaffen.

Ich weiß, dass ich es kann.

Es ist gut, wenn du für dich Dinge findest, mit denen du dich sinnvoll beschäftigen kannst, die dich ablenken, wobei du dich entfalten kannst.

Gerade kreative Methoden sind dafür sehr gut geeignet, weil du dadurch etwas Neues schaffen und dich ausdrücken kannst. Vielleicht magst du z. B. Malen oder Kreatives Schreiben ausprobieren. Oder du fängst an zu nähen …

Auch Tagebuch schreiben tut vielen gut, erst recht dann, wenn es an realen Bezugspersonen mangelt, denen du deine Gefühle mitteilen kannst. Es kann helfen, Dinge klarer zu formulieren, „auszusprechen“, und Zusammenhänge besser zu verstehen. Du kannst natürlich auch reale Gedanken in fiktive Texte einarbeiten, wenn das leichter ist.

Wenn du destruktive Gedanken hast, die sich vielleicht immer wieder um die gleichen Dinge drehen, versuche, zumindest für einen Moment daraus hervorzutreten. Du bist mehr als deine Gedanken. Dabei kann Ablenkung helfen, z. B.: ein Puzzle machen, lesen, Rätsel/Sudoku lösen oder selbst ein Kreuzworträtsel entwickeln, einen Rhythmus klopfen, ein Lied oder eine Melodie singen, tanzen, Krafttraining, Briefe schreiben, basteln, einen Text oder ein Gedicht auswendig lernen, jonglieren, Bildbände anschauen, Stadt Land Fluss spielen, einen Text übersetzen, eine Geschichte oder ein Märchen schreiben, Matheaufgaben lösen, Memory spielen, Text mit der nicht präferierten Hand abschreiben, jemandem zuhören, Hörspiel, Naturgeräusche, Musik anhören, Entspannungsübung machen, an ein schönes Ereignis denken, Gedichte lesen, schöne Bilder, Fotos angucken oder an die Wand hängen.

Wenn du unter Schlafstörungen leidest, können sogenannte Abendrituale helfen. Das heißt, mache abends etwas, was dir guttut, worauf du dich freuen kannst. Vermeide, ca. zwei Stunden vor dem Schlafen etwas Aufregendes zu lesen oder anzusehen. Höre Musik, die dir guttut und dich runterbringt.

Wenn es möglich ist, bleibe nicht ewig liegen, wenn du nicht schlafen kannst, sondern stehe auf und beschäftige dich. Dein Körper speichert sonst das Im-Bett-Liegen als etwas Negatives, wird unruhig und nervös.

13.5 Massage

Massage ist neben Gymnastik, autogenem Training oder Yoga ein Mittel, um körperlich nicht zu sehr abzustumpfen, einigermaßen fit zu bleiben. Aber auch eine Möglichkeit, um sich bei direkten körperlichen Beschwerden Abhilfe oder zumindest Linderung zu verschaffen. Massage kann auch einfach eine andere Form von Zuwendung sein. Voraussetzung ist natürlich, dass ihr die Möglichkeit habt, mit anderen zusammenzukommen. Wenn das nicht der Fall sein sollte, könnt ihr ja mal Selbstmassage probieren; über die will ich nachher noch was sagen. Bei der Massage, wie wir sie hier beschreiben, sollte man versuchen, sich von eingeschliffenen Vorstellungen erstmal loszumachen. Hier geht’s nicht um die Form von Massage, bei der sich einige Leute (die sich’s halt leisten können) beispielsweise nach einer Sauna so richtig durchkneten lassen, oder um Massage von ausgebildeten Fachkräften im Krankenhaus oder bei der Ärztin und auch nicht um solche Massagen, für die häufig in recht zweideutiger Form in Zeitschriften geworben wird. Unsere Grundgedanken sind recht simpel: Jede weiß aus eigener Erfahrung, dass es guttut, in den Arm genommen zu werden, wenn es einer dreckig geht, oder dass es beruhigen kann, wenn man jemanden bei der Hand hält. Oder man legt sich z. B. bei Bauchweh automatisch die Hände auf den Bauch – da tut dann schon alleine die Wärme gut. Wenn sich Muskelpartien bei Angst, Nervosität, Aufregung oder Schmerzen verspannt haben (häufig im Nacken und im Kreuz), ist es angenehm, wenn durch die Wärme und den Druck bei Berührung die Muskeln wieder gelockert werden. Besonders wenn man relativ wenig Körperkontakt mit anderen Leuten hat, kann einer allein die Tatsache, dass man körperliche Zuwendung bekommt, sehr guttun. Dazu braucht es gar keine großartige Massage mit komplizierten Techniken. Falls ihr aber doch mal Lust habt, die Möglichkeit der Massage ein bisschen ausführlicher und gezielter anzuwenden, sind einige allgemeine Grundsätze und Grundtechniken sicher hilfreich.

1. Vorbereitung

Es ist klar, dass die Art der Massage sowohl von den äußeren Umständen (räumlichen Gegebenheiten und Zeit) als auch von dem damit verfolgten Zweck abhängt. Räumliche Gegebenheiten: Am günstigsten ist es, wenn man sich hinlegen kann, und zwar auf einer harten Unterlage (Boden, hartes Bett); möglichst mit einer Decke als Unterlage und so, dass die Massierende von allen Seiten an ihre Partnerin drankommen kann. Der Raum sollte recht warm sein; störende Kleidung möglichst ausziehen. Kann sich diejenige, die massiert wird, nicht legen, geht’s teilweise auch im Sitzen (Stuhl, Bettkante) oder eventuell sogar im Stehen. Zu einer Ganzkörpermassage sollte man sich ungefähr 45 Minuten Zeit nehmen. Wenn ihr weniger Zeit oder Lust habt: Teilmassagen für Kopf, Rücken, Bauch, Füße oder Hände nützen auch schon ab 5–10 Minuten was.

2. Wann ist Massage besonders nützlich?

Du willst jemanden, der müde oder depressiv ist, wieder beleben und in Schwung bringen: Dann ist eine relativ kurze, aber kräftige Ganzkörpermassage oder eine Teilmassage für Kopf, Nacken, Rücken oder Füße besonders gut. Du willst jemandem helfen, sich zu entspannen oder sich zu beruhigen: Nimm dir dafür, wenn’s geht, mehr Zeit und massiere langsamer, nicht so kräftig, mache öfter kleine Pausen und massiere dafür länger. Jemand hat bestimmte Beschwerden, hier einige Beispiele (die genaueren Griffe werden nachher noch beschrieben):

Kopfweh: Dann tut es gut, den Kopf ganz leicht zu massieren, die Hand einfach eine Weile auf die Stirn oder den Kopf zu legen und vor allem Hals und Nacken abwärts zu massieren.

Bauchweh: Bauch und unteren Teil des Rückens leicht massieren. Die Wärmewirkung eurer Hände ausnützen. Manchmal reicht es schon, leicht zu streichen oder zu drücken und die Hände dann auf einer Stelle liegen zu lassen.

Verstopfung: Hier könnt ihr ruhig etwas kräftiger massieren. Wichtig dabei ist nur: immer in Richtung des Dickdarmverlaufs, d. h. rechts aufwärts, oberhalb des Nabels quer und links abwärts.

Rückenschmerzen: Am besten ihr massiert hier den ganzen Rücken bis hoch zum Hals, möglichst auch den Po und die Beine noch mit. Rückenschmerzen können sehr oft psychisch bedingte Verspannungen sein und dadurch gerade mit Massage häufig gelindert oder behoben werden.

3. Was man beim Massieren beachten sollte

Vertrauen zueinander ist die Voraussetzung, wenn eine Massage etwas nützen soll. Die Massage soll für beide je nachdem anregend oder entspannend sein. Fürs Massieren gilt: Lieber nicht zu kräftig, aber dafür häufiger massieren. Trotzdem nicht zu lange auf einer Stelle und mit demselben Griff (dann kann man praktisch gar nichts mehr verkehrt machen). Generell sollte immer zum Herzen hin massiert werden; also vom Kopf her abwärts; bei den Armen von den Händen zur Schulter; an den Beinen aufwärts, auch wenn man in Oberschenkel, Unterschenkel, Fußgelenk und Fuß unterteilt. Wenn’s die Umstände erlauben, dann ist Massage am besten ohne Kleidung und mit Öl. Massageöl ist recht teuer; Speiseöl mit ein paar Tropfen Parfüm tut’s genauso. Unbedingt wichtig bei der Massage ist, dass diejenige, die massiert wird, möglichst bequem liegt oder sitzt und dass du, wenn du massierst, auch ganz bequem sitzt oder stehst. Wird eine Haltung zu anstrengend oder unbequem, dann wechselt lieber mal. Es ist gut, bewusst mit der Massage anzufangen, indem du dich auf die andere konzentrierst. Sag deiner Partnerin, sie soll dir Rückmeldung geben, welche Griffe besonders angenehm und welche besonders unangenehm sind und ob du stärker oder schwächer massieren sollst. Hör am Ende auch nicht plötzlich mit der Massage auf. Das kann ein verflixt unangenehmes Gefühl sein; man kann sich dann nämlich plötzlich so richtig alleingelassen fühlen. Lege lieber eine oder beide Hände nochmal auf den Kopf, Rücken, Bauch oder fass nochmal die Füße an, die inzwischen vielleicht schon wieder kalt geworden sind, und konzentriert euch langsam wieder auf euch selbst. Es ist gut, wenn sich die Massierte noch eine Weile so ausruht.

4. Einige Massagegrundtechniken

Streichen: meistens mit den Handflächen; du kannst aber zur Abwechslung auch mal Handrücken, Handkante oder – wo’s möglich ist – den ganzen Unterarm verwenden.

Drücken oder Druckkreisen: im Allgemeinen mit Daumen- oder Fingerkuppen; auch möglich mit Daumen- bzw. Handballen, Fingerknöcheln oder mit dem Ellbogen.

Klopfen: mit Fingerkuppen, rechts und links im Wechsel oder gleichzeitig; für größere Muskelpartien könnt ihr dazu auch mal die Handkanten bei gestreckten Fingern oder locker geschlossener Faust verwenden.

Vibrieren: Handfläche auflegen und dann die Arm- und Handmuskeln so stark anspannen, dass die Hand anfängt zu zittern. Dieser Griff geht unheimlich tief und fühlt sich prima an, ist aber ziemlich anstrengend.

5. Massagegriffe für die verschiedenen Körperabschnitte

Gesicht und Kopf: Gut bei Müdigkeit, Depressionen, Kopfweh, Nervosität, Schlafstörungen und auch Schnupfen.

Wer massiert wird, legt sich auf den Rücken oder setzt sich bequem hin, die Partnerin kniet oder sitzt bzw. steht dahinter.

Gesamtgriff: Lege zuerst deine Handflächen auf die Stirn deiner Partnerin. Die Daumen liegen dabei nebeneinander in Stirnmitte, die Hände nach außen, so dass die Fingerspitzen auf den Schläfen zu liegen kommen. (Dieser Griff kann immer wieder zwischendurch angewendet werden.)

Stirn: Streiche mit den Fingerkuppen jeweils von der Stirnmitte zu den Schläfen; an den Schläfen in kleine kreisende Bewegungen übergehen. Beginne am besten am Haaransatz und gehe bis zu den Augenbrauen.

Augen: Drücke mit den Fingerkuppen der Mittelfinger gegen den Oberrand der Augenhöhle – von der Nasenwurzel in Richtung Schläfe; beim Augenhöhlenunterrand kannst du auch die Daumenkuppen verwenden.

Nase: Streiche mit den Fingerkuppen von Mittel- oder Zeigefinger von der Nasenwurzel abwärts (auf beiden Seiten und auf dem Nasenrücken).

Wangen: Hier kann man unterhalb der Backenknochen kräftig nach außen unten streichen und dann mit kreisenden Bewegungen den Kaumuskel massieren. In diesem Muskel stecken oft arg viel angestaute Energie und Aggression. Denkt bloß mal an solche Sätze wie „Zähne zusammenbeißen“ bei Schmerz und Wut!

Mund: Kräftiges Auseinander- und Abwärtsstreichen ober- und unterhalb der Lippen mit beiden Daumenkuppen.

Kinn: Hake so richtig mit den Fingerkuppen unters Kinn und streiche dann in Richtung Ohr auseinander, hinter den Ohren nach oben und bis zu den Schläfen. Dazwischen immer mal wieder den Gesamtgriff.

Ohren: Knips, am besten mit Daumen und Mittelfinger, den Ohrrand, beim Ohrläppchen anfangen; umstreiche den äußeren Ohrenrand und dann spiralenförmig nach innen und drücke die Ohrmuscheln leicht gegen den Kopf. Verschließe zuletzt die Ohren für ein paar Sekunden fest mit den Händen („Kopfhörergriff'“).

Zum Schluss kannst du noch den Kopf kraulen, als ob du die Haare waschen würdest.

Hals: Gut bei Kopfschmerzen und Müdigkeit.

Die Stellung ist dabei wie bei der Kopfmassage: Mit beiden Händen von der Wirbelsäule nach oben außen streichen; nimm dann den Kopf am besten in eine Hand, während du mit der anderen Hand kleine Kreise um die Wirbel machst – bis hinauf zum Schädelansatz; lege den Kopf seitlich auf eine Hand und streiche mit der anderen Hand am Hals abwärts, von hinterm Ohr angefangen bis zur Schulter, um die Schulter herum und jetzt mit Daumen nach oben und Handrücken nach unten bis zum Schädel zurück; nimm dann den Kopf nochmal in beide Hände und bewege ihn langsam in alle Richtungen.

Brust: Ganz besonders bei Atembeschwerden und Erkältungskrankheiten.

Immer noch dieselbe Stellung: Als Gesamtgriff streicht man am besten neben dem Brustbein auf beiden Seiten abwärts, dann entlang dem Rippenbogen nach außen und an der Brustkorbseite wieder nach oben zum Schlüsselbein hin. Lege jetzt beide Hände aufeinander und kreise mit den Fingerkuppen links und rechts vom Brustbein abwärts; dann um die Brust herum ausstreichen. Eine weitere Möglichkeit ist, die Hände flach mit nach unten zeigenden Fingerspitzen an eine Körperseite zu legen und im schnellen Wechsel mit beiden Händen zur Körpermitte zu streichen. Mit diesem Griff kann in Hüfthöhe angefangen werden bis hoch unter die Achsel.

Bauch: Wichtig bei Bauchkrämpfen oder Verstopfung.

Die Massierende kniet am besten links neben ihrer liegenden Partnerin. Du kannst mit beiden Händen vom Schambein nach oben außen streichen; dann große Kreisbewegungen mit leichtem Druck in Richtung des Dickdarmverlaufes machen (rechts aufwärts, oberhalb des Nabels quer, links abwärts); mit kleinen Kreisen in derselben Richtung massieren. Beide Hände aufeinanderlegen und dem Dickdarmverlauf mit Vibrationsbewegungen folgen. Eine Hand unterhalb des Nabels flach auf den Bauch legen, eventuell mit der anderen Hand unterstützen und ebenfalls vibrieren.

Arme und Hände: In Rückenlage oder im Sitzen, kniet oder setzt euch zum Massieren so, dass ihr direkt von euch weg massieren könnt: Zuerst auch wieder als Gesamtgriff den Arm von der Hand her zur Schulter ausstreichen; die Muskeln am Oberarm können dann abwechselnd durchgeknetet und ausgestrichen werden. Stelle den Unterarm senkrecht, umfasse mit beiden Händen das Handgelenk spangenförmig und streife kräftig abwärts; fasse die Hand und bewege den ganzen Arm locker; auf der Handinnenfläche können vor allem die Handballen mit Druckkreisen massiert werden; anschließend die einzelnen Finger gleichzeitig drehen und ziehen. Drücke dann nochmal Finger und Handgewölbe richtig durch und streiche abwechselnd mit rechtem und linkem Daumen den Handrücken bis übers Handgelenk weg aus.

Beine – Vorderseite: In Rückenlage – wer massiert, kniet oder sitzt für Gesamtgriff, Knöchel- und Fußmassage am Fußende, sonst seitlich neben seiner Partnerin.

Gesamtgriff: Mit beiden Händen vom Fuß bis zur Hüfte hin ausstreichen; Hände liegen nebeneinander, die Finger der einen Hand zeigen nach innen, die der anderen nach außen; eine Hand streicht an der Innen-, die andere an der Außenseite des Beines zurück.

Oberschenkel: Beide Hände liegen parallel auf dem Bein auf; rubbelt jetzt ziemlich schnell hin und her, mal mehr innen, mehr außen oder in der Mitte, dann die Muskeln kräftig durchkneten, dazwischen immer wieder ausstreichen.

Knie: Umfahre die Kniescheibe mit Finger- oder Daumenkuppen mit einfachem Streichen oder mit kleinen Kreisen, dann beklopfe die Kniescheibe ganz leicht.

Unterschenkel: Massiere die Muskeln beiderseitig des Schienbeins (Vorsicht: Auf dem Schienbein selbst tut jeder Druck ziemlich weh!); aufwärts streichen, abwärts mit Daumenkuppen oder Daumenballen kreisen.

Fußgelenk: Um den Knöchel kreisen.

Füße: Setz dich dazu am besten wieder ans Fußende, nimm den Fuß in die Hand oder lege ihn auf deinen Schoß oder aufs Bein, drücke erstmal die Fußgewölbe in beide Richtungen kräftig durch, dann Ferse, äußere Fußkante und Fußballen drücken oder durch Druckkreisen massieren, die einzelnen Zehen – ähnlich wie die Finger – drehen und ziehen, zum Schluss den ganzen Fuß ausstreichen.

Beine – Rückseite: In Bauchlage – die Stellung der Massierenden ist wie bei der Beinvorderseite.

Gesamtgriff: Ausstreichen wie bei der Vorderseite; dazu kann man das Hin- und Herrubbeln fürs ganze Bein verwenden, also von der Ferse bis zum Gesäß.

Oberschenkel: Wie Vorderseite.

Kniekehle: Mit den Handflächen auf beiden Seiten vom Knie kreisen, dann abwechselnd mit linker und rechter Hand in der Kniekehle nach oben streichen.

Unterschenkel: Die Wadenmuskulatur kann kräftig geknetet werden – wie am Oberschenkel; dazu abwechselnd mit linkem und rechtem Daumen nach oben außen streichen.

Fußgelenk: Streiche zuerst auf beiden Seiten der Achillessehne, dann kurz oberhalb nach oben.

Füße: Siehe oben.

Rücken: In Bauchlage – wer massiert, kann sich daneben knien oder setzen oder, wenn’s die Partnerin nicht stört, rittlings auf deren Oberschenkel oder im Sitzen bzw. Stehen.

Der Rücken kann aufgrund seiner relativ starken Muskulatur in der Regel am kräftigsten massiert werden. Der Gesamtgriff geht mit flachen Händen rechts und links von der Wirbelsäule aufwärts bis zum Hals, am Hals schräg abwärts zu den Schultern, dann auf beiden Körperseiten bis zur Taille zurück und wieder schräg nach innen; jetzt kann man abwechselnd rechts und links oder gleichzeitig kleine Kreise auf beiden Seiten der Wirbelsäule Richtung Kopf machen, dann wieder auswärts und an der Körperseite zurück streichen; oder man klopft oder drückt mit den Fingerkuppen, dem Handballen, den Handkanten oder den Fingerknöcheln; nimm dir besonders Zeit für die obere Rückenhälfte und den Nacken; hier sind hauptsächlich Abwärtsbewegungen vorzuziehen, sonst steigt zu viel Blut in den Kopf; auch die Muskelpartien in der Beckengegend sind oft sehr verspannt, vor allem bei Frauen.

Bitte seid vorsichtig mit der Wirbelsäule! Achtet darauf, niemals auf der Wirbelsäule zu massieren, sondern immer nur daneben! Hier könntet ihr sonst Verletzungen verursachen oder Komplikationen auslösen.

Zum Abschluss der Massage könnt ihr nochmal den ganzen Körper vom Kopf bis zu den Füßen leicht abklopfen oder mit den Händen „abkehren“.

6. Selbstmassage

Ich hab schon vorher die Möglichkeit der Selbstmassage angeschnitten. Klar, dabei geht der kommunikative Effekt der Massage natürlich flöten. Selbstmassage kann auch sonst nicht als vollwertiger Ersatz für Partnerinnenmassage angesehen werden, weil man nie ganz entspannt sein kann, wenn man sich selbst massiert, und weil man selbst nicht alle Körperteile so gut erreichen kann. Trotzdem tut sie einem sehr gut und man ist auf niemanden angewiesen. Zuerst möchte ich euch kurz eine Klopfmassage beschreiben, die ganz gut ist, um sich etwas in Schwung zu bringen. Sie wird in asiatischen Kampfsportarten häufig verwendet, um sich aufzuwärmen und vorzubereiten. Stellt euch ganz entspannt, aber trotzdem sicher mit leicht gespreizten Beinen auf den Boden. Macht Fäuste und klopft mit der flachen Innenseite im Wechsel mit der rechten und linken Hand zuerst die rechte Wade, dann den rechten Oberschenkel. Bleibt einen Moment ganz entspannt stehen und versucht mal, den Unterschied zwischen eurem rechten und eurem linken Bein zu spüren. Dann kommt das linke Bein dran. Wieder kurze Pause.

Jetzt klopft zuerst den rechten und dann den linken Arm. Dann werden noch beide Körperseiten von der Hüfte bis unter die Achseln abgeklopft und – wie bei Tarzan – auch vorn der Brustkorb. Zum Schluss wird noch abwechselnd mit der rechten Hand links zwischen Hals und Schulter bzw. mit der linken Hand rechts zwischen Hals und Schulter geklopft. Hier liegen besonders viele Nervenpunkte, die durch das Klopfen angeregt werden sollen. Schüttelt dann Kopf, Arme und Beine so richtig aus und hopst noch etwas locker auf der Stelle rum. Für die einzelnen Körperpartien könnt ihr euch bei der Selbstmassage im Grunde nach der Partnerinnenmassage richten und die Griffe übernehmen oder sie eben so umwandeln, dass ihr sie an euch selbst verwenden könnt. Ihr werdet sehen, wie viel einer einfällt, wenn man eine Massage selbst ausprobiert.

Kopf: Die Griffe für den Kopf können fast alle übernommen werden. Hinzuzufügen wäre vielleicht noch „Grimassenschneiden“, so dass alle Gesichtsmuskeln einmal so richtig angespannt werden.

Hals: im Sitzen, Stehen oder Liegen

mit beiden Händen vom Kinn her abwärts streichen

abwechselnd rechts und links von der Seite hinten nach vorn unten streichen

am Hals entlang abwärts bis zur Schulter streichen

Nacken und Schulterpartie:

In Rückenlage mit Fingerspitzen fest auf jeder Seite der Wirbelsäule drücken und dann leicht kreisen. So tief wie möglich am Rücken anfangen, bis zum Kopf herauf massieren, dasselbe jetzt von der Wirbelsäule aus zu den Schultern hin.

Im Sitzen: Kopf hängen lassen, am Kopfunterrand fest mit Fingerspitzen drücken und dann leicht kreisen.

Brust:

Im Liegen, Sitzen oder Stehen: Kneten und drücken mit Fingerspitzen, großen Brustmuskel kneten (abwechselnd mit rechter und linker Hand), die Rippen vom Brustbein her ausstreichen.

Bauch: In Rückenlage, Knie leicht angezogen: Mit beiden Händen vom Schambein nach oben außen streichen,

große Kreisbewegung mit leichtem Druck (rechts aufwärts, quer streichen oberhalb des Nabels, links abwärts), mit kleinen Kreisen in derselben Richtung massieren.

Rücken: Im Stehen: Mit den Daumenkuppen rechts und links der Wirbelsäule kräftig drücken (je ca. 5 Sekunden) von Steißbeinhöhe, soweit man reicht nach oben.

Arme: Im Stehen oder Sitzen:

Unterarm vom Handgelenk,

bei gewinkeltem Arm und abgeklappter Hand die Unterarmmuskeln kneten,

Oberarm in Richtung Schulter ausstreichen,

Bizeps und Trizeps kneten.

Beine: Im Sitzen mit leicht gebeugten Beinen:

Mit beiden Händen jedes Bein vom Fuß her aufwärts ausstreichen,

Zehen drücken, ziehen, drehen, hin und her bewegen,

Fußgewölbe nach oben und unten durchdrücken,

mit Fingerkuppen kleine kreisende Bewegungen um die Knöchel,

beiderseits der Achillessehne zur Wade hoch streichen,

Beine anziehen, Wade kräftig ausschütteln und ausstreichen,

Wade kneten,

mit Fingerkuppe kleine Kreise ums Knie,

Oberschenkel kneten,

Oberschenkel bei angezogenem Knie hin und her walken,

Rückseite des Oberschenkels bis zum Hintern nach oben ausstreichen.

Beinmassage ist auch in der Rückenlage zu empfehlen; dabei dann noch die Beine hochheben. Das verstärkt den gewünschten Blutrückstrom in den Venen.

Füße: Ihre Massage ist fast am wichtigsten, deshalb führe ich sie hier nochmal gesondert auf. Durch Fußsohlenmassage kann man über Reflexzonen zahlreiche innere Organe beeinflussen. Am besten setzt man sich auf einen Stuhl und legt einen Fuß auf den anderen Schenkel, ihr könnt dann die gleichen Massagegriffe verwerten wie bei der Partnerinnenmassage.

Wenn euch diese Art der Massage etwas bringt und ihr euch noch mehr dafür interessiert, dann versucht doch an eins der Bücher, die es dazu gibt, heranzukommen.

13.6. Fußreflexzonenmassage

Die „Fußreflexzonenmassage“ ist eine Massagetechnik, die am ganzen Fuß, das heißt also an der Sohle, dem Fußrücken bis zu den Knöcheln, angewandt wird und dabei aber auf den gesamten Körper wirkt. Beherrscht man diese Technik, so können wir damit nicht nur akute Schmerzen beseitigen, Verkrampfungen lösen und, und, und, sondern wir können auch über die unterschiedlich starken Empfindungen am Fuß Aussagen über den Ort der Störung im Körper machen. Ich denke mir, dass diese Möglichkeit, mit Hilfe der Fußreflexzonenmassage eine Diagnose stellen zu können, für uns nicht so wichtig ist, da im selben Moment mit der Behandlung der entsprechenden Zone das viel Wichtigere passiert, nämlich dass die Krankheit, die Störung beeinflusst wird. So, das erstmal vorab, um Sinn und Wert der Massage am Fuß deutlich zu machen.

1. Wie sie funktioniert

Eine Denkvorstellung geht dahin, die Nervenleitung für die Wirkung verantwortlich zu machen. Am Fuß enden sehr viele Nerven, die von den unterschiedlichsten Körperteilen kommen und die eben auch umgekehrt in der Lage sein können, die Behandlung am Fuß zum jeweiligen Körperteil oder Organ zurückzutransportieren. Eine andere Vorstellung geht dahin, dass das Bindegewebe, das zum einen ein fester Bestandteil unserer Haut, zum anderen ein verbindender Teil aller Organsysteme ist, das wesentliche Netz ist, das die Krankheit nach außen transportiert und die Behandlung nach innen weiterleitet. Gleichzeitig kennen wir – ebenfalls aus den Erfahrungen der Volksmedizin – Bezirke am Körper, also auf seiner Außenseite, die im Kleinen den gesamten Körper widerspiegeln. Wir finden solche „Körperkarten“ an vielen Stellen des Körpers: am Ohr, am Auge, an Zunge, Nase, Hand und Fuß. Wir sehen in diesen Karten nicht nur den Aufbau des Körpers, sondern auch seine physische Veranlagung, seine Veränderungen, die sich im Verlauf seiner Entwicklung zum Beispiel durch Krankheit ergeben haben. Vielleicht ist es gerade typisch, dass solche Bezirke dort zu finden sind, wo wir zuallererst und am intensivsten mit der Außenwelt in Berührung kommen, also an Körperteilen und Organen, mit denen wir sehen, hören, riechen, schmecken, mit denen wir tasten und die Welt „begreifen“. Dass der Fuß nicht nur ein Hilfsmittel zum Stehen und Laufen ist, sondern auch ein ganz wichtiges Empfindungsorgan, wird einer schon klar, wenn man sich vorstellt, wie kaputt man von einem Tag rumlatschen in der Stadt auf Beton ist – nicht die Füße allein tun vom Laufen weh, sondern der ganze Körper ist erschlagen. So jetzt reicht’s, es sollten eigentlich nur ein paar Gedanken dazu sein, denn Beweise haben wir eh keine. Wir denken eben, dass ihr es versuchen solltet und so eure Erfahrungen damit machen werdet.

2. Wie man es macht

Klar ist, dass wir im Knast im Gegensatz zu draußen davon ausgehen müssen, die Behandlung alleine zu machen. Wenn ihr es gegenseitig machen könnt, umso besser, es ist einfach angenehmer, wenn man sich hinlegen kann und eine andere die Füße bearbeitet, aber das ist der günstigste Fall. Gehen wir davon aus, es muss alleine gehen. Dann setzt ihr euch am besten in den Schneidersitz und versucht mal den Fuß so weit, wie es geht, an euch heranzuholen. Wenn das nur mit Schmerzen und mit Blutstau oder Fußeinschlafen möglich ist, dann verzichtet auf das Betrachten der Fußsohle und sucht euch eine bequeme Stellung, die es möglich macht, dass ihr mit beiden Händen den Fuß umfassen könnt. Ihr findet im Folgenden noch Zeichnungen der Füße, die euch zeigen, welche Organe sich an welchen Stellen widerspiegeln. Aber das könnt ihr vorerst mal vergessen, denn wichtig ist, dass ihr immer mit einer Massage des gesamten Fußes beginnt. Also, nehmt euren Fuß, reibt euch eure Hände warm und streicht dann den Fuß warm und weich. Dann beginnt ihr, mit dem Daumen oder auch dem Zeigefinger – je nachdem, wie ihr euren Fuß gelagert habt – mit Druck auf der Stelle kleine Kreise zu machen. Diese kreisenden Bewegungen setzen sich in eine Richtung fort, also nicht mit dem Finger hin und her springen, mal hier, mal dort drücken und massieren, sondern am besten den Finger nicht mehr vom Fuß nehmen und fortlaufend massieren. Ihr werdet an manchen Stellen das Gefühl haben, als würde das Innere des Fußes mit einer Nadel gestochen, und das kann ziemlich schmerzhaft sein. Dann arbeitet weiter und kommt später wieder auf diese Stelle zurück, denn ihr könnt davon ausgehen, dass hier eine Störung vorliegt und dass mit der Massage diese Störung positiv beeinflusst wird. Arbeitet mit viel Sorgfalt über den ganzen Fuß, vor allem auch unter und zwischen den Zehen, denn dort liegen die Kopforgane, die fast bei allen Menschen überlastet und häufig entzündet sind. Arbeitet immer an beiden Füßen, da nur beide den gesamten Körper widerspiegeln. Versucht beim Arbeiten in den Fuß zu spüren, wie die Empfindung ist, wo sie sich ändert, und vergleicht diese Stellen, wenn ihr meint, ihr könnt es erkennen, mit den Karten. Ihr könnt dann umgekehrt, wenn ihr die Zonen vor euch habt, bei akuten Beschwerden verstärkt die Zonen behandeln. So könnt ihr euch – nehmen wir ein Beispiel – bei akuten starken Magenschmerzen durch die Behandlung der Magenzone Erleichterung verschaffen. Bei einem klar begrenzten Schmerzzustand reicht oft, die entsprechende Stelle zwei Minuten lang zu drücken, so stark, wie ihr es gerade aushalten könnt. Wartet mit der Massage nicht so lange, bis ihr Schmerzen oder Beschwerden habt, sondern fangt einfach damit an, macht es zu einer täglichen Übung, ich glaube, dass die anregende und entspannende Wirkung auf den gesamten Körper das Eigentliche und Wichtige daran ist. Gleichzeitig kann sozusagen als „Vorsorge“ das Auftreten vieler Beschwerden verhindert werden, Beschwerden wie Kopfschmerzen, Magenschmerzen, Kreislaufstörungen usw., die ihrerseits häufig nur Resultat der Knastsituation sind.

13.7. Akupressur

Die „Akupressur“ ist eine Behandlungstechnik, mit deren Hilfe über das Pressen einzelner Punkte am Körper Störungen im Innern des Körpers beeinflusst werden. Von der Technik her ähnelt die Akupressur der Massage, wobei die Behandlung nur auf einen kleinen Raum beschränkt bleibt. Die Grundlage der Behandlung ist dieselbe wie bei der bekannten Akupunktur.

1. Wie wirkt die Akupressur?

Die Punkte der Akupunktur und der Akupressur sind von allen anderen umliegenden Hauptpunkten abgrenzbar, d. h., sie sind genau messbar, feststellbar und nicht beliebig. Die Punkte liegen auf bestimmten Linien, die „Meridiane“ genannt werden und die wir uns als Energieflusslinien vorstellen können. Jeder Meridian ist einem bestimmten Organ zugehörig, d. h., eine Behandlung eines Punktes auf einem Meridian kann das dazugehörige Organ beeinflussen. Man könnte es sich so vorstellen, dass durch das Pressen oder Massieren des Punktes die Energie wieder zum Fließen kommt, das Organ damit angeregt wird oder umgekehrt überschüssige Energie abgeleitet wird. Die Punkte können zwar mit Geräten genau lokalisiert werden, es ist aber nicht notwendig, den Punkt so exakt wie mit der Nadelspitze zu treffen. Es reicht aus, die Fläche, die wir mit unserem Daumen treffen, zu massieren oder auch einen ganzen Bereich zu massieren, um mehrere nebeneinanderliegende Punkte eines Meridians einzubeziehen. Ihr werdet nachher bei den Zeichnungen sehen, dass z. B. am Ohr die Punkte so eng liegen, dass es wirkungsvoller ist, das ganze Ohr zu massieren, als zu versuchen, mit dem Finger genau die richtige Stelle zu treffen. Die Akupressur wird bei uns meist als Soforthilfe und Schmerzmittel eingesetzt, weil z. B. bei Kopfschmerzen oder Zahnschmerzen mit einer Behandlung schon Abhilfe geschaffen wird, ohne dass dadurch die Ursache beseitigt wird. Aber wir denken, dass das immer noch besser ist, als seine Schmerzen durch Arzneimittel zu dämpfen, die mit ihrer Chemie uns wieder neuen Ärger bringen. In China wird mit dieser Technik genauso umfassend gearbeitet wie mit Akupunktur.

2. Wie drückt man?

Wir haben versucht, euch die Punkte exakt zu beschreiben. Versucht euch beim Auffinden genau an die Beschreibung zu halten, aber verlasst euch mehr auf das Gefühl in dem jeweiligen Punkt als auf das genaue Abmessen. Wenn ihr ein wenig Erfahrung damit gemacht habt, denn werdet ihr spüren, dass sich die Punkte von anderen Punkten unterscheiden, dass sie berührungsempfindlicher sind. Wenn ihr den Punkt fest habt, dann drückt mit der Fingerkuppe so fest, wie ihr es noch gut ertragen könnt, und verschiebt den Druck in die angegebene Richtung, ohne dass sich dabei der Daumen wegbewegt. Die Dauer der Akupressurbehandlung insgesamt soll – nach chinesischen Erfahrungen – für den Erwachsenen nicht mehr als 15 Minuten betragen. Ihr werdet zu Anfang sicherlich sehr viel kürzer pressen: weil das Pressen ungewohnt ist und weil der Punkt auch bei der Behandlung schmerzen wird.

Nehmen wir mal an, ihr behandelt ein ganz bestimmtes Problem – Schnupfen, Husten oder Kopfschmerz – mit Hilfe von, sagen wir mal, vier Punkten, dann presst das erste Mal jeden Punkt 30-mal, dann steigert das bis zu rund 100-mal. Wenn ihr kontinuierlich ohne Pause den Druck verschiebt – ohne Hektik –, dann dauert das rund eine Minute. Wenn ihr die Behandlung dann auf mehr Zeit – bis zu 15 Minuten – ausdehnt, dann kommt einfach der Reihenfolge nach wieder auf dieselben Punkte zurück. Wichtig ist dabei immer, dass ihr eure eigenen Erfahrungen macht und zu spüren versucht, ob sich bei der Behandlung etwas ändert, wie lange die Veränderung anhält, wie oft ihr am Tag die Behandlung braucht usw. Wir haben damit noch nicht so viel Erfahrung, dass wir euch das genau auflisten können. Die Erfahrung, die wir jedoch sicher haben, ist, dass es funktioniert, dass man eine Erkältung ohne Schnupfenspray und Kapseln schnell weg bekommt, dass man sich Luft verschaffen kann, wenn Hals und Nase zugeschwollen sind, dass man sich entlasten kann, wenn der Kopf vor Schmerz dröhnt usw. Versucht es mal und gebt die Erfahrungen weiter, denn sich selbst helfen bedeutet ein Stück mehr Unabhängigkeit von Ärztinnen und Arzneimitteln.

3. Wo drückt man?

Im Folgenden wird die Lage von Punkten beschrieben, die bei bestimmten einfachen Krankheitszuständen gepresst werden sollen. Da in den meisten Büchern nur die chinesischen Namen verwandt werden, haben wir die Punkte durchnummeriert und der Einfachheit halber in R – Rumpf, A – Arm, K – Kopf, B – Bein getrennt. Versucht mit Hilfe der Beschreibung und der Zeichnungen die Punkte zu finden. Ihr könnt davon ausgehen, dass der Punkt nicht einem Stecknadelkopf entspricht, sondern eher einem kleinen Bereich zuzuordnen ist, so dass man trotz eines Unsicherheitsfaktors nicht so falsch liegen kann.

Punkte am Rumpf: Die Punkte R 1 bis R 10 liegen auf der Mittellinie deines Körpers. Beim Aufsuchen der Punkte orientierst du dich am Anfang und Ende deines Brustbeins, an deinem Nabel und dem Knochen, der dein Becken nach unten und vorn begrenzt (der „Symphyse“ = Schambein).

R 1 liegt auf dem oberen Teil des Brustbeins in der Höhe des Ansatzpunktes der ersten Rippe (unterhalb des Ansatzes des Schlüsselbeins), der Punkt wird nach oben massiert. Anwendung: Aufstoßen, wenn der Brustkorb sich eng anfühlt, bei Atemnot

R 2 liegt in der Mitte des Brustbeins, auf der Höhe der Brustwarzen, der Punkt wird nach oben massiert. Anwendung: Husten, Magenschmerzen, Herz- und Brustschmerzen

R 3 liegt auf dem unteren Rand des Brustbeins, der Punkt wird nach oben massiert. Anwendung: Husten, Atemnot, übermäßiges Seufzen, Druckgefühl im Herzbereich, Schmerzen im Brustkorb

R 4 Nimm die Mitte zwischen deinem Nabel und dem Ende des Brustbeins, diesen Punkt nennen die Chinesinnen „Zentrum des Magens“. R 4 liegt nun vier Querfinger oberhalb dieses Punktes, er wird nach oben massiert. Anwendung: Aufstoßen, Übelkeit, Herzschmerzen, schmerzstillend

R 5 liegt zwei Querfinger über dem eben geschilderten „Zentrum des Magens“, also zwei Querfinger über der Mitte von Nabel und Brustbeinende. Der Punkt wird ebenfalls nach oben massiert. Anwendung: Aufstoßen, Kopfschmerzen, Magenschmerzen, Erbrechen

R 6 ist der schon geschilderte Mittelpunkt zwischen Nabel und Brustbeinende, das „Zentrum des Magens“, wird ebenfalls nach oben massiert. Anwendung: Aufstoßen, Kopfschmerzen, alle Erkrankungen von Magen und Milz

R 7 liegt drei bis vier Querfinger unterhalb R 6, also näher dem Nabel. Der Punkt wird nach oben massiert. Anwendung: Kopfschmerzen, Ödeme (Wasseransammlungen im Gewebe), Erbrechen

R 8 zwei bis drei Querfinger (bei dicken Bäuchen vier bis fünf Querfinger) unterhalb des Nabels, der Punkt wird nach oben massiert. Anwendung: Blasenstörungen

R 9 liegt eine Handbreit über dem Knochen, der deinen Bauch nach unten und vorn begrenzt. Die Chinesinnen nennen diesen Punkt den „Alarmpunkt des Dünndarms“. Er wird nach oben massiert. Anwendung: Durchfall, Nierenstörungen, Hexenschuss, Knochen- und Gelenkschmerzen

R 10 liegt noch näher an der Symphyse in der Mittellinie, wird nach oben massiert. Anwendung: Blasenstörungen, Menstruationsstörungen, Nierenstörungen, Schmerzen im unteren Rücken

Die Punkte 11 bis 14 liegen jeweils links und rechts von der Mittellinie und werden zum Teil nach unten massiert.

R 11 liegt drei Querfinger seitlich und drei Querfinger oberhalb des Nabels. Der Punkt wird nach unten massiert. Anwendung: Magenschmerzen, Blähungen, Bauchschmerzen

R 12 liegt neben dem Brustbein am Unterrand des Schlüsselbeins (etwa auf derselben Höhe wie R 1) und wird nach oben massiert. Anwendung: Husten, Übelkeit, Atemnot

R 13 liegt einen Querfinger links und rechts neben dem Oberrand des sogenannten Adamsapfels. Der Punkt wird nach unten massiert. Anwendung: Heiserkeit, Kopfschmerzen

R 14 liegt zwei Querfinger unter R 13, also näher am Schlüsselbein, ebenfalls links und rechts von der Mittellinie. Der Punkt wird nach unten massiert. Anwendung: Heiserkeit

Punkte an Fuß und Bein:

B 1: Lege im Sitzen, also mit angewinkelten Knie, deine Hand auf das Knie, so dass die Rundung des Knies in deiner Handfläche liegt. Deine Finger spreizen sich dabei leicht von selbst. Der Punkt B 1 liegt dort, wo dein Ringfinger am Unterschenkel endet. Die Chinesinnen nennen diesen Punkt „Punkt der göttlichen Gleichmut“ oder „der asiatischen Ruhe“. Er wird sehr häufig massiert, und zwar nach unten. Anwendung: Blasenstörungen, Raucherhusten, Durchblutungsstörungen, Magenschmerzen, Übelkeit, Verstopfung, Nasenbluten

B 2 liegt direkt neben B 1, und zwar nach oben und außen versetzt. Ihr spürt, dass dort ein Knochen ein wenig vorspringt. Auch dieser Punkt wird nach unten massiert. Anwendung: Durchblutungsstörungen, Probleme und Schmerzen an den Sehnen, Knieschmerzen

B 3 liegt etwa acht Querfinger unterhalb der Kniescheibenmitte und etwa zwei Querfinger nach außen versetzt. B 3 wird nach unten massiert. Anwendung: Blähungen, Verstopfung

B 4: Stell dir die Verbindungslinie zwischen deinem Außenknöchel und der Kniescheibenmitte vor. B 4 liegt einen Querfinger nach außen versetzt zur Mitte dieser Linie. Der Punkt wird nach unten massiert. Anwendung: Husten

B 5 liegt drei Querfinger unterhalb der Mitte Außenknöchel-Kniescheibenmitte. Auch er wird nach unten massiert. Anwendung: Magenschmerzen

B 6 liegt auf der Mitte der Fußwurzel, ist also Mittelpunkt der Verbindungslinie der beiden Knöchel. Ihr fasst dort in eine Mulde, der Punkt wird nach unten massiert. Anwendung: Aufstoßen, Bewusstseinsverlust

B 7 liegt auf der Fußinnenseite, vier bis fünf Querfinger vom Innenknöchel aus in Richtung große Zehe. Der Punkt wird zum Körper hin in Richtung Knöchel massiert. Anwendung: Durchfall, Schweregefühl im Körper, Knochenschmerzen

B 8 liegt auf dem Fußrücken. Zwischen der 1. und 2. Zehe bildet sich eine Hautfalte. Zwei Querfinger auf dieser Linie in Richtung Knöchel liegt der Punkt. Er wird auch in dieser Richtung zum Körper hin massiert. Anwendung: Durchfall, Blasenstörungen, Kopfschmerzen, Magenschmerzen, Nasenbluten, Verstopfung, Schlaflosigkeit

B 9 liegt direkt an der Hautfalte zwischen 1. und 2. Zehe. Punkt wird ebenfalls zum Körper hin massiert. Anwendung: Durchfall, Kopfschmerzen, Magenschmerzen, Nasenbluten, Verstopfung, Schwindel, Erbrechen, Bluthusten

B 10 liegt am äußeren Nagelfalzwinkel der kleinen Zehe. Der Punkt wird quer in Richtung der großen Zehe massiert. Anwendung: Blasenstörungen, Nasenbluten, Taubheit/Schwerhörigkeit, Tinnitus

B 11 liegt auf der Innenseite des Unterschenkels, vier Querfinger oberhalb des Innenknöchels, wird nach oben in Richtung Knie massiert. Anwendung: Blasenstörungen, Durchblutungsstörungen, Kopfschmerzen, Schweregefühl des Körpers, Ödeme, Durchfall

Punkte an Arm und Hand:

A 1: Wenn du den Ellenbogen anwinkelst, entsteht in der Ellbogenbeuge eine Hautfalte. A 1 liegt an der Außenseite des Arms am Ende dieser Hautfalte. Er wird nach oben, zur Schulter hin massiert. Anwendung: Durchblutungsstörungen, Verstopfung, Fieberzustände

A 2 liegt zwei bis drei Querfinger von dem Endpunkt der Falte in Richtung Hand entfernt. Der Punkt wird nach oben, Richtung Ellbogen massiert. Anwendung: Durchblutungsstörungen, Blähungen, Verstopf­ung, Erbrechen und Durchfall, Bauchschmerzen

A 3 liegt auf dem Handrücken, zwei Querfinger vom Zeigefingergrundgelenk und einen halben Querfinger zum Daumen hin versetzt. Der Punkt wird zum Arm hin massiert. Anwendung: Blähungen, Durchblutungsstörungen, Mandelentzündungen, Mundschleimhautentzündungen, Nasenbluten, Schnupfen, Verstopfung

A 4 liegt auf dem Handrücken am äußeren Winkel des Nagelbetts am Daumen. Bei der Massage wird der Teil unterhalb des großen Daumennagels von außen nach innen, also in Richtung Zeigefinger massiert. Anwendung: Heiserkeit, Mandelentzündung, Zahnschmerzen, Bewusstseinsverlust

A 5 liegt an dem Winkel des Zeigefingernagels, der dem Daumen zugewandt liegt. Der Punkt wird in Richtung Arm nach oben massiert. Anwendung: Zahnschmerzen, Atemnot, Husten

A 6 liegt am Winkel des Mittelfingernagels auf der Seite des Zeigefingers. Der Punkt wird nach außen, also in Richtung des kleinen Fingers massiert. Es ist der Anregungspunkt des Kreislaufs. Anwendung: Durchblutungsstörungen

A 7 liegt auf dem Handrücken einen Querfinger vom Ringfingergrundgelenk entfernt und etwas in Richtung kleiner Finger versetzt. Der Punkt wird in Richtung Ellbogen massiert. Anwendung: Heiserkeit, Kopfschmerzen, Tinnitus, Ohrenschmerzen, Juckreiz

A 8 liegt einen Querfinger vom Grundgelenk des kleinen Fingers entfernt, und zwar auf der Außenseite der Hand. Der Punkt wird in Richtung Ellbogen massiert. Anwendung: Blähungen, Durchblutungsstörungen, Mandelentzündungen, Mundschleimhautentzündungen, Verstopfung, Steifheit und Schmerzen des Halses, Rücken- und Schulterschmerzen

A 9 liegt auf der Innenseite des Unterarms drei Querfinger oberhalb des Handansatzes in der Mitte. Der Punkt wird in Richtung Handinnenfläche massiert. Anwendung: Blähungen, Übelkeit, Erbrechen, Herzschmerzen

A 10 liegt zwei Querfinger oberhalb des Handansatzes auf der Innenseite des Unterarms an der Kante, die zum Daumen führt. Der Punkt wird zum Daumen hin massiert. Anwendung: Husten, Asthma, Atemnot

A 11 liegt zwei bis drei Querfinger oberhalb des Handansatzes auf der Innenseite des Unterarms an der Kante, die zum kleinen Finger hinführt. Der Punkt wird zum kleinen Finger hin massiert. Anwendung: Kopfschmerzen mit Schwindel, Schläfrigkeit

Punkte im Gesicht:

K 1 liegt in der Mitte der Kinn-Lippen-Falte. Der Punkt wird nach oben zum Gesicht hin massiert. Anwendung: Mundschleimhautentzündung

K 2 liegt beidseitig neben dem Mundwinkel. Der Punkt wird nach unten zum Hals hin massiert. Anwendung: Zahnschmerzen

K 3 liegt vor den Nasenlöchern, seitlich der Falte, die von der Nasenmitte zur Lippenmitte zieht. Der Punkt wird nach oben und schräg außen, also zu den Nasenflügeln hin massiert. Anwendung: Schnupfen, Kiefersperre

K 4 liegt am oberen Ende der Falte, die von den Nasenflügeln zu den Mundwinkeln verläuft. Der Punkt wird nach oben in Richtung Nasenwurzel massiert. Anwendung: Schnupfen, macht die Nase frei

K 5 liegt in einer geraden Linie, die von der Augenmitte über die Backen führt, und zwar auf der Höhe des Nasenflügelrandes. Ihr spürt dort die Kante des Oberkieferknochens. Der Punkt wird nach unten in Richtung Kinn massiert. Anwendung: Schnupfen, Nasenbluten, Zahnschmerzen

K 6 liegt ebenfalls auf dieser Augen-Kinn-Linie ca. zwei Querfinger von der Augenmitte, also eurer Pupille, nach unten hin entfernt. Der Punkt wird ebenfalls nach unten massiert. Anwendung: Schnupfen

K 7 liegt auf der senkrecht nach unten führenden Linie vom äußeren Augenwinkel aus und auf dem Oberkieferknochen. Der Punkt wird zum Ohr hin massiert. Anwendung: Zahnschmerzen

K 8 liegt neben dem inneren Augenwinkel auf der Nase, dort, wo bei Brillenträgerinnen das Gestell aufliegt. Der Punkt wird in Richtung Stirn massiert. Anwendung: Schnupfen, Sehschwierigkeiten

K 9 liegt direkt über dem inneren Augenwinkel am Beginn der Augenbraue. Der Punkt wird nach oben zur Stirn hin massiert. Anwendung: Schnupfen, Sehschwierigkeiten, Juckreiz der Augen

K 10 liegt zwischen den Augenbrauen auf der Nasenwurzel in der Mitte. Der Punkt wird nach unten (!) massiert. Anwendung: Schnupfen

K 11 liegt am äußeren Ende der Augenbraue über dem äußeren Augenwinkel. Der Punkt wird nach unten in Richtung Kinn massiert. Anwendung: Kopfschmerzen, Schwindel

K 12 liegt am Haaransatz, ein bis zwei Querfinger von der Stirnmitte entfernt. Der Punkt wird zur Seite hin massiert. Anwendung: Nasenbluten, verstopfte Nase, Kopfscherzen mit Frösteln und Fieber


Es folgt die Beschreibung der Punkte, die seitlich am Kopf liegen. Klar ist dabei, dass ihr euch schlecht von der Seite ansehen könnt. Ich denke aber, dass ihr die Punkte nach der Beschreibung finden könnt.


K 13 liegt zwei Querfinger vor dem Ohr, also zur Gesichtsmitte hin in einer Vertiefung, die sich beim Öffnen des Mundes bildet. Der Punkt wird nach oben zum Haar hin massiert. Anwendung: Kopfschmerzen

K 14: Versucht den Oberkieferknochen zu tasten und verfolgt die Kante in Richtung Ohr. Kurz vor dem Ohr, dort, wo Ober- und Unterkiefer zusammenkommen, ist eine kleine Vertiefung. Der Punkt wird zum Haar hin massiert. Anwendung: Zahnschmerzen

K 15: Wenn ihr die untere Kante des Kinns in Richtung Ohr verfolgt, dann macht der Knochen kurz vor dem Ohr fast einen rechten Winkel, das ist der Unterkieferwinkel. K 15 liegt auf diesem Unterkieferwinkel. Der Punkt wird ebenfalls nach oben massiert. Anwendung: Zahnschmerzen

K 16 befindet sich von K 15 ausgehend hinter dem Unterkieferknochen, also auf der Unterseite des Kinns zum Hals hin. Der Punkt wird zum Kinn hin massiert. Anwendung: Mandelentzündung

Das sind längst nicht alle bekannten und verwendeten Punkte. Wir haben uns bei der Beschreibung auf häufig auftretende Beschwerden beschränkt, die auf der einen Seite so lästig sind, dass sie behandelt werden müssen, auf der anderen Seite nicht so bedrohlich sind, dass ihr sofort eine Ärztin verlangen müsst. Alle Beschwerden, die länger andauern und euch unbekannt sind, müssen von einer Ärztin diagnostiziert werden. Versteht die Akupressur als eine kleine Hilfe, um euch von Pillen und Ärztinnen unabhängiger zu machen. Im Folgenden sind nochmal häufige Beschwerden mit den dazugehörigen Punkten aufgeführt:

Aufstoßen und Luftschlucken, meist mit saurem Geschmack, kann sich bis zum Erbrechen steigern: Behandelt werden: R 4, R 5, R 6, die alle auf einer Linie liegen. Ihr könnt durchaus diese Mittellinie am Körper nach oben massieren. Zusätzlich R 1 und B 6.

Blähungen: Anregung der Dickdarmfunktion mit A 3 und A 2, Anregung der Dünndarmfunktion mit A 8, zusätzlich A 9 und B 3.

Blasenstörungen: a) Bei großer Anfälligkeit für die Entzündung der Harnwege, Brennen beim Wasserlassen, häufiger zur Toilette gehen. Zur Kräftigung der Blasenfunktion B 10 und B 11. Energiepunkte der Blase: R 8 und R 10.

b) Häufiges Wasserlassen ohne entzündliche Erscheinungen, nervöse Ursache möglich: ebenfalls R 8 und R 10. Entspannungspunkte: B 1 und B 8.

Husten: Chinesischer Hauptpunkt: R 12, weiter R 13 und R 2, Punkt bei Stauungen im Brustraum: A 10, bei Husten mit viel Auswurf zusätzlich B 4, bei Raucherinnenhusten sollte man zusätzlich den Entspannungspunkt B 1 massieren.

Durchblutungsstörungen der Arme und Hände: Anregungspunkte des Kreislaufs A 6 und A 8 weiter A 3, A 2, A 1.

Durchblutungsstörungen der Beine und Füße: B 11, B l, B 2, A 6.

Durchfall: Zur Entkrampfung der Darmteile B 9, B 8, B 7, A 3, Alarmpunkt des Dünndarms R 9.

Heiserkeit: R 13, R 14, A 4, A 7; diese Behandlung ist rein symptomatisch. Wenn ihr ohne ersichtlichen Grund heiser seid, durch Erkältung oder vieles Reden: Immer die Untersuchung durch eine Ärztin fordern.

Kopfschmerzen: a) Ausgelöst durch einen Gallenstau. Der Kopfschmerz ist vor allem seitlich und halbseitig hinter dem Auge. Oft treten die Kopfschmerzen sehr früh morgens auf, so dass man früh mit Kopfschmerzen aufwacht. Die Behandlung regt den Gallenfluss an: B 8 und B 9. Die schmerzhafte Stelle am Kopf kann direkt lokal in alle Richtungen massiert werden. Sollte dieser „Gallenkopfschmerz“ häufig auftreten, dann fordert medizinische Aufklärung!

b) Ausgelöst durch Wetterwechsel: A 7, K 11, R 6, R 5, R 7.

c) Ausgelöst durch hormonelle Schwankungen, besonders bei Frauen zurzeit der Periode: K 13, A 11, B 11.

Es gibt natürlich noch eine Menge anderer Ursachen für Kopfschmerzen, deren Behandlung wir zum Teil nicht kennen, zum Teil aber auch für euch allein nicht machbar ist. Grundsätzlich könnt ihr immer versuchen, die schmerzhaften Stellen am Kopf auch zu massieren.

Magenschmerzen: Schmerzen nach dem Essen, Druck in der Magengegend: R 11, R 5, R 2, B l, B 5, B 8, B 9.

Mandelentzündung: Behandlung zur Unterstützung der Abschwellung des Rachenraums: A 4, A 3; allgemeiner Schleim-Hauptpunkt: A 8; zur lokalen Behandlung K 16.

Mundschleimhautentzündung: Bedingt durch falsche bzw. einseitige Ernährung; es bilden sich „Aphthen“, die Schleimhaut blutet leicht. A 3, A 8 und als lokaler Punkt K 1.

Nasenbluten: Soll behandelt werden, wenn es mal vorkommt, z. B. aufgrund einer Verletzung; hast du häufiger ohne erkennbaren Anlass Nasenbluten, muss unbedingt nach der Ursache gesucht werden. Also für den Notfall: A 3, K 12, B 1, B 8, B 9.

Schnupfen: Ihr könnt damit einen akuten Schnupfen behandeln, der dann ohne Nasentropfen oder Sprays zum Stillstand kommt. Ihr könnt auch chronische Zustände damit behandeln, die sich in den Nasenhöhlen festgesetzt haben, keine akuten Erscheinungen mehr zeigen, euch aber dennoch öfter Schmerzen, vielleicht auch Kopfschmerzen machen. Ihr müsst die Behandlung dann regelmäßig und langfristig machen, denn es dauert oft länger, bis man spürt, dass sich in den Nebenhöhlen etwas lockert, man besser Luft bekommt, der ganze Kopf mehr „belüftet“ wird. Ihr könnt die Nase Punkt für Punkt behandeln, ihr könnt aber auch einfach das Gesicht massieren, und zwar in folgender Richtung: an den Nasenrändern nach oben bis zur Augenbraue und unterhalb der Augen wieder abwärts zum Kinn. Die einzelnen Punkte sind folgende: K 3, K 4, K 8, K 9 nach oben massieren, K 5, K 6, K 10 nach unten, zusätzlich A 3.

Zahnschmerzen: Das hat natürlich nur Sinn, wenn ihr die eigentliche Ursache von der Zahnärztin beseitigen lasst. Zur Überbrückung oder zur Schmerzbehandlung nach dem Besuch bei der Zahnärztin kann die Akupressur helfen: A 4, K 14, K 15, K 2, K 7.

Verstopfung: a) Darmträgheit – vielleicht auch bei denjenigen, die ihren Darm an Abführmittel gewöhnt haben: A 3, A 1, A 2, B 3.

b) Bei verkrampftem Darm, häufig nervöse Ursachen: A 3, A 8, B 8, B 9, B 1.

13.8. Ernährung

Ernährung ist schon lange ein sehr kontroverses Thema und eine „Wissenschaft für sich“.

Aber gerade in den letzten Jahren fluten immer neuere bessere Ernährungstheorien dermaßen die Medien, dass wir uns kaum davor retten können.

Dabei widersprechen sich diese Theorien häufig, sagen teilweise genau das Gegenteil von etwas, was gerade vorher populär war.

Der einzig sinnvolle Weg dabei meiner Meinung nach: bei sich bleiben. Bei dem, was dir sinnig erscheint und du für dich umsetzen kannst.

Seit vielen Jahren bringt die DGE, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Richtlinien heraus, was die Zusammensetzung einer gesunden Ernährung betrifft. Auch diese Richtlinien sind meiner Meinung nach nicht besonders sinnvoll, zumindest wenn es darum gehen soll, einen gesunden Körper und Geist zu erhalten oder zu erlangen. Wirtschaftlich sind sie sicher „sinnvoll“, denn Lebensmittel sind oft subventioniert und es gibt eine große Lobby, die ihre Finger im Spiel hat.

Im Knast ist es natürlich nochmal eine spezielle Situation. Du hast gar nicht die Möglichkeit, dich zu entscheiden, das tun andere für dich. Durch die Zubereitung sind die Vitamine oft verkocht und auf die Zusammensetzung der Nahrung wird, was die enthaltenen Nährstoffe angeht, eher nicht geachtet. Es wird nur danach geschaut, dass die Kalorienzahl ungefähr den empfohlenen Werten entspricht.

Du kannst aber selbst bei deinem Einkauf darauf achten, dich mit dem Nötigen zu versorgen.

Versuche, möglichst viel frisches Zeug, also Obst und Salat, zu essen. Besorge dir ein Öl mit einem hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren und vermeide zu viel tierisches Fett. Ungesättigte Fettsäuren sind wichtig für die Nerven, sie sind besonders enthalten in Leinöl, Sesamöl, Rapsöl, Walnussöl. Olivenöl enthält nicht so viele ungesättigte Fettsäuren, ist aber auch nicht schlecht. Außerdem Nüsse und Samen, vielleicht könnt ihr z. B. Sesam oder Kürbiskerne über euren Salat streuen. Eiweiß ist in Milchprodukten enthalten, auch Hülsenfrüchte wie Erbsen, Linsen, Bohnen, Soja, Kichererbsen usw. enthalten viel davon, außerdem Eier, Kartoffeln, Getreide.

Auf Zucker zu verzichten fällt den meisten von uns schwer. Und gerade im Knast, wo es an stimulierenden Reizen mangelt, sicher noch mehr. Trotzdem solltest du versuchen, deinen Zuckerkonsum nicht zu groß werden zu lassen. Zucker fördert Verdauungsstörungen, löst Karies aus, fördert die Verkalkung der Blutgefäße, macht manchmal auch einfach nur schlapp und müde oder führt zu Kopfschmerzen. Versuche dabei möglichst, den alltäglichen „versteckten“ Zucker zu reduzieren, z. B. im Tee oder Kaffee wegzulassen oder gegebenenfalls durch Honig zu ersetzen. In Soßen ist oft viel Zucker drin, auch Ketchup enthält sehr viel. Iss möglichst viel Obst, auch in getrockneter Form.

Gegen Schokolade als „Belohnung“ oder Kompensation ist meiner Meinung nach allgemein nichts auszusetzen. Wenn du allerdings merkst, dass es dir schlecht geht, weil du gerade deine Vorräte auf einmal aufisst, versuche lieber dich abzulenken und etwas anderes zu finden, um dein Leeregefühl zu füllen.

Energiebedarf bei Leistungszuwachs ohne besondere körperliche Betätigung:

Ø meist sitzende Tätigkeit: 2300 kcal/Tag

Ø leichte Muskelarbeit: 2750 kcal/Tag

Ø stärkere Muskelarbeit: 3450 kcal/Tag

Ø Schwerstarbeit: 5000 kcal/Tag

1. Was dein Körper unbedingt braucht

Kohlehydrate sollen ca. 50–55 % der gesamten Nahrungszufuhr ausmachen. Ihre Bedeutung ist in erster Linie, dich mit Energie zu versorgen. Glukose wird für die Zellatmung benötigt und damit sozusagen für die „Lebendigkeit“ unseres Körpers. Jede Art von Zucker sind Kohlehydrate, auch Stärke und Alkohol. Kohlehydrate sind viel enthalten in Getreideprodukten (Brot, Nudeln, Couscous usw.) und in Kartoffeln. Im verkochten Knastfraß sind reichlich Kohlehydrate, mehr als genug.

Fett hat zwei Aufgaben: 1. als Energieträger, 2. als Träger fettlöslicher Wirkstoffe, z. B. einige Vitamine. Soll ca. 30–35 % der Nahrungszufuhr ausmachen (vom Kaloriengehalt), vom Gewicht macht es ca. 2 % aus. „Essentielle“ Fettsäuren müssen über die Nahrung aufgenommen werden und können nicht vom Körper gebildet werden. Das sind vor allem die mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Durch Mangel an „essentiellen“ Fettsäuren können schwere Stoffwechselstörungen entstehen.

Cholesterin ist tierisches Fett, das brauchen wir auch, unser Körper kann es aber selbst herstellen.

Eiweiß: Das Nahrungseiweiß dient in erster Linie zur Lieferung von „essentiellen“ Aminosäuren. Ca. 15 % Eiweiß soll in der täglichen Nahrung enthalten sein. Aminosäuren haben die Aufgabe, menschliches Eiweiß aufzubauen. Bei Eiweißmangel entsteht u. a. Muskelschwund, Verminderung der Abwehrkräfte, was eine erhöhte Infektionsgefahr bedeutet.

Mineralstoffe sind Natrium, Kalium, Magnesium, Calcium und andere. Sie sind für den Nerven- und Zellstoffwechsel und besonders für den Wasserhaushalt notwendig.

Spurenelemente sind im Körper in ganz geringen Konzentrationen vorhanden, z. B. Jod (Baustein des Schilddrüsenhormons), Kobalt (Baustein des Vitamin B), Eisen (Baustein des roten Blutfarbstoffes).

Vitamine müssen mit der Nahrung aufgenommen werden, da sie vom Organismus benötigt, aber nicht im eigenen Stoffwechsel erzeugt werden können. Auf die Bedeutung der einzelnen Vitamine wird weiter unten noch eingegangen.

Vollwertige Ernährung nach DGE – Angaben in Gewichtsprozent

2 % = Fette, Öle

7 % = Fleisch, Wurst, Fisch, Eier

17 % = Obst

18 % = Milch, Milchprodukte

26 % = Gemüse, Salat

30 % = Getreide, Kartoffeln

2. Schonkost bei bestimmten Beschwerden

Ein paar Vorschläge, worauf man bei einigen Erkrankungen achten sollte. Auch hier wieder:

Nur du kannst am Ende wissen, was du verträgst und was nicht. Du kannst diese Hinweise aber sicher benutzen, um rumzuprobieren. Es kann jedoch auch sein, dass du manche Dinge, die hier ausdrücklich erlaubt sind, nicht verträgst (und umgekehrt).

Magen- und Darmgeschwür, Magenschleimhautentzündung (Gastritis): Während der anfänglichen, schmerzhaften Phase unbedingt salzarm und nur ganz leicht bekömmliche Sachen essen wie Weißbrot, Zwieback, Breie (Grieß- oder Haferflockenbrei, wenn du Getreide verträgst), Reis, Kartoffeln, Karotten, Apfelmus, Banane, Tee, Joghurt. Keine Soßen essen, nichts Gebratenes, kein Zucker. Wenn’s irgendwie möglich ist, mit dem Rauchen aufhören oder zumindest reduzieren! Insgesamt solltest du unbedingt auf Kaffee verzichten, da er die Magenschleimhaut zusätzlich angreift. Gleiches gilt für Alkohol und scharfe Gewürze!

Darmleiden: Wenn die Schmerzen tiefer als der Magen liegen, dann sollte die Kost leicht verdaulich, aber nicht reizlos sein; meide alles, was stopft, also Kakao, Schokolade, Heidelbeeren, Fleischextrakt, Bohnenkaffee, Süßigkeiten. Wenn’s geht, nicht mehr rauchen! Keinen hochprozentigen Alkohol. Wenig Milch, Fleisch (kein gebratenes), keine Nüsse. Obst aller Art ist erlaubt. Kein Weißbrot, sondern Vollkornbrot. Möglichst wenig Salz, keine Backwaren. Verzichte auf blähende Nahrungsmittel wie Zwiebeln, Kohl, Hülsenfrüchte.

Leberleiden: Die Ernährung sollte fettarm und kohlehydratreich sein. Gemüse, Brot sowie andere Getreideprodukte, Obst und Gemüse reichlich zu sich nehmen. Kartoffeln, magerer Quark, mageres Fleisch. Möglichst keine Wurst und kein fettiges Fleisch. Pflanzliches Eiweiß bevorzugen (Soja, Hülsenfrüchte, Kartoffeln). Ebenso scharfe Gewürze und Gebratenes meiden. Verboten: Bohnenkaffee und hochprozentiger Alkohol. Genügend Flüssigkeit!

Gallenleiden: Keine großen, sondern kleine Mahlzeiten, am besten etwa fünf am Tag. Wenig Fett, dabei pflanzliche, ungesättigte Fettsäuren bevorzugen. Bitterstoffe sind gut (Chicorée, Löwenzahnsalat, Grapefruit, Pomelo, Endiviensalat …). Eier möglichst meiden. Reichlich Vollkornprodukte, möglichst keinen raffinierten Zucker. Wenn möglich: nicht rauchen. Quark essen. Kein fettiges Fleisch. Keine Wurst. Keine gerösteten Nüsse. Schlecht verträgliches Obst meiden, sonst alles Obst essen. Blähende Lebensmittel meiden. Nicht zu heiß oder zu kalt trinken, keine kohlensäurehaltigen Getränke. Genug trinken.

Nierenleiden: Flüssigkeitsbeschränkung auf höchstens einen Liter pro Tag. Salzarm essen. Keine Milch, weil diese Kochsalz enthält. Aber Quark essen. Keine Eier. Gemüse in jeder Menge erlaubt. Gewöhnliches Brot enthält viel Kochsalz, deswegen beim Brot auf Salzgehalt achten. Möglichst wenig Getränke, keine Suppen.

Bluthochdruck: Kochsalzbeschränkung ist Grundlage der Diät. Genügend Kalium zuführen (Spinat, Kartoffeln, Grünkohl, Bananen, Aprikosen, Avocados, Kiwis sowie Nüsse). Keine Milch, aber Quark. Möglichst wenig Fleisch, lieber Fisch. Gemüse und Obst in jeder Menge. Kein gewöhnliches Brot, sondern Knäcke- oder Grahambrot (auf geringen Salzgehalt achten). Olivenöl.

Rheuma, Ischias, Arthrose: Meiden: Zucker (Limonaden, Bonbons, Kekse, Kuchen, Marmelade, Gelee, ersetzen durch Obst aller Art), Butter, Milch, Joghurt. Tierisches Eiweiß (Fleisch, Wurst, Quark, Käse, Eier) soll möglichst ersetzt werden durch pflanzliches Eiweiß, also (Roh-)Gemüse und Salate, Getreide und Hülsenfrüchte. Die Möglichkeiten für eine solche Frischkost-Diät sind im Knast kaum gegeben, trotzdem kann man versuchen, die denaturierten Lebensmittel zu einem gewissen Teil durch Frischkost zu ersetzen, z. B. durch Nüsse, Obst, Gurken, Tomaten usw. Weißbrot sollte man meiden und dafür möglichst dunkles Brot essen. Wer sich etwas einschlägige Kenntnisse verschafft, findet vielleicht auf dem Knasthof Löwenzahn und anderes, was mehr der Gesundheit nützt als das Knastessen.

3. Mangelerscheinungen

Eisenmangel (Blutarmut): Du kannst feststellen, ob bei dir eine Blutarmut vorliegt, indem du das Unterlid herunterziehst und dir die Schleimhäute anschaust. Bei Blutarmut (Anämie) sind die Schleimhäute eher blass als rosa. Die häufigste Ursache dafür ist Eisenmangel, der meistens durch Blutverluste zustande kommt. Hauptsächlich sind davon Frauen mit starker Menstruationsblutung betroffen. Therapie: Eisentabletten. Nahrungsmittel, die viel Eisen enthalten, sind: Leber, Fleisch (vor allem Lammfleisch), Nüsse, Trauben, Erbsen, Kopfsalat.

Vitaminmangel: Leute, die hauptsächlich vorbehandelte und künstliche Lebensmittel zu sich nehmen, haben oft Mangelschäden. Hauptsächlich treten Mangel an Vitamin A, B und C und Eiweißmangel auf. Die Anfälligkeit für Krankheiten ist dadurch größer. Im Anfangsstadium führt Vitaminmangel nicht zu Beeinträchtigung des Wohlbefindens und wird daher auch nicht bemerkt. Im Folgenden die wichtigsten Vitaminmangelerscheinungen:

Die folgenden Tabellen können eine Hilfe für die Wahl beim Einkauf sein – aber auch, um auf die Gefängnisküche Einfluss zu nehmen (zu beidem ist übrigens bereits oben im Abschnitt 9.5. „Essen und Einkauf“ einiges gesagt worden).

GFS = Gesättigte Fettsäuren = Einfachbindungen

EUFS = Einfach ungesättigte Fettsäuren = enthalten eine Doppelbindung

MUFS = Mehrfach ungesättigte Fettsäuren = enthalten 2, 3 oder mehr Doppelbindungen, essentiell

g/100 g

GFS

EUFS

MUFS

Butter

53,2

21,5

1,8

Margarine

23,8

32,5

19,5

Öle

 

 

 

Baumwollsamenöl

26,8

18,7

49,5

Erdnussöl

19,8

55,6

22,2

Kokosfett

86,7

6,7

1,7

Leinöl

9,6

18,2

68,1

Maiskeimöl

13,2

26,3

56,2

Olivenöl

14

70,6

8,9

Rapsöl

7,7

58,2

31,5

Distelöl

9,2

10,9

75,6

Sesamöl

12,9

40,3

43,7

Sonnenblumenöl

11

20,4

63,5

Walnussöl

9,2

18,4

68

Käse

 

 

 

Feta

11,5

3,8

0,7

Quark 20 %

2,9

1,3

0,1

Edamer 45 %

17,4

6,7

0,6

Roquefort

18,9

6,5

1,2

g/100 g

GFS

EUFS

MUFS

Fisch

 

 

 

Heilbutt

0,3

0,4

0,7

Hering

3,3

8,8

4,2

Makrele

3,4

4,7

2,6

Thunfisch

4,1

4,2

4,7

Lachs

2,9

6,1

4,2

Fleisch

 

 

 

Huhn

2,6

3,2

2,3

Hammelkeule

8,2

7,1

0,6

Lammkotelett

14,6

12,6

1,1

Rinderfilet

1,8

1,7

0,3

Schweinebauch

9,1

9,8

1,0

Kasseler

3,1

3,5

0,6

Mett

9,7

10,2

1,1

Kochschinken

1,3

1,7

0,3

Leberwurst

11,4

14,6

1,9

Pflanzen

 

 

 

Sojabohnen

2,6

4,1

10,7

Pistazien

6,1

34,8

7,6

Haselnuss

4,1

46

8,6

Erdnuss

7

22,1

14,4

Vitamin

Abk.

Tages-bedarf

Wirkungen/Mangelerkrankungen

Vorkommen

Fettlösliche Vitamine

Retinol

A

0,8–1 mg

Beeinflussung der Sehkraft, Beeinflussung des Zellwachstums, Erneuerung der Haut

Mangelerkrankungen:

am Auge: Sehstörungen (Nachtblindheit, erhöhte Blendempfindlichkeit), Keratomalazie, Xerophthalmie; Hyperkeratose der Talgdrüsen, Atrophie von Schleimhäuten und Speicheldrüsen

Leber, Milch, Ei, Milchprodukte, Fisch, als Provitamin in vielen gelb-orangen oder grünen Pflanzen

Calciferol

D

5 µg

Förderung der Calciumaufnahme für Knochenaufbau + Muskelarbeit + Blutgerinnung, fördert die Abwehr

Mangelerkrankungen:

Rachitis, Skelettschmerzen, Knochenerweichung bei Erwachsenen, Muskelschwäche und -krämpfe, Müdigkeit, Konzentrationsprobleme, Antriebslosigkeit, schlechte Stimmung, depressive Verstimmung, Schlaflosigkeit, Infektanfälligkeit

wird vom Körper bei Tageslicht hergestellt; Fischprodukte; Fleisch, Milch, Milchprodukte

Tocopherole

E

10–15 mg

Zellerneuerung, hemmt entzündliche Prozesse, stärkt das Immunsystem, wirken als Radikalenfänger

Mangelerkrankungen:

Infertilität, unspezifische Symptome wie Konzentrationsschwäche, Infektneigung u. a. m.

pflanzliche Öle, Nüsse, Getreidekeime, Blattgemüse, Vollkornprodukte, Butter

Phyllochinon

K1

0,001–2,0 mg

für die Bildung der Blutgerinnungsfaktoren, wichtig für den Knochenstoffwechsel

Mangelerkrankungen:

Gerinnungsstörungen

Eier, Leber, Kohl, grünes Blattgemüse,

wird auch von den Darmbakterien produziert

Menachinon, Farnochinon

K2

Wasserlösliche Vitamine

Thiamin

B1

1,3–1,8 mg

beeinflusst den Kohlehydratstoffwechsel, wichtig für die Schilddrüsenfunktion, wichtig für die Nerven

Mangelerkrankungen:

Muskelatrophie, Herzschwäche, Übelkeit, Erbrechen, Leistungsschwäche, Nerven- und Hirnleistungsstörungen (= Beriberi), u. U. auch in der Schwangerschaft

Schweinefleisch, Erbsen, Haferflocken, Vollkorn, Innereien

Riboflavin

Lactoflavin, Vitamin G

B2

1,8–2,0 mg

Verwertung von Fetten, Eiweiß und Kohlehydraten, gut für Haut und Nägel

Mangelerkrankungen:

Entzündungen der Haut (Mundwinkelrhagaden, Hautentzündungen, Zungenbrennen, Landkartenzunge), Hornhautentzündungen, neurologische Störungen, Störungen des Wachstums und der Blutbildung

Schweinefleisch, grünes Blattgemüse, gelber Paprika, Vollkornprodukte, Milchprodukte, Leber, Fleisch, Fisch, Grünkohl, Erbsen, Brokkoli

Niacin auch Nicotinsäure-amid, Nicotinsäure

B3, PP

15–20 mg

gegen Migräne, fördert die Merkfähigkeit und Konzentration

Mangelerkrankungen:

Reizbarkeit, Appetitlosigkeit, Konzentrations- und Schlafstörungen, Pellagra (pelle agra: raue Haut) = Durchfall, Hautentzündung, Depression, Vergesslichkeit (Demenz)

mageres Fleisch, Fisch, Hefe, Kaffee, Vollkornprodukte, Gemüse

Pantothen-säure

B5

8–10 mg

fördert die Wundheilung, verbessert die Abwehrreaktion

Leber, Weizenkeime, Gemüse, Hefe, Vollkorn

Pyridoxin

Adermin, Pyridoxol

B6

1,6–2,1 mg

schützt vor Nervenschädigung, wirkt mit beim Eiweißstoffwechsel

Mangelerkrankungen:

selten, Haut- und Zungenentzündung, neurologische Symptome (Krampfanfälle, Neuritis, Depressionen, Reizbarkeit), Wachstumsstörungen, Anämie

Leber, Kiwis, Kartoffeln

Biotin

Vitamin H, I oder Vitamin Bw

B7

0,25 mg

schützt vor Hautentzündungen, gut für Haut, Haare, Nägel

Mangelerkrankungen:

sehr selten, Hautentzündungen, Appetitlosigkeit, Parästhesien und Gliederschmerzen, psychiatrische Störungen

Leber, Blumenkohl, durch Darmbakterien

Folsäure auch

Vitamin M oder Vitamin Bc Pteroyl-glutamin-säure

B9

0,16–0,40 mg

verhindert Missbildungen bei Neugeborenen, gut für die Haut

Mangelerkrankungen:

Anämie, Durchfall, schnelles Abnehmen, bei Mangel in der Schwangerschaft: Behinderung der Babys

Leber, Weizenkeime, Kürbis, Niere, Vollkornprodukte, grünes Blattgemüse, Hefe

Cobalamin

B12

3 µg

bildet und regeneriert rote Blutkörperchen, appetitfördernd, wichtig für die Nervenfunktion

Mangelerkrankungen:

Anämie, neurologische Symptome (20–30 %), Zungenentzündung, Durchfall

Leber, Fisch, Milch, Fleisch, Lupinen, Algen, wird auch von den Darmbakterien produziert

Ascorbin-säure

C

100 mg

100 mg

(Rauche-rinnen

M: 155,

f: 135

Schutz vor Infektionen, wirkt als Radikalenfänger, stärkt das Bindegewebe, hilft bei der Eisenaufnahme

Mangelerkrankungen:

Skorbut: Hautblutungen, Zahnfleischblutungen, Zahnausfall, Störungen des Knochen- und Zahnstoffwechsels, allgemeine Schwäche; erhöhte Blutungsneigung, erhöhte Infektanfälligkeit

Hagebutten, Johannisbeeren, Acerola-Kirsche, Guave, Sanddorn, Grün-/ Rosenkohl, Brokkoli, Petersilie, Kiwis, Erdbeere, Paprika, Zitrusfrüchte, Sauerkraut, Pellkartoffeln

13.9 Hungerstreik

Nur die Hungerstreikende weiß, welche Verzweiflung und welches Gefühl von Ohnmacht und Ausweglosigkeit dahintersteckt, mit der drohenden Zerstörung des eigenen Körpers und Lebens die Bewahrung der eigenen Identität und der Lebensfähigkeit einzufordern, einzuklagen, zu erzwingen.

Da wir von draußen nicht über die Notwendigkeit eines Hungerstreiks entscheiden wollen oder können, beschreiben wir im Folgenden einige Dinge, die aus medizinischer Sicht zu beachten sind.

Ganz allgemein scheint uns ein Hungerstreik nur dann sinnvoll zu sein, wenn ihn mehrere zusammen durchführen, die Beratung durch Ärztinnen von draußen gewährleistet ist und eine Gruppe außerhalb der Mauern die Forderungen der Gefangenen in die Öffentlichkeit tragen kann.

Normalerweise wird der Körper durch drei Grundnahrungsstoffe ernährt: Fett (z. B. Butter, Öl, Nüsse, fettige Teile von Fleisch), Eiweiß (z. B. mageres Fleisch, Quark, Ei, Hülsenfrüchte), Kohlehydrate (z. B. Brot, Kartoffeln, [Trauben-]Zucker). Aus der Verwertung dieser Stoffe gewinnt der Körper die notwendige Energie, gemessen in Kalorien, für das Weiterleben.

Wenn die Nahrungszufuhr gestoppt wird, sind die Kohlehydratreserven innerhalb von ein bis zwei Tagen verbraucht. Die Eiweiße werden grob gesagt nicht angetastet. Übrig bleiben die Fettreserven, von denen der Körper lebt. Dabei schaltet der Körper auf „Spargang“, d. h., er verbraucht sehr viel weniger Energie als sonst.

Besonders wichtig ist natürlich die Ernährung des Gehirns. Normalerweise geschieht das mit Traubenzucker. Jetzt aber ist nach kurzer Zeit (ein bis zwei Tagen) der Traubenzucker verbraucht und das Gehirn wird durch die Verwertung der Fettreserven ernährt.

Als letzte Abbauprodukte bleiben dann die Acetessigsäure und das Aceton übrig, die der Körper nicht mehr verwertet und durch den Mund (süßlicher Geruch) und durch die Niere ausscheidet. Hierfür ist es sinnvoll, die Niere anzuregen, um ihre Ausscheidungsfunktion zu verbessern. Dazu werden oft sogenannte Fastentees benutzt.

Fastentees und Kräuter

Neben der soeben beschriebenen Funktion macht auch die oft abführende Wirkung von Fastentees Sinn. Regelmäßiger Stuhlgang ist wichtig, da es beim Hungern zu Verstopfung kommen kann, die sehr schmerzhaft und auch gefährlich werden kann, nämlich dann, wenn harter Kot den Darm verschließt. Deshalb ist es wichtig, regelmäßig entweder Abführendes zu nehmen oder Einläufe zu machen bzw. ein Klistier zu benutzen, nicht nur ganz am Anfang.

Für die Zubereitung den Tee eher dünn aufbrühen, weil euer Körper im Hungerzustand sensibler auf äußere Reize reagiert. Ihr könnt gerne zwei Liter Tee am Tag trinken (dann zusätzlich möglichst noch ein Liter Wasser über den Tag) oder mehr.

Es gibt viele fertige Fastentees, die verschiedene Pflanzen kombinieren, in einzeln abgepackten Beuteln. Besser sind aber lose Kräuter, wenn ihr so was bekommen und zubereiten könnt. Kräuter können über Apotheken bestellt werden. Wenn es geht, verwendet Tees ohne Pestizide („bio“) und Zusatzstoffe wie künstliche Aromen.

Einige wichtige Kräuter werde ich im Folgenden erläutern:

Die getrockneten Blätter des Matestrauchs enthalten geringe Mengen Koffein und Theobromin. Mate unterstützt zudem Stoffwechsel und Verdauung, wirkt leicht harn- und schweißtreibend und passt deshalb gut in eine Fastenmischung. Man kann jedoch auch die Wirkung von Rosmarin oder Salbei nutzen, die dem Tee eine kräftig-aromatische Note verleihen. Solltet ihr hohen Blutdruck haben, verzichtet lieber darauf.

Als Pflanzen eignen sich besonders solche, die die Ausscheidung über Nieren und Haut, Leber und Darm anregen, also diese Organe unterstützen, Stoffwechsel und Verdauung anregen. Deshalb sind harntreibende, ausschwemmende Kräuter wie Brennnessel, Birkenblätter und Wacholderbeeren in den Mischungen enthalten. Diuretisch, also den Harnfluss steigernd, wirkt auch der Löwenzahn. Dieser enthält allerdings auch viele Bitterstoffe, sollte deshalb mit anderen Pflanzen wie Kamille kombiniert werden. Grundsätzlich solltet ihr Pflanzen mit vielen Bitterstoffen meiden, da diese die Bildung von Magensäure anregen und damit bei leerem Magen zu Magenschleimhautentzündungen führen können. Außerdem wirken sie appetitanregend.

Brennnesseln sind voller Mineralsalze, die dem Körper helfen, Säuren auszuscheiden (Eisen, Calcium, Kalium, Magnesium, Mangan, Kieselsäure, Phosphor, Chrom, Kobalt), voller Vitamin C, E, B, K, Carotinoide und Chlorophyll, das den ganzen Organismus stärkt. Brennnesseltee liefert neue Energie.

Mariendistel gilt in der Naturheilkunde als das Kraut für die Regeneration der Leber.

Holunderblüten wirken entzündungshemmend, schweiß- und harntreibend.

Minze wirkt krampflösend, vor allem bei Magen-, Darm- oder Gallenbeschwerden – sie lindert Bauchschmerzen und regt die Verdauung an.

Milder Fenchel beruhigt Magen und Darm, unterstützt die Verdauung, wirkt leicht diuretisch und erwärmt.

Ringelblume hat eine stark entgiftende Wirkung, ist entzündungshemmend und regenerierend.

Ruhe und Entspannung am Abend bringen Melisse, Kamille, Lavendel und Hopfen. Sie stimmen Körper und Geist sanft auf die Nacht ein. Duft und Geschmack der Verbene (Eisenkraut) erfrischen und stärken angeschlagene Nerven. Der Inhaltsstoff Verbenalin beruhigt und fördert den Schlaf.

Verzichtet möglichst auf Schwarztee, da dieser stopfend wirken kann.

Wenn euer Kreislauf sehr im Keller ist und ihr niedrigen Blutdruck habt, könnt ihr gerne etwas grünen Tee trinken, entweder pur oder in einer Teemischung. Auch Matetee regt den Kreislauf an.

Das Hungern

Es ist sinnvoll, das Hungern vorzubereiten. D. h.: Nicht abrupt damit anfangen, sondern den Körper langsam daran heranführen.

Ich würde empfehlen, ein bis drei Tage weniger zu essen bzw. Mahlzeiten wegzulassen, am letzten Tag am besten nur noch zu frühstücken. In der Zeit schon möglichst viel trinken. Wenn du es dir vorstellen kannst, mache jetzt schon einen Einlauf und trinke abführenden Tee. Damit werden dein Darm und dein Körper angeregt, zu entgiften, und die Scheiße bleibt nicht stecken.

Bei völligem Hunger reichen die Energiereserven eines normal ernährten Menschen bei körperlicher Ruhe – Wasser- und Vitaminzufuhr vorausgesetzt – etwa 45–65 Tage. Das sind sechs bis neun Wochen! Bei Menschen mit Übergewicht lagen die Rekordwerte bei 186–248 Tagen, das sind 26–35 Wochen. Man kann auch sagen: Wenn man etwa ein Drittel des normalen Körpergewichtes verloren hat, fängt es an, kritisch zu werden. Eine Phase des Hungerns von ein bis drei Wochen ist also meistens völlig unbedenklich bzw. sogar gesund, da der Körper angeregt wird, neue Zellen zu produzieren und sich von alten zu verabschieden. Das kommt aber natürlich auch auf den Zustand des Körpers an, ob er z. B. durch Vorerkrankungen schon belastet ist.

Wichtig: Von den Medizinerinnen wird immer wieder betont, dass man im Fall des längeren Hungerns unbedingt genügend Flüssigkeit zu sich nehmen muss, d. h. Tee oder Wasser. Und zwar mehr, als man sonst trinken würde, da ja in den Nahrungsstoffen auch Wasser enthalten ist. Man braucht also zwei bis drei Liter täglich.

Es ist außerdem sehr sinnvoll, auf Rauchen und Kaffeetrinken zu verzichten. Das regt die Salzsäureproduktion des Magens an und bei leerem Magen entsteht daraus schnell eine Magenschleimhautentzündung oder sogar lebensgefährliche Magenblutungen.

Für den Kreislauf (Blutdruck und Puls) braucht der Körper eine leichte Bewegung. Also auf die tägliche Freistunde bestehen. Wenn die gestrichen wird, dann nicht auf dem Bett herumliegen, sondern viel gehen und auch leichte Gymnastik machen: ein paar Kniebeugen, auch Liegestütze, Armkreisen, Beine hoch lagern und wieder runter. Wenn einem schwarz wird vor Augen, dann eine Weile flach hinlegen. Wichtig: Tagsüber nicht im Bett liegen bleiben, sich möglichst beschäftigen, außerdem für frische Luft sorgen.

Die ersten Tage können hart sein.

Auch hier gilt wieder: Jede reagiert anders auf das Hungern. Viele haben nach ein paar Tagen keinen Hunger mehr, bekommen oft ein Hochgefühl, fühlen sich fit und euphorisch. Andere fühlen sich eher schlapp und energielos. Auch das Hungergefühl kann bleiben. Allgemein lässt sich aber schon sagen, dass die ersten Tage am schwersten durchzuhalten sind, danach wird es meist leichter.

Wenn sie merken, dass es einer schlecht geht, werden manchmal Essen, Saft, gesüßter Tee in die Zelle gestellt.

Vermeide auf jeden Fall, zwischendurch Kalorien zu dir zu nehmen! Dein Körper hat sich auf die Ernährung aus den Fettreserven eingestellt, durch Kalorienzufuhr wird alles wieder durcheinandergebracht. Wenn du zwischendurch Zucker zu dir nimmst, bekommst du außerdem schnell großen Hunger.

Nach dem Hungerstreik gilt das Gleiche wie am Anfang: langsam aufbauen. D. h., erst wenig essen und dann langsam die Nahrungszufuhr steigern. Am Anfang möglichst Flüssiges wie Gemüsebrühe oder Saft löffeln, dann Suppen oder Brei und erst dann feste Sachen. Meide dabei möglichst schwer Verdauliches wie gebratenes Fett, Hülsenfrüchte (Erbsen, Linsen, Bohnen, Kichererbsen ...), Zwiebeln, Lauch, Kohl/Sauerkraut, Paprika usw. Achte auf eine ausreichende Vitaminzufuhr und iss möglichst viel Gemüse, Obst und Salat, aber langsam, auch das kann zuerst schwer verdaulich sein, weil dein Darm seine Arbeit erstmal wieder richtig aufnehmen muss. Versuche möglichst weiterhin zwei bis drei Liter am Tag zu trinken.

Reaktion der Knastärztinnen

Die Knastärztinnen kommen in der Regel nach zwei bis drei Tagen und dann alle zwei Tage. Das machen sie, um sich abzusichern. Nach ein paar Tagen wollen sie Urinproben, später Blut und kommen mit der Waage. Urinuntersuchungen gehören meist zum Knastalltag, du könntest aber trotzdem erstmal versuchen, diese zu verweigern.

Für Blutentnahme gegen deinen Willen wird ein richterlicher Beschluss benötigt.

Auch für die Zwangsernährung brauchen sie einen Beschluss. Sie darf auch nur von der Ärztin oder unter ihrer Aufsicht gemacht werden.

Aufgabe der Ärztinnen ist es nicht, die Hungernde dahin zu bringen, den Streik abzubrechen, sondern ihr zu helfen, dass sie ihn möglichst gut und erfolgreich durchführen kann. Immer wieder setzen sich Ärztinnen jedoch über ihr medizinisches Wissen und ihre ärztliche Pflicht hinweg und versuchen, den Hungerstreik zu brechen. Sie behaupten nach Blut- und Urinuntersuchungen Krankheiten und Gefahren. Es könnten auch Behauptungen kommen wie: „Die anderen hungern auch nicht mehr“ (was oft nicht stimmt), „Sie ruinieren doch nur Ihre Gesundheit“, „Essen Sie doch was von dem Brei, wir sagens keinem, wir betrachten das auch nicht als Unterbrechung des Streiks“, „Sie erreichen ja doch nichts …. Wie lange soll das noch gehen ... Glauben Sie denn, irgendeine interessiert das, was Sie hier machen ...“. Bei anderen Krankheiten: „Wir können nur behandeln, wenn Sie essen.“

Künstliche Ernährung: Juristisch gesehen dürfen sie einen Menschen erst dann künstlich ernähren, wenn Gefahr für Leib und Leben droht. Eine Methode ist aber, ziemlich früh damit anzufangen und sie so brutal durchzuziehen, dass die Hungernde selbst löffeln soll, um dieser Tortur zu entgehen.

Künstliche Ernährung durch die Adern: Eine Nadel wird in eine der Venen des Unterarms gestochen (was bei einer Ärztin nicht besonders weh tun darf) und durch einen dünnen Schlauch werden Wasser und Nähstoffe in den Kreislauf geleitet. Die Betreffende muss liegen. Das wird nur angewandt, wenn man der Hungernden aus irgendeinem Grund nichts in den Magen pumpen kann.

Sonde durch Mund oder Nase: Die Sonde muss bis in den Magen hinein. Entweder durch die Nase, dann hinten durch den Rachen. Von dort weiter am Kehldeckel, der die Luftröhre verschließt, vorbei in die Speiseröhre und von dort in den Magen. Ob sie dort angekommen ist, kann man daran erkennen, dass sich Magenflüssigkeit ansaugen lässt. Oder durch den Mund, dann in den Rachen und dann weiter wie oben. Die Sonde kann man leicht in den Rachen bringen, wenn man sie mit runterschluckt, sie geht schwer runter, wenn man würgt. Wenn die Sonde im Magen liegt, wird ein dünnflüssiger Nährbrei mit einer Spritze runtergedrückt. Wichtig: Die richtigen Magensonden sind dünner als ein dünner kleiner Finger. Alles, was dicker ist, ist ein Magenschlauch. Der Magenschlauch ist nur zum Auspumpen bei Vergiftungen gedacht. Juristisch gesehen: unverhältnismäßig, damit rechtswidrig, damit Körperverletzung. Die Nasensonden sind noch dünner, ungefähr bleistiftdick. Bei gewaltsamer Einführung des Schlauches können sie einer die Schleimhäute kaputt machen. Das führt zu Blutungen, die Schleimhäute verheilen aber verhältnismäßig leicht und schnell. Die Gefahr dabei ist, dass sie mit dem Schlauch in die Luftröhre kommen. Deswegen darauf bestehen, dass zuerst Magenflüssigkeit abgesaugt wird.

14.
Drogen

Im Knast wirst du immer wieder verschiedenste Zahlen hören, die rumschwirren: der 64er, der 35er der 21er und so weiter. Man kommt sich vor wie in einem Würfelspiel. Oft tun Leute so, als seien diese Zahlen der absolute Jackpot – Hauptsache raus aus dem Knast. Das muss aber keinesfalls so sein. Denn einige dieser Maßnahmen bedeuten, dass nicht mehr auf deine Tat geachtet wird, sondern auf deine „Gefährlichkeit“ – und du mit allen möglichen Psychopillen „geheilt“ werden sollst. Wie überall spielen auch im Knast Drogen eine große Rolle, und zwar auf alle möglichen Arten. Im Folgenden unterscheiden wir danach, was eine Drogenproblematik im Verfahren bedeutet und wie mit Drogen innerhalb der Mauern umgegangen wird.

14.1. Drogen im Prozess

Haben Drogen bei der dir vorgeworfenen Tat eine Rolle gespielt, gibt es verschiedene Paragraphen, die bei deiner Strafe eine Rolle spielen können:

§ 20 Strafgesetzbuch (StGB)

Dieser Paragraph bedeutet, dass du z. B. wegen Drogen „schuldunfähig“ bei der Tat warst. Dann musst du freigesprochen werden. Du kannst aber sogenannte Maßregeln der Besserung und Sicherung auferlegt bekommen – z. B. in eine Psychiatrie oder in eine Entziehungsanstalt gesteckt werden, vgl. § 63StGB und § 64 StGB.

Über die Psychiatrie findest du Infos in Kapitel 19 Psychiatrie und andere Maßregeln.

§ 21 StGB

§ 21 StGB bezeichnet die sogenannte „verminderte Schuldfähigkeit“. Du bist also nicht vollkommen schuldunfähig, sondern nur ein bisschen schuldunfähig gewesen.

D h., du kannst bestraft werden – wenn auch ein bisschen milder – und trotzdem können dir auch Maßregeln wie die Entziehungsanstalt auferlegt werden.

§ 64 StGB, die Entziehungsanstalt

Die Entziehungsanstalt ist eine Drogen- und Alkoholentzugseinrichtung. Du wirst auch hier stationär aufgenommen.

Die Zeit in der Entziehungsanstalt darf nicht länger als zwei Jahre dauern (§ 67 Abs. 1 StGB). Das gilt aber nur, wenn du keine lange Haftstrafe dazu bekommen hast – wenn du z. B. im Urteil wegen Schuldunfähigkeit (s.o.) freigesprochen wurdest.

Wenn du nur vermindert oder auch voll schuldfähig warst, kann die Maximaldauer bis zur Dauer deiner Strafe verlängert werden (§ 67d Abs. 1 StGB).

In NRW z. B. sind es im Durchschnitt eher drei Jahre, gern auch mal fünf Jahre, die man in so einer Entziehungsanstalt verbringt.

Dir kann die Zeit in der Entziehungsanstalt auf die Dauer deiner Freiheitsstrafe angerechnet werden, aber nur bis zu zwei Drittel.

Im Optimalfall kann danach der Strafrest – bis zur Hälfte! − ausgesetzt werden und du kommst auf Bewährung raus.

Läuft es nicht so gut – aus deren Sicht –, kann es dir allerdings auch passieren, dass du, nachdem du schon lange in der Entziehungsanstalt warst, wieder in den Knast verlegt wirst. Dann wird aber dennoch die Zeit, die du im 64er verbracht hast, auf deine Strafe angerechnet, vorausgesetzt, du warst nicht während des letzten Drittels deiner Strafe in der Entziehungsanstalt (s.u. letzter Absatz „Vorsicht“).

Schließlich kann es dir passieren, dass du – über den Zweidritteltermin hinaus – deine gesamte Strafzeit in der Entziehungsanstalt absitzen musst (mehr aber auch nicht).

Die Maßregel wird bereits im Urteil ausgesprochen. Das Gesetz sieht zwar vor, dass du erst die Entziehungsanstalt durchläufst, dann den Knast (§ 67 Abs. 1 StGB). Trotzdem wird es in der Praxis oft anders gemacht. Es kann bestimmt werden, dass du zuerst in den sogenannten „Vorwegvollzug“, also in den Knast, kommst und danach in die Entziehungsanstalt, wenn durch diese Reihenfolge der Zweck der Unterbringung in der Entziehungsanstalt leichter erreicht wird (§ 67 Abs. 2 StGB). Dafür wird errechnet, wann dein Zweidrittelzeitpunkt ist. Dabei wird auch die U-Haft angerechnet, falls die gegen dich verhängt worden war. Diese Zeit sollst du dann absitzen und danach in die Entziehungsanstalt. Wenn du insgesamt eine Strafe von drei Jahren oder mehr bekommen hast, dann darf das Gericht nicht nur, sondern soll den „Vorwegvollzug“ anordnen. Hintergrund ist, dass davon ausgegangen wird, dass es einfacher ist, dich aus der Entziehungsanstalt drogenfrei in Freiheit zu entlassen, als wenn du erst drogenfrei nochmal in den Knast gehst und es dort schaffen sollst, clean zu bleiben. Daran sieht man, dass sogar Gesetz und Praxis selbst einen etwaigen „Therapieerfolg“ durch den Knast gefährdet sehen.

Bei der Frage der Reihenfolge von Maßregel und Knast passieren den Gerichten häufig Fehler. Da auch nach dem Urteil noch die Reihenfolge geändert werden kann, lohnt es sich also, das mit deiner Anwältin zu besprechen.

Die Entziehungsanstalt ist eine staatliche Einrichtung, oft als Abteilung der psychiatrischen Krankenhäuser gestaltet.

Du sitzt da also wie im Knast, mit Zaun drumherum und Wärterinnen an den Türen und Pflegerinnen in den Gängen.

Wenn du dich dort im Sinne der Ärztinnen „gut“ verhältst, bekommst du wie im Knast Lockerungen, also begleitete und später unbegleitete Ausgänge; im Anschluss findet dann eine „Erprobung in der Freiheit“ statt, z. B. im betreuten Wohnen.

Bist du im Zusammenhang mit Drogenkonsum festgenommen worden oder wirst du sonst einer Straftat verdächtigt, die im Zusammenhang mit Drogenkonsum begangen wurde, und findet das Gericht, dass bei dir die Neigung besteht, dass du im Zusammenhang mit Drogenkonsum Straftaten begehst, besteht auch die Gefahr, dass das Gericht deine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnet.

Auch dies ist eine „Maßregel der Besserung und Sicherung“ wie z. B. auch die Sicherungsverwahrung oder die Unterbringung in einer Psychiatrie. D.h., es geht nicht um deine „Schuld“, sondern um deine „Gefährlichkeit“ (vgl. dazu allgemein die Kapitel 11 Sicherungsverwahrung und Kapitel 19 Psychiatrie und andere Maßregeln).

Vorsicht: Wenn du in der Anstalt sitzt, ist es sehr wichtig, dass dies nicht während des letzten Drittels deiner Strafe passiert (das ist immer dann möglich, wenn deine Strafe kürzer als zwei Jahre ist). Denn die Zeit, die du in der Anstalt sitzt, wird während des letzten Drittels nicht angerechnet (§ 67 Abs. 4 StGB). Hintergrund ist, dass die sich vorbehalten wollen, noch eine Bewährungsentscheidung treffen zu können. Du sollst also nicht die Möglichkeit haben, aus der Anstalt entlassen zu werden, ohne dass die Behörden noch eine Sozialprognose über dich stellen können. Wenn du während des letzten Drittels deiner Strafe in der Entziehungsanstalt sitzt, würdest du dort Zeit verbringen, die nicht von deiner Strafe abgezogen wird. Um das zu vermeiden, ist es besser, das letzte Drittel im Vollzug abzusitzen, wenn es keine positive Prognose gibt. Weise deine Anwältin unbedingt darauf hin, wenn dieser Fall auf dich zutrifft. Leider haben nicht alle Anwältinnen dieses Problem auf dem Schirm.

§ 35 Betäubungsmittelgesetz (BtMG), „Therapie statt Strafe“

Bist du im Zusammenhang mit Drogen eingefahren, unterliegst du einer Sondergesetzgebung, nämlich dem BtMG. Von sogenannten Vollzugslockerungen sind BtM-Gefangene in der Regel ausgeschlossen. Selbst die vorherige Teilnahme an speziellen (Behandlungs-)Programmen bietet keine Garantie, dass die damit verbundenen Zusagen, also Urlaub oder Ausgänge, letztlich eingehalten werden. Vieles spricht dafür, dass die erwähnten Programme nur der Kontrolle und Entsolidarisierung der Gefangenen sowie diversen Versuchszwecken dienen. Vorzeitige Entlassung ist meist nur über eine anschließende stationäre oder – seltener – ambulante Therapie zu erreichen.

Seit der Novellierung des BtMG 1982 gibt es das zweifelhafte „Therapie-statt-Strafe“-Prinzip. Alle BtMlerinnen, deren Haftstrafe nicht oder nicht mehr länger als zwei Jahre dauert (also Urteil nicht mehr als zwei Jahre oder du hast schon so viel abgesessen, dass „nur“ noch zwei Jahre übrig sind), können seitdem, sofern sie einen nach § 35 BtMG anerkannten Therapieplatz und eine Kostenzusage für den Platz von ihrer Krankenversicherung oder der Rentenversicherung nachweisen können, bei der zuständigen Staatsanwaltschaft einen Antrag auf „Zurückstellung der Strafvollstreckung zum Zweck der Therapie“ stellen (§ 35 BtMG). Bis zur Entscheidung dauert es dann ungefähr acht Wochen, manchmal auch länger. Ablehnen kann die Staatsanwaltschaft alleine, zu einer positiven Entscheidung aber muss die Richterin ihre Zustimmung geben. In diesem Zusammenhang ist es nicht uninteressant, dass die Staatsanwaltschaft als weisungsgebundene Behörde dem Justizministerium unterstellt ist.

Auf der nächsten Seite findest du ein einfaches Muster für einen solchen Antrag.

Musterantrag:

Zurückstellung der Strafvollstreckung zum Zweck der Therapie

(§ 35 BtMG)

An die

Staatsanwaltschaft …

- Hauptabteilung Vollstreckung –

Adresse

In Strafvollstreckungssache gegen

..................., geb. am ................., z. Zt. JVA …, wegen ...................................

Aktenzeichen: ............

Hiermit beantrage ich .................... die Zurückstellung der Strafe nach § 35 Betäubungsmittelgesetz zur Behandlung meiner Betäubungsmittelabhängigkeit.

Begründung:

Ich wurde am ................. vom Amtsgericht … zu einer Freiheitsstrafe von ........ Jahr(en) und ......... Monate(n) wegen Verstoßes gegen ...................... verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Tat(en) wurde(n) aufgrund meiner Betäubungsmittelabhängigkeit begangen. Dies ergibt sich auch aus den Urteilsgründen.

Ich will mich einer Behandlung wegen meiner Betäubungsmittelabhängigkeit bei dem Verein Drogenhilfe .............................. in ............................ unterziehen.

Die Aufnahmezusage der Rehabilitationseinrichtung liegt für den ........... vor.

Die Kostenübernahme wird zum Zeitpunkt des Therapieantritts vorliegen.

Kurz darlegen wann, wo und wie man zur Einsicht gelangt ist, dass jetzt eine Entwöhnungstherapie zwingend ist? Dann kurz darlegen, warum gerade jetzt eine Therapie von guten Erfolgsaussichten geprägt ist.

Der Verurteilte

Anlagen:

Aufnahmebestätigung

Kostenübernahmeerklärung

Der Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenversicherung ist ziemlich umfangreich (etwa 20 Seiten). Du bekommst auf Anfrage ein Formular von deiner Krankenversicherung oder Rentenversicherung.

Oft lehnen die Versicherungen deinen Antrag erstmal ab. Dann ist es wichtig, die weiter zu nerven und zu nerven, bis sie irgendwann eine Zusage geben. Gut ist auch, wenn dir eine Ärztin oder Psychologin bescheinigt, dass die Therapie wichtig für dich ist. Die im Anhang gelisteten Drogenberatungsstellen helfen dir, den Antrag zu stellen.

Den 35er im Zusammenhang mit einer ambulanten Therapie zu stellen, ist zwar möglich, vom Knast aus aber kaum durchzusetzen.

Hast du mit deinem Antrag Erfolg gehabt, kommst du vom Knast aus direkt in die Therapieeinrichtung und musst nun regelmäßig nachweisen, dass du dich dort auch tatsächlich aufhältst. Die Einrichtung ist wiederum verpflichtet, einen Abbruch oder Rauswurf innerhalb einer Woche rückzumelden. Viele Einrichtungen machen das sogar schon früher.

Hast du deine Therapie erfolgreich (was auch immer damit gemeint sein mag) abgeschlossen, wird im Allgemeinen die gesamte, mindestens aber zwei Drittel der Zeit, die du dort warst, auf deine Knastzeit angerechnet und der evtl. noch verbleibende Rest zur Bewährung ausgesetzt. Ein Recht darauf hast du allerdings nicht.

Brichst du die Therapie ab (Gleiches gilt, wenn du rausfliegst), wird die „Zurückstellung“ der Strafvollstreckung in der Regel widerrufen, falls du nicht rechtzeitig wieder in die Einrichtung zurückkehrst. Die Zeit bis dahin kann aber trotzdem auf deine Haftzeit angerechnet werden. Um nach dem Abbruch oder Rauswurf nicht gleich wieder im Knast zu landen, musst du dir einiges einfallen lassen. Eine geringe Chance hast du, wenn du die stationäre Therapie ca. sechs Monate durchgezogen hast und dann gleich in eine ambulante Therapie wechselst. Günstig ist es auch, wenn dein restlicher Knast nicht über zwölf Monate liegt. Wenn du kannst, versuche in regelmäßigen Urinkontrollen (UKs) dein Cleansein nachzuweisen. Suche auf jeden Fall sofort eine Drogenberatung auf und sprich mit den Leuten deine Möglichkeiten durch. Ehe du dich für einen Antrag gemäß § 35 BtMG entscheidest, solltest du bedenken: Die meisten in Frage kommenden Therapien dauern 18 Monate. In der Anfangszeit ist deine persönliche Freiheit meist noch eingeschränkter als im Knast, z. B. Kontaktsperre nach draußen (kein Besuch, keine Telefonate, keine Post), Teilnahmezwang an allen Veranstaltungen usw. Der Knast muss eine sogenannte Sozialprognose erstellen, was gleichbedeutend mit „Motivationsforschung“ ist. Logischerweise wird da von dir angepasstes Verhalten im Knast erwartet.

Häufig kann es sein, dass sowohl der § 64 StGB als auch der § 35 BtMG möglich sind. Dann gilt es rauszufinden, welcher der beiden für dich besser ist. Als Faustregel kann man sagen, dass bei Strafen unter vier Jahren der § 35 BtMG besser ist und bei Strafen von vier oder mehr Jahren der § 64 StGB. Mit besser ist gemeint, dass die Zeit, bis du rauskommst, kürzer ist. Wo es sich besser aushalten lässt, kommt auf die Anstalt bzw. die 35er-Einrichtung an. Man hat zwar nicht direkt ein Wahlrecht zwischen § 64 StGB oder § 35 BtMG, weil die Richterin den § 64 StGB im Urteil aussprechen muss, wenn die Voraussetzungen ihrer Meinung nach vorliegen, aber nach § 35 BtMG kann man auch eine Maßregel, also auch die Unterbringung nach § 64 StGB, zurückstellen lassen, genauso wie die Zeit im Knast. Außerdem kann man auch versuchen, dass ein Gutachten zum § 64 StGB gar nicht eingeholt wird und eine Unterbringung nicht zum Thema im Prozess wird. Deine Anwältin sollte dich dazu beraten können.

§ 57 StGB, Strafaussetzung zur Bewährung mit Therapieauflage

Einen Antrag auf „Strafaussetzung zur Bewährung mit Therapieauflage“ musst du an die für deinen Knast zuständige Strafvollstreckungskammer stellen. Knast und Staatsanwaltschaft müssen wie bei einem normalen Reststrafengesuch dazu eine Stellungnahme abgeben. In diesem Fall kommen für dich auch die Therapieeinrichtungen in Frage, die nach § 35 BtMG nicht anerkannt sind. Ggf. kannst du die Tatsache, dass dein Therapieplatz für dich zwar besonders geeignet, aber nach § 35 BtMG nicht anerkannt ist, als Argument verwenden, weshalb du die Aussetzungen mit Auflage und eben nicht den 35er beantragst. Die nach § 35 BtMG nicht anerkannten Therapieeinrichtungen sind für dich wesentlich günstiger, da du dort mehr persönliche Freiheit und kürzere Therapiezeiten hast. Diese Einrichtungen weigern sich auch, mit der Strafvollstreckungskammer zusammenzuarbeiten, d.h., Abbruch oder Rauswurf wird nicht zurückgemeldet.

Bei einem Therapieabbruch hast du erheblich größere Chancen, nicht gleich wieder im Knast zu landen. Ein Wechsel in eine ambulante Therapie ist leichter durchzusetzen. Ausreichend ist meistens das ambulante Angebot mancher Beratungsstellen, das im Wesentlichen aus unregelmäßigen UKs und einem wöchentlichen Gespräch mit einer Drogenberaterin besteht. Allerdings solltest du dich vorher über die einzelnen Beratungsstellen informieren.

Andererseits kann dir nichts angerechnet werden. Wird deine Bewährung doch widerrufen, sitzt du deine gesamte noch offene Zeit ab.

In jedem Fall aber suche eine Drogenberatungsstelle auf und sprich mit den Leuten deine nächsten Schritte ab. Um einem Sicherungshaftbefehl vorzubeugen, solltest du dich nach der Kontaktaufnahme mit der Beratungsstelle bei der örtlichen Bewährungshilfe melden. Da dir während deiner Therapiezeit vermutlich noch keine Bewährungshelferin zugeordnet wurde, kannst du dir sozusagen eine aussuchen. Auch hier solltest du dir vorher ein paar Informationen besorgen, wie die Leute denn so drauf sind, und dann direkt hingehen und deine nächsten Schritte darlegen. Die Bewährungshelferin wird dann der Vollstreckungskammer mitteilen, dass du dich gemeldet hast, und einen Antrag auf Änderung der Therapieauflage stellen. Bis zu dieser Entscheidung vergehen mehrere Wochen, während du durch die Abgabe von UKs nachweisen kannst, dass eine stationäre Therapie nicht erforderlich ist.

Sowohl die Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG als auch die Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 57 StGB kannst du schon beim Termin beantragen. Günstig ist es natürlich, wenn du gleich einen Therapieplatz vorweisen kannst. Achte aber darauf, dass, auch wenn dein Antrag abgelehnt wird, wenigstens eine Empfehlung in deine Urteilsbegründung aufgenommen wird. Etwa so: „Nach Verbüßung eines Teils der Strafe empfiehlt das Gericht ...“ Meist wird sich dann später sowohl die Strafvollstreckungskammer als auch die Staatsanwaltschaft daran halten – ein Vorteil, wenn die Stellungnahme des Knastes vielleicht ungünstig ausfällt, weil du dich nicht angepasst genug verhalten hast.

Beachten musst du auch, dass der 35er nur bei reinen Drogendelikten möglich ist. Werden dir daneben noch andere Straftaten vorgeworfen, musst du, wenn du vorhast, den Antrag auf 35er zu stellen, bei den Gerichtsterminen den Zusammenhang mit deiner Abhängigkeit nachweisen und dies in deiner Akte oder im Urteil vermerken lassen. Aber Vorsicht: Da es sich dann um sogenannte „Folgekriminalität“ handelt, kannst du dir damit unter Umständen die Unterbringung nach § 64 (s.o.) einhandeln.

Du kannst auch in Strafhaft die Reihenfolge der Vollstreckung der verschiedenen Strafen so beantragen, dass deine BtM-Strafen zum Schluss kommen. Das ist gut, weil du dann den 35er beantragen kannst und keine „Sperrstrafe“ offen hast.

Übergangseinrichtung

Bekommst du erstmal keinen Platz in einer 35er-Einrichtung oder gibt dir weder die Krankenversicherung noch die Rentenversicherung eine Kostenübernahmezusicherung, kannst du auch erstmal in eine sogenannte „Übergangseinrichtung“, wenn es in deiner Nähe eine gibt. Versuche sonst auch bundesweit einen Platz zu bekommen. Eine Auswahl an Einrichtungen findest du im Anhang. Wenn Staatsanwaltschaft und Gericht dem 35er grundsätzlich zugestimmt haben, genehmigen sie in der Regel auch, dass du zunächst in eine Übergangseinrichtung kommst. Dort wirst du in verschiedenen Gruppen und je nach Einrichtung auf deine Zeit in der 35er-Therapie vorbereitet. Auch nach einer 35er-Therapie kannst du, wenn du auf Wohnungssuche bist, bei der Übergangseinrichtung Hilfe bekommen.

Welcher Träger die Kosten übernimmt, ist in den Bundesländern unterschiedlich, oft sind es die Sozialämter; bei Jugendlichen übernimmt das Jugendamt die Kosten; wenn du nicht weißt, wo du die Kostenübernahme beantragen sollst, ruf bei der Übergangseinrichtung an, zu der du willst – die wissen das. Um die Aufnahme zu beantragen, schreibe ein Fax oder einen Brief an die Adresse der Übergangseinrichtung. Da es in den Einrichtungen viel Fluktuation gibt, werden oft kurzfristig Plätze frei. Wenn die Einrichtung einen freien Platz hat, dann schreiben sie dir zurück. Es kann dann ganz schnell gehen, wenn du Glück hast.

Führungsaufsicht

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass bei einer Einzelstrafe über zwei Jahren (und einschlägigen Vorstrafen) und wenn du dich weigerst, eine dir angebotene „Strafaussetzung zur Bewährung mit Therapieauflagen“ anzunehmen, die Möglichkeit besteht, dir auf Antrag der Anstalt am Ende deiner Haft noch die Führungsaufsicht reinzudrücken. Diese dauert zwischen zwei und fünf Jahren. Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten sind erheblich größer als bei der Bewährungsaufsicht. Bei einem Verstoß gegen die Auflagen können sie dich mit Knast bis zu einem Jahr und/oder einer Geldstrafe bestrafen. Siehe dazu im Einzelnen Kapitel 12.4. die Entlassung.

14.2. Drogen im Knast

So wie überall gibt es auch im Knast Drogen. So wie überall gibt es auch Abhängigkeitsverhältnisse, Schulden und Leute, die die Schulden eintreiben.

Da relativ viele Gefangene mit einer Suchtproblematik in Haft kommen, haben viele Knäste gar nicht die Kapazitäten, dir wegen Drogen eine Sonderbehandlung zu verpassen. Wenn die Kapazitäten da sind, werden sie dich mit UKs (s.u.) nerven oder versuchen, dich sonst wie zu „behandeln“. Sie können dir z. B. eine Drogengruppe aufdrücken oder einen Gesprächstermin bei der Psychologin.

Hausstrafen

Wirst du mit Drogen erwischt, wirst du im Knast nochmal extra bestraft. Die Bandbreite reicht von Disziplinarmaßnahmen bis zu neuen Strafverfahren, wobei es einen großen Unterschied macht, ob sie glauben, dass du dealst oder nur konsumierst.

Disziplinarmaßnahmen: Fast sicher kannst du davon ausgehen, dass du einen Gelben bekommst, eine Disziplinarmaßnahme. Gängig sind Einschluss für ein paar Tage bis zu zwei Wochen, Entzug deiner Gegenstände wie Fernseher o.Ä., bei Dealerinnen auch Verlegung. In einigen Knästen gibt es einen speziellen Dealerinnenbereich, der extrem abgeschottet ist.

In Haft gilt auch bei Gras und Hasch keine Eigenbedarfsgrenze – alles, jeder Fuzzel Gras, wird angezeigt und ein Verfahren eröffnet. Dies endet oft mit kleinen Geldstrafen, die dann, da du sie meist nicht zahlen kannst, auf deine Haftstrafe raufgepackt werden, du sitzt dann ein paar Tage oder Wochen länger.

Außerdem macht es sich extrem schlecht in deiner Gefangenenakte. Mit Drogen erwischt worden zu sein, wirkt sich auch nach Jahren noch aus, wenn du beispielsweise Lockerungen beantragst.

Erledigt hat sich für eine Zeit dann auch der offene Vollzug. Wenn du schon im offenen warst und eine positive UK abgibst, wirst du in den geschlossenen verlegt.

Weiteres zu Disziplinarmaßnahmen findest du in Kapitel 8 Sicherheit und Ordnung.

UKs

UKs werden vor allem bei die „Sicherheit und Ordnung“ gefährdenden Menschen durchgeführt, die nämlich Arbeit haben und sich deswegen im Knast bewegen können.

Oft führt die Abteilung Sicherheit des Knastes stichprobenartig in einem Trakt des Knastes UKs durch, sonst picken sie sich auch gerne mal Leute raus, die sie verdächtigen.

Die UK läuft folgendermaßen ab: Eine Beamtin deines Geschlechts kommt mit einem Plastikbecher. Du sollst da dann reinpinkeln. Dabei ist es von Beamtin zu Beamtin unterschiedlich, ob sie dir dabei genau zugucken wollen oder ein bisschen diskreter weggucken. Wenn sie dich im Verdacht haben, zu schummeln, z. B. einen Beutel mit Urin von einer anderen Gefangenen dabeizuhaben, werden sie genau zugucken wollen. Wenn du dich weigerst, gilt das, als ob du den Test nicht gemacht hättest, was wiederum Disziplinarmaßnahmen bis hin zu ein paar Tagen Isolationshaft zur Folge hat.

Die Zuverlässigkeit der Tests ist sehr umstritten; immer wieder berichten Gefangene von falsch positiven Ergebnissen, und es ist auch aus anderen Quellen bekannt, dass diese Tests fehlerhaft sein können. Wenn der Test bei dir positiv ausgeht (oft zeigt er dann alle getesteten Substanzen positiv an), du aber nichts konsumiert hast, musst du unbedingt auf einen (sichereren) Bluttest bestehen; der muss schnell durchgeführt werden, da im Blut eine kürzere Nachweisbarkeitsdauer gegeben ist.

Achtung! Wenn du positiv getestet wirst, schließt sich in der Regel eine Zellenrazzia an, um bei dir noch weitere Drogen zu finden.

14.3. Sicherer Konsum im Knast

Es ist kein Geheimnis: In jedem Knast dieser Erde werden auch Drogen konsumiert (so wie in jeder Gesellschaft dieser Erde). In den deutschen Knästen ist so ziemlich alles an Drogen zu kriegen, was es auch auf der Straße gibt: Haschisch sowieso, aber auch Speed, Heroin, Kokain, Subutex und manches mehr. Natürlich sind die Drogen im Knast in der Regel deutlich teurer als auf der Straße.

14.4. Ansteckende Krankheiten

Was jedoch im Knast deutlich schwieriger zu organisieren ist als draußen, ist sauberes Spritzbesteck. Deswegen stecken sich auch immer noch viele Menschen im Knast mit vermeidbaren Infektionskrankheiten wie HIV und Hepatitis C an. Wir wollen euch hier ein paar Tipps geben, wie ihr eine Ansteckung vermeiden könnt.

Hepatitis C

Hepatitis C ist eine Viruserkrankung, die vom Hepatitis-C-Virus erzeugt wird. Das Virus ist bei infizierten Menschen im Blut vorhanden und kann über direkten Blut-zu-Blut-Kontakt übertragen werden. Da das Hepatitis-C-Virus sehr infektiös und gleichzeitig sehr stabil ist, ist gerade beim Spritzen von Drogen eine Übertragung sehr leicht möglich. An der Luft kann das Virus bis zu vier Wochen überleben, bereits kleinste Virusmengen reichen für eine Ansteckung aus!

Beim Sex wird Hepatitis C sehr selten übertragen. (Eine Ausnahme sind Menschen, die sowohl Hepatitis C als auch HIV haben. Hier wird das Virus häufiger übertragen.) Umso häufiger ist jedoch eine Übertragung durch das Spritzen von Drogen.

Ungefähr die Hälfte aller Menschen, die in Deutschland Drogen spritzen, hatten schon Kontakt mit dem Hepatitis-C-Virus. Etwa 20 % der Infektionen mit Hepatitis C verschwinden von alleine, der Körper schafft es in diesen Fällen also, das Virus komplett zu besiegen. Etwa 80 % aller Infektionen mit Hepatitis C werden jedoch chronisch. D. h., das Hepatitis-C-Virus verbleibt dauerhaft im Körper. Diese Infektionen müssen medizinisch behandelt werden, da die Infektion mit Hepatitis C langfristig oft sehr große Leberschäden bis hin zu Leberkrebs oder tödlichen Leberzirrhosen verursacht. Wenn der Körper ein halbes Jahr nach der Infektion es noch nicht geschafft hat, alle Hepatitis-C-Viren zu töten, ist davon auszugehen, dass die Infektion nicht mehr von alleine ausheilen wird.

Da das Virus so infektiös und langlebig ist, muss beim Spritzen von Drogen nicht nur auf eine saubere Spritze und Nadel, sondern auch auf sauberes Zubehör geachtet werden. Ein großer Teil der Hepatitis-C-Übertragungen geschieht durch infiziertes Zubehör: Löffel, Wasser, Filter ... Auch die Benutzung eines gemeinsamen Sniefröhrchens ist riskant, hier kann Hepatitis C durch kleinste, nicht sichtbare Blutspuren am Röhrchen übertragen werden.

Viele Menschen wissen übrigens nichts von ihrer Infektion mit Hepatitis C oder anderen Viren. Gerade bei Hepatitis C ist das Risiko einer Ansteckung beim Spritzen von Drogen so hoch, dass sich oft Menschen anstecken, ohne dass ihnen aufgefallen ist, dass sie ein Risiko hatten. Wenn sich also jemand vor einiger Zeit auf Hepatitis C hat testen lassen und alles okay war, heißt das noch lange nicht, dass danach keine Infektion mit Hepatitis C stattgefunden hat. Es gibt keine Immunität gegen Hepatitis C. Auch nach einer spontan ausgeheilten oder erfolgreich behandelten Hepatitis-C-Infektion kann man sich jederzeit wieder neu anstecken, wenn man in Kontakt mit dem Hepatitis-C-Virus kommt!

Folgende Maßnahmen helfen, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Knastes eine Infektion mit Hepatitis C durch Drogenkonsum zu vermeiden:

Substitution

Gerade wenn du vor dem Knast regelmäßig größere Mengen an Heroin oder anderen Opiaten konsumiert hast oder sogar in regulärer Substitution warst, kannst du versuchen, dich im Knast dauerhaft oder zumindest erstmal für einen längeren Zeitraum substituieren zu lassen (s.u.). Das Risiko, dass du durch Suchtdruck oder Entzugserscheinungen unter riskanten Bedingungen Drogen wie etwa Heroin im Knast konsumierst, wird hierdurch deutlich gesenkt. Leider ist immer noch in vielen deutschen Knästen eine dauerhafte oder längerfristige Substitution nicht möglich oder nur schwer durchzusetzen.

Alternative Konsumformen

Gerade wenn es schwer oder unmöglich ist, an sauberes Spritzbesteck zu gelangen, sollte geguckt werden, ob es nicht Alternativen zum Spritzen gibt. Heroin, Speed, Kokain, Subutex usw. können gut gesnieft werden. Achtet beim Sniefen darauf, stets ein eigenes Röhrchen zu verwenden, um Übertragungen von Hepatitis C (und Hepatitis B, s.u.) auszuschließen!

Heroin kann auch gut geraucht werden, lasst euch eventuell von erfahrenen Benutzerinnen zeigen, wie es am besten geht. Eine weitere Konsumalternative ist das sogenannte „Up your bum“: Hierbei wird eine normal aufgekochte Heroinlösung nach dem Abkühlen in den After gespritzt – ohne Nadel natürlich. Dann werden die Pobacken zusammengekniffen, die Lösung wird durch die Darmschleimhaut aufgenommen. Ihr solltet hierfür so wenig Flüssigkeit wie möglich verwenden, nach Aussage erfahrener Userinnen ist das Konsumerlebnis so ähnlich wie beim Spritzen.

Wenn spritzen – dann sauber und sicher!

Ihr solltet nach Möglichkeit wirklich nur dann Drogen spritzen, wenn ihr die Möglichkeit habt, sauberes Spritzbesteck und sauberes Zubehör zu verwenden. Das heißt:

Spritze und Nadel müssen auf jeden Fall frei von infektiösem Material wie Hepatitis- oder HI-Viren sein. Das ist dann der Fall, wenn Spritze und Nadel vorher sicher noch von niemandem benutzt worden sind, wenn Spritze und Nadel vorher sicher nur von dir und sonst von keiner anderen Person benutzt worden sind oder wenn Spritze und Nadel vorher gereinigt und dann mindestens 20 Minuten ausgekocht wurden. Ein einfaches, auch mehrfaches Ausspülen von Nadel und Spritze mit kaltem oder heißem Wasser reicht auf keinen Fall aus, vorhandene Hepatitis- oder HI-Viren zuverlässig zu entfernen!

Auch das Zubehör muss sicher frei von infektiösem Material sein.

Wasser: Verwendet nur sauberes Wasser frisch aus dem Hahn in einem sauberen Gefäß. Ein gemeinsames Glas mit Wasser auf dem Tisch, aus dem sich verschiedene Menschen mit ihren Pumpen Wasser aufziehen, ist eine typische Ansteckungsquelle für Hepatitis C, wenn auch nur eine Person am Tisch Hepatitis C hat und mit ihrer gebrauchten Pumpe aus dem gemeinsamen Glas Wasser aufzieht.

Filter: Verwendet einen frischen, unbenutzten Filter. Gebrauchte Filter sind in der Regel mit Hepatitis-C-Viren verunreinigt, wenn die Person, die sie benutzt hat, eine Hepatitis-C-Infektion hat und mit gebrauchtem Besteck ihren Druck zubereitet hat. Wenn eigene (nicht fremde!) Filter aufgehoben werden, um sie nochmal aufzukochen, lasst sie auf jeden Fall gut trocknen, um eine massive Bakterienentwicklung zu verhindern.

Löffel: Verwendet nur einen sauberen Löffel zum Aufkochen. Löffel, die von anderen Menschen mit gebrauchtem Spritzbesteck verwendet worden sind, können leicht mit Hepatitis-C- oder anderen Viren verunreinigt sein.

Feuerzeug, Hände und Umgebung: Achtet darauf, dass sowohl eure Hände als auch das Feuerzeug und die Umgebung, wo der Druck zubereitet wird, sauber und frei von Blutspuren, die mit Hepatitis C oder anderen Viren belastet sein können, sind. Die Hände sollten auf jeden Fall vor dem Druck gut gewaschen und/oder desinfiziert werden.

Wenn ihr nicht sicher seid, ob ihr wirklich so sauber arbeiten könnt, dass eine Infektion mit Hepatitis C oder anderen Viren sicher vermieden wird: Versucht, auf das Spritzen von Drogen im Knast zu verzichten, und denkt über andere Konsumformen wie Rauchen oder Sniefen nach. Leider gibt es in den allerwenigsten Knästen in Deutschland einen Zugang zu sauberem Spritzbesteck und Zubehör. Bis heute stecken sich deswegen viele Menschen im Knast mit Hepatitis C oder anderen Infektionskrankheiten wie HIV an. Das muss nicht sein - passt auf euch auf!

Hepatitis B

Die Hepatitis-B-Infektion wird durch das Hepatitis-B-Virus übertragen. Dieses Virus ist leicht übertragbar und hoch infektiös. Das Virus findet sich etwa im Blut, in Körperflüssigkeiten wie Sperma und Vaginalsekret, aber auch im Speichel. Das Virus wird leicht übertragen, etwa beim ungeschützten Sex oder wenn du Spritzbesteck benutzt, das schon von anderen benutzt wird.

Etwa 90 % der Hepatitis-B-Infektionen heilen von selbst aus. Wenn die Infektion allerdings nicht von selbst ausheilt, ist sie sehr schwer zu behandeln, bleibt oft lebenslang im Körper und verursacht nach Jahren schwere Leberschäden. Bei allen Menschen, bei denen eine Hepatitis-B-Infektion ausgeheilt ist, besteht lebenslange Immunität.

Gegen Hepatitis B gibt es eine sehr wirksame Impfung. Als Drogengebraucherin solltest du im Knast geimpft werden können, wenn du noch nicht geimpft bist. Auf jeden Fall kannst du mal nachhaken, wenn du willst. Wenn du schon geimpft bist, sollte nach spätestens zehn Jahren kontrolliert werden, ob eine Auffrischimpfung notwendig ist.

Wenn du nicht geimpft bist und dich auch nicht impfen lassen kannst oder willst: Gegen eine Ansteckung mit Hepatitis B helfen alle Maßnahmen, die wir oben beim Punkt „Hepatitis C“ angesprochen haben.

HIV

HIV ist eine Virusinfektion mit dem HI-Virus, die unbehandelt zur tödlichen Krankheit AIDS führt. Bei infizierten Menschen können HI-Viren im Blut, im Sperma sowie im Vaginalsekret vorhanden sein. Die Übertragung ist sowohl beim ungeschützten Sex als auch durch das Benutzen von gebrauchten Nadeln und Spritzen beim Konsumieren von Drogen möglich.

Alle Maßnahmen, die gegen eine Infektion mit Hepatitis C schützen (s.o.), helfen auch, eine Ansteckung mit HIV beim Drogenkonsum zu vermeiden! Um eine Übertragung beim Sex zu verhindern, schützen Kondome sehr zuverlässig. Auch eine konsequente Behandlung der HIV-Infektion ist wichtig, da bei Menschen mit HIV, die sich in Behandlung befinden, die sogenannte „Viruslast“ ganz stark reduziert ist. Zwar gelingt es bis heute noch nicht, das Virus ganz aus dem Körper zu verdrängen, die Medikamente sind aber so wirksam, dass unter Behandlung das Virus häufig nicht mehr im Blut nachgewiesen werden kann.

Auch in Deutschland sind sehr viele Menschen mit HIV infiziert, wissen aber nichts von ihrer Infektion. Dabei ist eine HIV-Infektion heutzutage gut behandelbar, vor allem wenn sie rechtzeitig erkannt wird. Wenn ihr ein Risiko für eine HIV-Infektion hattet, ob im Knast oder außerhalb, ist ein Test auf HIV sinnvoll.

Nach Entlassung: VORSICHT!!!

Immer noch gibt es in Deutschland viel zu viele Menschen, die an einer unbeabsichtigten Überdosis von illegalisierten Drogen wie Heroin sterben. Und: Die meisten der Menschen, die an einer Überdosis sterben, sind kurz vorher aus dem Knast entlassen worden! Menschen, die längere Zeit auf Drogen verzichtet haben (im Knast, aber auch bei Therapie, Entgiftung usw.) und dann wieder anfangen zu konsumieren, sind also besonders gefährdet, eine tödliche Überdosis zu erleiden.

Der menschliche Körper gewöhnt sich schnell an den Konsum von Drogen wie etwa Heroin. Gleichzeitig geht diese Gewöhnung aber auch schnell wieder verloren, wenn längere Zeit nicht oder nur gelegentlich und in sehr geringen Mengen konsumiert wird, wie das häufig im Knast der Fall ist. Wer deshalb eine Konsumpause gemacht hat und dann wieder mit dem Konsum anfängt, muss besonders gut auf sich aufpassen!

Folgendes könnt ihr machen, um eine (oft tödliche) Überdosierung zu vermeiden, wenn ihr nach dem Knast (oder einer sonstigen Konsumpause) wieder mit dem regelmäßigen Konsum beginnt:

14.5. Substitution

Substitution meint die Behandlung einer Abhängigkeit von illegalisierten Stoffen wie etwa Heroin durch legale Stoffe wie etwa Methadon. Die Opiatabhängigkeit als solche bleibt dabei bestehen. Die Idee ist, dass Menschen, die heroin- oder opiatabhängig sind, das benötigte Opiat von der Krankenkasse auf Rezept erhalten. So müssen Menschen, die substituiert werden, nicht mehr auf dem illegalen Markt für teures Geld ihr meist schlecht gepanschtes Heroingemisch kaufen und vielleicht auch Sachen machen, die sie eigentlich nicht machen wollen, um die notwendige Knete zu organisieren, sondern können sich auf ihr Leben konzentrieren (Beziehungen, Wohnung, vielleicht einen Job suchen, Spaß haben usw.).

Substitution ist erstmal eine gute Sache. Die dahintersteckende Idee ist richtig, dass in der Regel nicht die Abhängigkeit das Problem ist, sondern die Illegalität von Heroin und anderen Opiaten. Die Substitution zeigt, dass Menschen zwar stark abhängig von Opiaten sein können, aber gleichzeitig ihr Leben richtig auf die Reihe bekommen, solange sie regelmäßigen Zugang zu diesen Opiaten in guter Qualität und ohne zu hohe Kosten haben.

Substituiert wird in Deutschland in der Regel mit Methadon oder Buprenorphin, auch als Subutex oder Suboxone bekannt. Polamidon (Pola) ist gereinigtes Methadon, wirksamer und mit weniger Nebenwirkungen, aber auch teurer.

Methadon macht eher etwas breit, benommen und ist damit eher an der Wirkung von Heroingemischen dran. Mit Subutex behält man einen klaren Kopf, manchmal etwas zu klar. Jede muss selbst sehen, mit was sie besser zurechtkommt, häufig ist ein Einstieg mit Methadon erfolgreicher, ein späterer Umstieg auf Subutex ist möglich und wird auch häufig gemacht.

Methadon hat leider auch einige Nebenwirkungen, darunter etwa Müdigkeit, Schwitzen, Gewichtszunahme. Auch Libidoverlust (weniger sexuelles Begehren) ist möglich. Methadon macht stark abhängig, die Entzugserscheinungen sind deutlich stärker als bei Heroin. Deswegen wird eine Substitution mit Methadon in der Regel auch nicht von heute auf morgen abgebrochen, sondern das Methadon wird über viele Monate hinweg langsam reduziert, bis die Dosis bei null ist.

Methadon und Subutex sollen nicht gespritzt werden. Deswegen wird die Methadonlösung häufig mit Sirup versetzt, um das Spritzen schwieriger zu machen. Bei Subutex wird häufig Naloxon zugesetzt, sogenannte Suboxone. Das Gegenmittel wirkt nur, wenn das Zeug gespritzt und nicht wenn es geschluckt wird, so sollen die Leute vom Spritzen abgehalten werden.

Natürlich werden Methadon und Subutex trotzdem häufig gespritzt. Mit Sirup versetztes Methadon macht häufig üble Abszesse. Werden Methadontabletten zum Spritzen aufgekocht, muss die entstehende Lösung mehrfach gefiltert werden, um die Tablettenstoffe (Talkum) so weit wie möglich aus der Lösung zu entfernen. Toll ist es trotzdem nicht, sich das Zeug zu ballern (wie auch bei anderen Pillen; wenn möglich, sollten Pillen nie gedrückt werden).

Seit 2010 gibt es auch die Möglichkeit, sich mit Diamorphin (künstliches Heroin) substituieren zu lassen. Derzeit gibt es vor allem in deutschen Großstädten hierzu die Möglichkeit, doch die Plätze sind begrenzt. Voraussetzung für die Substitution mit Diamorphin sind mindestens fünf Jahre Abhängigkeit von Opiaten, mindestens zwei erfolglose Entzugs- oder Therapieversuche (davon mindestens ein Versuch mit Substitution mit Metha, Pola oder Subutex) sowie ein Mindestalter von 23 Jahren. Während Metha und Subutex nicht gespritzt werden dürfen, muss das Diamorphin gespritzt werden (eine Absurdität der deutschen Drogenpolitik, in der Schweiz gibts das z. B. auch als Tabletten). Diamorphin hat deutlich weniger Nebenwirkungen als Methadon, ist also eigentlich besser zur Substitution von Heroin geeignet. Aber, wie gesagt, es ist noch die absolute Ausnahme. (Berlin, Stand Sommer 2015: Ca. 120 Menschen substituiert mit Diamorphin, ca. 5.000 Menschen substituiert mit Metha, Pola oder Subutex. In Berlin gibt es viel mehr Nachfrage als Angebot für Diamorphinsubstitution, da wird sich – hoffentlich – bald noch einiges tun.)

Substitution im Knast

Die Situation für Substitution im Knast ist je nach Bundesland unterschiedlich. Im Allgemeinen gilt: Wenn du draußen stabil substituiert warst und vielleicht sogar eine saubere UK hast, hast du ganz gute Chancen, auch im Knast dauerhaft substituiert zu werden. Besonders nachteilig für Gefangene und immer noch vor allem von irrationalen Vorurteilen durch Behörden und Gefängnispersonal geprägt ist weiterhin die Situation in Bayern.

Wenn du weißt, dass ein Haftbefehl gegen dich draußen ist, und du erstmal für einige Zeit einfährst, ist es vielleicht auch eine Möglichkeit, sich zu einem selbst gewählten Zeitpunkt zu stellen. Dann kannst du nicht nur gucken, dass du vielleicht eine saubere UK hast, sondern auch deinen Freundinnen vorher Bescheid sagen, Klamotten und Tabak mitnehmen usw.

Ob du im Knast aber dauerhaft substituiert wirst, hängt immer noch zum einen sehr stark vom jeweiligen Bundesland ab, wo du einsitzt, aber auch von den Kapazitäten der Knastärztinnen. Wenn du draußen im Substitutionsprogramm warst, bevor du eingefahren bist, solltest du aber ggf. darauf bestehen, dass zumindest über einen gewissen Zeitraum weiter Metha, Pola oder Subutex gegeben wird und die Behandlung nicht durch den Knast plötzlich abgebrochen wird. In vielen Bundesländern wird im Knast Metha oder Pola gegen Entzugserscheinungen bei Heroin- oder Opiatentzug gegeben, aber dann oft innerhalb weniger Tage auf null runterdosiert. Das ist also keine Substitution, sondern ein Metha-gestützter „warmer Entzug“.

In der Regel wird im Knast mit Methadon substituiert, gelegentlich auch mit Pola oder Subutex. Diamorphinsubstitution gibt es bislang noch nicht im Knast. In absehbarer Zeit werden wohl auch höchstens Menschen, die direkt vor dem Knast schon im Diamorphinprogramm waren, die Möglichkeit haben, auch im Knast Diamorphin zu bekommen – wenn überhaupt.

14.6. Aus den Bundesländern

Hier noch ein Überblick über die verschiedenen Bundesländer (Stand 2014, aus: http://www.aidshilfe.de/sites/default/files/substitution_in_haft_2014.pdf):

Baden-Württemberg

Im baden-württembergischen Justizvollzug ist die Substitution seit 2002 in einer Verwaltungsvorschrift geregelt. Dabei wurden so weit wie möglich die draußen für gesetzlich Krankenversicherte geltenden Regelungen übernommen. Anerkannte Indikationen für eine Substitution sind die Stabilisierung des Gesundheitszustands bei bestehender Drogenabhängigkeit, die Unterstützung der Behandlung einer zusätzlichen schweren Erkrankung (z. B. HIV, chronische Hepatitis B oder C) bei bestehender Drogenabhängigkeit und die Verringerung der Risiken einer Opiatabhängigkeit während der Schwangerschaft und nach der Geburt.

In den letzten Jahren ist das Behandlungsangebot erweitert worden; die Substitution wird in allen Haftanstalten des Bundeslandes angeboten. Wer bereits vor Haftantritt substituiert wurde oder erst während der Haft eine Indikation erhält, kann im Justizvollzug Ersatzmittel erhalten. Ihr Einsatz ist ebenso beim medikamentengestützten Entzug möglich, als Maßnahme zur Vorbereitung der Entlassung oder bei substituierten Gefangenen auf Transport. Die Substitution ist zeitlich nicht begrenzt. Eingesetzt werden können Methadon, Polamidon und Buprenorphin; die Diamorphinvergabe ist in Planung. Welches Mittel gewählt wird, entscheidet die Anstaltsärztin.

Bayern

Im bayerischen Justizvollzug steht man der Methadonsubstitution äußerst kritisch gegenüber. Die Substitution wird nicht als „Programm“ oder „Therapie“ angeboten, sondern in Einzelfällen auf Anordnung der Anstaltsärztin durchgeführt.

Substituiert werden können:

Zur Vorbereitung der Entlassung wird nicht substituiert. Ist eine Substitution indiziert, aber vor Ort nicht – oder in einer anderen Haftanstalt besser – durchführbar, erfolgt eine Verlegung. Wer nach Haftantritt weiter substituiert wird, erhält das gleiche Medikament wie vor der Haft.

Anmerkung: Die Substitution erfolgt im bayerischen Vollzug nur in Ausnahmefällen, was bereits zu Klagen und dem Einschalten des Petitionsausschusses führte. Für 2015 wird eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu diesen Fällen erwartet.

Berlin

In den Berliner Justizvollzugsanstalten wurde das Substitutionsangebot ausgebaut: Grundsätzlich können Gefangene in allen JVAs substituiert werden (einschließlich Untersuchungshaft). Eine Substitution ist möglich, wenn sie schon vor Haftantritt erfolgte oder eine Indikation während der

Haft gestellt wird. Anerkannte Indikationen sind die Stabilisierung des Gesundheitszustands bei bestehender Drogenabhängigkeit, die Unterstützung der Behandlung einer zusätzlichen schweren Erkrankung (z. B. HIV, chronische Hepatitis B oder C) bei bestehender Drogenabhängigkeit sowie die Verringerung der Risiken einer Opiatabhängigkeit während der Schwangerschaft und nach der Geburt. Substituiert werden kann auch kurzfristig, z. B. zur Vorbereitung der Entlassung und auf Transport. Eingesetzt werden Methadon, Polamidon und Subutex/Suboxone.

Brandenburg

Ersatzmittel erhalten substituierte Gefangene auf Transport, in Ausnahmefällen auch bereits vor Haftantritt Behandelte – dies jeweils abhängig von der Indikation und der Haftdauer. Angeboten wird auch der medikamentengestützte Entzug. Zum Einsatz kommt Polamidon. Aufgrund des geringen Substitutionsbedarfs hat man die Zahl der Behandlungsplätze bisher nicht festgelegt.

Substituiert werden nur männliche Gefangene; in Brandenburg inhaftierte Drogengebraucherinnen werden nach Berlin überstellt. Kann eine indizierte Substitution in der betreffenden Anstalt nicht angeboten werden, kann der Gefangene in eine andere Justizvollzugsanstalt überstellt werden.

Bremen

Wer schon vor der Haft substituiert wurde, wird im Bremer Justizvollzug in der Regel weiterbehandelt. Man nimmt Drogenabhängige auch neu in die Substitution auf, wenn es im Rahmen des Behandlungskonzepts erforderlich und sinnvoll erscheint. Anerkannte Indikationen sind die Stabilisierung des Gesundheitszustands bei bestehender Drogenabhängigkeit,

die Unterstützung der Behandlung einer zusätzlichen schweren Erkrankung
(z. B. HIV, chronische Hepatitis B oder C) bei bestehender Drogenabhängigkeit und chronische Schmerzen. Die Substitution wird auch kurzfristig angeboten, z. B. als medikamentengestützter Entzug oder auf Transport. Zum Einsatz kommt Methadon.

Die Zahl der Substitutionsplätze ist nicht festgelegt; im Bremer Justizvollzug können jedoch etwa 100 Gefangene substituiert werden. Neuaufnahmen richten sich nach den Kapazitäten der medizinischen und psychosozialen Begleitung.

Hamburg

In allen sechs Justizvollzugsanstalten Hamburgs wird die Substitution Gefangenen ermöglicht, die bereits vor der Haft mit Ersatzmitteln behandelt wurden. Über die Fortsetzung oder Beendigung der Substitution entscheidet die behandelnde Ärztin. Die Behandlungsdauer ist nicht vorgegeben. Behandelt wird mit Methadon – dies auch beim Entzug und bei substituierten Gefangenen auf Transport.

Hessen

In 11 der 16 hessischen Justizvollzugsanstalten werden Drogengebraucherinnen dann substituiert, wenn sie selbst die Initiative dafür ergreifen: Die Gefangene beantragt die Behandlung beim ärztlichen Dienst oder macht bei der Zugangsuntersuchung entsprechende Angaben. Der ärztliche Dienst entscheidet dann über die Fortsetzung einer bereits draußen durchgeführten Substitution oder den Beginn einer Behandlung und ebenso über die Behandlungsdauer. Der Entzug wird in vielen Fällen durch Substitutionsmittel unterstützt.

Anerkannte Indikationen sind die Stabilisierung des Gesundheitszustands bei bestehender Drogenabhängigkeit, die Unterstützung der Behandlung einer zusätzlichen schweren Erkrankung (z. B. HIV, chronische Hepatitis B oder C) bei bestehender Drogenabhängigkeit sowie die Verringerung der Risiken einer Opiatabhängigkeit während der Schwangerschaft und nach der Geburt. Eine kurzfristige Substitution erfolgt bei Gefangenen, die zuvor substituiert wurden und sich auf dem Transport befinden.

Zur Substitution wird fast immer Methadon verwendet. Nur in begründeten Ausnahmefällen kann ein anderes Substitutionsmittel verabreicht werden.Verlegt wird nur im Einzelfall, um einen medikamentengestützten Entzug durchzuführen. Für eine langfristige Substitution erfolgt keine Verlegung.

Mecklenburg-Vorpommern

Die Substitution ist in allen Justizvollzugsanstalten des Bundeslandes möglich. Das Angebot gilt sowohl für bereits draußen Behandelte als auch für Gefangene, die in Haft eine Indikation erhalten. Falls eine Haftanstalt keine Substitution anbietet, ist auf Antrag eine Verlegung möglich.

Anerkannte Indikationen sind die Stabilisierung des Gesundheitszustands bei bestehender Drogenabhängigkeit, die Unterstützung der Behandlung einer zusätzlichen schweren Erkrankung bei bestehender Drogenabhängigkeit
(z. B. HIV, chronische Hepatitis B oder C) sowie die Verringerung der Risiken einer Opiatabhängigkeit während der Schwangerschaft und nach der Geburt. Substituiert werden kann auch kurzfristig, z. B. zur Vorbereitung der Entlassung und bei substituierten Gefangenen auf Transport.

Die Dauer der Substitution ist nicht festgelegt. Behandelt wird mit Methadon, Polamidon und Subutex. Substitutionsmittel werden auch beim Entzug angeboten.

Nordrhein-Westfalen

2010 wurden die „Ärztlichen Behandlungsempfehlungen zur medikamentösen Therapie der Opioidabhängigkeit im Justizvollzug“ in Nordrhein-Westfalen herausgegeben. Dies führte zu einem erheblichen Ausbau des Substitutionsangebots im nordrhein-westfälischen Vollzug.

In welchen Fällen und wie lange substituiert werden soll, entscheiden die Anstaltsärztinnen. Die Behandlung der Heroinsucht mit Ersatzmitteln kann je nach medizinischer Indikation befristet oder unbefristet sein. Sie erfolgt als Entzugsbehandlung nach Haftantritt, als Fortführung einer bereits vor der Haft begonnenen Substitution, als Erstbehandlung in der Haft oder zur Vorbereitung auf eine Dauersubstitution nach der Entlassung.

Anerkannte Indikationen sind die Stabilisierung des Gesundheitszustands bei bestehender Drogenabhängigkeit, die Unterstützung der Behandlung einer zusätzlichen schweren Erkrankung (z. B. HIV, chronische Hepatitis B oder C) bei bestehender Drogenabhängigkeit sowie die Verringerung der Risiken einer Opiatabhängigkeit während der Schwangerschaft und nach der Geburt.

Substituiert werden kann auch kurzfristig: zur Vorbereitung der Entlassung, als medikamentengestützter Entzug und auf Transport. Die Substitution ist grundsätzlich in allen Haftanstalten des Bundeslandes möglich. Als Substitutionsmittel kommen Methadon, Polamidon und Subutex zum Einsatz.

Niedersachsen

Die Substitution wird grundsätzlich in allen Justizvollzugsanstalten Niedersachsens angeboten. Gefangene, die bereits vor der Inhaftierung substituiert wurden, können weiter substituiert werden. Bei entsprechender Indikation kann eine Substitutionsbehandlung in Haft begonnen oder zur Vorbereitung der Haftentlassung durchgeführt werden. Möglich ist auch eine Entzugsbehandlung in Haft.

Das Substitutionsmedikament erster Wahl ist Polamidon. Wann, wie und in welcher Dosierung die Medikamentengabe erfolgt, entscheiden leitliniengerecht die Anstaltsärztinnen gemeinsam mit der Patientin vor Ort.

Rheinland-Pfalz

Sechs Justizvollzugsanstalten des Landes bieten eine Substitution an; insgesamt werden etwa 50 Gefangene behandelt. Möglich sind die Fortsetzung einer vor der Haft begonnenen Substitution sowie die Erstbehandlung, wenn sich die Indikation während der Haft stellt. Auch eine kurzfristige Substitution ist möglich, z. B. zur Vorbereitung der Entlassung, als medikamentengestützter Entzug und auf Transport, wenn zuvor substituiert wurde. Die Dauer der Substitution ist nicht festgelegt.

Verabreicht werden Methadon und Subutex. Wo keine Substitution angeboten wird, ist eine Verlegung in eine andere Haftanstalt möglich.

Saarland

Im Saarland ist eine längerfristige Substitution in einer Justizvollzugsanstalt möglich. Angeboten wird sie Gefangenen, die bereits vor Haftantritt substituiert wurden oder die in der Haft eine Indikation erhalten.

Anerkannte Indikationen sind die Stabilisierung des Gesundheitszustands und die Unterstützung der Behandlung einer zusätzlichen schweren Erkrankung
(z. B. HIV, chronische Hepatitis B oder C) bei bestehender Drogenabhängigkeit. Substituiert werden kann auch kurzfristig: zur Vorbereitung der Entlassung, als medikamentengestützter Entzug und auf Transport.

Verabreicht werden Methadon, Polamidon und Subutex. Wo keine Substitution angeboten wird, ist eine Verlegung in eine andere Haftanstalt möglich.

Sachsen

Im sächsischen Justizvollzug können drogenabhängige Gefangene substituiert werden. Die Indikation einer Substitution obliegt dem medizinischen Dienst des Justizvollzugs. Über die Dauer und das eingesetzte Substitutionsmittel entscheidet die behandelnde Ärztin.

Die Substitution kann auch als medikamentengestützter Entzug durchgeführt werden. Bei substituierten Gefangenen, die sich auf dem Transport befinden, wird die Substitution fortgeführt.

Sachsen-Anhalt

Substituiert werden nur Gefangene, die bereits vor Haftantritt behandelt wurden oder sich auf Transport vorübergehend im Justizvollzug des Bundeslandes aufhalten. Die Weiterbehandlung ist grundsätzlich in allen Justizvollzugsanstalten des Bundeslandes möglich. Die Dauer der Behandlung ist nicht festgelegt. Behandelt wird mit Polamidon und Subutex.

Schleswig-Holstein

Wer bereits vor Haftantritt substituiert wurde, kann in allen Haftanstalten Schleswig-Holsteins weiterbehandelt werden, unabhängig von der Haftdauer. Werden während der Haftzeit Gründe aufgezeigt, die für eine Substitution sprechen, kann diese auch im Gefängnis begonnen werden. Anerkannte Indikationen sind die Stabilisierung des Gesundheitszustands bei bestehender Drogenabhängigkeit, die Unterstützung der Behandlung einer zusätzlichen schweren Erkrankung (z. B. HIV, chronische Hepatitis B oder C) bei bestehender Drogenabhängigkeit sowie die Verringerung der Risiken einer Opiatabhängigkeit während der Schwangerschaft und nach der Geburt. Die Substitution wird auch als medikamentengestützter Entzug angeboten. Zum Einsatz kommen Methadon und Polamidon. Im Bedarfsfall kann eine Verlegung erfolgen.

Thüringen

In Thüringen besteht grundsätzlich in allen sechs Justizvollzugseinrichtungen, einschließlich des Jugendarrests, die Möglichkeit zur Substitution. Aufgrund der geringen Fallzahlen werden Substituierte des Erwachsenenvollzugs regelmäßig zentral in der JVA Tonna untergebracht. Substituiert werden Gefangene, die sich bereits vor dem Haftantritt in der Substitution

befanden, und Gefangene und Sicherungsverwahrte, bei denen sich die Indikation während der Haftzeit/Unterbringung stellt. Anerkannte Indikation ist in diesem Fall die Stabilisierung bei bestehender Drogenabhängigkeit.

Die Substitution wird ebenso zur Unterstützung des Entzugs angeboten. Eine Substitution zur Entlassungsvorbereitung ist nicht ausgeschlossen. Eine zeitliche Begrenzung der Behandlung ist nicht festgelegt. Verabreicht werden Methadon, Polamidon und Subutex.

15.
Häufige Gesundheitsbeschwerden

In den folgenden Abschnitten wollen wir einen Einblick in die medizinische Selbsthilfe bei speziellen Krankheiten und Notfällen geben. Etwas willkürlich haben wir das unterteilt, was man so streng eigentlich gar nicht trennen kann. Auch können die Darstellungen in diesem Buch allein nicht zu umfangreichen Behandlungen anleiten. Sie können aber einen ersten Einblick geben, der zur näheren Beschäftigung anregen soll, und vor allen Dingen sollen sie helfen, den Gefängnisärztinnen Fragen zu stellen und Näheres über vorhandene Krankheiten zu erfahren.

Das weiter unten folgende Kapitel 17 (Akute Notfälle) ist weitgehend parallel aufgebaut. Während hier auf leichte oder chronische Beschwerden eingegangen wird, sind dort schwere, akute Erscheinungen behandelt; in beiden Teilen jeweils zu Körperregionen (z. B. Haut) oder Körperfunktionen (z. B. Atmungsorgane) zusammengefasst. Außerdem haben wir einen speziellen Abschnitt über Frauenkrankheiten zusammengestellt. Die größte Schwierigkeit bei einer derart gekürzten Darstellung entsteht durch die Unmöglichkeit, in der Medizin hundertprozentige Regeln aufzustellen. Selbst Ärztinnen stellen haufenweise falsche Diagnosen, nicht nur weil sie oberflächlich sind, sondern auch weil sich gleiche Krankheiten bei verschiedenen Menschen in unterschiedlichen Symptomen ausdrücken können. So zeigt sich eine Entzündung der Leber bei mehr als der Hälfte der Betroffenen durch das charakteristische Gelbwerden (Ikterus), aber über vierzig von hundert haben es nicht. Umgekehrt können die meisten Symptome Anzeichen verschiedener Krankheiten sein. Wenn jemand eine Gelbsucht bekommt, so heißt das noch nicht, dass es eine durch ein Virus ausgelöste Lebererkrankung ist. Die Ursache kann auch eine Abflussstörung durch einen Gallenstein oder ein Dutzend anderer Möglichkeiten sein. Deshalb können die folgenden Krankheitsdarstellungen nie umfassend sein.

Ein anderes Problem ist der enge Zusammenhang zwischen seelischen und körperlichen Krankheitserscheinungen und ihre vielfältigen Wechselbeziehungen. Wenn man davon ausgeht, dass sich ein Mensch mit seiner Krankheit gegen eine aussichtslose Lage auflehnt und damit, auf dem Weg über die Krankheit, ihr zu entkommen sucht, dann hat er in den hier dargestellten körperlichen Zuständen extreme Ausdrucksmöglichkeiten gewählt. Eine uns unverständliche, ganz fremde eigene Sprache – einmal eine nur seelische, bei einem anderen Menschen eine körperliche, die sich nicht zwingend an bestimmten Organen manifestiert, sondern sich einmal hier und einmal dort bemerkbar machen kann. Manchmal sucht sich der Körper einen sehr symbolischen Ausdruck; zum Beispiel wenn man kotzt, dann will man vielleicht etwas loswerden, oder man bekommt Sehstörungen, wenn man das um sich herum alles „nicht mehr sehen kann“. Hier deutet auch die Sprache oft den Zusammenhang schon an: wenn jemandem „etwas auf den Magen schlägt“, „etwas auf die Nerven geht“, ihr „schwer ums Herz ist“ usw. Hier wird eine Beziehung zwischen der Ursache – einer Angst, einer inneren Aufregung – und ihrer schließlichen körperlichen Wirkung – Magenschmerzen, Entzündungen, Blutdruckschwankungen – aufgedeckt.

Auch wenn es in den folgenden Abschnitten nicht immer erwähnt ist, können sehr viele, wenn nicht sogar die meisten der hier erläuterten Krankheiten ihre Ursache in inneren oder äußeren Konflikten haben, die jemand durchstehen muss. In welcher Form sich das auswirkt, hängt auch mit der gesellschaftlichen Situation der jeweiligen Person zusammen. Bei uns ist die psychisch Kranke stigmatisiert. Dagegen bringt man für die körperlich Kranke viel mehr Verständnis auf. Vielleicht bekommt sie sogar mehr Zuwendung, als wenn sie gesund ist, vielleicht muss sie nicht arbeiten, kann sich endlich mal ausruhen.

Der Knast ist allerdings ein ganz besonderer Krankmacher. In anderen Situationen kann aus einer solchen Erkenntnis über einen „Krankheitsherd“ folgen, dass man die krankmachenden Umstände zu ändern oder abzuschaffen versucht. Dass das im Gefängnis nicht möglich ist, heißt nicht, sich in die Realität zu fügen, sich anzupassen, sondern vielleicht auch zu versuchen, die unbewusste Abwehr des Körpers in eine bewusste Strategie umzuformen. Bei allen Bemühungen, den Knast in seiner zerstörenden Art nicht an dich heranzulassen, wird dein Körper dir doch immer wieder zeigen, welchen Belastungen, Ängsten und Bedrohungen deine Person ausgesetzt ist. Das äußert sich nicht gleich in schweren Krankheiten. Zumeist kündigen das kleine Beschwerden an, über die man hinweggehen könnte, in die man sich aber auch hineinsteigern kann, die mehr oder weniger stark dein Befinden einschränken können. Eines solltest du dabei immer tun: sie ernst nehmen und dich fragen, ob du deinem Körper mit anderen Mitteln helfen musst, die Belastungen zu ertragen, um nicht im Laufe der Zeit ganz zusammenzubrechen. Die Beschwerden sind dabei nicht nur ein Zeichen von Schwäche, sondern auch Ausdruck deines Willens, dem Knast Widerstand entgegenzusetzen und durchzuhalten.

Auf folgende Krankheiten wird nun eingegangen:

15.1 Störungen im Bereich der Verdauung

15.2 Beschwerden im Kopfbereich

15.3 Erkrankungen der Atemorgane

15.4 Rheumatische Beschwerden

15.5 Hautkrankheiten

15.6 Urogenitalsystem

15.1 Störungen im Bereich der Verdauung

Unter diesem Abschnitt wollen wir Krankheiten derjenigen Organe besprechen, die an der Verdauung beteiligt sind: Mund, Speiseröhre, Magen und Darm.

Mundgeruch

Ursachen sind am häufigsten eine belegte Zunge, schlechte Zähne oder entzündetes Zahnfleisch. Seltenere Ursachen sind Nasen- oder Nasennebenhöhlenerkrankungen und Mandelentzündungen. Sehr selten sind auch Lungenerkrankungen oder Magen- und Darmerkrankungen die Ursache. Sorgfältiges Zähneputzen nach jeder Mahlzeit hilft, und du solltest Zahnseide benutzen, wenn diese verfügbar ist. Regelmäßig essen und ausreichend trinken ist wichtig. Von dauernden Spülungen mit desinfizierender Mundspüllösung wie z. B. Chlorhexidin ist abzuraten, weil sie die Mundflora zerstören. Möglich sind auch Spülungen mit Salbei- oder Kamillentee oder ätherischen Ölen.

Mundentzündungen

Sie sind die häufigsten Erkrankungen im Mund. Erreger können Bakterien, Viren oder Pilze sein, Stress oder Abwehrschwäche können verstärkend wirken.

Bei Pilzentzündungen im Mund gibt es oft an verschiedenen Stellen weiße, quarkähnliche und schmerzhafte oder -lose Flecken. Begleitend kann leichtes Fieber auftreten. Der Erreger ist ein Pilz, der mit vielen anderen Bakterien auch bei gesunden Menschen in der Mundhöhle lebt. Alle leben zusammen in einem Gleichgewicht. Wird dies gestört, kann der Pilz sich ausbreiten. Dies kann zum Beispiel bei Einnahme von Antibiotika, bei dauerhaften Spülungen mit starker antibakterieller Lösung oder bei allgemeiner körperlicher Schwäche (z. B. bei HIV-Infektion) passieren.

Spülungen mit Kochsalzlösungen, Kamillen- oder Salbeitee oder Myrrhetinktur können helfen, den Schmerz zu lindern. Man kann auch Jodlösung auf einzelne Veränderungen auftragen oder Spülungen mit Chlorhexidin vornehmen. Wenn dadurch keine Besserung eintritt oder du Fieber bekommst, solltest du eine Ärztin kontaktieren, die die Ursache der Entzündung feststellt und dir Medikamente verschreiben kann. Häufig ist hilfreich, die Ernährung ein wenig umzustellen und schmerzhaftes scharfkantiges Essen sowie scharfe oder sehr saure Sachen zu vermeiden. Wichtig ist, weiterhin eine gute Mundhygiene zu behalten und die Zähne gut zu putzen. Du kannst es auch mit einer weicheren Zahnbürste versuchen.

Karies, Zahnfleischerkrankungen und Folgen von Zahnverlusten

Karies entsteht hauptsächlich durch Bakterien, die sich durch ungenügende Zahnpflege sowie starke Zuckerzufuhr vermehren. Es entstehen Beläge an den Zähnen, in denen sich die Bakterien vermehren und den Zahn angreifen. Die nächste Stufe sind dann Löcher in den Zähnen und Schmerzen. Diese Zahnnervenschmerzen können ins Gesicht, in die Ohren und den Kopf ausstrahlen. Nach einer Weile kann man oft nicht mehr feststellen, welcher Zahn eigentlich weh tut. Der Zahnnerv ist dann entzündet und schwillt an. Da er fest umschlossen im Zahn liegt, entsteht ein Druck, der schmerzhaft ist. Wenn der Nerv abgestorben ist, hat man erstmal Ruhe von den Schmerzen. Die Ruhe trügt aber. Denn der Zahn fault weiter und vereitert meistens an der Wurzel. Das gibt dann später eine dicke Backe! Meistens hat man zu diesem Zeitpunkt pochende oder klopfende Schmerzen. Irgendwann fließt der Eiter in die Mundhöhle und der Zahn mit dem abgestorbenen Nerv kann sich immer wieder neu entzünden. Zu diesem Zeitpunkt ist Zahnziehen die einzige Möglichkeit, die Schmerzen und Entzündungen loszuwerden.

Die Erkennungsmerkmale von Zahnfleischerkrankungen sind Zahnfleischbluten, Mundgeruch und schmerzhafte Zahnfleischentzündungen. Der beste und wirkungsvollste Schutz ist die gründliche Zahnpflege. Man sollte Zähne und Zahnfleisch mindestens zwei- bis dreimal täglich drei bis vier Minuten lang massieren, beim Putzen immer von Rot nach Weiß (es geht zur Not auch ohne Zahnpasta). Hierbei hilft wie bei anderen Erkrankungen der Mundschleimhaut und des Halses auch häufig Gurgeln mit starkem Salbeitee.

Fehlende Zähne bedeuten eine größere Belastung für die übrigen Zähne und falsches Kauen. Außerdem bekommt man leichter Verdauungsstörungen und sogar Magenkrankheiten (Magengeschwüre), da die Nahrung nicht mehr genug zerkleinert wird. Denn durch das Kauen und das Ferment, das im Speichel vorhanden ist, wird die Verdauung vorbereitet. Wenn das wegfällt, ist der Magen viel mehr belastet. Bestehe darauf, dass dir nicht nur die Zähne gezogen werden, sondern dass du auch mit Zahnersatz versorgt wirst.

Schluckbeschwerden – Halsschmerzen

Sie kündigen – oft verbunden mit Abgeschlagenheit und Gliederschmerzen – eine Hals-/Rachenentzündung an. Schaust du mit einer Lampe in den Mund, so ist oft der Rachen dunkelrot und die Mandeln sind geschwollen, eventuell mit eitrigen Belägen, die du als kleine weiße Stippchen siehst. Du kannst mit Salbei- oder Kamillentee gurgeln, kalte Getränke trinken und vor allem viel ausruhen. Wenn nötig kann auch ein Schmerzmittel genommen werden. Wenn du langanhaltendes Fieber bekommst, starke Schluck- oder Atembeschwerden oder eine kloßige Sprache hast, solltest du eine Ärztin kontaktieren. Eventuell brauchst du dann ein Antibiotikum. Manchmal müssen die Mandeln auch entfernt werden, wenn Bakterien sehr häufig wiederholt Entzündungen hervorrufen.

Sodbrennen

Symptome sind ein vom Magen in die Speiseröhre, oft bis zum Hals hochsteigendes brennendes Gefühl und Schmerzen hinter dem Brustbein, meistens nach dem Essen. Hervorgerufen wird das durch Reizung der Speiseröhre, z. B. durch Rückfluss von saurem Mageninhalt, also Störung des Verschlussmechanismus zwischen Magen und Speiseröhre. Häufig kommt das in der Schwangerschaft, bei Übergewicht und bei übermäßigem Alkoholgenuss vor.

Aufrechtes Sitzen nach dem Essen sowie Verzicht auf Nahrungsmittel, die die Beschwerden verschlimmern (Zitrusfrüchte, starke alkoholische Getränke, Tomaten, Kaffee, Zwiebeln, stark gewürzte Speisen, fettreiche oder frittierte Speisen, Schokolade, Minze), und Rauchverzicht können helfen. Außerdem solltest du deinen Alkoholkonsum reduzieren oder ganz auf Alkohol verzichten. Bei Übergewicht solltest du versuchen, abzunehmen.

Darüber hinaus kannst du Medikamente einnehmen, die die Magensäureproduktion verhindern oder die Magensäure binden, oder auch Heilerde einnehmen. Lass dir auch von der Ärztin Schonkost verordnen, wenn du öfter unter Sodbrennen leidest.

Das Anheben des Kopfteils deines Bettes kann bei nächtlichen Beschwerden eine Lösung sein. Weglassen der großen Abendmahlzeit kann helfen. Eventuell kann eine Magenspiegelung nötig sein. Sprich also mit einer Ärztin, wenn du über einen längeren Zeitraum Beschwerden hast.

Übelkeit, Erbrechen

Die Ursachen sind vielfältig, u. a. verdorbene Lebensmittel, auch Medikamente, Aufregung und Stress, Schwangerschaft und zu niedriger Blutdruck. Zu unterscheiden ist zwischen einmaligem, kurzzeitigem Vorkommen und häufigem, wiederkehrendem Erbrechen. Im ersten Fall, z. B. nach Verzehr verdorbener Lebensmittel, genügen zur Regulierung leichtverdauliche Nahrungsmittel und schwarzer Tee mit Traubenzucker. Bei schwerer, langdauernder Übelkeit mit Erbrechen solltest du von der Ärztin die Ursache klären lassen. Solange du aber nicht zur Ärztin kommst, iss am besten erstmal wenig bis nichts, versuch aber zu trinken, vor allem stilles Wasser. Wenn du sehr viel Flüssigkeit verlierst, ist vielleicht ein Tropf notwendig. Der Übergang zur Nahrungsaufnahme sollte dann z. B. mit Zwieback und Tee mit Traubenzucker plus einer Prise Salz beginnen, danach häufige kleine, einfache Mahlzeiten (Schonkost). Versuche dabei, das zu essen zu bekommen, wozu du selbst Lust hast.

Schluckauf

Er ist meist eine vorübergehende, gutartige Erscheinung. Es gibt viele Möglichkeiten, den Schluckreflex zu unterbrechen, aber alle sind ohne sicheren Erfolg. Versuche zerstreuende Gespräche, Erschrecken, Anhalten des Atems, Trinken von Eiswasser, evtl. auch beruhigende Medikamente oder Entspannungsübungen, die direkt auf Zwerchfell und Lunge wirken.

Durchfall

Hierbei hast du wässrigen oder flüssigen Stuhlgang mehrmals am Tag. Die Ursache kann eine Entzündung des Darms durch Viren oder seltener durch Bakterien sein. Oft ist er aber auch mit Angst, Stress oder psychischer Anspannung verbunden. Bei Durchfall ist der ganze Darm sehr aktiviert. Die Nahrung saust quasi durch den Darm, ohne dass Nährstoffe oder Wasser vom Körper aufgenommen werden können. Der Darm ist gereizt. In deinem Bauch „rumort“ es.

Wenn das passiert, solltest du erstmal überhaupt nichts essen, sondern nur trinken. Kohletabletten „stopfen“ zwar wirksam, solltest du aber möglichst vermeiden, damit die Erreger mit dem Durchfall ausgeschieden werden und nicht länger im Körper bleiben. Wird der Durchfall langsam besser, kannst du anfangen, Zwieback zu essen, später auch andere Sachen. Vermeiden solltest du fettige und scharfe Nahrung und Getränke, die Alkohol oder Kohlensäure enthalten. Am wichtigsten ist, viel zu trinken. Wenn Blut oder Eiter beim Stuhlgang zu sehen ist, du hohes Fieber oder starke Bauchschmerzen hast oder nichts mehr trinken kannst, weil du auch viel erbrichst, solltest du eine Ärztin besuchen. Je nachdem kann eine Stuhluntersuchung, bei häufig wiederkehrenden Beschwerden evtl. auch eine Darmspiegelung sinnvoll sein. Wenn eine große Gruppe Menschen gleichzeitig nach einer Mahlzeit Beschwerden bekommt, kann es sich auch um eine Lebensmittelvergiftung, z. B. mit Salmonellen, handeln. Bei allen Magen-Darm-Infekten ist es wichtig, auf gründliches und häufiges Händewaschen und die Reinigung von Türklinken und Klobrillen zu achten, um die Erreger nicht weiterzutragen.

Verstopfung

Du merkst, dass du nur noch alle drei oder vier Tage (oder noch seltener) Stuhlgang hast. Es fehlen die sonst immer wieder auftretenden Darmbewegungen und -geräusche. Du hast ein Völle- und Druckgefühl im Bauch.

Normalerweise hat der Darm eine sogenannte Peristaltik. Das ist eine natürliche wellenartige Eigenbewegung, die den Darminhalt erst durch den Darm und schließlich aus dem Körper hinausdrückt. Funktioniert diese Peristaltik nicht oder nicht gut, so wird der Darminhalt nicht weitertransportiert. Dabei wird mehr Wasser als sonst aus dem Darminhalt herausgezogen. Damit wird der Stuhl hart und kann umso schwerer transportiert werden. Oft ist der Toilettengang schmerzhaft.

Die Ursachen sind meist die Art der Ernährung (z. B. ballaststoffarm), Flüssigkeitsmangel, zu wenig Bewegung und/oder Angst und psychische Anspannung. Der Darm kann aber auch durch Entzündungen und Geschwülste verstopft sein oder weil du bestimmte Schmerzmittel einnimmst oder Heroin konsumierst. Wenn du das Gefühl der Verstopfung hast, d. h., wenn dein gewohnter Verdauungsrhythmus durcheinander ist, solltest du zum einen mehr trinken, wenn möglich vor dem Frühstück zwei Glas warmes Wasser, und zum anderen mehr Ballaststoffe sowie Gemüse, z. B. Hülsenfrüchte (Bohnen und Erbsen), Trockenobst, Leinsamen oder Flohsamenschalen, zu dir nehmen. Auch Vollkornvarianten von Pasta oder Brot können bei Verstopfung schon helfen. Manchen Menschen hilft eine Tasse Kaffee oder eine Zigarette.

Blähungen

Dabei musst du unheimlich oft furzen. Ursache sind Gase, die sich beim Essen und Verdauen im Darm bilden. Dazu kommt es z. B., wenn du beim Essen Luft schluckst. Die Gasproduktion kann ebenfalls durch Essen bestimmter Sachen wie Kohl, Hülsenfrüchten, Gurken, Bohnen, Zwiebeln, Knoblauch oder Trinken kohlensäurehaltiger Getränke erhöht sein. Auch ein Ungleichgewicht der Darmflora mit vielen gasproduzierenden Bakterien im Darm kann dazu beitragen.

Dem Körper schaden Blähungen nicht, obwohl sie manchmal schmerzhaft sein können. Einem selbst macht es meist auch etwas aus, weil es andere Leute stört. Verhindern kannst du normale Blähungen, indem du weniger blähende Sachen isst, dir Zeit nimmst, ruhig zu essen, und versuchst, dich nach dem Essen zu entspannen. Gut gegen Blähungen sind Fenchel- und Kümmeltee sowie Bauchmassage. Mehr Bewegung kann ebenfalls hilfreich sein.

Magenschleimhautentzündung und Magen-/Darmgeschwür

Du merkst, dass du keinen Appetit mehr hast, ein Völle- und Druckgefühl im Bauch, dir ist übel und du erbrichst, vielleicht bekommst du auch schwarzen Stuhlgang, sogenannten Teerstuhl, es kann weh tun, wenn der Magen leer ist oder vor allem beim oder auch nach dem Essen, je nachdem, welcher Abschnitt des Magen-Darm-Traktes betroffen ist. Manchmal kannst du auch richtige Schmerzen im oberen Bauchbereich spüren. Wenn jemand auf deinen Bauch drückt, tut es weh.

Eine Magenreizung bzw. -entzündung wird oft durch Bakterien im Magen, aber auch z. B. durch Alkohol und Rauchen oder Stress jeder Art hervorgerufen. Dabei kann die Reizung der Magen- oder Zwölffingerdarmschleimhaut durch zu viel Magensäure so weit gehen, dass sich tiefe Schleimhautschäden, sogenannte Geschwüre, bilden und sie anfängt zu bluten. Dann bekommst du typischerweise schwarzen Stuhlgang, vielleicht fühlst du dich auch müde und schlapp, siehst blass aus und dir wird schneller als sonst schwindelig.

Wenn du Magen-Darm-Beschwerden hast, solltest du vorsichtig essen, vor allem leicht verdauliche Sachen. Gebratenes Fleisch, fettige oder stark gewürzte Nahrung, scharfe und saure Sachen, Rauchen und Alkohol solltest du vermeiden. Nimm am besten auch keine Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Aspirin, da diese die Magenschleimhaut noch mehr reizen. Wenn der Stuhl sich schwarz verfärbt oder du Blut oder etwas, das wie Kaffeesatz aussieht, erbrichst, geh sofort zu einer Ärztin. Es muss dann vielleicht eine Magenspiegelung gemacht werden, um die Ursache der Beschwerden zu finden. In der Regel wirst du auch Medikamente bekommen, die die Säureproduktion im Magen verhindern, damit die Schleimhaut sich erholen und heilen kann.

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Mit diesen Namen werden Krankheiten beschrieben, die Entzündungen im Darm auslösen. Dabei kann die Krankheit schubweise verlaufen und erstmal langsam beginnen. In der Regel bemerkst du wiederkehrende Durchfälle, manchmal mit Blut- oder Schleimbeimengungen, Bauchschmerzen und ein allgemeines Krankheitsgefühl. Zwischendurch kann die Verdauung wieder völlig normal sein und die Beschwerden können ganz oder teilweise verschwinden. Nur durch eine Darm- und evtl. Magenspiegelung mit Entnahme von Gewebeproben aus dem entzündeten Darm kann die Krankheit sicher diagnostiziert werden. Jede Behandlung sollte in einem vertrauensvollen Verhältnis zu einer Ärztin und unter deren Kontrolle geschehen. Manchmal kann eine Behandlung im Krankenhaus nötig sein.

Hämorrhoiden

Was du selbst merkst, sind Jucken am After und krampfartige Schmerzen beim Stuhlgang, manchmal auch hellrote Blutauflagerungen auf dem Stuhl oder beim Abputzen. Wenn die Hämorrhoiden sehr stark ausgeprägt sind, können sie sich beim Pressen auch aus dem After herausdrücken. Hämorrhoiden sind erweiterte Blutgefäße rings um den After, innerhalb und außerhalb. Es sind also im Grunde Krampfadern. Häufige Verstopfungen und damit verbundenes Pressen beim Stuhlgang oder auch eine Schwangerschaft fördern die Entstehung von Hämorrhoiden. In jedem Fall sollte eine Ärztin eine Tastuntersuchung deines Enddarms durchführen, damit du sicher bist, dass deine Beschwerden auch wirklich von Hämorrhoiden herrühren.

Was kannst du tun? Warme Sitzbäder, mindestens einmal am Tag, z. B. mit Kamille, versuch deinen Stuhl weich zu halten (dafür sorgen alle Dinge, die wir bei „Verstopfung“ beschrieben haben). Man kann auch schmerzstillende Salben oder Zäpfchen benutzen. Eventuell können die Hämorrhoiden von der Ärztin mit Gummibändern abgebunden werden. Sie fallen dann von selbst ab. Die Ärztin wird dich beraten, welche Behandlungen für dich in Frage kommen.

Würmer

Madenwürmer sind am häufigsten und fallen am meisten auf durch Jucken am After, besonders nachts. Es können auch leichte Bauchschmerzen auftreten, zusammen mit ein wenig Appetitverlust und Gewichtsabnahme. Manchmal kannst du Würmer als durchsichtige oder weißlich graue „Fäden“ im Stuhl sehen. Würmer sind ansteckend. Das Weibchen der bis zu 1,5 cm langen Würmer kriecht nachts aus dem Darm und legt Eier am After ab. Von dort können diese über Hände, Kleidung und Staub in die Nahrung und damit in den Darm gelangen. Deswegen ist es wichtig, auf strikte Hygiene zu achten, wenn möglich sollte die Bettwäsche täglich gewechselt und bei mindestens 60 Grad gewaschen werden. Man sollte auch eine einfache Behandlung mit (Kau-)Tabletten durchführen, und zwar bei allen Betroffenen und allen, die mit diesen engen Körperkontakt hatten. Die Behandlung sollte nach ca. drei Wochen wiederholt werden.

15.2 Beschwerden im Kopfbereich

Kopfschmerzen

Sie treten als Symptom bei vielen Krankheiten auf, z. B. als Begleiterscheinung bei einer Nebenhöhlenentzündung, als Anzeichen eines Bluthochdrucks oder Niederdrucks, bei überanstrengten Augen, bei Verkrampfung der Halsmuskulatur oder bei einer so ernsten Erkrankung wie Gehirnhautentzündung. Anfallsweise, meist halbseitig auftretende Kopfschmerzen, bekannt als Migräne, sind oft mit Sehstörungen, Lichtempfindlichkeit, aber auch mit Erbrechen verbunden.

In den meisten Fällen sind sie aber Ausdruck von Verspannungen psychischer Art, obwohl die Beschwerden manchmal genau kommen können, wenn Stress oder Belastung vorbei sind. Wenn du öfter Kopfschmerzen bekommst und sie nicht als Signal einer anderen Krankheit zu verstehen sind, dann versuche herauszufinden, bei welcher Gelegenheit sie auftreten und früher aufgetreten sind und was du damit verbindest. Vielleicht sind sie auf eine verkrampfte Haltung beim Schlafen, Sitzen oder Arbeiten zurückzuführen. Oder du bekommst sie in bestimmten Situationen. Mit Massage von Kopf, Hals und Rücken, Bewegungs- und Entspannungsübungen oder Einreiben mit ätherischen Ölen von Schläfen, Stirn und Nacken kannst du die Beschwerden meist lindern. Auch ein kaltes Tuch auf der Stirn kann helfen.

Kopfschmerztabletten wie Ibuprofen, Aspirin oder Paracetamol helfen im Moment ganz gut, aber beseitigen nicht die Ursachen. Sie sollten außerdem nicht zu häufig genommen werden, da sie auch Kopfschmerzen auslösen können.

Bindehautentzündung

Das ist eine durch Bakterien, Pilze oder Viren hervorgerufene Entzündung der unter den Lidern der Augen liegenden Bindehaut. Symptome sind Jucken und Tränen der Augen, bei bakteriellen Infektionen auch eitriger Ausfluss und morgens verklebte Augenlider. Die bakterielle Entzündung wird mit antibiotischer Augensalbe oder -tropfen behandelt, die virale durch Spülungen mit z. B. Kochsalzlösung oder Euphrasiatropfen. Bei starken Schmerzen, Lichtempfindlichkeit oder deutlicher Sehbehinderung solltest du eine Ärztin kontaktieren. Meistens ist eine Bindehautentzündung eine gutartige, viral ausgelöste, vorübergehende Krankheit. Solange sie andauert, solltest du deine Handtücher und Waschlappen mit niemandem teilen, häufig wechseln und die Hände sehr oft waschen, weil sie sehr leicht ansteckend ist.

Mittelohrentzündung

Bei Schmerzen und Druckgefühl im Ohr, dumpfem Hören, als ob Wasser im Ohr wäre, oder vorübergehender Schwerhörigkeit, später auch Fieber und Schüttelfrost sollte man an eine Entzündung des Mittelohrs denken. Das Mittelohr, das zum äußeren Gehörgang hin durch das Trommelfell abgeschlossen wird, steht durch eine Röhre mit dem Rachen in Verbindung. Die Schleimhaut der Röhre schwillt manchmal an, z. B. bei Erkältungen, und verschließt dann den Abfluss zum Rachen. Dadurch sammelt sich Sekret an, in dem Keime gut wachsen können. Wenn der durch Flüssigkeitsansammlung im Mittelohr entstehende Druck zu stark wird, kann es zum Platzen des Trommelfells kommen. Dann fließt der Eiter durch den Gehörgang nach außen und die Schmerzen lassen nach. Wenn das passiert, soll man einige Wochen nicht mit dem Kopf unter Wasser gehen und vorsichtig sein beim Duschen, so dass kein Wasser von außen ins Mittelohr gelangen kann. Manche Ohrentropfen sollten ebenfalls nicht benutzt werden. Lass das Trommelfell nach zwei bis drei Wochen nochmal kontrollieren, um nachzuschauen, ob das Loch wieder verheilt ist.

Zur Behandlung muss nur manchmal ein Antibiotikum verwendet werden, aber wichtig ist die beschwerdeorientierte Behandlung, z. B. mit Schmerzmitteln und schmerzlindernden Maßnahmen. So tut es oft gut, wenn man versucht, die Ohren warm zu halten, z. B. mit einer Mütze. Zwiebelpackungen auf den Ohren können auch helfen. Wichtig ist, mit Nasentropfen für das Abschwellen der Schleimhäute des Rachens zu sorgen, um so den Druck und die Schmerzen zu verringern. Wenn du hohes Fieber hast, Schwindel oder eine Bewusstseinstrübung bemerkst oder du eine Schwellung, Rötung oder Überwärmung hinter der Ohrmuschel bemerkst, solltest du zur Ärztin gehen.

15.3 Krankheiten der Atemorgane

Hierzu zählen alle Körperteile, die mit der Versorgung des Körpers mit frischer Luft und Sauerstoff zu tun haben. Also Nase, Mund und Lunge. Zuerst wollen wir die harmloseren Krankheiten beschreiben, später die ernsteren.

Erkältung, grippaler Infekt

Du fühlst dich schlapp, hast Hals-, Kopf- und/oder Gliederschmerzen, Schnupfen und Husten, Fieber, vielleicht auch Schüttelfrost. Erkältungen und grippale Infekte mit diesen Beschwerden werden in fast allen Fällen von Viren hervorgerufen. Übertragen wird die Grippe durch Speicheltröpfchen, die beim Husten oder Niesen aus Nase und Mund herauskommen und von anderen „aufgeschnappt“ oder über die Hände weitergereicht werden. Was kannst du tun? Erstmal Ruhe und wenig körperliche Anstrengung. Da du hohes Fieber haben kannst, solltest du viel trinken. Zum anderen wird dadurch auch der Schleim verflüssigt, der in Hals und Bronchien sitzen kann. Du kannst ihn dann besser abhusten. Angenehm und lindernd wirkt auch Inhalieren mit heißem Wasserdampf. Heilende Medikamente gegen Erkältungsviren gibt es nicht, nur lindernde Mittel. So kannst du bei allzu starken Beschwerden Schmerzmittel wie Ibuprofen, Aspirin oder Paracetamol einnehmen. Die akuten Beschwerden halten ca. eine Woche an, aber du kannst länger müde und erschöpft sein. Bei hohem Fieber, das länger als drei Tage anhält, solltest du dich untersuchen lassen.

Schnupfen, Heuschnupfen und Nasennebenhöhlenentzündung

Eine laufende Nase kann mehrere Ursachen haben. Bei dünnflüssigem, klarem Sekret mit Niesen und tränenden Augen kann man oft erstmal nicht unterscheiden, ob es sich um eine allergische Reaktion oder einen Infekt handelt. Bei einer Allergie reagiert der Körper überempfindlich auf bestimmte Substanzen, die von außen herangetragen werden. Sind es Pflanzenpollen, so nennt man es Heuschnupfen. Die Ursache können aber auch Hausstaub, Tierhaare, Federn und andere Sachen sein. Manchmal ist es schwierig, den auslösenden Faktor herauszufinden. Dann kann ein Allergietest Klarheit schaffen.

Schleimig-eitriges Sekret lässt auf einen Infekt schließen. Dieser kann sich auf die Schleimhäute der Nase beschränken oder sich in die mit der Nase in Verbindung stehenden Nebenhöhlen ausbreiten. Das sind Höhlungen in den Gesichtsknochen über dem Oberkiefer und den Augen. Über den Schnupfen hinaus kann es zu Fieber, Gesichts-, Zahn- und Kopfschmerzen kommen. Abklopfen der Wangenknochen und der Stirn über den Augen kann weh tun. Wenn man sich eine Weile bückt, kann es zum Druckgefühl an diesen Stellen oder auch hinter den Augen kommen. Neben einer akuten Entzündung gibt es auch eine chronische Erkrankung, bei der das allgemeine Befinden nicht so stark beeinträchtigt ist. Meist hat man dumpfe Kopfschmerzen, eine verstopfte Nase oder Schleimabfluss in den Rachen. Oft neigst du dann zu häufigen Infekten. Dann solltest du dich von einer HNO-Ärztin untersuchen lassen. Bei Schmerzen in den Kieferhöhlen sollte auch geklärt werden, ob diese nicht von einem Zahn kommen können.

Bei der Behandlung ist es wichtig, dass der Abfluss der Nasennebenhöhlen in die Nase offen bleibt und der Schleim verflüssigt wird. Also solltest du viel trinken und Nasentropfen benutzen. Nicht rauchen! Gut kann auch Inhalieren oder Wärmebestrahlung z. B. mit Rotlicht sein, allerdings solltest du besser keine Wärme anwenden, wenn die Entzündung sehr stark ist und du schon starke Schmerzen hast. Fenchel- und Thymiantee wirken schleimlösend. Nasentropfen sollte man nicht länger als eine Woche nehmen, da sie dann einen entgegengesetzten Effekt haben und die Schleimhäute anschwellen. Harmlos und auch ganz gut wirksam sind Nasensprays mit Salzwasserlösung oder eine Nasendusche. Bei Heuschnupfen kann auch periodisch eine Tablette gegen Allergiebeschwerden oder ein antiallergisches Nasenspray genommen werden.

Mandelentzündung

Plötzlich hast du Halsschmerzen, Schluckbeschwerden, Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit und hohes Fieber, vielleicht auch Schüttelfrost. Wenn du dir selbst – oder jemand anders – in den Hals schaust, siehst du stark angeschwollene Mandeln rechts und links vor dem Rachen. Auf den Mandeln siehst du vielleicht Eiter oder weiße Flecken. Auch der Rachen ist geschwollen und gerötet. Die Lymphknoten am Hals sind geschwollen. Die meisten Racheninfekte sind viral, so dass Antibiotika nicht helfen. Hinweise auf eine bakterielle Infektion sind: schneller Beginn, hohes Fieber, deutliche Schluckbeschwerden, sichtbare weiße Eiterstippchen auf den Mandeln und stark geschwollene Lymphknoten. Meistens gibt es bei einer solchen bakteriellen Angina auch nur Rachenbeschwerden und keine anderen Symptome wie Husten und Schnupfen.

Was kannst du tun? Du solltest dich ausruhen, genug schlafen, dich warm halten, viel trinken (lieber kühle Getränke, nicht zu heiße, weil es sonst im Hals noch mehr anschwillt) und mit Salbeitee oder Salzwasser gurgeln. Bei sehr hohem Fieber und starken Schmerzen kannst du Schmerzmittel nehmen. Wird bei dir eine Behandlung mit Antibiotika begonnen, muss sie in der Regel mindestens sieben Tage durchgeführt werden, auch wenn die Halsschmerzen und das Fieber schon weg sind. Es ist wirklich wichtig, dass du das Antibiotika bis zum Ende regelmäßig einnimmst, da sich sonst Resistenzen bilden können. Deine Ärztin wird dir erklären, wie du ggf. die Antibiotika einnehmen sollst (Dauer, Häufigkeit usw.). Eine Angina ist ansteckend. Halte dir also beim Husten und Niesen etwas vor Mund und Nase, um nicht unnötig jemanden anzustecken.

Bronchitis

Du hast starken Husten und evtl. Fieber. Beim Husten können Schmerzen in der Brust und hinter dem Brustbein auftreten. Die Bronchitis ist eine Entzündung eines Teils der Luftröhre und der Bronchien, die die Verbindung von deiner Luftröhre zu der Lunge darstellen. Dabei sammelt sich zäher Schleim in den Bronchien. Und als Reaktion darauf musst du husten. Der Körper versucht damit, den Schleim loszuwerden. Versuch möglichst nicht, den Husten zu unterdrücken. Denn dann kommt der Schleim nicht heraus. Bei einer richtigen akuten Bronchitis solltest du im Bett bleiben und viel trinken, denn das verdünnt den Schleim. Und das Rauchen sein lassen, denn der Zigarettenrauch reizt die Bronchien zusätzlich. Außerdem ist es angenehm, mit heißem Wasserdampf zu inhalieren, das erleichtert das Abhusten.

Eine Bronchitis dauert oft bis zu drei Wochen, manchmal kann der Husten bis zu acht Wochen anhalten. Bei starkem Husten, hohem Fieber und starkem Krankheitsgefühl solltest du eine Ärztin aufsuchen. Wenn keine Besserung eintritt, die Brustschmerzen zunehmen, blutiger Auswurf da ist oder Luftnot besteht, geh zeitnah zur Ärztin. Bei einer normalen Bronchitis ist nur selten eine antibiotische Behandlung nötig oder hilfreich, außer es besteht eine Begleiterkrankung der Lunge. Ansonsten verkürzen sie weder die Krankheitsdauer noch lindern sie die Beschwerden, denn meist sind Viren die Ursache.

Lungenentzündung

Hohes Fieber mit evtl. Schüttelfrost, oft Husten, Schmerzen im Brustkorb und beim Atmen treten hierbei ganz plötzlich auf. Wenn du bzw. ein anderer Mensch Lungenentzündung hat, sieht man sehr krank aus, du atmest schnell und dies tut oft weh. Die Lungenentzündung ist meistens eine Entzündung der Lungenbläschen. Das sind die kleinsten Gefäße der Lunge, das äußerste Ende.

Es gibt aber auch einen atypischen Verlauf, wobei die Beschwerden nicht so deutlich sind. In dem Fall ist eine Lungenentzündung schwer von einer Bronchitis zu unterscheiden. Weitere Untersuchungen wie Röntgen oder eine Blutabnahme können notwendig sein. Eine Ärztin sollte regelmäßig die Lunge abhören, um den Verlauf der Krankheit zu kontrollieren. Du selbst musst im Bett bleiben, dich schonen und viel trinken. Antibiotika solltest du wie verschrieben und bis zum Ende einnehmen.

Tuberkulose

Hierbei handelt es sich um eine Krankheit, die durch Tuberkelbakterien ausgelöst wird. Ob man davon befallen wird, wenn man mit ihnen in Berührung kommt, hängt sehr stark vom Allgemeinzustand ab. Nur ein kleiner Teil all derer, die im Laufe ihres Lebens infiziert werden, erkranken. Doch unterernährte, gestresste und durch andere Krankheiten geschwächte Menschen besitzen weniger Abwehrkräfte gegen die Erreger. Diese gelangen meistens durch die Atemluft in den Körper. So können alle Organe tuberkulös erkranken, hauptsächlich ist jedoch die Lunge davon betroffen. Anfängliche Symptome sind oft sehr gering, vielleicht ähnlich einer Grippe; sie können auch von allein wieder verschwinden und erst nach Jahren von neuem auffällig werden. Ein Infektionsherd in der Lunge kann sich abkapseln, dann spricht man von einer „geschlossenen“ Lungen-TBC. Besteht eine Verbindung zur Atemluft, dann ist es eine „offene“, wobei die Bakterien mit Spucke und Husten nach außen befördert werden und dadurch andere anstecken können. Die Erscheinungen einer fortgeschrittenen Krankheit sind vor allem allgemeine Mattigkeit, Gewichtsverlust, Husten und blutiger Auswurf. Die Diagnose wird meist durch Röntgenuntersuchung der Lunge und mikroskopische Untersuchung des Auswurfs gestellt. Die TBC-Behandlung erfolgt, wie bei jeder bakteriellen Infektion, mit speziell gegen die Erreger wirksamen Antibiotika. Sehr wichtig ist auch, die körpereigenen Abwehrkräfte durch gute Ernährung, ausreichende Ruhe und frische Luft zu unterstützen. Zur besseren Ausheilung sollte eine Behandlung außerhalb der Gefängnismauern gefordert werden.

Auch hier ist es wichtig, die antibiotische Behandlung nicht zu unterbrechen und bis zum Ende durchzuführen.

15.4 Beschwerden am Bewegungsapparat

Hiermit sind Beschwerden an Muskeln, Knochen und Gelenken gemeint.

Hexenschuss und Bandscheibenvorfall

Menschen, die noch nie einen „Hexenschuss“ gehabt haben, lachen oft darüber. Sie meinen, die davon Betroffenen würden ziemlich übertreiben, wie weh es tut. Das stimmt aber nicht. Es ist ein Schmerz, vor dem man weglaufen möchte, wenn man könnte. Meist tritt der Schmerz ganz plötzlich auf, oft im Kreuz, und die Schmerzen können auch in die Beine ausstrahlen. Manchmal merkst du auch ein Kribbeln in einem Ober- oder Unterschenkel oder sogar in einem Fuß. Was passiert dabei? Zwischen den Rückenwirbeln liegen die sogenannten Bandscheiben. Sie ermöglichen die Bewegungen der Wirbelsäule, d. h. der einzelnen Rückenwirbel gegeneinander. Zwischen den einzelnen Wirbeln treten Nerven aus dem Rückenmark aus und führen in die Beine und andere Körperteile. Um die Wirbelsäule herum liegen viele Muskeln, die die Wirbelsäule stützen.

Machst du unerwartete Bewegungen oder bückst du dich schnell mit einem verspannten Rücken, werden die Rückenmuskeln verkrampft. Diese Verspannung ruft die Rückenschmerzen hervor. Bei manchen Leuten reicht es schon, wenn sie morgens falsch aus dem Bett steigen. Wichtig ist, sich von Anfang an zu bewegen und nicht im Bett zu bleiben. Wärme, z. B. eine Wärmflasche, und vorsichtige Bewegung können dafür sorgen, dass die Muskulatur sich entspannt und die Schmerzen abnehmen.

In der akuten Phase kann es manchmal besser sein, Schmerzmittel zu nehmen, weil es dazu beitragen kann, dass du dich schneller wieder bewegst und die Muskulatur sich damit wieder entspannen kann. Wenn man z. B. glaubt, dass bei jedem Schmerz ein Schaden entsteht, wird man sehr ängstlich und verunsichert, und es ist viel schwieriger, den Schmerz zu ertragen und sich normal zu bewegen. Es ist aber sehr selten, dass man mit Bewegung eine Verschlechterung herbeiführt. Bei einem Bandscheibenvorfall wölbt sich eine Bandscheibe so zwischen den Wirbelkörpern hervor, dass sie gegen einen Nerv drückt. Dadurch strahlen die Schmerzen − wenn der Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule liegt − bis in den Unterschenkel aus und es kann zu Gefühlsstörungen (Kribbeln) oder sogar Schwäche in einem Bein kommen.

Alarmsymptome sind, wenn du Stuhl und Urin nicht mehr halten oder kein Wasser lassen kannst, obwohl die Blase voll ist, ein Taubheitsgefühl im After- und Schambereich bis zur Oberschenkelinnenseite besteht oder du einen Kraftverlust in Bein oder Fuß verspürst. Dann solltest du dich bei einer Ärztin vorstellen. Ansonsten reicht es, wenn du − wie bei den Muskelverspannungen − Wärme, Bewegung und Schmerzmittel anwendest. Hiermit gehen die Beschwerden auch beim Bandscheibenvorfall zurück.

Bei einem Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule können Schmerzen, Gefühlsstörung und Kraftverlust in Armen und Händen auftreten.

Präventiv hilft Sport, bei dem die tiefe Rückenmuskulatur gestärkt wird, ohne dass die Wirbelsäule zu stark belastet wird. Jede Person muss selbst herausfinden, was ihrem Körper guttut und was die Beschwerden verschlimmert. Beispiele für „Rückensport“ sind Schwimmen, „Walken“, Yoga oder Gymnastik.

Auf einem Röntgenbild kann man nur die Knochen sehen, deswegen gibt es dort nur selten eine Erklärung für die Rückenschmerzen.

Eine Operation ist sehr selten notwendig; nur bei deutlichen Lähmungen, Kraftverlust oder langanhaltenden starken Schmerzen könnte es sinnvoll sein, sich operieren zu lassen.

Schulter- und Nackenschmerzen

Hierunter versteht man Schmerzen, die vom Schulterblatt oder auch der Muskulatur des Nackens und der Schulter ausgehend bei Bewegungen in den Hals oder Hinterkopf, die Schulter sowie in den Ober- und Unterarm ausstrahlen können. Die Ursache für diese Schmerzen ist oft eine falsche Schulter- oder Kopfhaltung und in der Folge eine Verkrampfung der Muskulatur des Nackens und der Schulter. Z. B. kann man so etwas schnell bei ständiger sitzender Tätigkeit oder Bildschirmarbeit bekommen. Was hilft dagegen: Vorsichtige Bewegungsübungen, ohne dass es schmerzen darf, und eventuell auch Massagen zur Lockerung der verspannten Muskulatur. Zusätzlich Wärme, z. B. durch eine Wärmflasche, und eventuell Schmerzmittel. Wenn die Schmerzen über längere Zeit anhalten, kann eine Röntgenaufnahme der schmerzenden Schulter gemacht werden.

Gelenkverschleiß und Gelenkentzündung

Bei Entzündungszeichen (Schmerz, Erwärmung, Rötung, Schwellung, eingeschränkter Funktion) ist es besser, kalte Packungen zu benutzen und das Gelenk ruhigzustellen. Kälte kann akut die Schmerzen lindern. Bei chronischen Beschwerden durch Gelenkverschleiß ist es aber wichtig, die umliegende Muskulatur zu stärken, um das Gelenk zu stabilisieren. Dieses kann mit gezielten Übungen gemacht werden, z. B. mit Krankengymnastik.

Es gibt auch Erreger, die Gelenkentzündungen verursachen können, oder Autoimmunerkrankungen wie Rheuma. Bei schlechtem Allgemeinzustand, immer wiederkehrenden Gelenkentzündungen, bei starken Beschwerden oder wenn die Gelenkbeschwerden immer wieder an verschiedenen Stellen auftauchen, sollte eine Ärztin aufgesucht werden.

15.5 Hautkrankheiten

Im Folgenden sollen verschiedene Hautkrankheiten besprochen werden. Gerade auf diesem Gebiet ist es oft sehr schwierig, die Ursachen herauszufinden, weil Allergien, Pilzinfektionen und Parasiten sehr ähnliche Erscheinungen hervorrufen können. Deshalb solltest du, besonders wenn keine Besserung eintritt, auf eine genaue Untersuchung bestehen.

Akne

So wird das Auftreten von Pickeln im Gesicht, an der Schulter, auf Rücken und Brust genannt, das fast jede mal gehabt hat. Die Pickel entstehen durch Verstopfung der kleinen Fettdrüsen in der Haut, darauf siedeln Bakterien und es kommt zu kleinen Entzündungen und eitrigen Stellen. Über die Entstehung weiß man nichts Endgültiges, es dürfte aber eine ganze Reihe von Faktoren eine Rolle spielen: hormonelles Ungleichgewicht, falsche Ernährung, Luftverschmutzung, erbliche Veranlagung und das emotionale Befinden. Die Akne ist besonders weit verbreitet während der hormonellen Umstellung in der Pubertät und verschwindet dann aber meist vor dem 25. Lebensjahr.

Von der Ärztin kann man sich austrocknende und desinfizierende Mittel für die Haut geben lassen. Unter Umständen ist auch eine Behandlung mit antibiotischen Salben oder − in schweren Fällen − Tabletten notwendig.

Auf alle Fälle ist es notwendig, bakteriellen Sekundärinfektionen vorzubeugen, am einfachsten durch Reinigung mit Wasser oder medizinischem Alkohol. Wie bei allen Pickeln und Pusteln sollte man nicht kratzen und nicht quetschen, weil dadurch kleine Wunden entstehen, die schnell mit Bakterien besiedelt werden, für die diese Wunden ein idealer Nährboden sind.

Furunkel

Dies sind durch bakterielle Haarbalginfektionen hervorgerufene große Pickel. Durch Druck auf benachbarte Nervenendigungen können sie starke Schmerzen verursachen. In dem Fall kann Kühlen hilfreich sein. Im fortgeschrittenen Stadium bildet sich eine weiße Haube. Dann kann der Furunkel von der Ärztin mit einem sterilen Messer geöffnet werden, damit sich der Eiter entleert. Besser nicht selbst ausdrücken, vor allem nicht im Gesicht. Falls sich die Entzündung ausbreitet oder eine rote Linie (Entzündung der Lymphgefäße) entsteht, ist eventuell eine antibiotische Behandlung notwendig und es sollte unbedingt eine Ärztin kontaktiert werden.

Allergische Hautreaktionen

Jucken und Brennen auf der Haut, Rötung und Schwellung eines bestimmten Gebietes, später Nässen und Krustenbildung können durch Kontakt mit Substanzen entstanden sein, die deine Haut reizen. Das sind manchmal alltägliche Chemikalien, wie sie in Haarfärbemitteln, Shampoos, Hautcremes, Salben, Waschmitteln oder Gegenständen, mit denen man in Berührung kommt, enthalten sind. Wenn man keinen Kontakt mehr damit hat, verschwindet es von selbst. Gegen das Jucken helfen kalte Umschläge und Bäder. Auch hier solltest du die Stellen sauber halten, um bakterielle Infektionen zu vermeiden.

Nesselfieber

Dieses ist auch eine allergische Reaktion − aber des gesamten Körpers − auf eine ganz bestimmte Substanz, oft auf Nahrungsmittel (zum Beispiel Nüsse) oder Medikamente (z. B. Penicillin oder Schmerzmittel). Die Ursache kann aber auch ein Insektenstich oder seelisch bedingt sein (Schock, Angst, Stress). Am ganzen Körper entstehen große, rote, geschwollene Flecken (Quaddeln), die unerträglich jucken. Es können auch Fieber, Müdigkeit und Übelkeit auftreten. Eine gefährliche Komplikation entsteht, wenn die Schleimhäute des Halses oder der Atemwege so stark anschwellen, dass die Atmung behindert wird, oder wenn der Kreislauf beeinträchtigt ist (z. B. Schwindel auftritt). Dann muss sofort eine Ärztin gerufen werden. Ansonsten ist es vor allem wichtig, herauszufinden, auf was du allergisch bist.

Pilzinfektionen

Pilze wachsen bevorzugt an warmen feuchten Stellen, z. B. auf den Schleimhäuten des Mundes, der Scheide, unter der Vorhaut sowie zwischen den Zehen und im Schritt. Um den Säureschutzmantel der Haut nicht zu schädigen, solltest du mit Seife möglichst sparsam umgehen oder pH-neutrale Seife benutzen. Da Pilze nur langsam wachsen, haben sie normalerweise kaum eine Chance gegen die schnell wachsenden Bakterien der Standortflora. Da sie aber nicht durch Antibiotika getötet werden, wachsen sie sehr gut, wenn die Standortflora dadurch getötet wurde. Weiterhin ist ihr Gedeihen erleichtert, wenn die körpereigene Abwehr geschwächt ist, z. B. bei Einnahme von Cortison, bei Diabetes oder HIV-Infektion.

Da der Pilz vom Infektionsherd ausgehend wächst, tauchen meist rote, runde oder ovale Flecken auf, am Rand schuppend und manchmal blass in der Mitte. Zwischen den Zehen sieht er oft ganz anders aus, z. B. eine Rötung mit Einrissen und abgeblätterter Haut. Die befallenen Bezirke können jucken, einreißen, die Haut vielfältig verfärben oder auch Finger- bzw. Fußnägel zerstören. An den Schleimhäuten entstehen weißliche, festhaftende, teilweise brennende Beläge, die in der Scheide auch Ausfluss verursachen können. Es ist ratsam, eine Ärztin zu kontaktieren, um das richtige pilzwirksame Medikament zu bekommen.

Außerdem solltest du täglich die Kleidungsstücke, die mit dem Pilz in Kontakt kommen, bei 60° waschen, auch Handtücher solltest du nicht vergessen. Die Behandlung von Hautpilz dauert meistens mehrere Wochen und sollte auch nach dem sichtbaren Verschwinden des Pilzes mindestens eine Woche weiter durchgeführt werden.

Herpesbläschen

Sie treten bei manchen Menschen immer wieder auf. Es sind kleine erhabene, juckende Bläschen um den Mund oder im Genitalbereich, die einzeln oder gehäuft erscheinen. Es handelt sich um eine Virusinfektion, die anscheinend besonders bei Schwächung der allgemeinen Widerstandskraft, z. B. bei Erkältung oder seelischen Belastungen, zutage tritt. Die Erscheinung sollte nach einigen Wochen von alleine zurückgehen.

Gürtelrose

Gürtelrose wird durch die gleichen Viren verursacht wie Windpocken. Menschen, die schon einmal Windpocken hatten, können im Laufe ihres Lebens auch eine Gürtelrose entwickeln, da die Windpockenviren in Nervenzellen des Körpers überdauern.

Vor allem wenn du gestresst oder angeschlagen bist, kann eine Gürtelrose auftreten. Es erscheint ein Hautausschlag mit kleinen Bläschen oder Pickelchen mit Juckreiz, Berührungsempfindlichkeit oder Schmerzen. Typischerweise taucht der Ausschlag halbseitig gürtelförmig am Rumpf oder im Gesicht auf. Wenn die Erkrankung im Gesicht ist, besonders ausgeprägt und schmerzhaft oder du eine Immunschwäche hast (z. B. HIV oder durch starke Medikamente), solltest du dich bei einer Ärztin melden, damit du die notwendigen Medikamente erhältst. Ansonsten helfen die gängigen Schmerzmittel gegen die Schmerzen. Der Hautausschlag wird bald von alleine verschwinden, falls du Schmerzen hast, können diese manchmal noch länger anhalten.

Solange der Hautausschlag mit den Bläschen noch nicht ganz ausgetrocknet ist, kannst du andere Leute anstecken, die noch keine Windpocken hatten. Bei ihnen können dann die Windpocken ausbrechen.

Krätze, Kopf- und Filzlaus

Bei der Krätze graben sich mikroskopisch kleine Milben winzige Gänge in die Haut, besonders zwischen den Fingern, an den Brüsten und Genitalien. Dies führt zu einem vor allem nachts juckenden Ausschlag. Die kleinen Tierchen kriechen nur bei Wärme hervor, so dass sie meist unter der Bettdecke oder beim Austauschen von Kleidung auf andere Menschen übertragen werden. Die Behandlung erfolgt durch Einreiben des ganzen Körpers mit einer permethrinhaltigen Creme. Von Hals bis Fuß sollte die Creme abends aufgetragen und erst morgens abgewaschen werden. Außerdem muss die gesamte Wäsche und Kleidung bei mindestens 60° gereinigt oder auch mit Permethrin behandelt werden, um die Milbeneier abzutöten. Sicherheitshalber sollte die ganze Behandlung nach einer Woche wiederholt werden.

Läuse werden ähnlich wie die Krätze mit einem entsprechenden Shampoo behandelt. Wichtig ist, nach ca. zehn Tagen die Behandlung zu wiederholen, um die nachschlüpfenden Läuse zu bekämpfen. Kontaktpersonen sollten informiert werden. Denn eine Übertragung auf andere Personen erfolgt ebenfalls bei engem Körperkontakt, über Kleider oder Bettwäsche ist eher selten. Daher brauchen nur Mützen bzw. Kopfkissen gewaschen werden. Erkrankung sowie Übertragung haben übrigens nichts mit schlechter Hygiene zu tun. Es kann – wie bei jeder anderen ansteckenden Krankheit – jedem passieren.

15.6 Störungen im Urogenitalsystem

Hier werden Krankheitserscheinungen der Harnwege beschrieben, also Nierenbecken, Harnleiter, Blase, Harnröhre, und der Geschlechtsorgane beschrieben werden. Alle Beschwerden in diesem Gebiet sollte man ernst nehmen. Diese Krankheiten können, wenn sie nicht richtig ausgeheilt werden, in chronische Formen übergehen, die dann viel schwieriger zu behandeln sind.

Harnwegsentzündungen

Brennen in der Harnröhre beim Pinkeln und häufiger Drang zum Wasserlassen, obwohl dann wenig oder gar nichts mehr kommt, sowie Schmerzen im Unterbauch sind Anzeichen für Entzündungen. Diese werden oft durch Darmbakterien verursacht, die im Darm keine, in anderen Organen jedoch Krankheiten hervorrufen können. Das kann sich auf die Harnröhre beschränken, aber auch auf Blase oder Nieren übergreifen. Zur Unterstützung einer Antibiotikabehandlung oder bei leichten Beschwerden ist das Durchspülen der Harnwege durch reichliches Trinken (z. B. von Nieren-Blasen-Tee) und Wärme gegen die Schmerzen nützlich. Bei stärkeren Beschwerden sollte ein Antibiotikum gegeben werden. Hat man Schüttelfrost, Fieber und Schmerzen im Rücken unterhalb des Rippenbogens, kann das Nierenbecken mit betroffen sein. Das prüft man durch leichte Schläge mit der Faust auf die Nierengegend, die dann sehr empfindlich ist. Wichtig bei Beteiligung der Niere ist vor allem, dass eine bakteriologische Untersuchung des Urins gemacht wird, damit das richtige Antibiotikum verwendet wird. Bekommt man häufiger solche Beschwerden, sollten weitere Untersuchungen gemacht werden.

Entzündung der Prostata (Vorsteherdrüse)

Die Beschwerden sind ähnlich wie bei einem Harnwegsinfekt. Zusätzlich kommt es zu drückenden oder brennenden Schmerzen im Dammbereich, die bis in die Hoden oder den Rücken ausstrahlen können. Eventuell ist auch trotz gefüllter Blase kein Wasserlassen mehr möglich, weil die vergrößerte Vorsteherdrüse die Harnröhre verengt. Die Prostata kann mit dem Finger vom After aus getastet werden. Bei Entzündung ist sie auf Druck schmerzhaft. Die Behandlung erfolgt in der Regel mit Antibiotika.

Gonorrhö, Chlamydien, Trichomonaden

Erste Beschwerden nach der Ansteckung mit Chlamydien oder Gonokokken können ein Brennen in der Harnröhre beim Pinkeln sein. Dann kommt es bei Männern, die mit Gonokokken infiziert sind, oft zu einem eiterähnlichen Ausfluss, und vielleicht ist auch die Öffnung am Penis entzündet. Bei Frauen sind die Symptome schwer von einem normalen Harnwegsinfekt zu unterscheiden, oft sind gar keine Beschwerden da. Unbehandelt können die Krankheitserreger zu benachbarten Organen (z. B. Samenleiter, Eileiter, Prostata, Hoden) gelangen. Bei der Gonorrhö ist auch eine Übertragung über das Blut in entferntere Organe möglich.

Bei einer Trichomonadeninfektion kommt es bei Frauen zu Juckreiz oder brennenden Schmerzen in der Vagina sowie zu verändertem Ausfluss.

Um sicher zu sein, um welche Infektion es sich handelt, muss der Morgenurin untersucht oder ein Abstrich des Sekretes aus Harnröhre oder Zervix (Gebärmutterhals) gemacht werden.

Die Übertragung erfolgt über Geschlechtsverkehr. Wenn du Geschlechtsverkehr mit jemandem gehabt hast, bei der eine der oben genannten Infektionen festgestellt wurde, solltest du dich untersuchen lassen, auch wenn keine Symptome vorliegen. Es können auch Blutuntersuchungen auf andere Geschlechtskrankheiten sinnvoll sein (z. B. HIV/Syphilis/Hepatitis). Du solltest deine Sexualpartnerinnen ebenfalls über eine Infektion informieren. Die Behandlung erfolgt mit Antibiotika.

Syphilis (Lues)

Auch Syphilis ist eine Erkrankung, die über Geschlechtsverkehr übertragen wird.

Die erste Krankheitserscheinung ist meistens (nicht bei allen!) eine erhabene, gerötete Stelle, die, je nachdem, wo du dich infiziert hast, am Penis, am After oder an den Schamlippen, aber auch an Mund oder Fingern sein kann. Diese Hautveränderung entwickelt sich zu einer offenen, roten, geschwürartigen Wunde, die meist nicht einmal schmerzt und auf Druck unempfindlich ist. Gleichzeitig schwellen benachbarte Lymphdrüsen an. Unbehandelt heilt dieser sogenannte Primäraffekt (erste Erscheinung) rasch ab, was aber nicht heißt, dass die Erreger verschwunden sind. Im Gegenteil, sie breiten sich jetzt erst im ganzen Körper aus, und es kommt nach einigen Wochen zum zweiten Stadium mit Allgemeinerscheinungen wie Kopfschmerzen, Fieber, Knochenschmerzen und einem Ausschlag. Es kann zu verschiedenen Arten von Hautausschlägen kommen: Einerseits kann ein unspezifischer Ausschlag am ganzen Körper mit feinen Punkten entstehen. Es kann andererseits auch zu harten roten Pickeln an Hand- und Fußflächen oder über den Körper verteilt kommen oder zu blumenkohlartigen Wucherungen im Genital- oder Afterbereich. Selbst wenn nichts dagegen getan wird, verschwinden auch diese Symptome, aber nach 10 bis 30 Jahren kann es zu schweren Schädigungen an wichtigen Organen, besonders in Gehirn und Rückenmark kommen.

Der Nachweis des Erregers erfolgt entweder aus dem Abstrich des Geschwürs oder durch Blutuntersuchung. Behandelt wird mit Antibiotika.

HIV (Humanes Immundefizienz-Virus) / AIDS (Aquired Immunodeficiency Syndrome v erworbenes Immunschwächesyndrom)

HIV ist ein ansteckendes Virus, das über Geschlechtsverkehr ohne Kondom, Blut, Körpersekrete wie Muttermilch, Vaginalflüssigkeit und Sperma (nicht Speichel!) übertragen wird. Am einfachsten könnt ihr euch also durch die Verwendung von Kondomen und sauberen Nadeln vor einer Ansteckung schützen.

Zunächst äußert sich eine Ansteckung mit dem HI-Virus einige Wochen später in ca. 30 % der Fälle als unspezifisches, grippeähnliches Erkrankungsbild mit Fieber, Lymphknotenschwellung, Abgeschlagenheit, Gliederschmerzen. Viele Menschen bemerken aber auch gar keine Veränderung. Danach verläuft die Erkrankung meist über Jahre stumm, also völlig ohne Krankheitszeichen.

Das HI-Virus schädigt das Immunsystem. Wenn es nicht erkannt und behandelt wird, bricht nach einigen Jahren in der Regel AIDS aus, was sich auf verschiedene Art, z. B. durch starken körperlichen Verfall mit Schwäche und Gewichtsverlust, Ansteckung mit ungewöhnlichen/harmlosen Krankheitserregern oder sehr schwer und lang verlaufende Erkrankungen sowie durch Bildung von speziellen Tumoren, zeigen kann.

Eine HIV-Erkrankung ist heutzutage sehr gut und über viele Jahre erfolgreich behandelbar. Dazu werden verschiedene Medikamente als Tabletten gegeben. So lässt sich der Übergang einer HIV-Infektion zu AIDS oft lange verzögern oder sogar verhindern. Wichtig ist dafür das frühzeitige Erkennen einer HIV-Infektion. Grundsätzlich sollte bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr, egal ob vaginal, anal oder oral (wobei bei Letzterem die Ansteckungsgefahr am geringsten ist), beim Teilen von Injektionsnadeln oder Verletzung mit Blutaustausch an die Möglichkeit einer Ansteckung mit HIV gedacht und möglichst eine Ärztin aufgesucht werden. In diesem Fall sollte ein HIV-Test erfolgen und wie immer nur geschützter Geschlechtsverkehr praktiziert werden. Der HIV-Test gibt erst drei bis sechs Monate nach dem fraglichen Ereignis zuverlässig Entwarnung. Außerdem ist es wichtig, bei der Ansteckung mit einer anderen sexuell übertragbaren Erkrankung auch an HIV zu denken und andersherum.

Zum Thema HIV in Haft findest du ausführliche Informationen in der Broschüre „Positiv in Haft“ von der deutschen AIDS-Hilfe. Wenn du dir die Broschüre nicht in der Knastbibliothek oder von Mitgefangenen besorgen kannst, kannst du sie dir von der deutschen AIDS-Hilfe zuschicken lassen (Adressen findest du unter AIDS-Hilfen im Anhang).

Virushepatitis

Die Virushepatitis ist eine Leberentzündung verursacht durch Viren. Es gibt verschiedene Arten, am meisten kommen Hepatitis A, B und C vor. Sie haben unterschiedliche Infektionswege und Krankheitsverläufe. Alle können mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit einen ernsthaften Leberschaden hervorrufen. Bei Verdacht auf eine Infektion sollte auf jeden Fall eine Ärztin kontaktiert werden. Jede Hepatitis kann ohne Symptome oder nur mit unspezifischen Beschwerden wie allgemeine Schwäche, Müdigkeit, Appetitlosigkeit und Übelkeit verlaufen. Gelbsucht tritt eher spät und in fortgeschrittenem Stadium auf. Starkes Jucken ohne deutliche Ursache und eine geschwollene und schmerzhafte Leber (die sich im rechten Oberbauch unterhalb der unteren Rippen befindet) können auftreten.

Infekte mit Hepatitis-A-Viren gibt es in westeuropäischen Ländern nicht mehr so häufig. Meistens infiziert man sich auf Fernreisen in südliche Länder mit mangelhaften hygienischen Verhältnissen. Der Übertragungsweg ist „fäkal-oral“, also über Stuhl oder verunreinigtes Wasser und Nahrungsmittel. Viele Menschen haben gar keine oder nur leichte Beschwerden. Manche erkranken aber auch schwer. Meistens heilt die Erkrankung von alleine folgenlos aus und hinterlässt eine lebenslange Immunität.

Hepatitis B wird meistens durch Blut (z. B. über infizierte Nadeln − auch beim Tätowieren) oder sexuellen Kontakt übertragen. Sie kann auch um die Geburt herum von der infizierten Mutter auf das Kind übertragen werden. Bei dieser Infektion ist der Übergang in eine chronische Hepatitis möglich. Bei akuter Erkrankung und auch bei chronischer Hepatitis sollten regelmäßige Kontrolluntersuchungen gemacht werden, um zu erkennen, wie schwer die Leber geschädigt ist, wie ansteckend man ist oder ob eine medikamentöse Therapie sinnvoll ist.

Hepatitis C wird fast immer zu einer chronischen Erkrankung und verursacht häufig nur milde Symptome. Infiziert wird man fast nur durch Blutkontakt, sexuelle Übertragung kommt eher selten vor. Auch hier sollten regelmäßige Kontrolluntersuchungen bei einer Ärztin erfolgen.

Die Diagnose erfolgt bei allen Hepatitiden über Blutproben.

Bei jeder Hepatitis sollte man auf Alkohol verzichten. Wenn man sich schwach fühlt, ist körperliche Schonung oder sogar Bettruhe nötig. Für Hepatitis B und C ist eine medikamentöse antivirale Behandlung möglich, die mehrere Monate dauert. Diese wird bei chronischer Hepatitis C immer durchgeführt, bei chronischer Hepatitis B abhängig vom Schweregrad der Erkrankung. Bei Hepatitis A kann man nur unterstützende Maßnahmen geben und die Leberwerte verfolgen. Bei Hepatitis B sollten unbedingt die Sexualpartner informiert und getestet werden.

Für Hepatitis A und B gibt es als Prophylaxe Schutzimpfungen.

16.
Frauenkrankheiten

16.1. Unser Zyklus

Je besser wir unseren Zyklus kennen und unsere eigene Rhythmik, desto besser verstehen wir das Auf und Ab unserer Stimmungen, das regelmäßige Wiederkehren von bestimmten Schmerzen, im Unterleib, in der Brust, im Rücken. Und desto besser können wir Abweichungen von diesem Rhythmus beurteilen. Zum Beispiel ist der Ausfluss zur Zeit des Eisprungs vermehrt, ohne dass eine Krankheit vorliegt. Zu erwähnen ist noch, dass es kein Einheitsmuster für alle Frauen gibt, genauso wenig, wie jede Frau auf Konflikte und Veränderungen gleich reagiert.

Die Regulation der Periode ist ein Vorgang, der auf chemischen Rückmeldungen beruht. Diese Rückmeldungen werden bewirkt durch die Hormone, u. a. Schilddrüsenhormone, Hypophysenhormone und durch die Geschlechtshormone wie Östrogene, Gestagene und Androgene, die im Blut kreisen.

Die Hormone Östrogen und Gestagen kommen aus den beiden Eierstöcken, in denen auch die zigtausend unreifen Eizellen eingebettet sind. Obwohl diese Hormone in den direkt neben der Gebärmutter liegenden Eierstöcken gebildet werden, wirken sie nicht direkt, sondern gelangen erst auf dem Blutweg an ihren Wirkort, die Gebärmutterschleimhaut. Aufgabe der Östrogene und Gestagene ist es zu bestimmen, wie die Schleimhaut innen in der Gebärmutter aussieht. Der Normalfall sieht vor, dass pro Periode eine Schwangerschaft eintreten kann, das heißt: Die Gebärmutterschleimhaut muss so sein, dass ein befruchtetes Ei sich in ihr festsetzen und wachsen kann. Diese Schleimhaut muss in jedem Zyklus neu aufgebaut werden, weil sie auch bei jeder Monatsblutung ausgestoßen wird. Der Neuaufbau der Schleimhaut geschieht in zwei Phasen:

Die Phase 1 findet so lange statt, wie das reifende Ei sich im Eierstock befindet, und ist dazu da, überhaupt wieder eine bestimmte Schichtdecke der Schleimhaut aufzubauen. Diese 1. Phase wird nur von den im Eibläschen produzierten Östrogenen geregelt. Erst wenn die Schleimhaut dick genug ist und eine große Menge Östrogene im Blut ist, kann der Eisprung stattfinden: Der sieht so aus, dass ein reifes Ei aus dem Eierstock gepresst wird, von dem breiten Trichter des Eileiters aufgefangen wird und im Eileiter entlang bis zur Gebärmutterhöhle wandert. Die Phase 2 beginnt mit dem Eisprung. Von da an werden im Eierstock Gestagene gebildet, und zwar in Zellen, die eine gelbe Farbe haben, weshalb Gestagene auch unter dem Namen Gelbkörperhormone bekannt sind. Diese Gestagene garantieren, dass aus der inzwischen genügend dicken Gebärmutterschleimhaut eine Art Nährboden für das neue Ei aufgebaut wird: Die Blutgefäße werden reichlicher und es werden mehr Nährstoffe eingelagert. Das alles ist immer noch eine Vorbereitung auf das Ei, das erst eine Woche nach dem Eisprung in der Gebärmutter eintrifft. Wenn das Ei befruchtet wurde, macht es sich ansässig und kann dank der guten Vorbereitung wachsen und gedeihen. Wurde es nicht befruchtet, wird kurzfristig und plötzlich die Herstellung der Hormone, Östrogene und Gestagene, eingestellt. Weil diese dann nicht mehr auf die Schleimhaut wirken, bricht die Blutversorgung der Schleimhaut zusammen, und die Schleimhaut wird von der Gebärmutter, die aus Muskelgewebe besteht, krampfartig, mehr oder weniger stark, ausgestoßen − wir erfahren das als Blutung.

Außer für das Zustandekommen der Periode sind Östrogene und Gestagene noch für andere Vorgänge verantwortlich: In der Scheide sorgen sie für eine Feuchtigkeit, die milchsäurehaltig ist und die Bakterien und Pilze abtötet und damit vor Entzündungen schützt.

Am Ausgang der Gebärmutter zur Scheide, im sogenannten Gebärmutterhals, sorgen sie für einen Schleimpfropf, der nur während des Eisprungs flüssig und durchlässig wird (d. h. durchdringbar für Samenfäden) und sich dann bis zur Periode wieder schließt. Also nochmals ein Schutz vor Entzündungen, die sonst in Gebärmutter und Eileiter einwandern könnten.

Die Ansammlung von Wasser im Körpergewebe – spürbar am teilweise schmerzhaften Festwerden der Brüste – ist kurz vor der Periode am stärksten. Die Erhöhung der Körpertemperatur um ein halbes bis ein Grad Celsius ist bedingt durch Gestagene, deshalb kommt es erst nach dem Eisprung zu einem Anstieg der Temperaturkurve.

16.2. Menstruationsbeschwerden,
Massage und Entspannungsübungen

Die (manchmal starken) Schmerzen schon ein, zwei Tage vor und während der Menstruation sind krampfartig oder wehenartig, strahlen von der Mitte des Unterbauches zur Blase hin und in den Rücken aus. Das ist dadurch zu erklären, dass die Gebärmutter mit festen Bändern zu den Beckenknochen, zur Wirbelsäule und zur Blase hin im Bauch gehalten wird. Wenn der Gebärmuttermuskel sich während der Periode zusammenzieht, um das Schleimhautgewebe und Blut auszustoßen, wird dadurch an den Bändern auch gezogen, was dann weh tut − zuweilen so, dass Frauen sich zwei Tage ins Bett legen müssen. Im Gegensatz zu den Schmerzen bei einer akuten Entzündung, wo der Bauch schon auf leichte Berührung sehr empfindlich reagiert, lassen sich die Menstruationsbeschwerden durch allerhand Massagemethoden gut lindern, also durch direktes Anfassen. Das kannst du selber machen oder dir von einer Freundin machen lassen.

Shiatsu auf dem Kreuzbein:

Eine der wirksamsten Übungen zur Entspannung und Entkrampfung ist Shiatsu. Probier sie an einer Freundin aus, und dann soll sie diese Übung an dir machen. Deine Freundin sollte bäuchlings auf einem Teppich oder einem Badetuch liegen (auf einem Bett kannst du nicht tief genug drücken). Lass sie ihre Arme entspannt seitlich vom Körper legen. Setz dich rittlings auf ihre Oberschenkel, wobei du kniest, so dass du bequem ihren unteren Rücken erreichen kannst. Ermittle die Lage des Kreuzbeins, indem du deine Fingerspitzen um die untere Rückengegend herumdrückst, um den Umriss dieses pfeilförmigen Knochens zu spüren, der weit im unteren Rücken liegt, mit der Spitze an der beginnenden Hinterbackenfalte. Wenn du die beiden oberen Außenspitzen des Knochens gefunden hast, lass deine Daumen hineingleiten, aufeinander zu, so dass sie am Ende auf jeder Seite der Wirbelsäule ruhen. Setz deine Daumen da auf. Jetzt erheb dich auf die Knie, so dass du dein Körpergewicht auf die Daumen verlagern kannst. Fang mit leichtem Druck an, und verstärke ihn allmählich, indem du dein Körpergewicht mehr auf die Daumen verlagerst, bis du dich, so fest du kannst, auf deine beiden Daumen stützt. Halte diesen Druck aus, bis du bis zehn gezählt hast, und dann lockere ihn ebenso allmählich. Wiederhole diesen Druckzyklus nach unten auf jeder Seite der Wirbelsäule entlang des Kreuzbeins, und hör an der Spitze auf, wobei du jeweils den Daumendruck weiterhin aufrecht erhältst. Jeder Mensch hat in dieser Gegend um das Kreuzbein herum eine andere Spannung. Wahrscheinlich merkst du − wenn du allmählich und gleichmäßig vorgehst −, dass den meisten Menschen hier so viel Druck angenehm ist, wie du überhaupt ausüben kannst. Wenn dies deine Daumen zu sehr anstrengt, so lass dir Zeit, dann wird deine Daumenkraft zunehmen, so dass du die Übung ganz bequem machen kannst. Du kannst übrigens auch mit den Knöcheln drücken.

Die Kobra:

Wenn du bei dir selbst krampfartige Schmerzen im unteren Rücken lösen möchtest, so ist jedes sanfte Beugen deines Rückens oft von Nutzen. Die folgenden Yogastellungen tun besonders gut:

Leg dich auf eine Matte auf den Boden mit dem Gesicht nach unten, die Augen geschlossen und die Beine ausgestreckt. Beug die Arme zu beiden Seiten, so dass deine Handflächen neben der Brust ruhen und die Finger zum Kopf weisen. Halte die Knöchel die ganze Zeit zusammen. Atme völlig aus. Öffne die Augen, und schaue zur Zimmerdecke, ohne den Kopf zu bewegen. Fang an, einzuatmen. Nun hebe deinen Kopf in die Höhe und biege Hals und Kopf nach hinten, so dass du zur Zimmerdecke blickst. Heb jetzt ganz langsam deinen Oberkörper vom Boden ab, so als ob du jeden Wirbel einzeln, einen nach dem andern, heben könntest, vom Hals bis zum Kreuzbein. Mach dieses langsam und atme dabei ein, ohne die Armmuskeln zu benutzen. Denk dir, du seist eine Schlange, die sich langsam aufrollt und erhebt. Du wirst einen Punkt erreichen, wo du dich nicht mehr weiter erheben kannst, ohne deine Arme zu Hilfe zu nehmen. Mach dies jetzt, biege und strecke dich weiter hin, bis deine Arme gerade sind und dein Kopf zurückgebogen ist. Nun geh langsam nieder und kehre dabei den Prozess um. Fang an, auszuatmen und Wirbelsäule und Brust auf den Boden zu senken. Beiß die Zähne bei den letzten Sekunden des Ausatmens zusammen. Dies ermöglicht dir, vollständiger auszuatmen. Kopf und Hals kommen als Letztes herunter. Schließe die Augen und ruh dich ein bisschen aus. Wiederhole die Kobra mehrmals.

Der Bogen:

Liege mit dem Gesicht nach unten, die Arme an den Seiten. Atme aus. Wenn du mit dem Einatmen beginnst, biege die Knie, so dass du die Füße über den Hinterbacken hochbringst. Fass die Knöchel mit den Händen. Biege Rücken, Hals und Beine so weit wie möglich durch, indem du die Füße mit den Armen hochziehst, während du mit den Füßen deine Arme niederdrückst. Lockere den Zug und den Druck allmählich beim Ausatmen. Dabei kannst du die Beine geschlossen halten oder auch offen. Du kannst auch auf dem Bauch vor- und zurückschaukeln.

Reflexologie für die weiblichen Organe:

(Wikipedia: Reflexologie, die Lehre von den Reflexen, ist ein Bereich der Medizin, welcher sich mit Nervenverbindungen (zwischen inneren Organen und der Haut/Organen und Muskeln) beschäftigt. Über solche Nervenverbindungen können beispielsweise Schmerzen auf der Haut oder in Muskeln auftreten, die auf einer Störung des entsprechenden Organs beruhen, welches unter Umständen weit vom schmerzenden Punkt entfernt ist. Bekannt sind beispielsweise die Head’schen Zonen der Haut oder die Mackenzie-Zonen der Muskulatur. Umgekehrt ist es auch möglich, die Funktion der Organe über die Stimulation dieser Haut- oder Muskelzonen zu beeinflussen.)

Der Reflexologiepunkt für den unteren Rücken liegt an der Basis des Bogens an beiden Füßen nahe der Ferse. Setz dich auf einen Stuhl, schlag ein Bein übers andere, so dass dein Fuß in deinem Schoß ruht und du an die Fußsohle herankommst. Drücke mit dem Daumen auf das untere Rückengebiet. Die Reflexologiepunkte für die Genitalien und die weiblichen Organe befinden sich entlang des Knöchels. Drück auf eine Stelle, etwa auf halbem Weg zwischen deinem Knöchel und der Unterseite deiner Ferse, um damit auf den Uterus eine Wirkung auszuüben. Drück auf eine ähnliche Stelle an der Fußaußenseite, um die Eierstöcke anzuregen. Drücke und kneife beide Seiten deiner Achillessehne etwa zehn Minuten leicht zusammen, um so auf den Uterus einzuwirken.

Gut krampflösend ist eine heiße Wärmflasche auf dem Bauch! Versuch auch andere Methoden! Akupressur und einige Yogaübungen helfen, die Verkrampfungen zu lösen. Probier sie aus, schau, was dir am besten hilft, so dass du diesen monatlichen Schmerzen nicht so ausgeliefert bist und sie nicht passiv über dich ergehen lässt. Wenn du die Periode erwartest, die sich oft schon durch Brustschmerzen, das Gefühl dicker geworden zu sein, Kopfweh, Stimmungsschwankungen usw. ankündigt, stell dich darauf ein und überlege, was du in dieser Zeit für dich tun kannst. Natürlich helfen auch Schmerzmittel wie Paracetamol, Ibuprofen, Dolormin für Frauen oder krampflösende Zäpfchen, in denen meist mehrere schmerzstillende Substanzen enthalten sind (z. B. Buscopan plus).

Entspannungsübungen:

Eine der Hauptübungen zum Entladen von tiefer Muskelspannung besteht darin, Druck auf den verspannten Muskel auszuüben. Wenn dies allmählich, nicht plötzlich und nur bis zu dem Punkt, wo es anfängt weh zu tun, gemacht wird, kann die tiefe Druckmassage auf einen Muskel neue Wahrnehmungen in diesem Gebiet bewirken und die Bindegewebefasern trennen, die von der langen Einengung steif geworden sind. Wenn dies geschieht, wird das Gebiet wieder beweglich.

Beckenspannung:

Du kannst diese Massage bei dir selbst anwenden, um die Muskelspannung im Becken zu lösen. Taste rechts und links von der Mitte deines Bauches nach zwei langen Muskelgruppen, die von deinem Schambein hinauf zu deinen Rippen verlaufen. Es gibt verschiedene dünne Muskelschichten über dem Bauch. Die äußerste wird Obliquus externus genannt. Ein Teil dieses breiten Muskelbereiches kann mehr entwickelt sein als der Rest und scheint auf beiden Seiten deines Bauches hervorzustehen. Die Entspannung dieser Muskeln schafft im ganzen Becken große Erleichterung. Leg dich auf den Rücken. Leg mehrere Finger auf die Basis eines dieser Muskeln neben dem Hüftknochen. Übe allmählich sich steigernden Druck auf den Muskel aus, so dass die Finger die Haut hineindrücken, bis du einen Widerstand verspürst. Hör dort auf, wo du es noch als angenehm empfindest. Nun fang an, den Muskel mit tiefem Druck hinauf zu deinem Nabel zu streichen, „massiere“ diesen Bereich mehrmals. Nun heb deine Fingerspitzen an und massiere in kleinen Abschnitten ein wenig höher auf dem Muskel, bis du bei den Rippen ankommst.

Vermutlich findest du, dass manche Stellen neben dem Muskel leicht weh tun und empfindlicher sind als andere. An diesen Stellen bleib länger. Die Empfindlichkeit deutet auf größere Spannung hin, die du durch allmählich sich steigernden Druck lösen kannst. Geh nicht so weit, bis du einen echten Schmerz spürst! Wiederhole diese Massage jeden Tag.

Fußball:

Eine mögliche Selbstmassage ist die Fußmassage. Alle Nerven im Körper verbinden sich seitlich mit den Nervenenden in den Füßen, so dass durch eine Massage an dieser Stelle dein ganzer Körper sich besser fühlen kann. Wenn du an einen Ball herankommst, der wie ein Baseball ist und etwa so groß wie ein Tennisball, kannst du ihn gut zur Fußmassage benutzen. Leg ihn neben deinen rechten Fuß auf den Boden. Stelle dich vor einen etwa hüfthohen Tisch. Leg die Handflächen auf den Tisch und stütze dein Körpergewicht darauf. Nun tritt mit deinem rechten Fuß auf den Ball. (Du kannst den Druck, der auf deiner Fußsohle lastet, durch die Art regeln, wie du dich auf den Tisch stützt.) Fang jetzt an, deinen Fuß auf dem Ball herumzurollen. Versuche schließlich, mit allen Teilen der Fußsohle darüber zu rollen. Achte besonders auf empfindliche Stellen. Nun mach dasselbe mit dem linken Fuß. Wenn du diese Fußballübung jeden Tag auch nur kurze Zeit machst, wird viel von den Verkrampfungen und Schmerzen aus deinen Füßen herausgearbeitet sein, und sie werden beweglicher und sensitiver werden.

16.3. Hinweise zur Schwangerschaft

Verlauf und Veränderungen

Bei dem ersten Ausbleiben der Regelblutung besteht die Schwangerschaft schon zwei Wochen lang. Ab diesem Zeitpunkt kann die Schwangerschaft mit einem Schwangerschaftstest bestätigt werden. Die ersten Zeichen sind morgendliche Übelkeit und ggf. Erbrechen sowie Anschwellen der Brüste. Die Gebärmutter beginnt zu wachsen, in der 24. Schwangerschaftswoche reicht sie bis zum Nabel. Die ersten Bewegungen des Kindes sind um die 20. Woche zu spüren. Während der Schwangerschaft sollen Frauen besonders vorsichtig mit der Einnahme von Medikamenten sein. Vor allem am Anfang bis zum Ende des dritten Monats sollen möglichst alle Medikamente (besonders Tetrazyklin und Sulfonamide oder Medikamente gegen Epilepsie) gemieden werden, da in dieser Zeit die Organe des Kindes ausgebildet werden. Ebenso sind während der ganzen Schwangerschaft Zigaretten, Cannabis, Alkohol und andere Rauschmittel oder Aufputschmittel schädlich für die Entwicklung des Kindes!

Nötige Vorsorgeuntersuchungen:

Vor der Schwangerschaft: Wurde in der Kindheit zweimal gegen Röteln geimpft? Die Impfung hält dann lebenslang. Bei Kinderwunsch ist die Einnahme von Folsäure und Jod (Folio forte) zu empfehlen.

In der Schwangerschaft: In den ersten sieben Monaten alle vier Wochen, dann alle zwei Wochen, im letzten Monat jede Woche:

Blutdruckmessung, denn Blutdruckanstieg kann gefährlich sein; Bestimmung des Farbstoffes der roten Blutkörperchen wegen evtl. Eisenmangel; Urinuntersuchung wegen Harnwegsentzündungen oder Eiweißausscheidung; Kontrolle des Körpergewichts

Blutgruppen- und Rhesusfaktorbestimmung:

Blutungen während der Schwangerschaft sollten nicht auftreten, dennoch kommen sie relativ häufig vor und erfordern zur Klärung eine ärztliche Untersuchung. Ebenso ernst zu nehmen sind hoch fieberhafte Erkrankungen in der Schwangerschaft.

16.4. Schwangerschaftsabbruch
und § 218 StGB

Rechtsgrundlagen für den Schwangerschaftsabbruch

Nach der in Deutschland geltenden Beratungsregelung ist der Schwangerschaftsabbruch zwar grundsätzlich rechtswidrig, er bleibt aber unter bestimmten Voraussetzungen (§ 218a Abs. 1, § 219 StGB) straffrei:

Ein Schwangerschaftsabbruch ist nicht strafbar, wenn nach der sogenannten Beratungsregelung vorgegangen wird. Hierfür ist von der Schwangeren, die den Eingriff verlangt, der Ärztin eine Bescheinigung nachzuweisen, dass mindestens drei Tage vor dem Eingriff in einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle ein Beratungsgespräch stattgefunden hat (z. B. bei ProFamilia). Darüber hinaus ist der Schwangerschaftsabbruch innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis (also 14 Wochen nach der letzten Periodenblutung) von einer Ärztin vorzunehmen, die nicht an der Beratung teilgenommen hat.

Die Rechtswidrigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs ist ausgeschlossen im Falle der medizinischen Indikation (§ 218a Abs. 2 StGB), um Lebensgefahr oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und im Falle der kriminologischen Indikation, weil die Schwangerschaft auf einem Sexualdelikt (§§ 176 bis 179 StGB) beruht.

Nach der 14. Schwangerschaftswoche kann eine Schwangerschaft nur abgebrochen werden, wenn die Frau eine Bescheinigung von einer Psychiaterin bekommt, dass die Schwangerschaft das seelische Wohl der Frau stark gefährdet.

Daher ist es sehr wichtig, dass sich eine schwangere Frau möglichst früh an eine Beratungsstelle wendet, wenn sie die Schwangerschaft nicht austragen möchte.

Regelungen zur Kostenübernahme eines Schwangerschaftsabbruchs

Bei der Frage, wer die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs zu tragen hat, ist zu unterscheiden, ob es sich um einen rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer Indikation oder um einen Abbruch nach der Beratungsregelung handelt. Die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs aufgrund einer medizinischen oder kriminologischen Indikation werden bei krankenversicherten Frauen von ihrer Krankenkasse getragen.

Die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch nach der Beratungsregelung sind grundsätzlich von der Frau zu tragen. Für Frauen in schwieriger wirtschaftlicher Lage werden die Kosten nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz von den Krankenkassen übernommen. Dafür reicht die Bescheinigung von der Beratungsstelle und es ist egal, ob der Vater etwas verdient. Es ist aber wichtig, dass du den Antrag bei der Krankenkasse stellst, bevor der Schwangerschaftsabbruch vorgenommen wird.

Wenn es die Zeit zulässt, nimm Kontakt mit dem nächstgelegenen Frauenzentrum auf (siehe Kontaktadressen, im Anhang). Dort kann man dir sicher eine vertrauenswürdige Beratungsstelle und auch Ärztinnen vermitteln.

16.5. Die Brustuntersuchung

Woraus bestehen unsere Brüste eigentlich?

Der Aufbau der Brust besteht bei der Frau im gebärfähigen Alter zu einem Drittel aus Fettzellen und zu zwei Dritteln aus Drüsengewebe. Bei großen Brüsten verändert sich diese Verteilung zugunsten des Fettgewebes. Von außen sieht man hauptsächlich Haut und den dunkler gefärbten Nippel mit dem Nippelhof. Die innen liegenden Milchdrüsen bestehen aus Läppchen, die sich traubenförmig um die Milchgänge gruppieren. Dadurch entsteht beim Tasten des Drüsengewebes der Eindruck einer Unregelmäßigkeit, was aber normal ist. Die einzelnen Hauptmilchgänge laufen hinter dem Nippelhof zusammen, wo sie ein winziges Milchreservoir bilden, wenn die Frau stillt. Von da aus stellen fünf bis neun Ausführungsgänge die Verbindung durch die Brustwarze nach außen her. In der Schwangerschaft schwillt die Brust an, die Milchdrüsen prägen sich stärker aus, das Milchgangsytem wird umgebaut, und die Drüsengänge verlängern und verzweigen sich unter dem Hormoneinfluss der wachsenden Plazenta (Mutterkuchen).

Während des Zyklus verändern sich auch unsere Brüste: Die Gänge und Drüsen schwellen in der zweiten Hälfte des Zyklus an. Gleichzeitig fließt langsam Flüssigkeit in das Fettgewebe der Brust, wodurch sie fester und schwerer wird. Einige Frauen bemerken dies als Brustspannen, was besonders in der Woche vor der Periode unangenehm ist. Das ist keinesfalls unnormal.

Wenn wir älter werden, neigen unsere Brüste dazu, sich zu vergrößern und das Bindegewebe dehnt sich, so dass die Brüste etwas tiefer hängen. Nach den Wechseljahren verkleinern sich die Milchgänge und -drüsen, d. h., das Drüsengewebe wird weniger und das Fettgewebe vermehrt sich, so dass die Brüste oft um eine Körbchengröße zunehmen.

Wenn du weißt, wie die Brust aufgebaut ist, ist es viel leichter und weniger verwirrend für dich, sie zu untersuchen. Die meisten Knoten in der Brust werden von den Frauen selbst entdeckt. In der Brust können, wie überall in unserem Körper, Zysten, auch Beulen und blaue Flecken durch Verletzung auftreten.

Manchmal kann ein Milchkanal mit Schleim verstopft sein oder er kann sich entzünden und fühlt sich dann wund oder heiß an. Gewöhnlich tritt dies bei Frauen auf, die stillen, aber es kann auch sonst auftreten. Die Schwellung geht zurück, wenn du die Stelle kühlst (z. B. mit einer in Stoff gewickelten Eispackung oder kaltem Magerquark). Es gibt mehrere Arten von Knoten in der Brust: Jeder Knoten wird „Tumor“, d. h. „Schwellung“, genannt und kann flüssigkeitsgefüllte Zysten, erweiterte Milchgänge, bindegewebige Knoten oder Krebsgewebe bedeuten. Gutartige Veränderungen sind sehr viel häufiger (90 %) als bösartige (10 %).

Zysten

In manchen Fällen stecken hinter Brustschmerzen eine oder mehrere Brustzysten – tastbar ggf. als bewegliche Knötchen oder rundliche elastische Blasen. Meist werden diese aber zufällig bei einer Ultraschalluntersuchung entdeckt. Sie sind mit Flüssigkeit gefüllte Strukturen, zumeist Drüsenläppchen oder Milchgänge. Brustzysten sind nicht weiter ungewöhnlich. Das Brustdrüsengewebe ist ein sekretorisches Organ, d. h., es kann und soll unter bestimmten Umständen Flüssigkeit (Milch) herstellen und absondern. Außerdem reagiert es sehr sensibel auf jede hormonelle Schwankung. So kann es also passieren, dass sich kleine Flüssigkeitsansammlungen in den Milchgängen bilden, die sich abkapseln und nicht nach außen abfließen. Zysten in der Brust sind keine Krankheit. Sie treten als Folge von hormonellen Unregelmäßigkeiten – bevorzugt um die Wechseljahre herum – auf und müssen nicht operiert werden. Eine Punktion ist nur bei starken Schmerzen empfehlenswert, da sich die Zysten danach meistens wieder mit Flüssigkeit füllen.

Knoten, Knubbel

Wenn sich bei der Selbstuntersuchung ein Knoten tasten lässt, handelt es sich in den meisten Fällen um eine gutartige Veränderung. „Knoten“ ist nur ein sehr unscharfer Begriff für eine tastbare Verhärtung. Das kann, wie bereits erwähnt, eine Zyste sein, häufig handelt es sich um ein Fibrom.

Das Fibrom oder Fibroadenom ist der häufigste gutartige Knoten in der Brust und tritt vor allem zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf. Fibrome bestehen aus Drüsen- und Bindegewebsverhärtungen. Sie sind scharf abgrenzbar und gegenüber dem restlichen Drüsenkörper und der Haut verschieblich. Anders als bei Zysten verändert sich der Knoten nicht abhängig vom Menstruationszyklus und ist auch nicht schmerzhaft.

Knoten, die neu auftreten, sollten immer genau ärztlich untersucht werden!

Bösartige Tumore können bei Frauen in jedem Alter auftreten, sind aber bei Frauen unter 40 eher selten. Obwohl sie häufiger bei älteren Frauen auftreten, ist der Prozentsatz von gutartigen Tumoren auch bei älteren Frauen höher als der von bösartigen. Die beste Zeit für eine Brustuntersuchung ist eine Woche, nachdem deine Periode begonnen hat. Um Veränderungen sofort zu entdecken, solltest du deine Brust einmal im Monat untersuchen.

Worauf musst du besonders achten?

Zuallererst siehst du, ob es Veränderungen gibt, die von dem Normalzustand deiner Brust abweichen, wie z. B.:

  1. ein außergewöhnlicher Knoten, Verdickungen oder punktuelle Knötchen
  2. ungewöhnliche Veränderung der Größe und Form deiner Brust
  3. ungewöhnliche Senkung der einen Brust
  4. Grübchen in der Haut deiner Brust
  5. ungewöhnliches Einziehen der Nippel
  6. Sekretion (Flüssigkeitsabsonderung), Blutung aus dem Nippel
  7. Veränderungen in der Hautstruktur auf oder rund um die Nippel
  8. Schwellung des Oberarms
  9. Vergrößerung der Lymphknoten in deinem Körper (sie sind in deiner Achselhöhle, an den äußeren Seiten deiner Brust und vom Hals runter zur Schulter zu fühlen)

    10. Schmerzen oder Unbehagen, die du vorher nicht gehabt hast und die im Zyklus nicht kurz vor deiner Menstruation liegen

Wie machst du die Brustuntersuchung?

Sitze oder stehe vor einem Spiegel, lasse die Arme entspannt an den Seiten herunterhängen, und schaue deine Brust genau an, ob die Größe, die Form und Beschaffenheit sich verändert haben. Sieh ebenso nach Grübchen in der Haut und Veränderungen auf der Oberfläche der Brustwarzen. Drücke vorsichtig auf jeden Nippel und sieh, ob eine Flüssigkeit rauskommt. Strecke beide Arme über den Kopf hoch und wiederhole die gleichen Beobachtungen wie vorhin. Notiere dir die Veränderungen, die seit deiner letzten Brustuntersuchung aufgetreten sind. Jetzt untersuchst du dich gezielt nach Knötchen, Vernarbungen oder Verdickungen. Leg dich aufs Bett, unter deine linke Schulter leg ein Kissen und deine linke Hand unter deinen Kopf. Mit den Fingern deiner rechten Hand, die du flach zusammenhältst, gleite mit leichtem Druck und kreisförmigen Bewegungen über die Brust. So kannst du den inneren, oberen Teil deiner linken Brust fühlen. Beginne mit dem Tasten am Brustbein und taste rund um die Brust. Ebenso ertaste die Gegend rund um die Brustwarze. Mit dem gleichen sanften Druck taste den tieferen inneren Teil deiner Brust. Beim Tasten wirst du eine feste Gewebestruktur fühlen, das ist normal. Lege nun deinen linken Arm an die linke Körperseite und fühle mit den Fingern der rechten Hand unter deine linke Achsel (Lymphknoten). Mit dem gleichen leichten Druck tastest du nun den oberen äußeren Teil deiner linken Brust von der Höhe der Brustwarze bis nach außen, wo dein linker Arm liegt. Zuletzt ertaste den unteren, äußeren Rand deiner Brust, vom Arm bis zur Brustwarze. Wiederhole diese ganze Prozedur für die rechte Brust, wie wir es für die linke Brust beschrieben haben, und benutze die linke Hand.

Wenn du deine Brüste regelmäßig untersuchst und sie genau kennenlernst, wirst du stets in einer besseren Lage sein als eine Ärztin, um irgendwelche Veränderungen zu bemerken. Falls du Veränderungen bemerkst, muss das nicht unbedingt Krebs heißen. In ungefähr neun von zehn Fällen sind diese gutartig (also kein Krebs). Aber du kannst den Grund für die Veränderung nicht selbst herausfinden, deshalb gehe gleich zur Ärztin. Brustknoten können durch Ultraschall und/oder durch Röntgen (Mammographie) festgestellt werden. Beide Techniken können Knötchen aufdecken, die so klein sind, dass sie eventuell nicht ertastet werden können.

Untersuchungsmöglichkeiten bei Brustknoten

Wenn du bei deiner Brustuntersuchung einen Knoten entdeckt hast, der nicht regelmäßig in deinem Zyklus (z. B. kurz vor der Periode) auftritt und von allein wieder verschwindet, solltest du bei deiner Anstaltsärztin eine Ausführung zur fachärztlichen Untersuchung und Behandlung verlangen. Die Fachärztin sollte zunächst noch einmal tasten. Als Nächstes sollte eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden, womit besonders Zysten (flüssigkeitsgefüllte Hohlräume) gut dargestellt und beurteilt werden können. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Mammographie. Dies ist eine Röntgenuntersuchung der Brust. Auch winzige Knötchen, die du oft noch nicht ertasten kannst, können durch Mammographie entdeckt werden. Die Mammographie gibt vornehmlich Aufschluss über solide Tumoren (Knoten) und lässt begrenzt erkennen, ob er gutartig ist oder nicht. Ist eine Klärung nicht möglich, kommt eventuell eine operative Entfernung des Knotens in Betracht. Zuvor sollte aber eine Stanze (Gewebeentnahme) zur mikroskopischen (feingeweblichen) Untersuchung durchgeführt werden.

Auf die verschiedenen Möglichkeiten von Brustoperationen können wir hier nicht näher eingehen. Verlange vor jedem Eingriff die Hinzuziehung einer Frauenärztin deines Vertrauens.

16.6. Weitere häufige Frauenbeschwerden

Auch wenn du dich nicht selbst untersuchen und behandeln kannst, ist es wichtig, dir Notizen zu machen. Leg dir einen Kalender über die Periode an, notiere, was du vorher merkst, wie lange der Zyklus ist, ob er regelmäßig ist, wann er vielleicht unregelmäßig wird, wie lange die Blutung dauert, wie stark sie ist und evtl. schmerzhaft. War zu dieser Zeit (d. h. bei Auftreten von Veränderungen) ein Ereignis, das dir zu schaffen macht? Vielleicht entdeckst du auf diese Weise etwas über Zusammenhänge, wie dein Körper auf Probleme reagiert. Wenn du Beschwerden hast, dann schreibe dir auf:

Meist geht die Untersuchung bei der Ärztin so schnell, dass du gar nicht dazu kommst, alles zu sagen, oder dass du nach wichtigen Einzelheiten gar nicht gefragt wirst. So kannst du wenigstens selbst dafür sorgen, dass weniger übersehen wird.

Ausbleiben der Periode

Die Steuerung der Funktion der Eierstöcke und der Hormonherstellung übt eine Drüse im Gehirn aus. In außergewöhnlichen Situationen und unter starker Belastung kommt es vor, dass diese Drüse ihre Funktion drosselt und nicht mehr ausreichend auf die Eierstöcke einwirkt. Dann können die Tage einfach wegbleiben. Dasselbe kann durch starke Abnahme des Körpergewichtes eintreten. Wahrscheinlich sind das einfache Schutz- und Verweigerungsvorgänge des Organismus.

Ist die Amenorrhö (das Ausbleiben der Regelblutung) also eine Folge von Stress oder psychischen Belastungen, können Entspannungsmethoden oder in schweren Fällen eine Psychotherapie helfen. Eine Amenorrhö wird aber auch künstlich, z. B. durch die Drei-Monats-Spritze oder das monatelange Einnehmen der Antibabypille ohne Pause (sogenannter Langyzklus) ausgelöst. Wenn deshalb die Schleimhaut in der Gebärmutter nicht wächst, braucht auch keine Abstoßung derselben zu erfolgen.

Durch eine Hormonbehandlung (z. B. die „Pille“) kann die Periode herbeigeführt werden! Das ist aber nicht unbedingt erforderlich, zumal Hormontabletten Nebenwirkungen wie Übelkeit, Brustschmerzen u. a. haben können.

Andere Ursachen für das Ausbleiben der Monatsblutungen sind: Schwangerschaft, Veränderungen in den Eierstöcken.

Folgende Störungen haben häufig seelische Ursachen:

Vorübergehendes Aussetzen der Periode: Maßgeblich hierfür ist häufig die Situation, in der sich die Frau befindet und die sie psychisch stark belastet, also Schreckensmomente, Angst, Stress. Deshalb nennt man diese Form auch „Notstandsamenorrhö“. Sie kommt häufig in den Knästen, hauptsächlich in U-Haft vor den Prozessen vor. Außerdem spielt die Trennung von vertrauten Personen und dem gewohnten Milieu eine wesentliche Rolle für das Ausbleiben der Periode.

Ausfluss

Der kann verschiedene Ursachen haben. Zu achten ist auf Farbe, Menge, Beschaffenheit (flüssig, schleimig, krümelig usw.) und Geruch. Daraus lässt sich auch ohne Untersuchung schon einiges über mögliche Ursachen sagen. Gesunde Scheidenflüssigkeit riecht leicht säuerlich. Trotzdem soll die Ursache eines Ausflusses von einer Ärztin untersucht werden, weil unbehandelter Ausfluss über längere Zeit schwere Entzündungen zur Folge haben kann. Dabei wird ein Metallgerät (Spekulum, Scheidenspiegel) in die Scheide eingeführt und vom Muttermund und der Scheide eine kleine Menge Flüssigkeit entnommen. Diese wird mikroskopisch untersucht und ggf. eine Kultur angelegt. Die Spekulumuntersuchung ist erforderlich, weil sonst manche Krankheiten nicht erkannt werden können, z. B. Tripper. Nicht selten kommt der Ausfluss nicht aus der Scheide, sondern aus der Harnröhre. Deshalb soll auch der Urin untersucht werden.

Aminkolpitis

Die häufigste Ursache für einen flüssigen, schlecht riechenden Ausfluss sind verschiedene Bakterien (z. B. Gardnerella vaginalis), die sich vermehren, wenn das Gleichgewicht in der Scheide gestört ist. Dies kann bei Stress auftreten, in der Schwangerschaft oder durch häufig wechselnde Partner*innen. Eine Aminkolpitis wird durch antibiotische Zäpfchen oder Tabletten behandelt (z. B. Arilin oder Sobelin). Bei häufigem Auftreten können Frauen der Entzündung mit einem Ansäuern der Scheide durch Milchsäurezäpfchen (z. B. Vagiflor) oder Vitamin-C-Zäpfchen (Vagi C) vorbeugen.

Tripper (Gonorrhö)

Der wird durch ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen.

Symptome: gelblicher oder gelblich grüner Ausfluss, Schmerzen beim Pinkeln, schmerzhaftes Anschwellen der Leistendrüsen – allerdings brauchen diese Symptome nicht da zu sein.

Die Ansteckungsrate ist deshalb so hoch, da bei 50 % der Frauen und etwa 10 % der Männer die Infektion der Scheide bzw. Harnröhre unerkannt bleibt, weil nur geringe oder keine Beschwerden auftreten. Leider kann die Infektion dennoch weitergegeben werden. Eine Infektion im Darm oder Rachen bleibt jedoch noch häufiger unentdeckt, diese kann bei analem oder oralem Sex übertragen werden. Wenn allerdings Symptome auftreten, sind diese Ausfluss aus dem Darm oder Halsschmerzen. Bei der Übertragung ist zu bemerken, dass es sich hierbei um eine weltweit vorkommende, ausschließlich beim Menschen auftretende, sexuell übertragbare Erkrankung handelt. Besonders gefährdet sind Menschen mit häufig wechselnden Sexualpartner*innen.

Die Verdachtsdiagnose „Tripperinfektion“ kann schnell anhand der Symptome erstellt werden. Um ganz sicherzugehen, muss ein Abstrich aus dem Gebärmutterhalskanal bzw. aus der Harnröhre durchgeführt werden. Aus diesem können dann unter optimalen Bedingungen Kulturen des Erregers und ein Antibiogramm angelegt werden. Ein Antibiogramm zeigt, wie stark die Gonokokken (Tripperbakterien) auf bestimmte Antibiotika reagieren. Das ist vor allem wichtig, um resistente (widerstandsfähige) Bakterienstämme gezielt bekämpfen zu können. Die Anzucht der Erreger funktioniert jedoch nicht immer. Die Bakterien benötigen durchgehend (bei der Entnahme, beim Transport und im Labor) optimale Bedingungen. Das kann oft nicht gewährleistet werden. Ein negatives Ergebnis schließt also eine Infektion mit Gonokokken nicht sicher aus. Auf jeden Fall sollte eine gynäkologische Untersuchung erfolgen.

Behandlung: Mit Penicillin in größeren Mengen, auch Partnerinnenbehandlung! Die einzigen wirksamen Mittel sind Antibiotika. Es gibt jedoch viele verschiedene, die alle eine unterschiedliche Wirksamkeit aufweisen. Mittel der Wahl ist das bekannte Penicillin G. Die antibiotische Behandlung wird begonnen, bevor die Erregeranzucht abgeschlossen ist, da es sich um eine ernsthafte Erkrankung handelt. Wenn das Ergebnis des Antibiogramms vorliegt, muss das Antibiotikum unter Umständen gewechselt werden, wenn eine Resistenz gegen Penicillin besteht. Dann können aber andere Antibiotika verabreicht werden, z. B. Azithromycin, Erythromycin, Cephalosporine oder Chinolone. Im Normalfall wird das Antibiotikum bei urogenitalen Infektionen in hoher Konzentration lokal (meist in einen Muskel) verabreicht. Wenn die Bakterien bereits im Blut nachgewiesen werden können, müssen zusätzlich noch Antibiotika in Tablettenform eingenommen werden.

Unbehandelt kann Tripper zu Zyklusunregelmäßigkeiten, Eileiterentzündungen und Unfruchtbarkeit führen.

Chlamydieninfektion

Infektionen mit Chlamydien gehören weltweit zu den häufigsten durch sexuellen Kontakt übertragenen Krankheiten (STD – sexually transmitted diseases).

Infizieren können sich Frauen und Männer. Folgen einer Ansteckung bei Frauen sind zunächst Entzündungen des Gebärmutterhalses und seltener der Harnröhre. Die Erreger können „aufsteigen“ und zu akuten Entzündungen der Gebärmutter, der Eileiter und Eierstöcke führen. Die Beschwerden sind oft sehr unspezifisch, so dass viele Frauen eine Infektion nicht bemerken und diese chronisch werden kann. Als Langzeitfolgen einer unbehandelten Chlamydieninfektion können beispielsweise Unfruchtbarkeit, Eileiter- oder Bauchhöhlenschwangerschaften oder Entzündungen der Organe des kleinen Beckens (Pelvic inflammatory disease, PID) auftreten. Möglicherweise können urogenitale Chlamydieninfektionen auch Fehl- oder Frühgeburten auslösen. Dies ist jedoch noch nicht abschließend geklärt.

Chlamydieninfektionen werden mit Antibiotika behandelt, Partnerinnenbehandlung!

Pilzinfektionen

Pilzinfektionen sind gerade dann häufig, wenn durch äußere Einflüsse das normale Zusammenspiel aller Hormone gestört ist und damit auch das normale saure Milieu in der Scheide aus dem Gleichgewicht geraten ist. Dann können die Pilze die Oberhand gewinnen.

Äußere Einflüsse sind: psychische Belastung, andere Krankheiten, schlechte Ernährung, Behandlung mit Antibiotika und Cortison, Schwangerschaft, das Tragen von Nylonunterwäsche, Slipeinlagen, Tangas, Binden und Tampons.

Hauptsymptome sind: Ausfluss − weißlich, meist dick und krümelig, leichter Hefegeruch. Starker Juckreiz mit Rötung und Entzündung der äußeren Geschlechtsteile, auch der Harnröhre − Schmerzen beim Pinkeln.

Nachweis: Abstrich, der mikroskopisch untersucht wird.

Behandlung: Arzneien, die eine Pilzinfektion (Mykose) bekämpfen, werden als Antimykotika bezeichnet. Zu diesen zählen unter anderen Cremes und Scheidenzäpfchen, die Wirkstoffe aus der Gruppe der Imidazole oder Nystatin enthalten. Mit diesen Präparaten wird die Scheide täglich ein- bis zweimal direkt (lokal) behandelt. Je nach Präparat dauert die Therapie ein, drei oder sechs Tage. Zur Wirkstoffgruppe der Imidazole gehören Clotrimazol oder Miconazol. Sie töten die Pilze ab (fungizid).

Wenn bis zum Ende der Therapie keine Besserung eintritt, ist eine ärztliche Untersuchung notwendig. Eine Partner*innenbehandlung ist nur dann notwendig, wenn die Pilzinfektion immer wieder auftritt.

Trichomonaden

Trichomonaden sind Geißeltierchen (Einzeller), die sich eigenständig fortbewegen können. Sie kommen weltweit vor. In erster Linie werden sie durch Geschlechtsverkehr übertragen. Eine Infektion mit Trichomonaden bezeichnet man auch als Trichomoniasis. Trichomonaden sind sehr empfindlich gegen Austrocknung und brauchen daher ein stets feuchtes Milieu, um überleben zu können. Es sind überwiegend Frauen von Trichomoniasis betroffen. Sie zählt zu den häufigsten sexuell übertragbaren Krankheiten. Die Inkubationszeit beträgt ein bis drei Wochen. Dies ist die Zeit zwischen der Ansteckung mit den Trichomonaden und dem Auftreten der ersten Beschwerden.

Symptome: grünlich gelblicher, schleimiger oder schaumiger übelriechender Ausfluss. Juckreiz und Entzündung, Rötung der Scheide innen sowie der Schamlippen.

Nachweis: Abstrich, der mikroskopisch untersucht wird.

Behandlung: Mit speziellen Antibiotika (Nitroimidazolen) ist die Trichomonadeninfektion meist schnell unter Kontrolle zu bringen. Zum Einsatz kommen beispielsweise Metronidazol, Ornidazol und Nimorazol. Da die Trichomonaden sich auch in schlecht erreichbaren Bereichen der Scheide befinden, sollte das Antibiotikum in Tablettenform eingenommen werden. Auch der*die Partner*in sollte sich behandeln lassen, selbst wenn er*sie keine Beschwerden verspürt. Nur so lässt sich ein Ping-Pong-Effekt der gegenseitigen Trichomonadeninfektion vermeiden.

Krankheiten, die äußerlich zu sehen sind

Pickel, Bläschen oder kleine Knoten am Scheidenausgang oder an den Schamlippen können unterschiedliche Ursachen haben.

Es gibt verstopfte Drüsengänge, die zu Entzündungen oder einfach nur Sekretstau führen können, ein sogenanntes Atherom oder Zysten am Scheideneingang. Schmerzhafte Schwellungen müssen meist operativ eröffnet werden (Bartholinischer Abszess).

Warzen (Feigwarzen) sind eine Viruskrankheit wie Hautwarzen auch. Feigwarzen werden ausgelöst durch HPV (Humane Papillomviren). Es gibt eine HPV-Impfung, die vor Feigwarzen schützt. Die Impfung wird für 12- bis 17-jährige Mädchen von der Kasse übernommen. Es ist am sinnvollsten, wenn die Impfung vor dem ersten Sex durchgeführt wird. Feigwarzen sind hirsekorngroß, fleischfarben, treten einzeln auf oder auch zu vielen, befinden sich an den Schamlippen, den Wänden der Scheide, um den After herum oder am Muttermund (Gebärmutterhals). Wenn Ausfluss oder Urin an ihnen kleben bleiben, werden sie wund und verursachen Juckreiz. Gefährlich sind sie nicht, aber ansteckend.

Behandlung: Warzen können mit einer Lösung weggeätzt, weggeschnitten oder mit Laser entfernt werden. Die Lösung muss genau nach Vorschrift vorsichtig aufgetragen werden, damit nicht zu viel weggeätzt wird.

Herpes – diese Viruskrankheit äußert sich in kleinen mit Flüssigkeit gefüllten Bläschen, die einzeln oder zu mehreren auftreten. Sie jucken und schmerzen auch ziemlich. Nach ein paar Tagen platzen die Bläschen auf und verschorfen. Ursache dieser Krankheit sind allgemeine Abwehrschwäche, schlechte Ernährung und Belastungssituationen.

Die Behandlung des Herpes genitalis mit antiviralen Medikamenten kann den Krankheitsverlauf um einige Tage verkürzen und die Beschwerden mindern. Die Medikamente (Wirkstoffe: Aciclovir, Famciclovir, Valaciclovir) wirken umso besser, je früher man sie einnimmt – am besten schon bei den ersten Anzeichen eines Ausbruchs. Die Medikamente zur Behandlung von Herpes genitalis wirken deutlich besser in Tabletten- als in Salbenform und werden über fünf bis zehn Tage eingenommen.

Ektopie (Muttermunddrüsenfeld)

Die Drüsen im Kanal des Gebärmutterhalses, die den Schleimpfropf herstellen und damit einen Verschluss gegen die Scheide bilden, können aus dem Kanal herauswachsen. Sie sind dann bei der Spekulumuntersuchung am Muttermund zu sehen. Eine Ektopie entsteht unter dem Einfluss der Sexualhormone; Rückbildung daher in der Postmenopause (d. h. nach den Wechseljahren). Eine Ektopie ist nicht krankhaft, sondern das ganz normale Muttermunddrüsenfeld. Die Folge der Ektopie kann sein, dass der Schleim, der sonst ja nur im Gebärmutterkanal bleibt, in die Scheide fließt und Ausfluss macht – dicklich, zähflüssig und weiß-gelblich. Die Ektopie kann leicht bluten, deshalb ist der Ausfluss manchmal blutig.

Krebs

Eine Krebskrankheit (zerstörerisches Zellwachstum) wird von einem selbst meist erst bemerkt, wenn sie schon weiter fortgeschritten ist. Die Veränderungen gehen meist langsam, unbemerkt und erstmal ohne Schmerzen vor sich. Geschwulste und Tumoren müssen nicht immer Krebs sein. Sie können auch anders zustande kommen; durch Flüssigkeitsansammlungen in den Eizellen des Eierstocks – sogenannte Zysten; durch Vermehrung von Muskelmasse im Muskel der Gebärmutter, sogenannte Myome, die dann u. a. verstärkte und verlängerte Periodenblutungen verursachen können. Auf jeden Fall gilt: Wenn bei einer Untersuchung eine Geschwulst gefunden wird, bestehe darauf, dass die Ursache herausgefunden wird!

Es gibt verschiedene Methoden, dies zu tun: Entnahme eines kleinen Gewebestückes an dieser Stelle zur Probe, Hineinschauen in den Bauch, Untersuchung in Narkose usw. Das wird von der Fachärztin im Krankenhaus gemacht.

Einzig die Krebsfrüherkennungsuntersuchung auf Gebärmutterhalskrebs ist leicht durchzuführen und sollte auch ohne Verdacht jedes Jahr gemacht werden. Gebärmutterhalskrebs tritt schon bei jüngeren Frauen auf, kann aber durch einen Zellabstrich vom Muttermund (sogenannter Pap-Abstrich) in seinen Vorstufen erkannt und durch rechtzeitige Behandlung geheilt werden.

Eileiter- bzw. Eierstockentzündung

Streng genommen handelt es sich bei der Eileiterentzündung (Salpingitis) und der Eierstockentzündung (Oophoritis) um zwei verschiedene Erkrankungen. In der Realität kommt eine isolierte Entzündung des Eierstocks aber so gut wie nie vor, sondern entsteht in aller Regel aus einer Eileiterentzündung. Umgekehrt ist bei der Eierstockentzündung fast immer der Eileiter mit betroffen. Da beide Erkrankungen zudem noch die gleichen therapeutischen Konsequenzen haben, werden sie in aller Regel unter dem Begriff Adnexentzündung oder Adnexitis zusammengefasst.


Unter Adnexe versteht man die Anhangsorgane der Gebärmutter, also die Ovarien (Eierstöcke), in denen die Eier reifen, und die für den Transport des Eis zur Gebärmutter zuständigen Eileiter. Die Adnexitis gehört zu den häufigsten gynäkologischen Erkrankungen und betrifft fast ausschließlich Frauen im gebärfähigen Alter, am häufigsten zwischen dem 16. und 35. Lebensjahr. Nach heutigem Wissen sind für die Krankheit ausschließlich Infektionen mit verschiedenen Erregern verantwortlich. Außerdem wird eine akute und eine chronische Form unterschieden. Von der chronischen Form spricht man, wenn nach der akuten Entzündung immer wieder Beschwerden auftreten. Ursache dafür ist meist eine zu spät begonnene oder nicht ausreichende Therapie. Unter Umständen kann die chronische Entzündung Monate bis Jahre anhalten und zu schweren Folgeerscheinungen wie Unfruchtbarkeit und ständigen Schmerzen führen.

Wie wird eine Adnexitis verursacht? In den allermeisten Fällen ist die akute Adnexitis Folge einer Infektion mit Bakterien, seltener mit Viren. Die häufigsten Auslöser sind Gonokokken, die Erreger der Gonorrhö (Tripper), und Chlamydien. Infektionen mit diesen Erregern ebnen aber den Weg für andere Bakterien, die sich auf dem entzündeten Gewebe leichter vermehren können. Deshalb sind die Adnexentzündungen oft Mischinfektionen, an denen verschiedene Bakterien beteiligt sind. Je nachdem, wie die Keime zu den Adnexen gelangen, werden zwei verschiedene Infektionswege unterschieden. Bei der sehr viel häufigeren, aszendierenden, d. h. aufsteigenden Infektion breiten sich die Bakterien über die Scheide und die Gebärmutter bis zu den Eileitern und von dort weiter in die Eierstöcke aus. Die Scheiden- und die Gebärmutterentzündung verursachen allerdings nur sehr wenig Beschwerden und werden deshalb von den Frauen oft gar nicht bemerkt. Von einer deszendierenden, d. h. absteigenden Infektion spricht man dann, wenn die Krankheitserreger von entzündeten Nachbarorganen auf die Adnexe übergreifen, beispielsweise bei einer Blinddarmentzündung. Das kann durch den direkten Kontakt oder auf dem Weg über die Lymphbahnen geschehen. Eher die Ausnahme ist die hämatogene Infektion. Hier gelangen die Erreger über die Blutbahn in die Adnexe, ein Beispiel dafür ist die Tuberkulose. Zur chronischen Adnexitis kommt es, wenn die Krankheit zu spät oder nicht ausreichend behandelt wurde. Zum einen besteht dann die Entzündung fort, zum anderen führt das zu Verwachsungen und narbigen Veränderungen der Adnexe mit den umliegenden Organen. Ein solches chronisches Stadium kann jahrelang Beschwerden verursachen.

Welche Faktoren begünstigen die Adnexentzündung? Voraussetzung für eine aszendierende Adnexitis ist zunächst eine bakterielle Infektion der Scheide. Ungeschützter Sex, d. h. ohne Kondom, mit wechselnden Partner*innen gilt, da die möglichen Erreger fast alle beim Geschlechtsverkehr übertragen werden können, als einer der Risikofaktoren für Scheidenentzündungen und damit auch für die Adnexitis. Expertinnen sind sich einig, dass die Erkrankungswahrscheinlichkeit in hohem Maße vom Sexualverhalten sowie von der persönlichen Hygiene – auch der Männer – abhängt.

Um von der Vagina in die Gebärmutter zu gelangen, müssen die Keime Muttermund und Gebärmutterhals überwinden, die normalerweise eine gute Barriere gegen die Ausbreitung von Bakterien sind. Einige Faktoren beeinträchtigen diese Barriere und begünstigen damit eine aufsteigende Infektion:

Welche Beschwerden verursacht die Adnexitis? Die Beschwerden einer akuten Adnexitis sind in ihrer Ausprägung sehr unterschiedlich. Manchmal verläuft die Infektion so symptomarm, dass sie von den betroffenen Frauen gar nicht bemerkt wird, ein andermal kann sie sogar lebensbedrohlich sein. In den meisten Fällen beginnt die Krankheit mit plötzlich einsetzenden, starken Schmerzen im Unterbauch. Die Bauchdecke wirkt gespannt und ist besonders über der Gebärmutter und den Adnexen sehr druckempfindlich. Die gynäkologische Untersuchung bereitet vielen Patientinnen Schmerzen. Das Allgemeinbefinden ist stark beeinträchtigt, die Betroffenen klagen über Übelkeit und Brechreiz und haben meist über 38 °C Fieber. Abnorme vaginale Blutungen sowie stark riechender, eitriger Ausfluss aus der Scheide sind weitere Krankheitszeichen.

Bei einer chronischen Adnexitis empfinden viele Patientinnen immer wieder Schmerzen im unteren Rückenbereich, häufig nach dem Geschlechtsverkehr. Unregelmäßigkeiten und Schmerzen bei der Regelblutung, Verstopfung und Blähungen sind weitere Symptome.

Wie stellt die Ärztin die Diagnose? Die wichtigsten Hinweise liefert das klinische Bild mit den starken Schmerzen im Unterbauch. Bei der Tastuntersuchung kann die Ärztin vergrößerte und druckschmerzhafte Adnexe feststellen. Die Blutprobe zeigt die typischen Zeichen einer akuten Entzündung wie beschleunigte Blutsenkungsgeschwindigkeit, Erhöhung der Leukozyten (weiße Blutkörperchen) und den Anstieg charakteristischer Entzündungsproteine. Mit einer Ultraschalluntersuchung (Sonographie) kann die Ärztin Flüssigkeitsansammlungen in den Eileitern erkennen oder eine Eileiterschwangerschaft ausschließen. Das ist sehr wichtig, da die Symptome sich sehr ähneln können.

Bei einer chronischen Adnexitis mit ständigen Beschwerden ist, um das Ausmaß der Verwachsungen festzustellen und ggf. im Bauch Abstriche zu entnehmen, eine Bauchspiegelung (Laparoskopie) nötig.

Wie wird die Krankheit behandelt? Wegen der Gefahr von Verwachsungen, Unfruchtbarkeit und anderen Folgeerkrankungen muss die Infektion frühzeitig und konsequent mit Antibiotika behandelt werden.
Ein Krankenhausaufenthalt ist zwar kein Muss, wird aber vielen Patientinnen ärztlicherseits angeraten. Die Patientin bekommt ein Antibiotikum, das gegen alle in Frage kommenden Bakterien wirkt. Zusätzlich werden bei Eierstock- und Eileiterentzündungen entzündungshemmende Medikamente gegeben, die auch die Schmerzen lindern. Die Patientinnen müssen in den ersten Tagen unbedingt Bettruhe einhalten. Die Antibiotikatherapie darf erst beendet werden, wenn die akute Entzündung mit Sicherheit abgeklungen ist, was in der Regel ein bis zwei Wochen dauert.
Normalerweise lässt sich eine Adnexitis gut mit Medikamenten beherrschen. Bei schweren Komplikationen wie einer Bauchfellentzündung, einem Darmverschluss oder wenn sich Abszesse (Eiteransammlungen) gebildet haben, lässt sich eine Operation manchmal nicht vermeiden.
Das gilt auch für die chronische Form, sollten sich trotz Kur und Medikamente die Symptome nicht bessern. Meist mit Hilfe der Schlüssellochchirurgie (Laparoskopie; Bauchspiegelung) versucht die Ärztin, schmerzhafte Verwachsungen zu lösen und Narbengewebe zu entfernen.