23.
Rechtsmittel in der
Untersuchungshaft

Sobald du in die U-Haft eingeliefert wirst, wird fast dein ganzes Leben von Paragraphen, Regelungen und Anweisungen bestimmt.

Zum einen sind das die Anordnungen der Haftrichterin oder der Staatsanwaltschaft (StA1), die meistens mit Hilfe der JVA durchgesetzt werden, z. B. Beschränkung des Besuchsrechts, Kontrolle der Telekommunikation und des Briefverkehrs, Trennungsverfügungen oder Ähnliches.2 Diese „Sicherungsverfügungen“ richten sich nach § 119 Strafprozessordnung (StPO) und dürfen nur ergehen, soweit dies zur Abwehr einer Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr erforderlich ist. Sie dienen dazu, den von der Untersuchungshaft verfolgten Zweck sicherzustellen. Sie werden deswegen auch als (straf-)„verfahrenssichernde Maßnahmen“ bezeichnet. Du kannst gegen sie nach § 119 Abs. 5 StPO einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen, soweit nicht das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft ist (wie das genau aussehen kann, wird weiter unten erklärt).

Zum anderen gilt das UVollzG3 (Untersuchungshaftvollzugsgesetz) des jeweiligen Bundeslandes, in dem sich deine JVA befindet. Das solltest du dir unbedingt besorgen, da es deinen „Alltag“ – soweit man davon in der U-Haft überhaupt reden kann – regelt. Du hast einen Anspruch auf Aushändigung des Gesetzes, wenn du einen entsprechenden Antrag stellst. Für die Entscheidungen nach diesem Gesetz ist der Knast zuständig, in dem die U-Haft vollstreckt wird. Hier spricht man dann von „vollzugssichernden Maßnahmen“. Gegen eine Maßnahme der Anstalt nach dem UVollzG kannst du nach § 119a StPO gerichtliche Entscheidung beantragen. Gerichtliche Entscheidung kannst du auch beantragen, wenn eine beantragte behördliche Entscheidung nicht innerhalb von drei Wochen ergangen ist.

Neben dem UVollzG gibt es noch die Hausordnungen der jeweiligen Anstalten (vgl. § 63 UVollzG NRW), die bestimmte Vorschriften des Untersuchungshaftgesetzes konkretisieren und das Leben in der Anstalt im Einzelnen bestimmen; z. B. werden dort die Besuchszeiten, Arbeitszeiten und Ruhezeiten genau geregelt. Die Hausordnung wird immer dann besonders wichtig, wenn du im UVollzG die Formulierung findest: „Das Nähere regelt die Anstalt“, wie z. B. in § 18 UVollzG NRW, der das Recht auf Besuch regelt, da das Gesetz an diesen Stellen ausdrücklich den Knästen den Gestaltungsspielraum überlässt.

Zudem findest du dort Hinweise dazu, wie du Anträge stellst und Beschwerden einreichst. Deswegen solltest du dir die Hausordnung auch unbedingt besorgen, wenn sie dir nicht sowieso ausgehändigt wird.

Wichtig ist, dass in der Hausordnung keine weiteren eigenständigen Einschränkungen für die Gefangenen geregelt werden dürfen. Es dürfen nur die Regelungen ausgestaltet werden, die schon im UVollzG vorgesehen sind. Verstößt du allerdings gegen die Hausordnung, kann das durch die Anstalt mit Disziplinarmaßnahmen geahndet werden. Maßnahmen der Anstalt, die sich auf die Hausordnung stützen, können nach § 119a StPO vor Gericht angegriffen werden.

Die Sache ist also etwas kompliziert, weil während der Untersuchungshaft sowohl das Gericht in Person der Haftrichterin und die Staatsanwaltschaft als auch die JVA, in der du inhaftiert bist, für deine Situation verantwortlich sind. Zudem wird die JVA dazu angehalten, eng mit dem Gericht zusammenzuarbeiten.

Grundsätzlich kannst du aber davon ausgehen, dass die Anstalt für den Großteil der Entscheidungen verantwortlich und damit zunächst deine Hauptansprechpartnerin ist.

In jedem Fall bekommst du, wenn ein Haftbefehl gegen dich erlassen wurde und du in U-Haft sitzt, eine Pflichtverteidigerin beigeordnet, die dir bei all den rechtlichen Fragen helfen kann. Du hast eine Woche Zeit, um eine Anwältin zu benennen, sonst wird dir jemand vom Gericht zugeteilt. Die Pflichtverteidigerin musst du erstmal nicht bezahlen, das übernimmt die Staatskasse.

Deine Verteidigerin muss sich auch um deine Belange in Haft kümmern. Das kannst du auch von ihr verlangen.

Kümmert sie sich nicht um dich (sie besucht dich z. B. nicht oder kennt deine Akten nicht), dann kannst und solltest du auch versuchen, die Verteidigerin zu wechseln. Vertraue da auf dein Gefühl. Du solltest dich jedenfalls gut aufgehoben fühlen. Möchtest du tatsächlich die Verteidigerin wechseln, haben andere Gefangene, die du in U-Haft kennenlernst, bestimmt einen guten Tipp für dich, welche Verteidigerin gut ist. Du kannst auch hinten in unserer Anwältinnenliste nachsehen.

Wenn dir bereits eine Verteidigerin durch das Gericht beigeordnet wurde, ist der Wechsel zu einer anderen Verteidigerin – insbesondere wenn sich die beigeordnete Verteidigerin querstellt – nicht ganz einfach und kann einige Probleme machen. Darum sollte sich dann aber die von dir gewählte Verteidigerin kümmern und dich über die notwendigen Schritte aufklären.

Hier folgt jetzt zunächst eine kurze Übersicht über die verschiedenen Rechtsbehelfe in der U-Haft (Kapitel 23.1.). Danach werden wir das Ganze nochmal anhand eines Beispiels durchspielen (Kapitel 23.2) und am Schluss des U-Haft-Teils haben wir noch einige eventuell nützliche Musterbegründungen für Anträge, Beschwerden usw. zusammengestellt (Kapitel 23.3).

23.1. Übersicht Rechtsmittel in der U-Haft

Wie schon oben gesagt, sind teilweise unterschiedliche Menschen für unterschiedliche Entscheidungen in der U-Haft zuständig. Deswegen musst du auch bei den Rechtsmitteln immer zuerst schauen, welche Stelle die Entscheidung getroffen hat, die du angreifen willst, und wer die richtige Adressatin ist, an die du deine Beschwerde richten musst. Richtest du dein Rechtsmittel an die falsche Adresse, ist die zwar verpflichtet, das weiterzuleiten, das verzögert das Ganze aber.

Formelle Rechtsbehelfe

Formelle Rechtsbehelfe sind solche, die sich an das Gericht wenden und die ein formelles gerichtliches Verfahren als Folge haben.

Möchtest du eine einzelfallbezogene Maßnahme der Anstalt nach dem UVollzG angreifen, richtet sich das nach § 119a Abs. 1 S. 1 StPO. Danach kannst du gegen eine behördliche Maßnahme einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung bei der zuständigen Haftrichterin (§ 126 StPO) stellen.

Es kann sich dabei sowohl um Anordnungen, Verfügungen und Realakte handeln, die sich zur Vollzugssicherung konkret gegen eine bestimmte Betroffene richten, als auch um generelle Anordnungen der allgemeinen Vollzugsorganisation wie etwa Anstaltsverpflegung, Hygienevorschriften, allgemeine Besuchszeitenregelungen usw. Zwingende Voraussetzung ist jedoch, dass bei der Antragstellerin „eigene Beschwer“ vorliegt, d. h., dass du durch die konkrete Maßnahme/Anordnung/Verfügung unmittelbar betroffen bist. Allgemeine Anordnungen, die keine spezifischen Wirkungen auf den Einzelfall haben, sind nicht anfechtbar.

Eine bestimmte Frist, in der du den Antrag stellen musst, gibt es nicht. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung verursacht für dich keine weiteren Kosten. Du musst also nicht aus Geldsorgen darauf verzichten, deine Rechte durchzusetzen! Es ist immer gut, wenn du einen bestimmten Paragraphen aus dem Gesetz hast, gegen den die Maßnahme verstößt. Wenn dies so ist, solltest du unbedingt damit argumentieren.

Allerdings gewähren die meisten Paragraphen des UVollzG der Anstalt einen sogenannten „Ermessensspielraum“, d. h., dass die Anstalt durch das Gesetz nicht zu bestimmten Maßnahmen gezwungen ist, sondern immer einen eigenen Entscheidungsspielraum hat. Hier ist dann eine gute Argumentation in der Begründung wichtig (s. u.).

Du kannst außerdem auch dann eine gerichtliche Entscheidung nach § 119a Abs. 1 S. 2 beantragen, wenn du etwas beantragt hast und die Anstalt nicht innerhalb von drei Wochen über diesen Antrag entschieden hat, also z. B. wenn du einen Antrag auf einen Besuch bei der Knastärztin gestellt hast und du einfach keine Antwort bekommst.

Wer deine zuständige Haftrichterin ist, kann sich ändern und ist in § 126 StPO geregelt. Bis „die öffentliche Anklage erhoben“ ist, bis du also deine Anklageschrift bekommst, ist deine zuständige Haftrichterin diejenige, die deinen Haftbefehl erlassen hat. Von da an ist für die Entscheidungen nach § 119 Abs. 5 StPO und § 119a StPO das Gericht zuständig, das die dir vorgeworfene Sache verhandeln soll („Gericht der Hauptsache“). Damit du weißt, an wen du deinen Antrag richten sollst, schaust du also am besten vor Anklageerhebung auf deinen Haftbefehl (dort ist die Haftrichterin genannt, die den Haftbefehl erlassen hat) und nach Anklageerhebung auf die Anklageschrift (dort ist, meistens oben links, das Gericht genannt, welches für dich zuständig ist).

Ist dagegen eine Entscheidung der StA oder der JVA nach § 119 Abs. 1 StPO dein Problem, ist das richtige Rechtsmittel ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 119 Abs. 5 StPO.

Hat die Haftrichterin, also das Gericht, selbst entschieden, musst du dagegen Beschwerde gemäß § 304 StPO einlegen.

Bist du dir unsicher, welches Rechtsmittel für deinen Fall das richtige ist, kannst du gucken, ob hinter der Entscheidung, die du angreifen möchtest, noch eine Rechtsbehelfsbelehrung abgedruckt ist. Da muss dann draufstehen, wo du welches Rechtsmittel einlegen kannst. Ist keine abgedruckt, solltest du im Zweifel einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen.

Wichtiger, als dass du den Antrag oder die Beschwerde an die „richtige“, namentlich zuständige Richterin schickst, ist, dass du das richtige Aktenzeichen auf deinem Antrag / deiner Beschwerde vermerkst. An dem Aktenzeichen können die Sachbearbeiterinnen erkennen, wer für deinen Fall zuständig ist, und das Schreiben an die entsprechende Stelle weiterleiten. Das dir zugeordnete Aktenzeichen (Az.) findest du oben auf deinem Haftbefehl oder der Anklageschrift.

Hat das Gericht entweder nach § 119a oder nach § 119 Abs. 5 StPO über deinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung entschieden und bist du mit dieser Entscheidung nicht zufrieden, kannst du sie noch einmal durch eine Beschwerde nach § 304 StPO angreifen. Du adressierst sie an das Amtsgericht bzw. an das Gericht, dessen Vorsitzende Richterin entschieden hat (auch hier ist aber wieder das richtige Aktenzeichen die entscheidende Information).

Diese kann deiner Beschwerde Folge leisten, was allerdings nicht anzunehmen ist, oder sie muss die Beschwerde nach § 306 Abs. 2 StPO in drei Tagen an das Gericht, welches dann über die Beschwerde entscheidet, weiterleiten (welches Gericht dafür zuständig ist, ist in §§ 73, 120 Abs. 3 GVG geregelt). Leider handelt es sich bei der Drei-Tages-Frist um eine gesetzliche Vorgabe, die in der gerichtlichen Praxis in den seltensten Fällen eingehalten wird. Welches Gericht über deinen Antrag entschieden hat, steht auf dem Brief („Beschluss“), in dem dir die Entscheidung mitgeteilt wird.

Wichtig: Anders als der Antrag auf gerichtliche Entscheidung verursacht eine Beschwerde nach § 304 StPO Kosten, die dir in dem Fall, dass deine Beschwerde erfolglos ist, auferlegt werden (§ 473 StPO).

Schließlich darfst du nicht vergessen, dass es auch immer die Möglichkeit gibt, Rechtsmittel gegen die U-Haft selbst einzulegen. Da gibt es insbesondere die Möglichkeit, nach § 117 StPO Haftprüfung zu beantragen oder Haftbeschwerde nach § 304 StPO einzulegen. Gegen eine negativ entschiedene Haftbeschwerde kann man dann noch im Wege einer weiteren Beschwerde nach § 310 StPO vorgehen.

Diese Rechtsmittel dienen dazu, zu prüfen, ob tatsächlich ein dringender Tatverdacht gegen dich besteht, d. h., ob es nach dem Stand der Ermittlungen genug Anhaltspunkte dafür gibt, dass du die Tat, die dir vorgeworfen wird, überhaupt begangen hast, und ob überhaupt Haftgründe vorliegen, die es rechtfertigen können, dich in U-Haft zu behalten (meist „Fluchtgefahr“). Hierüber solltest du mit deiner Pflichtverteidigerin sprechen. In den meisten Fällen wird sie von alleine die nötigen Maßnahmen ergreifen. Tut sie dies nicht, solltest du sie darauf ansprechen und im Zweifel überlegen, ob du nicht die Anwältin wechseln solltest (s. o.).

Wenn du alle dir möglichen formellen Rechtsmittel ausgeschöpft hast und trotzdem nicht zu deinem Recht gekommen bist, kannst du dir (am besten zusammen mit deiner Verteidigerin) überlegen, ob es sinnvoll sein kann, eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzulegen. Zu den Voraussetzungen und Möglichkeiten einer Verfassungsbeschwerde findest du etwas in Kapitel 25 Allgemeine Rechtsmittel.

Formlose Rechtsbehelfe

Neben diesen „formellen Rechtsbehelfen“, die sich direkt an das Gericht wenden, kannst du aber auch versuchen, mit den sogenannten „formlosen Rechtsbehelfen“ dein Ziel zu erreichen. Manchmal kann dieser Weg sogar effektiver sein, als direkt den offiziellen Weg über die Gerichte und damit auch die offene Konfrontation mit dem Knast zu wählen. Formelle und formlose Rechtsbehelfe sind immer auch nebeneinander möglich, d. h., wenn du einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 119a StPO gestellt hast („formeller Rechtsbehelf“), kannst du trotzdem immer noch daneben die im Folgenden geschilderten Maßnahmen ergreifen.

Da gibt es zunächst das Beschwerde- und Antragsrecht nach § 54 Abs. 1 UVollzG NRW. Darin ist geregelt, dass die Untersuchungsgefangenen die Gelegenheit erhalten, sich mit „Wünschen, Anregungen und Beschwerden“ in vollzuglichen Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an die Anstaltsleitung zu wenden. Diese muss dann mit dir ein persönliches Gespräch über deine Wünsche und Probleme führen. Bei diesem Gespräch hat auch deine Verteidigerin ein Recht auf Anwesenheit. Wenn die Anstaltsleitung dein Begehren abgelehnt und diese Entscheidung dich belastet oder eine dich belastende Regelung noch verschlechtert, kannst du diese Entscheidung wiederum mit einem „formellen Rechtsbehelf“ nach § 119a StPO angreifen (s. o.).

Wenn du etwas Bestimmtes möchtest, z. B. einen Besuch bei der Knastärztin oder die Genehmigung eines Fernsehers auf der Zelle, musst du das erstmal bei der Anstalt beantragen. Wenn sie deinen Antrag dann ablehnt oder gar nicht entscheidet, kannst du dich mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung an das Gericht wenden (s. o.).

Wichtig ist hierfür, dass du immer beantragst, dass sie deinen Antrag schriftlich und mit einer kurzen Begründung entscheiden, da du sonst keine belastbare „Grundlage“ für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung hast. Natürlich kannst du auch gegen mündliche Entscheidungen der Knastleitung einen Antrag nach § 119a stellen. Es wird dann nur schwieriger für dich zu beweisen, was die Knastleitung tatsächlich zu dir gesagt hat.

Außerdem wichtig: Schließlich beantragst du bei der Anstaltsleitung auch die Durchführung der von der Haftrichterin erlassenen Entscheidungen: In dem Augenblick, wo die Haftrichterin eine Entscheidung trifft, ist es an der Anstaltsleiterin, sie zu befolgen: z. B. dich an Gemeinschaftsveranstaltungen teilnehmen zu lassen oder dir bestimmte Literatur auszuhändigen. Es gibt leider keine direkte rechtliche Möglichkeit, den Knast dazu zu zwingen, die Entscheidung des Gerichts zu befolgen, da das Gesetz davon ausgeht, dass die Anstalten die Gerichtsentscheidungen von sich aus respektieren. Wenn dies nicht der Fall ist, solltest du dich unbedingt an deine Verteidigerin wenden und dann Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde gegen die Knastleitung einlegen (s. u. bei „Dienstaufsichtsbeschwerde“). Bis sich da etwas tut, kann es allerdings eine ganze Weile dauern.

Wenn du dich gegen das Verhalten einer Vollzugsbediensteten wehren möchtest und es dir gerade darauf ankommt, die konkrete Person, mit der du es zu tun hast, und ihr Verhalten zu belangen, kannst du bei der Anstaltsleitung formlos und fristlos eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen. Wenn du dich über die Anstaltsleitung selbst beschweren möchtest, ist das Justizministerium die zuständige Behörde (vgl. § 64 UVollzG NRW). Das kannst du insbesondere auch dann machen, wenn dir die Entscheidung der Knastleitung über eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen eine Vollzugsbedienstete nicht passt (sogenannte weitere Dienstaufsichtsbeschwerde).

Allerdings sind diese Dienstaufsichtsbeschwerden nur selten erfolgreich, da die Mitarbeiterinnen der Anstalt und die Anstaltsleitung meistens kein Interesse daran haben, sich gegenseitig zu schaden.

Mit einer solchen Dienstaufsichtsbeschwerde machst du dich natürlich nicht beliebt bei den Bediensteten – andererseits merken sie vielleicht, dass sie nicht alles mit dir machen können. Entscheiden musst du das letztendlich selbst.

Nach § 59 Abs. 3 UVollzG NRW kannst du außerdem eine Beschwerde an den Anstaltsbeirat richten. Der soll dafür da sein, eine Kontrolle von außen zu ermöglichen und die Gefangenen in ihren Interessen zu unterstützen. Knastmitarbeiterinnen dürfen nicht Mitglieder des Anstaltsbeirats sein. Je nachdem, wer also in diesem Beirat sitzt, kann es auch eine Möglichkeit sein, mit denen dein Problem zu besprechen. Allerdings hat der Beirat keinerlei Weisungsrecht gegenüber der Knastleitung, weswegen er im Zweifel keine Möglichkeit hat, deine Interessen tatsächlich auch durchzusetzen, und immer auf die Kooperation mit der Knastleitung angewiesen ist.

Dann gibt es noch das Petitionsrecht nach Art. 17 GG, wonach jede das Recht hat, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und die Volksvertretungen zu wenden. D. h., dass du neben den hier genannten Möglichkeiten immer das Recht hast, dich mit einer Bitte oder einer Beschwerde an die jeweiligen Bürgerinnen- bzw. Justizbeauftragten der Länder, den Petitionsausschuss des jeweiligen Landtages, die Datenschutzbeauftragten, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sowie den „Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe“ (CPT) zu wenden.

Die Chancen sind zwar in der Regel nicht sehr hoch, dass dir eine solche Beschwerde in der konkreten Situation unmittelbar und vor allem zeitnah weiterhilft. Was du damit allerdings erreichen kannst und was auch nicht zu unterschätzen ist, ist öffentliche und politische Aufmerksamkeit. Wenn also was schiefläuft in dem Knast, in dem du gefangen bist, kann es schon sinnvoll sein, z. B. an eine zuständige Abgeordnete oder den CPT zu schreiben und diese so auf die Missstände aufmerksam zu machen.

Das Petitionsrecht ist zudem wichtig, wenn es darum geht, gemeinsame Interessen und Rechte zusammen durchzusetzen, da das Beschwerderecht nach § 54 UVollzG NRW nur die Geltendmachung eigener Rechte zulässt.

Wir haben versucht, die Rechtswege der U-Haft noch einmal in einem Schaubild übersichtlicher zu machen (von links nach rechts zu lesen):

Du willst dich gegen eine Maßnahme/Anordnung in U-Haft wehren:

Formelle Rechtsbehelfe:

Beschwerde

einzureichen bei dem Gericht, das die Entscheidung getroffen hat, gegen die du vorgehen möchtest.

§ 304 StPO

Verfassungsbeschwerde

beim Bundesverfassungsgericht

Sicherungsanordnung durch die Haftrichterin

§ 119 Abs. 1 StPO

z. B. Trennungsverfügung

Sicherungsanordnung durch die Staatsanwaltschaft

§ 119 Abs. 1 StPO

z. B. Trennungsverfügung

Antrag auf gerichtl. Entscheidung bei der zuständigen Haftrichterin (s. o.)

§ 119 Abs. 5

Antrag auf gerichtl. Entscheidung bei der zuständigen Haftrichterin (s. o.)

§ 119a StPO

Beschwerde

(s. o.)

§ 304 StPO

Verfassungsbeschwerde (s. o.)

Anordnung nach UVollzG durch die Anstaltsleitung

z. B. Besuchszeit-
regelungen

Haftbefehl

§§ 112 ff. StPO

Haftprüfung

§ 117 StPO

§117 Abs. 1 StPO

Haftbe­schwer­de

§ 304 StPO

Formlose Rechtsbehelfe:

Dienstaufsichtsbeschwerde an Vorgesetzte

Petition Art. 17 GG

Strafanzeige

Verhalten von Beamtinnen/Richterinnen/Anstaltsleiterinnen/Staatsanwältinnen

Du willst eine Maßnahme erzwingen oder durchsetzen:

Maßnahme der Anstalt nach UVollzG

z. B. Besuch bei Amtsärztin

Antrag bei Anstaltsleiterin

§ 54 UVollzG NRW

Antrag auf gerichtl. Entscheidung § 119a StPO

Be­schwer­de§ 304 StPO

Anstalt entscheidet nicht über den Antrag

Anstalt entscheidet für dich negativ

Weil du vielleicht immer noch nicht weißt, wie du jetzt genau vorgehen musst, werden wir jetzt die einzelnen Verfahren anhand von Musterentwürfen noch einmal durchspielen und dabei noch auf Besonderheiten hinweisen. Wichtig ist, dass es sich tatsächlich, um Musterbegründungen handelt, d. h., wir haben uns bestimmte Situationen vorgestellt und uns dazu überlegt, wie in diesen Fällen eine Argumentation aussehen könnte. Du musst natürlich immer auf die Besonderheiten deines Problems eingehen und diese in deine Argumentation mit aufnehmen.

Im Anschluss daran findest du unter Kapitel 23.3. Musterbegründungen für die unserer Ansicht nach wichtigsten Probleme, zu denen wir juristische Hilfeleistungen geben können, und einige grundsätzliche Begründungen, die man in verschiedene Anträge einbauen kann.

23.2. Musteranträge und Erläuterungen

Zunächst zwei Beispiele für Anträge auf gerichtliche Entscheidung nach § 119a StPO. Hierzu kann es zum einen kommen, weil du bei der Knastleitung etwas beantragt und nicht bekommen hast (Beispiel 1 Antrag auf Fernseher o. Ä.) oder weil die Anstalt von sich aus eine Maßnahme gegen dich verhängt hat, gegen die du vorgehen möchtest (Beispiel 2 Disziplinarmaßnahme).

Gegen die Entscheidung des Gerichts nach § 119a StPO kannst du dann in beiden Fällen noch Beschwerde nach § 304 StPO einlegen.

Beispiel 1 – Antrag auf Zulassung eines Fernsehers o. Ä.

Du möchtest gerne einen Fernseher/DVD-Player/Radio in deinem Haftraum haben. Meistens genügt es, wenn du dich erkundigst, unter welchen Bedingungen du ein solches Gerät bekommen kannst4. Das steht meist in der Hausordnung (s. o.).

In der Regel muss das Gerät direkt über die Anstalt von einer Firma bezogen werden. Wenn du von Freundinnen ein altes Gerät geschenkt bekommst, dann ist es oft möglich, dass das Ding im Auftrag der Anstalt (auf deine Kosten) technisch untersucht und dann verplombt wird. So wollen sie sicherstellen, dass keine unerlaubten Gegenstände in dem Gerät versteckt sind. Es kann auch sein, dass der Knast dein neues Gerät direkt vom Hersteller verplombt, damit du nicht im Nachhinein irgendwelche Sachen darin verstecken kannst. Wichtig für den Knast ist außerdem, dass das Gerät nicht über Internetzugang, Speicherfunktionen oder sonstige Kommunikationsmöglichkeiten verfügt. Deshalb sind moderne Spielekonsolen, Computer und Laptops im Knast grundsätzlich verboten. Teile des Geräts, welche dazu eventuell in der Lage wären, kann der Knast auch entfernen lassen oder kaputt machen. Dies kannst du dann aber auch verlangen, wenn sie dir aus einem solchen Grund das Gerät überhaupt nicht genehmigen wollen (s. u. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit).

Ausnahmsweise erlauben sie dir die Nutzung eines – nicht kommunikationsfähigen – Laptops, wenn ansonsten eine effektive Verteidigung (z. B. wegen umfangreicher elektronischer Akten) nicht möglich ist (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 12.8.2003 – 1 Ws 195/03). Welche Geräte im Einzelnen vom Knast zugelassen werden, ist sehr unterschiedlich und von dem Knast, in dem du sitzt, bzw. dem Gericht, das über deinen Fall entscheidet, abhängig. Hier musst du dann einfach dein Glück versuchen. Wenn dein Antrag abgelehnt wird, bleibt dir die Möglichkeit, bei Gericht dein Interesse durchzusetzen.

Um einen Fernseher o. Ä. genehmigt zu bekommen, genügt wie gesagt aber meistens ein einfacher Antrag an die Anstaltsleitung:

An die Leiterin der Justizvollzugsanstalt ...

Untersuchungsgefangene ..., geb. ...

Az5. ..., GPA-Nr.6 ... Datum

Antrag auf Genehmigung eines Fernsehers im Haftraum

Anrede (muss nicht unbedingt sein)

Ich beantrage die Genehmigung zur Benutzung eines eigenen Fernsehgerätes der Marke ...

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 UVollzG NRW besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung.

Unterschrift

Du kannst diesen Antrag so kurz halten, weil die Anstaltsleitung in den meisten Fällen deinem Antrag folgen wird. Du kannst aber genauso gut auch schon die Begründung bringen, die wir für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung im nächsten Abschnitt benutzt haben, wenn du mit Schwierigkeiten rechnest.

Dein Antrag wird abgelehnt:

Dass dein Antrag abgelehnt wird, muss die Knastleitung dir schriftlich mitteilen. Tut sie dies nicht, solltest du darauf bestehen, eine schriftliche Begründung zu bekommen (s. o.). Dann kannst du nach § 119a Abs. 1 S. 1 StPO Antrag auf gerichtliche Entscheidung bei deiner Haftrichterin oder nach Anklageerhebung bei dem für deinen Fall zuständigen Gericht stellen (wie du rausfindest, wer wann für dich zuständig ist, findest du oben bei „formelle Rechtsbehelfe“).

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung könnte dann ungefähr so aussehen:

An das Amtsgericht/Landgericht ...

In der Strafsache

gegen

Frau ..., geb. ...

Az.Datum

stelle ich gegen die Entscheidung der Leiterin der Justizvollzugsanstalt ... vom ..., in der mir die durch mich am ... beantragte Nutzung eines Fernsehers/Radios/usw. versagt wird, gemäß § 119a Abs. 1 S. 1 StPO den Antrag auf gerichtliche Entscheidung

und

beantrage, die JVA … zu verpflichten, mir die Nutzung eines Fernsehgeräts auf meine Kosten zu gewähren.

Begründung:

Durch die Leiterin der Vollzugsanstalt ... wurde mein Antrag vom ... auf Genehmigung zur Benutzung eines eigenen Fernsehgerätes/Radios/usw. abgelehnt. Die Verweigerung muss als eine Einschränkung meines Grundrechts auf Informationsfreiheit aus Art. 5 GG angesehen werden, die durch § 12 Abs. 3 Nr. 1 UVollzG NRW nicht gedeckt ist. Nach § 12 Abs. 2 UVollzG NRW besteht grundsätzlich ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Genehmigung. Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung der oberinstanzlichen Gerichte (zu Fernsehgeräten: KG, Beschluss vom 9. 8. 1972 - 2 Ws 142/72; OLG Karlsruhe: Beschluss vom 25.01.2006 - 1 Ws 500/04; für den Jugendknast: LG Offenburg, Beschluss vom 13. 4. 2006 - 8 KLs 5 Js 18163/05).

Eine Einschränkung dieses Rechtsanspruchs wegen einer angeblichen Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt kann nicht allgemein angeordnet werden, wenn dies nicht im Einzelfall tatsächlich belegt werden kann; insbesondere ist hier die Möglichkeit der Verplombung/Versiegelung von elektronischen Geräten zu beachten, wodurch die Nutzung des Geräts als Versteck ausgeschlossen werden kann (OLG Karlsruhe: Beschluss vom 25.01.2006 - 1 Ws 500/04).

Auch die Tatsache, dass ich bereits als Informationsquelle mehrere Tageszeitungen beziehe, berechtigt nicht dazu, mir die Benutzung eines Radios/Fernsehers o. Ä. zu verweigern. Aus Artikel 5 Abs. 1 Grundgesetz ergibt sich, dass es der Untersuchungsgefangenen freistehen muss, welche Informationen sie sich beschafft und welche Informationsquellen sie dazu benutzt. Das Fernsehen nimmt dabei eine besonders herausragende Stellung ein; es wird im normalen Leben als notwendiges Informationsmittel betrachtet. Verschiedene Kommentarsendungen, Dokumentarberichte und politische Magazine liefert nur das Fernsehen. Sie können auch nicht etwa durch Zeitungen ersetzt werden. Als „Bequemlichkeit“, die ich im U-Haftvollzug beanspruchen kann, muss mir daher die Benutzung eines eigenen Fernsehers erlaubt werden.

Ebenso wenig kann die Tatsache, dass mir zwei oder drei Hörfunkprogramme/Fernsehprogramme durch das von der Anstalt gestellte Hörfunkprogramm bereits zur Verfügung stehen, einen Versagensgrund darstellen, da das Grundrecht auf freie Information aus Art. 5 Abs. 1 GG auch die freie Entscheidung darüber umfasst, aus welchen Quellen sich Grundrechtsträgerinnen informieren möchten (vgl. BVerfG in NJW 1963, 755).

Unterschrift

Über deinen Antrag wird gar nicht entschieden:

Wie wir bereits oben beschrieben haben (siehe „formelle Rechtsbehelfe“), kannst du auch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen, wenn der Knast überhaupt nicht auf deine Anträge reagiert. Das könnte dann ungefähr so aussehen:

An das Amtsgericht/Landgericht ...

In der Strafsache

gegen

Frau ..., geb. ...

Az. Datum:

beantrage ich die Leiterin der Justizvollzugsanstalt ... zu verpflichten, über den am ... gestellten Antrag auf Zulassung eines Fernsehers/Radios usw. zur Nutzung im Haftraum zu entscheiden.

Begründung:

Zunächst solltest du kurz schildern, was du beantragt hast und wieso das für dich wichtig ist. Hierfür kannst du auch die Argumente aus der Antragsbegründung von oben verwenden. Dann musst du noch klarstellen, dass dein Antrag nicht bearbeitet wurde. Das könnte so aussehen: Über diesen Antrag vom ... hat die Leiterin der Justizvollzugsanstalt ... bislang nicht entschieden. Eine entsprechende Nachfrage vom ... ist ebenfalls ohne Reaktion geblieben. (Falls du eine Kopie der Nachfrage hast, fügst du die am besten deinem Schreiben bei.) Da eine Entscheidung der Vollzugsbehörden seit mehr als drei Wochen aussteht, ist nun der Antrag nach § 119a Abs. 1 S. 2 StPO geboten. Da die Nichtbearbeitung meines Antrages einer Versagung eines Radios/Rundfunkgerätes gleichkommt und es sich hierbei um einen einschneidenden Eingriff in meine durch Art. 5 GG gewährleistete Informationsfreiheit handelt, ist es dringend geboten, dass eine zügige Entscheidung der Vollzugsbehörden getroffen wird.

Unterschrift

Beispiel 2 – Disziplinarmaßnahme

Wenn du in U-Haft sitzt und der Knast dir vorwirft, gegen „Pflichten“ aus dem UVollzG verstoßen zu haben, kann es passieren, dass gegen dich Disziplinarmaßnahmen verhängt werden (§ 45 UVollzG NRW). Gegen die Anordnung einer solchen Maßnahme kannst du auch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen.

Wenn du einen solchen Antrag bei Gericht gestellt hast, heißt das aber nicht automatisch, dass der Knast nicht trotzdem die angeordnete Maßnahme gegen dich vollstrecken kann. So können sie dich z. B. in den Arrest stecken, obwohl gerade ein Verfahren läuft, das überprüft, ob die Anordnung dieses Arrestes überhaupt rechtmäßig war. Du kannst und solltest allerdings mit deinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gleichzeitig beim Gericht beantragen, dass genau das verhindert wird. Das heißt für dich, dass die „Vollstreckung der Maßnahme bis zur Entscheidung des Antrags ausgesetzt wird“. Einen solchen Antrag haben wir auch in unser Beispiel mit aufgenommen.

An das Amts-/Landgericht

gegen

Frau ..., geb.

Az.:

stelle ich gegen die Anordnung der Leiterin der Justizvollzugsanstalt ..., mit der gegen mich ein 10-tägiger Arrest angeordnet worden ist, gemäß § 119a Abs. 1 S. 1 StPO Antrag auf gerichtliche Entscheidung und beantrage, die Anordnung aufzuheben.

Darüber hinaus beantrage ich gemäß § 119 Abs. 2 S. 2 StPO anzuordnen, dass die Vollstreckung der angeordneten Disziplinarmaßnahme bis zur Entscheidung über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung ausgesetzt wird.

Begründung:

Ich befinde mich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts ... vom ... in der Justizvollzugsanstalt ... in Untersuchungshaft. Am ... wurde durch die Leiterin der JVA ... angeordnet, dass gegen mich im Rahmen eines Disziplinarverfahrens ein zehntägiger Arrest verhängt wird. In der mir am selben Tag schriftlich mitgeteilten Begründung wurde die Anordnung damit gerechtfertigt, dass ich am ... eine Mitgefangene angegriffen und verletzt haben soll.

Die getroffene Anordnung ist sowohl in sachlicher als auch in rechtlicher Hinsicht nicht haltbar.

In sachlicher Hinsicht ist die Vollzugsbehörde unzutreffend von folgendem Sachverhalt ausgegangen: Hier schilderst du dann, was dir vorgeworfen wird. Dieser von der Vollzugsbehörde ermittelte Sachverhalt ist in wesentlichen Punkten unrichtig und lückenhaft. Tatsächlich hat sich die Auseinandersetzung während der Freistunde wie folgt abgespielt: Hier beschreibst du, was tatsächlich passiert ist. Die Vollzugsbehörde hat den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und die von mir benannten Zeuginnen wurden nicht vernommen. Vielmehr wurde einseitig und unkritisch die Schilderung des Hergangs durch das vermeintliche Opfer zur Begründung des Disziplinarverstoßes übernommen.

Die Anstaltsleiterin hat insoweit verkannt, dass es bereits an einem disziplinarischen Pflichtverstoß fehlt. Vielmehr habe ich mich lediglich gegen einen Angriff zur Wehr gesetzt und somit aus Notwehr gehandelt. Ein wegen Notwehr gerechtfertigtes Verhalten kann niemals einen Disziplinarverstoß gemäß § 45 UVollzG NRW begründen.

Davon abgesehen, dass die Verhängung eines verschärften Freiheitsentzuges ohne richterliche Anordnung vor dem Hintergrund der Unschuldsvermutung bereits an sich überaus zweifelhaft ist, ist die anordnete Disziplinarmaßnahme in meinem Fall jedenfalls unverhältnismäßig. Arrest darf gemäß § 45 Abs. 4 S. 3 UVollzG NRW nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhängt werden. Diese Voraussetzungen liegen in meinem Fall gerade nicht vor. Während der bisherigen viermonatigen Untersuchungshaft war bis zum jetzigen Geschehen meine vollzugliche Führung einwandfrei.

Darüber hinaus ist der Vollzugsbehörde gem. § 119a Abs. 2 S. 2 StPO zu untersagen, die angeordnete Disziplinarmaßnahme bis zum Abschluss des Verfahrens zu vollstrecken. Die Vollstreckung des angeordneten Arrestes ist bis zur Entscheidung über meinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung auszusetzen. Die angeordnete Disziplinarmaßnahme hält – wie aufgezeigt – rechtlicher Überprüfung nicht stand und erweist sich somit als rechtswidrig. Eine Vollstreckung des Arrests als Einzelhaft würde eine ungerechtfertigte und unverhältnismäßige Strafmaßnahme darstellen. Die bloße nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung gem. § 119a Abs. 1 StPO würde weitestgehend folgen- und entschädigungslos bleiben. Angesichts der erheblichen, nicht zu kompensierenden Grundrechtseingriffe und Nachteile im Falle einer sofortigen Vollstreckung des Arrestes ist die Vollstreckung bis zur abschließenden gerichtlichen Entscheidung auszusetzen.

Unterschrift

Wenn du wie in Beispiel 1 und 2 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt hast und das Gericht nicht so entschieden hat, wie du es beantragt hast, sondern die Entscheidung der Anstaltsleitung bestätigt hat, kannst du gegen diesen Gerichtsbeschluss noch Beschwerde nach § 304 StPO einlegen.

Diese Beschwerde ist fristlos, d. h., du musst nicht auf die Einhaltung einer Frist achten, allerdings musst du die Beschwerde schriftlich einlegen. Du adressierst sie an das Amtsgericht bzw. an das Gericht, dessen Vorsitzende Richterin entschieden hat.

Diese kann deiner Beschwerde Folge leisten, was allerdings nicht anzunehmen ist, oder sie muss die Beschwerde in drei Tagen an das Gericht, welches dann über die Beschwerde entscheidet, weiterleiten.

Die Beschwerde sieht dann so aus:

An das Amtsgericht/Landgericht ...

Adresse

In der Strafsache gegen Frau ...

Az. Datum

gegen den Beschluss des Amtsgerichts/Landgerichts ... vom ... Aktenzeichen ... lege ich gemäß §§ 304 ff. StPO

Beschwerde ein.

Begründung:

Durch den angegriffenen Beschluss vom ... wurde mein Antrag vom ... auf Genehmigung zur Benutzung eines eigenen Fernsehgerätes abgelehnt. (Beispiel 1)

Durch den angegriffenen Beschluss vom ... wurde die Anordnung eines zehntägigen Arrestes durch die Anstaltsleitung vom ... gerichtlich bestätigt. (Beispiel 2)

Hier kannst du dich dann auch an der Antragsbegründung von oben orientieren. Wobei du natürlich immer darauf achten solltest, ob der Gerichtsbeschluss eine besondere Argumentation beinhaltet oder deine Argumente aus bestimmten Gründen widerlegt. Ist dies der Fall, solltest du darauf natürlich auch im Einzelnen eingehen.

Unterschrift

Dann noch als Letztes ein Beispiel für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 119 Abs. 5 StPO. Einen solchen musst du stellen, wenn die Staatsanwaltschaft gegen dich Sicherungsanordnungen nach § 119 Abs. 1 StPO wie zum Beispiel Trennungsverfügungen oder die Überwachung deines Briefverkehrs zur „Sicherung des Haftzwecks“ angeordnet hat.

Beispiel 3 – Sicherungsanordnung

An das Amts-/Landgericht

In der Strafsache

gegen

Frau ..., geb. ...

Az.: ...Datum

beantrage ich, das mit staatsanwaltschaftlicher Anordnung vom ... angeordnete „Verbot der Teilnahme an allen gemeinschaftlichen Veranstaltungen“ in der Justizvollzugsanstalt ... aufzuheben.

Begründung:

Ich sitze seit dem ... in Untersuchungshaft. Das Ermittlungsverfahren wird auch gegen die Mitbeschuldigte ..., die ebenfalls in der Justizvollzugsanstalt ... untergebracht ist, geführt. Am ... hat die Staatsanwaltschaft wegen Verdunkelungsgefahr die „Trennung von ...“ angeordnet sowie das „Verbot der Teilnahme an allen gemeinschaftlichen Veranstaltungen“.

Zu dem jetzigen Zeitpunkt gibt es schon keinen Grund mehr für die bestehenden Sicherungsanordnungen. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind weitestgehend abgeschlossen. Deswegen besteht auch nicht mehr die Gefahr, dass ich durch Kontakt mit der in meinem Verfahren Mitbeschuldigten die Beweislage verdunkele.

Jedenfalls sind die getroffenen Anordnungen aber unverhältnismäßig7. Ich habe mich bereits mehrfach um Arbeit bemüht. Meine Anträge wurden jedoch immer wieder aufgrund der bestehenden Sicherungsanordnungen abgelehnt. Einzelarbeitsplätze ohne Kontakt zu Mitgefangenen stehen in der Anstalt nicht zur Verfügung. Durch die Anordnung, insbesondere das Verbot der Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen, bin ich komplett isoliert und vereinsame. Da ich nicht arbeiten kann, habe ich auch keine Möglichkeit, Geld für den Einkauf zu verdienen.

Die „Trennung von ...“ als Mitbeschuldigte kann in der Anstalt auch anders organisiert werden, so dass ein Zusammentreffen bei Sport, Freizeitveranstaltungen oder Arbeit ausgeschlossen ist. Wir sind zudem in unterschiedlichen Hafthäusern untergebracht, weswegen die Gefahr einer Begegnung gering ist.

Für die Annahme, dass ich über andere Personen Kontakt zu meiner Mitbeschuldigten aufnehmen könnte, besteht keinerlei konkreter Anlass. Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist mein Haftverlauf einwandfrei.

Die Maßnahme ist daher insgesamt unverhältnismäßig und ist nach alledem aufzuheben.

Unterschrift.

Wenn die Haftrichterin selbst die Sicherungsanordnungen erlässt oder dein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 119 Abs. 5 StPO für dich negativ entschieden wurde, kannst du wiederum Beschwerde nach § 304 StPO gegen diese Entscheidungen einlegen. Ein Beispiel dafür findest du oben.

Solche Anträge sind auch ohne große juristische Kenntnisse möglich. Es reicht schon aus, wenn du sehr genau beschreibst, wogegen du dich wendest, und die „Verletzung des Rechts“, d. h. den Paragraphen angibst, auf den du dich beziehst.

Ein Beispiel: Es wäre gut, wenn du angibst, dass du aus § 24 Abs. 2 UVollzG NRW ein Recht darauf hast, täglich mindestens eine Stunde im Freien zu verbringen.

Es reicht aber auch aus, wenn du ohne Angabe dieses Paragraphen beschreibst, dass du mehrere Tage nicht die Möglichkeit hattest, wenigstens eine Stunde im Freien zu verbringen, und dass dich das verrückt und niedergeschlagen macht.

23.3. Musterbegründungen für Anträge
und Beschwerden

Wir haben im Folgenden einige Musterbegründungen zusammengestellt. Dabei haben wir solche Probleme herausgesucht, die besonders häufig sind und über die nicht schon an anderer Stelle dieses Buches etwas gesagt wurde. Wir wollen dabei betonen, dass dies nur Argumentations- und Orientierungshilfen für deinen juristischen „Kampf“ sein sollen. D. h., dass du in den meisten Fällen diese Muster nicht einfach übernehmen kannst, sondern deine Begründung genau auf die konkrete Situation abstimmen musst. Es ist dabei auch nicht nötig, eine juristische Sprache, wie in einigen der folgenden Entwürfe, zu verwenden. Das Gleiche gilt auch für das Zitieren von Kommentaren und Urteilen. Auch die größten „Superanträge“ werden in der Regel abgeschmettert.

Und zu den seltenen erfolgreichen Anträgen gehören auch solche, die einfach nur das beschreiben, was die Antragstellerin will – ohne juristischen Zauber.

Liegt man mit Haftrichterin, Staatsanwaltschaft und Knastleitung im Clinch, so wird man feststellen, dass die bei der Begründung ihrer Verbote und Beschränkungen nicht sehr einfallsreich sind: In den meisten Fällen wird das, was du willst, gegen die „Sicherheit und Ordnung“ der Anstalt (im Fall von Anordnungen der Knastleitung aufgrund des UVollzG) oder gegen den Haftzweck (im Fall von Sicherungsanordnungen durch die Haftrichterin oder die Staatsanwaltschaft nach § 119 Abs. 1 StPO) verstoßen. Deshalb hier zunächst ein paar allgemeine Argumentationshilfen, die man praktisch für jede Beschwerde verwenden kann.

Sicherheit und Ordnung“

„Diese Rechte können eingeschränkt oder aufgehoben werden, wenn die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdet wird“ (z. B. § 12 Abs. 3a UVollzG NRW), diesen Satz wirst du in so gut wie allen Normen der jeweiligen LandesUVollzG finden, die dir irgendwelche auch noch so unbedeutenden Rechte oder Freiheiten in der U-Haft zusprechen.

In der Praxis bedeutet dies lediglich, dass in fast allen Verbots- oder Beschränkungsverfügungen diese Formeln als Begründung auftauchen. Unter „Ordnung“ der Anstalt sind alle Voraussetzungen zu verstehen, die unbedingt notwendig sind, um das normale Funktionieren des Knasts zu gewährleisten. Diese Voraussetzungen sollen allerdings so gestaltet werden, „dass die bisherige Lebensführung des Verhafteten so wenig wie möglich beeinträchtigt wird“ (Hilger in Löwe-Rosenberg § 119 Rn. 22). Wesentlich ist dabei, dass die Ordnung in diesem Sinne nicht unbedingt identisch ist mit der „Hausordnung“. Die „Hausordnung“ ist kein Gesetz, sondern lediglich eine Verwaltungsvorschrift, die für den Knast alleine keine Grundlage bietet, um dich in deinen Grundrechten zu beschränken. Darauf musst du hinweisen, wenn du etwas willst, was sie verbietet. Andersrum kannst du dich immer auf die Hausordnung berufen, wenn dir etwas verboten wird, was sie erlaubt.

Haftzweck“

Bei Anordnungen durch die Haftrichterin oder die Staatsanwaltschaft nach § 119 Abs. 1 StPO ist der Grund immer, den „Haftzweck“ zu sichern (s. o. in der Einführung). Der offizielle Zweck der U-Haft ist die Beseitigung von Fluchtgefahr, Verdunklungsgefahr und/oder Wiederholungsgefahr (vgl. § 119 Abs. 1 StPO). Was bei dir der Haftgrund ist, steht in deinem Haftbefehl. Sitzt du also wegen Fluchtgefahr ein, so darf eine Beschränkung nach § 119 Abs. 1 StPO nicht damit begründet werden, es bestünde Verdunklungsgefahr. Steht die Anklageschrift schon und dir werden Beschränkungen mit dem Grund der Verdunkelungsgefahr auferlegt, so kannst du deine Beschwerde auch so begründen:

„Da die Ermittlungen gegen mich schon abgeschlossen sind, kann eine Verdunklungsgefahr nicht mehr vorliegen“ (s. o. bei Musterbegründungen Beispiel 3).

Das Gleiche gilt, wenn bei dir alles klar ist, weil du etwa – aus welchen Gründen auch immer – „reinen Tisch“ gemacht hast – was sollst du dann noch „verdunkeln“?

Wegen einer völlig abstrakten Gefährdung, ohne Vorliegen konkreter Anhaltspunkte – sei es von Sicherheit und Ordnung oder des Haftzwecks – dürfen keine Verbote oder Beschränkungen ausgesprochen werden (BVerfG NStZ 1994, 604 ff.). Aber gerade das geschieht dauernd: Da wird das eigene Radio zur „möglichen Ordnungsstörung“, das Zeichenlineal zur „möglichen Waffe“, die Schreibmaschine zum „möglichen Produktionsmittel zur Herstellung von zur Meuterei aufrufenden Flugblättern“. Solange du nicht vorher regelmäßig mit Linealen auf Beamte losgegangen bist usw., ist ein derartig begründetes Verbot absolut rechtswidrig. Und selbst wenn du es getan hättest, so müsste dir zumindest der Besitz eines weichen Plastiklineals erlaubt sein (s. u. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit).

Steht in einer Ablehnungsbegründung nur: „.... stellt eine Gefahr für Sicherheit und Ordnung dar“, ohne dass dies näher begründet wird, so ist dies nicht nur rechtswidrig, sondern auch unverschämt, weil du Gründe, die du nicht kennst, auch nicht widerlegen kannst. Du schreibst dann am besten:

Da die Anstaltsleitung in der Ablehnung meines Antrags auf ... nicht in der Lage war, konkrete Anhaltspunkte zu benennen, die auf die angebliche Gefahr für Sicherheit und Ordnung schließen lassen, ist die Ablehnung meines Antrags nicht haltbar.

Nennt die Haftrichterin/Anstaltsleitung nähere Gründe, so musst du auf diese eingehen und sie zu widerlegen versuchen. Das ist oft gar nicht so schwer, weil die Verbots- und Anordnungsbegründungen nicht selten völlig unsinnig und unlogisch sind. Ein Tauchsieder eignet sich nun mal nicht als Ausbruchswerkzeug oder was es sonst noch an absurden Begründungen gibt. Aber vergiss nicht, du hast es hier mit Juristinnen zu tun und auch die Beschwerdeinstanz besteht aus Juristinnen. Und in der Denkweise von Juristinnen finden Logik und Vernunft häufig keinen Platz.

Das Grundgesetz und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Jede Maßnahme im Knast bedeutet einen zum Teil schweren Eingriff in die Grundrechte der Gefangenen. Nach dem Grundgesetz dürfen die meisten Grundrechte eingeschränkt werden; als so heilig werden sie nun auch wieder nicht angesehen. Aber sie dürfen nicht „verletzt“ werden. Das passiert immer dann, wenn das Grundrecht der Gefangenen, in das eingegriffen wird, „schwerer wiegt“ als der Zweck, der damit erreicht werden soll. Wann nun der Zweck die Mittel heiligt, ist natürlich nicht objektiv messbar. Es richtet sich immer nach den Interessen derjenigen, die die Macht hat, dies festzulegen. So ist nach Meinung der Richterinnen und der Anstaltsleitung in der Regel die „Sicherheit und Ordnung“ in der Anstalt, die „Sicherung der Strafverfolgung“ oder gar der „Schutz der Gemeinschaft vor dem Rechtsbrecher“ allemal wichtiger, als die Grund- und Menschenrechte der Gefangenen: Freiheit (Art. 2 I GG), körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II GG), Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 5 GG), Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG), Rechtsstaatsgarantien (Art. 20 III GG), Verbot der Folter (Art. 3 EMRK), Recht auf Freiheit und Sicherheit (Art. 5 EMRK), Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) und vieles mehr. Du selbst kannst immer damit argumentieren, dass eine Maßnahme gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel verstößt (d. h., dass in deinem Fall der Zweck gerade nicht die Mittel, die von der Anstalt angewandt werden, rechtfertigt), wenn wegen der Befürchtung einer lächerlichen „Störung“ deine Grund- und Menschenrechte nicht nur eingeschränkt, sondern außer Kraft gesetzt werden und dabei oft genug nicht wiedergutzumachende Nachteile und Schäden verursacht und in Kauf genommen werden.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bedeutet auch, dass – auch wenn der Zweck „heilig“ ist – stets nur das „mildeste“ Mittel gegen dich eingesetzt werden darf. Wenn also der „begründete Verdacht“ besteht, dass eine bestimmte Freundin von dir bei einem Besuch versuchen würde, verbotene Sachen in den Knast zu schmuggeln, so darf dann nicht etwa der Besuch verboten werden, weil die Gefahr einer Übergabe verbotener Gegenstände ja auch durch Besucherinnenüberwachung oder Durchsuchung vor oder nach dem Besuch beseitigt werden kann. Hier sieht man aber, dass es manchmal nicht ganz unproblematisch ist, mit der Unverhältnismäßigkeit einer Maßnahme zu argumentieren: Du wehrst dich einerseits gegen eine Beschränkung, „bittest“ aber gleichzeitig indirekt, dass ein anderer Eingriff vorgenommen wird, der vielleicht „milder“, aber eben auch erniedrigend ist. Es ist deshalb immer besser, sich darauf zu konzentrieren, darzulegen, dass die angedrohte oder durchgeführte Maßnahme einen Verstoß gegen eine Vorschrift darstellt oder in tatsächlicher Hinsicht völlig unbegründet und die Unverhältnismäßigkeit nur als zusätzliches Argument anzuführen ist. Du schreibst dann also:

1. Die Maßnahme/Anordnung ist rechtswidrig, da eine völlig abstrakte, an den Haaren herbeigezogene Gefährdung von „Sicherheit und Ordnung“ bzw. des „Zwecks der U-Haft“ einen solchen Eingriff nicht rechtfertigen kann.

2. Die Maßnahme ist völlig unbegründet, weil die angeführten Tatsachen, die angeblich eine konkrete „Gefahr“ darstellen, einfach nicht stimmen (an dieser Stelle Unterstellungen, falsche Behauptungen richtigstellen und wenn möglich Beweismittel benennen, z. B. Mitgefangene als Zeuginnen).

3. Im Übrigen wäre die Maßnahme selbst dann rechtswidrig, wenn die oben widerlegten Behauptungen und Unterstellungen zutreffen würden, da der Eingriff dann gegen den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen würde.

So etwa kann fast jeder Antrag auf gerichtliche Entscheidung, jede Beschwerde aufgebaut werden. Natürlich muss man das Ganze dann noch mit den konkreten Dingen, um die es geht, ergänzen.

Anträge und Beschwerden von draußen

Jede, die von einer Verfügung der Haftrichterin oder der Knastleitung persönlich betroffen ist, hat ein eigenes Beschwerderecht. Freundinnen und Angehörige können sich von draußen selbst an die Haftrichterin mit Anträgen auf gerichtliche Entscheidung wenden und Beschwerde (§ 304 ff. StPO) gegen die Ablehnung ihres Antrages einlegen. Persönlich betroffen sind sie in der Regel bei Besuchsverboten, Anhalten von Briefen und Paketen, d. h. bei allem, was den Kontakt zwischen ihnen und den Gefangenen berührt. Gerade bei angehaltenen Briefen, die von draußen abgeschickt wurden, sollten die Absenderinnen selbst Rechtsmittel einlegen, weil ja nur sie den Inhalt des Briefes kennen und entsprechend argumentieren können. Wenn du also einen Anhaltebeschluss bekommst, schreib an die Absenderin des Briefes, dass sie sich auch beschweren soll. Wenn sie nicht weiß, wie man das macht, empfiehl ihr dieses Buch.

Für die nun folgenden Musterbegründungen ist die Haftrichterin die Adressatin, wenn du einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 119 Abs. 5, 119a StPO stellst. Wenn du sie auch schon im Rahmen eines Antrags nach dem UVollzG an die Anstaltsleiterin richten sollst, haben wir das dazugeschrieben. Der kursiv gedruckte Text kann, wenn er zu deiner Situation passt, direkt in deine Anträge oder Beschwerden eingebaut werden.

Zu folgenden Problempunkten findest du Musterbegründungen:

1. Schreibmaterialien

2. Schreibmaschine/Laptop

3. CD-Player/Spielekonsole/Fernseher

4. Sonstige Gegenstände, „Bequemlichkeiten“

5. Einkaufsbeschränkungen

6. Paketempfang

7. Ausführung aus der Anstalt

8. Besuche

9. Anhalten von Briefen

10. Bücher, Zeitschriften

11a. Medizinische Versorgung

11b. Aufenthalt im Freien

12. Besondere Sicherungsmaßnahmen

13. Hausstrafen

14. Einzelunterbringung

1. Schreibmaterialien

Man wendet sich hier zunächst mal an die Anstaltsleitung mit einem sogenannten „Antrag“ oder „Vormelder“.

Ich verlange hiermit, nachdem ich mich mit diesem Anliegen bereits dreimal mündlich an die Beamtin ... gewandt habe, dass mir unverzüglich Schreibmaterialien (Papier: mindestens 20 Blatt, Briefumschläge: 10 Stück, ein Kugelschreiber) zur Verfügung gestellt werden, wie es § 12 UVollzG NRW bestimmt.

Bekommst du daraufhin einen ablehnenden Bescheid von der Anstaltsleitung, musst du nach § 119a StPO Beschwerde bei der für dich zuständigen Haftrichterin einlegen. Wie das funktioniert, kannst du oben nachlesen.

2. Schreibmaschine/Laptop (§ 13 Abs. 2 UVollzG NRW)

Dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass du vom Knast erlaubt bekommst, in deiner Zelle mit einem Laptop zu arbeiten, haben wir ja schon oben gesagt. Deswegen wirst du gezwungen sein, wenn du nicht alles mit der Hand schreiben möchtest, auf die altmodische Schreibmaschine zurückzugreifen.

Jede Gefangene darf eine (elektronische) Schreibmaschine (ohne externe Datenübertragungsvorrichtung) gebrauchen, ohne ein besonderes Bedürfnis nachweisen zu müssen. (OLG Düsseldorf, StV 1999, 609, BVerfGE 35,5, 10; OLG Düsseldorf, StV 1982, 476).

Will die Knastleitung dir die Maschine verweigern, muss sie für dich als Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür vorbringen, dass du durch missbräuchliche Verwendung der Maschine die Ordnung der Anstalt gefährden wirst (BVerfGE 35,10). Ein allgemeines Blabla über die Gefährdung von Sicherheit und Ordnung der Anstalt reicht nicht aus (s. o.).

Die Verweigerung der Genehmigung, eine Schreibmaschine in der Zelle zu besitzen, ist verfassungswidrig. Wenn in dem ablehnenden Beschluss pauschal behauptet wird, eine Schreibmaschine in meiner Zelle würde die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt gefährden, so ist dies

1. völlig abwegig, da eine Schreibmaschine hierzu gar nicht geeignet ist und

2. auch schon deshalb rechtswidrig, weil die abstrakte Befürchtung, man könnte mit einer Schreibmaschine etwas Gefährliches tun, für eine Ablehnung ohnehin nicht ausreicht (BVerfG StV 1994, 585).

Wenn befürchtet wird, dass Teile des Gerätes zum Senderbau verwendet oder auf sonstige Weise zweckwidrig genutzt werden könnten, beantrage ich, das Gerät auswärtig untersuchen und dann verplomben zu lassen (OLG Düsseldorf, StV 1999, 609). Ein solches Vorgehen ist der pauschalen Verwehrung dieses Gegenstandes nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit vorzuziehen.

3. CD-Player/Spielekonsole/Fernseher (§ 13 Abs. 2 UVollzG NRW)

Zu diesem Thema findest du schon unter dem Punkt 23.2. Musteranträge eine Musterbegründung und Erläuterungen.

4. Sonstige Gegenstände, „Bequemlichkeiten“ (§§ 12, 13 UVollzG NRW)

Man richtet wie bei den bisherigen Mustern, immer wenn man irgendetwas Besonderes haben will, einen Antrag auf Genehmigung an die Anstaltsleitung. Bleibt der Antrag erfolglos, schreibt man einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung an die Haftrichterin gemäß § 119a StPO. Du kannst im Prinzip auf Grundlage des § 12 Abs. 2 Nr. 4 UVollzG NRW und § 13 Abs. 1 und 2 UVollzG NRW alles versuchen – von Musikinstrumenten bis zu Zimmerpflanzen. Aber auch bei der besten Begründung wirst du sehr oft keine Genehmigung erhalten.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 UVollzG NRW muss mir der Besitz des beantragten Gegenstands in meiner Zelle genehmigt werden, da dem weder die Raumverhältnisse entgegenstehen noch ein übermäßiger Aufwand mit der Beschaffung und Überlassung des Gegenstands verbunden ist oder konkrete Anhaltspunkte vorgetragen wurden, aufgrund derer eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt zu befürchten sind. Handelt es sich nämlich um einen Gegenstand, bei dem ein derartiges Risiko nicht auf der Hand liegt, ist der Besitz grundsätzlich zu gestatten und nur bei konkreten gefährdungserhöhenden Umständen ausnahmsweise zu versagen (vgl. BVerfG StV 1994, 585, BVerfGE 35, 5, OLG Zweibrücken StV 1993, 593). Solche Umstände sind bei der vorliegenden Sachlage nicht zu erkennen und werden insbesondere nicht hinreichend von der Anstaltsleitung vorgetragen, insofern wird durch die Anstaltsleitung das durch die oberinstanzliche Rechtsprechung festgelegte Regel-Ausnahme-Verhältnis zulasten der Untersuchungsgefangenen in sein Gegenteil verkehrt.

Falls dein Antrag unter Hinweis auf die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt abgelehnt wurde, so lies die einleitenden Worte dieses Abschnitts (vor Musterbegründung Nr. 1).

5. Einkaufsbeschränkungen (§ 13 Abs. 2 UVollzG NRW)

In § 13 Abs. 3 UVollzG NRW heißt es: „Sie [Die Gefangenen] dürfen aus einem von der Anstalt vermittelten Angebot Nahrungs- und Genussmittel sowie andere Gegenstände des persönlichen Bedarfs kaufen. Die Anstalt soll für ein Einkaufsangebot sorgen, das auf Wünsche und Bedürfnisse der Untersuchungsgefangenen Rücksicht nimmt. Das Nähere regelt die Anstalt.“ Das bedeutet, dass die Knastleitung entscheiden kann, was, wann und wie viel du einkaufen darfst. Es kann sich aber auf jeden Fall lohnen, im Einzelfall gegen die Einkaufsbeschränkungen der Knäste vorzugehen.

Wenn durch die Anstalt mit dem Hinweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Gefährdung der Anstaltsordnung einen Höchstbetrag für den Knasteinkauf festgesetzt wurde (wenn das UVollzG des Landes, in dem du sitzt, einen solchen Betrag festgesetzt hat, musst du das zunächst so hinnehmen), kannst du z. B. wie folgt argumentieren:

Die Festsetzung eines Höchstbetrages verstößt gegen mein Recht aus § 13 Abs. 3 UVollzG NRW. Ich habe aus folgenden Gründen ein berechtigtes Interesse / ein persönliches Bedürfnis an einem größeren Einkauf: [Hier schreibst du jetzt auf, warum der Einkauf im Moment für dich nicht ausreicht.]

Der pauschale und in tatsächlicher Hinsicht nicht weiter begründete Verweis auf soziale Spannungen zwischen armen und reichen Untersuchungsgefangenen kann nicht ausreichen, um mir durch eine generelle Einkaufshöchstgrenze die Befriedigung meiner berechtigten Bedürfnisse zu verwehren. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es mir nicht mehr möglich ist, über Weihnachts-, Oster- oder Wahlpakete mich mit zusätzlichen von mir benötigten Artikeln zu versorgen.

Wenn du einen bestimmten Artikel benötigst, der nicht im Einkaufsangebot deines Knastes auftaucht, solltest du erst einmal bei der Anstaltsleitung einen Antrag stellen, den Artikel ins Angebot aufzunehmen, in welchem du schon einmal begründest, wieso du ein Interesse an dem bestimmten Gegenstand hast. Wenn der Knast deinen Antrag ablehnt (dies wird meist mit Verweis auf die „Sicherheit und Ordnung“ geschehen), könntest du in etwa so argumentieren:

Der ablehnende Bescheid der JVA … verstößt gegen meine Rechte aus § 13 Abs. 3 UVollzG NRW.

Ich habe aus folgenden – bereits in meinem Antrag an die Anstaltsleitung dargelegten – Gründen ein berechtigtes Interesse an der Beschaffung eines …: [Hier legst du jetzt wieder dar, wieso du den von dir beantragten Gegenstand benötigst.]

In § 13 Abs. 3 UVollzG NRW heißt es, dass die Anstalt auf die Wünsche und Bedürfnisse der Gefangenen Rücksicht nehmen soll. Aus der Begründung des ablehnenden Bescheides geht hervor, dass sich die Anstaltsleitung überhaupt nicht mit meinen Ausführungen auseinandergesetzt hat. Der pauschale Verweis auf die Sicherheit und Ordnung ist nicht geeignet, eine Einschränkung meines Rechtes aus § 13 Abs. 3 UVollzG zu begründen.

Zudem verstößt die Verwehrung eines … gegen den Angleichungsgrundsatz (§ 2 Abs. 1 UVollzG NRW), nach welchem das Leben in U-Haft nach Möglichkeit den Lebensverhältnissen in Freiheit angeglichen werden soll. Dieser hat seine Grundlage in der in U-Haft geltenden, verfassungsrechtlich geschützten Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK).

6. Paketempfang (§ 23 Abs. 1 UVollzG NRW)

Nach § 23 Abs. 1 UVollzG NRW dürfen Untersuchungsgefangene „nach näherer Maßgabe der Anstalt Pakete empfangen. Vom Empfang ausgeschlossen sind Nahrungs- und Genussmittel sowie Inhalte, die geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt zu gefährden.“ Durch diese Regelung wird das Recht der Untersuchungshaftgefangenen im Gegensatz zu den früheren bundesgesetzlichen Regelungen massiv eingeschränkt. Zum einen fällt die gesetzliche Regelung weg, dass alle Gefangenen drei Pakete im Jahr erhalten dürfen, vielmehr steht es jetzt vollständig im Ermessen der Anstalt, ob du Pakete empfangen darfst oder nicht. Zum anderen gilt nach dieser Regelung ein Totalverbot für Nahrungs- und Genussmittel. Die Regelung des § 23 Abs. 1 UVollzG verstößt gegen die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK), den Angleichungsgrundsatz, gegen Art. 3 und Art. 6 GG (soweit es Pakete von Familienangehörigen betrifft) und ist deshalb verfassungswidrig (vgl. Piel/Püschel/Tsambikakis/Wallau ZRP 2009, 33, 36)!

Sollte der Knast, in dem du in U-Haft sitzt, dir den Empfang von Paketen – etwa mit Verweis auf zu wenige personelle Ressourcen für die Kontrolle der Pakete – vollständig verweigern oder erheblich einschränken, könntest du einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung in etwa wie folgt begründen:

Der ablehnende Bescheid der JVA …, in welchem mir versagt wird, Pakete von meinen Angehörigen zu empfangen, verstößt gegen mein Recht aus § 23 Abs. 1 UVollzG sowie gegen meine Grundrechte aus Art. 3 und Art. 6 GG. Der Erhalt von Paketen von meinen Angehörigen trägt wesentlich zur Aufrechterhaltung und Stärkung meiner familiären Bindungen bei. Es geht dabei gerade nicht nur um ein materielles Interesse an den Gegenständen in den Paketen, sondern insbesondere auch um einen ideellen Wert, den solche durch die Familie liebevoll zusammengestellten Pakete für mich haben.

Dass mir diese Form des Kontaktes verwehrt / so wesentlich erschwert wird, verstößt gegen das fundamentale Verfassungsprinzip, dass Untersuchungsgefangene als unschuldig gelten und nur unvermeidlichen Beschränkungen unterworfen werden dürfen.

Der pauschale – und nicht näher dargelegte – Verweis auf mangelnde Kapazitäten, um die Sicherheitskontrollen durchzuführen, kann nicht ausreichen, um einen derart massiven Eingriff in meine Rechte, insbesondere aus Art. 6 GG, zu rechtfertigen (vgl. BVerfG, NStZ 2008, 521, BVerfG StV 1994, 585).

7. Ausführung an Plätze außerhalb der Anstalt

Ausführungen an Plätze außerhalb der Anstalt sind im UVollzG NRW überhaupt nicht geregelt (in anderen Ländergesetzen jedoch schon).

Grundsätzlich sind sie zulässig, wenn wichtige und unaufschiebbare Angelegenheiten persönlicher Art, z. B. eine ärztliche Behandlung oder ein Behördentermin, die Anwesenheit des Verhafteten erforderlich machen.

Mein Ausführungsantrag ist berechtigt, weil ... (Grund für die Ausführung). Das Ausführen gehört zu den Fürsorgepflichten gegenüber der Verhafteten. Der Staat muss dazu Personal zur Verfügung stellen. Demzufolge ist Mangel an Bewachungspersonal kein Grund, berechtigte Ausführungsanträge abzulehnen (vgl. Hilger in Löwe-Rosenberg § 119 Rn. 34, BVerfG, NStZ 2008, 521).

8. Besuch (§§ 18, 19 UVollzG NRW)

Hier musst du wieder beachten, dass die Überwachung und Beschränkung des Besuchs sowohl durch die Haftrichterin zur „Sicherung des Verfahrens“ nach § 119 Abs. 1 StPO erfolgen kann, als auch durch die Anstaltsleitung nach § 18 Abs. 3 UVollzG NRW. Wie du gegen die jeweilige Entscheidung vorgehst, kannst du oben nachlesen. Nach § 18 Abs. 1 UVollzG NRW hast du ein Recht auf eine Mindestbesuchsdauer von zwei Stunden im Monat. Wie genau deine Besuchszeiten aussehen, wird wiederum durch die einzelnen Hausordnungen geregelt. Du solltest dich aber nicht von der gesetzlichen Regelung davon abhalten lassen, längere Besuchszeiten zu fordern. Insbesondere vor dem Hintergrund der Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK), dem Angleichungsgrundsatz und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sollte dir mindestens eine Stunde Besuch in der Woche gewährt werden (vgl. Piel/Püschel/Tsambikakis/Wallau ZRP 2009, 33, 35).

Die folgenden Probleme tauchen immer wieder auf:

a) Angehörigenbesuch

b) Dauerbesuchserlaubnis

c) Trennscheibe

d) Kosten der Besuchsüberwachung

a) Angehörigenbesuche

Bei Ablehnung einer Besuchserlaubnis für Angehörige (gilt auch für Verlobte):

Ehe und Familie stehen nach Art. 6 GG unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 25.7.1994 festgestellt: „Jede Untersuchungshaft von längerer Dauer stellt für die Beziehungen der Betroffenen zu ihrer Familie regelmäßig eine empfindliche Belastung dar. Ihr Vollzug beeinträchtigt die notwendige Kommunikation zwischen dem Inhaftierten und seinen in Freiheit lebenden Angehörigen und kann dazu beitragen, dass sie einander tiefgreifend entfremdet werden. Aufgabe des Staates ist es, in Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Pflicht, für die Erhaltung von Ehe und Familie zu sorgen, solche nachteiligen Auswirkungen des Freiheitsentzugs im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren, aber auch unter angemessener Beachtung der Belange der Allgemeinheit, zu begrenzen“ (BVerfG Urteil v. 25.7.1994 – 2 BvR806/94). Aus diesem Grund bedarf die Ablehnung von Besuchen von nahestehenden Personen, wie etwa des Ehepartners oder einer anderen Familienangehörigen, schwerwiegender Gründe. Solche wurden vorliegend nicht vorgetragen. Der bloße Verweis auf die Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt / auf organisatorische Engpässe ist hier keinesfalls ausreichend (vgl. BVerfG, NStZ 2008, 521).

Nach § 18 Abs. 2 UVollzG NRW gibt es die Möglichkeit, dass Besuche, die persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die von den Untersuchungsgefangenen nicht schriftlich oder durch Dritte wahrgenommen werden können, nicht auf die Gesamtdauer (d. h. die zwei Stunden/Monat) gemäß Abs. 1 Satz 2 angerechnet werden. Hierfür musst du zunächst eine „Sonderbesuchserlaubnis“ bei der Staatsanwaltschaft und, wenn du diese hast, noch bei der Anstaltsleitung beantragen. Begründen kannst du sie z. B. wie folgt:

[Zunächst solltest du deine familiäre Situation schildern und die Belastungen beschreiben, die deine Kinder und deine Ehepartnerin aufgrund deiner Inhaftierung ertragen müssen.]

Aktuell schöpft die Familie das monatliche Besuchskontingent von zwei Stunden regelmäßig aus. Der tatsächliche Bedarf ist aber wesentlich höher.

[Hier kannst du dann die bereits oben zitierte Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zum Stellenwert familiärer Kontakte zitieren.]

Zur Förderung des familiären Kontaktes beantrage ich daher eine Sonderbesuchserlaubnis, die meiner Familie bis auf weiteres einen monatlichen Sonderbesuch von 60 Minuten Dauer gestattet.

Bei Angehörigen, die weit weg wohnen, ist es der Anstaltsleitung zuzumuten, Besuchsgelegenheiten außerhalb der festgelegten Besuchszeiten zu schaffen, wenn ansonsten ein Besuch erheblich erschwert wird.

Du hast grundsätzlich einen Anspruch auf unüberwachten Besuch von deinen Angehörigen (angeordnet wird die Besuchsüberwachung entweder durch die Haftrichterin nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 StPO oder durch die Anstaltsleitung nach § 18 Abs. 2 Satz 2 UVollzG NRW), wenn keine konkreten Anhaltspunkte für die Gefährdung des Haftzwecks oder der Anstaltsordnung vorliegen (OLG Düsseldorf NStZ-RR 2014, 218 [zum Thema akustische Besuchsüberwachung], OLG Frankfurt StV 1983, 465). Zudem müssen die angeordneten Überwachungsmaßnahmen immer auch verhältnismäßig sein (vgl. OLG Düsseldorf NStZ-RR 2014, 218; zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit s. o.). Hier solltest du wieder auf die große Bedeutung der familiären Beziehungen hinweisen und in deinem Antrag darlegen, dass du diese familiären Kontakte gerade nicht pflegen kannst, wenn eine Beamtin die ganze Zeit neben euch sitzt bzw. du durch eine Trennscheibe von deinen Angehörigen getrennt bist.

b) Dauerbesuchserlaubnis

Soll für eine Person deines Vertrauens eine Dauerbesuchserlaubnis erteilt werden, dann müssen „besondere Umstände“ (z. B. enge familiäre Bindungen) in dem Antrag aufgeführt werden, die eine solche Erlaubnis rechtfertigen.

Auch in U-Haft gibt es die Möglichkeit von LZBs (Langzeitbesuchen). Wenn dir das verweigert wird, findest du im Kapitel „Rechtsmittel in Strafhaft“ eine Musterbegründung.

c) Trennscheibe

Der Besuch, den du empfängst, darf nur dann in einem Trennscheibenraum stattfinden, wenn es „besondere Anhaltspunkte“ gibt, dass du dieses Besuchsrecht zu einer unerlaubten Handlung missbrauchen wirst. Gibt es derartige Anhaltspunkte nicht, hast du das Recht auf einen normalen Besucherraum (Kammergericht NStZ-RR 2011, 388 [zu Angehörigenbesuchen], OLG Celle v. 11.12.1980 NStZ 1980, 196; OLG Celle v. 16.2.1981, MDR 1981, 515).

d) Kosten der Besuchsüberwachung

Die Kosten der gerichtlich angeordneten Besuchsüberwachung durch einen Dolmetscher sind nicht von dir zu zahlen, sondern von der Staatskasse zu erstatten (OLG Frankfurt v. 30.8.1985 in StV 1986, 24).

10. Anhalten von Briefen (§ 20 UVollzG NRW)

Auch hier musst du wieder beachten, dass die Überwachung und „Regulierung“ des Schriftverkehrs sowohl durch die Haftrichterin zur „Sicherung des Verfahrens“ nach § 119 Abs. 1 StPO erfolgen kann als auch durch die Anstaltsleitungen nach den Vorschriften des jeweiligen UVollzG. Das bedeutet, dass du immer genau darauf achten musst, von welcher Stelle die Maßnahme erlassen wurde, und dann mit dem passenden Rechtsbehelf (Beschwerde oder Antrag auf gerichtliche Entscheidung s. o.) reagieren musst. Gegen das Anhalten und Überwachen des Schriftverkehrs können und sollten immer sowohl die Gefangene als auch die Briefpartnerin draußen vorgehen (s. o.).

Die folgenden Probleme tauchen im Briefverkehr nach draußen immer wieder auf:

a) Beeinträchtigung des Strafverfahrens

b) Grob beleidigender Inhalt

c) Unrichtige Darstellung der Verhältnisse in der Anstalt

d) Anhalten ohne Begründung

e) Besondere Argumentation für Verheiratete

f) Beschränkung des Briefverkehrs

a) „Beeinträchtigung des Strafverfahrens“

Wenn die Richterin Verdunklungsabsichten oder Fluchtvorbereitungen in den Briefen wittert, wird sie den Brief „anhalten“. Eine nicht weiter ausgeführte „Beeinträchtigung des Strafverfahrens“ (oder ähnlich nichtssagende Begründungen) reicht jedoch nicht aus, um den Brief zu kassieren. Geschieht dies doch, kannst du dich wie folgt beschweren:

Da mein Brief weder die Gefahr begründet, dass ich mich dem Strafverfahren entziehen werde, noch die Ermittlung der Wahrheit erschwert oder dazu geeignet ist, die Beweislage zu verdunkeln, ist er im Hinblick auf das laufende Strafverfahren nicht zu beanstanden. Die lapidare und viel zu unbestimmte Behauptung, der Brief bedeute eine „Beeinträchtigung des Strafverfahrens“ kann nicht ausreichen, um mir den Erhalt des an mich gerichteten Briefes zu verweigern.

Es wird die Ansicht vertreten, dass nur in den Fällen, in denen „Verdunkelungsgefahr“ als Haftgrund festgestellt wurde, eine Briefkontrolle notwendig sei. Wenn Verdunkelungsgefahr nicht in deinem Haftbefehl steht, kannst du also auch noch schreiben:

Da Verdunklungsgefahr bei mir laut Haftbefehl nicht vorliegt, war zum einen schon die Briefkontrolle unzulässig, zum anderen kann der Brief unmöglich aus diesem Grund angehalten werden.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Richterin einer anderen Rechtsmeinung anhängt, ist hier allerdings besonders groß. Schaden kann jedoch so etwas nie.

b) „Grob beleidigender Inhalt“

Natürlich kannst du zunächst einmal bestreiten, dass der Brief überhaupt Beleidigungen enthält. Sollte das nicht funktionieren, weil die Beleidigung z. B. völlig offensichtlich und nicht von der Hand zu weisen ist, solltest du wieder versuchen, bei der Gefährdung der Sicherheit und Ordnung anzusetzen. Grundsätzlich hast du nämlich das Recht, im Rahmen deiner Privatsphäre (zu der dein Schriftverkehr gehört) deine Meinung auch und gerade über die Situation in Haft frei zu äußern (Art. 5 Abs. 1 GG). Dein Recht auf freie Meinungsäußerung kann nur in besonders schweren Fällen der Beleidigung und nur dann eingeschränkt werden, wenn die Beleidigung auch gegenüber der Betroffenen selbst oder einer Dritten geäußert wird, bei der sie ihre ehrverletzende Wirkung entfalten kann. Die Richterin, Staatsanwältin oder Beamtin, die deine Briefe kontrollieren, sind in der Regel gerade nicht als „Dritte“ in diesem Sinne anzusehen (KG StV 2002, 209; BVerfG NJW 1995, 1015).

Wenn einfach pauschal behauptet wird, dass dein Brief die Ordnung der Anstalt gefährdet, könntest du z. B. so etwas schreiben:

Solange ein beleidigender Brief die Ordnung der Anstalt nicht gefährdet, ist er weiterzuleiten (vgl. Hilger in Löwe-Rosenberg § 119 Rn. 69). Ein beleidigender Brief kann aber praktisch niemals die Ordnung in der Anstalt – was auch immer das sei – irgendwie beeinträchtigen. Die Ansicht, die Ordnung in der Anstalt sei gefährdet, wenn der Inhalt des beleidigenden Briefes in der Anstalt besprochen wird und dadurch andere Gefangene zu einem Verhalten veranlasst werden, dass die Ordnung in der Anstalt konkret gefährdet, ist wirklichkeitsfremd. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist es gerade umgekehrt der Akt des Eingreifens durch Weiterleitungsversagung oder gar Beschlagnahme, der den Mitteilungswunsch der Untersuchungsgefangenen über diesen Vorfall und seinen Grund, also den Briefinhalt, geradezu provoziert (BVerfGE 33,1).

Zudem ist auch hier wieder das besondere familiäre Vertrauensverhältnis besonders geschützt. Handelt es sich um einen Schriftwechsel mit Angehörigen oder sonstigen besonderen Vertrauenspersonen, solltest du dies auf jeden Fall in deiner Begründung erwähnen:

„Bei Äußerungen gegenüber Familienangehörigen und Vertrauenspersonen, die in eine Sphäre fallen, die gegen die Wahrnehmung durch den Betroffenen oder Dritte abgeschirmt ist, tritt der Aspekt der Ehrverletzung eines von der Äußerung Betroffenen gegenüber dem einer freien Entfaltung der Persönlichkeit des sich Äußernden zurück.“ (BVerfG NJW 2007, 1194, BVerfG NJW 1997, 185)

c) „Unrichtige Darstellungen der Verhältnisse in der Anstalt“

Deine Argumentation muss zunächst erklären, dass deine Aussagen über die Verhältnisse in der Anstalt weder „grob unrichtig“ noch „erheblich entstellend“ sind.

Ein Brief kann nicht allein deshalb beanstandet werden, weil dieser sich kritisch mit Ereignissen der Justizvollzugsanstalt befasst (OLG Hamm NStZ 1981, 454). Eine solche kritische Auseinandersetzung ist der Vollzugsanstalt zuzumuten und liegt zudem im Interesse der Öffentlichkeit, die über sämtliche gesellschaftliche Vorgänge informiert sein sollte. Schließlich liegt die Verantwortung bei der Vollzugsanstalt, die Haftbedingungen so zu gestalten, dass ihr Ansehen in der Öffentlichkeit nicht gefährdet ist, und nicht bei der Gefangenen, über Missstände nicht zu berichten.

Kündige an, dass du in Zukunft deine Berichte über die Zustände in der Anstalt gleich direkt an das Landesparlament (Petitionsausschuss) übersenden wirst. Petitionen dürfen nicht geöffnet oder gar angehalten werden. Wichtige Informationen solltest du auf alle Fälle deiner Rechtsanwältin mitteilen.

d) Anhalten ohne Begründung

Als Untersuchungsgefangene habe ich das Recht, unbeschränkt Schreiben abzusenden und zu empfangen (§ 20 Abs. 1 UVollzG NRW, Hilger in Löwe-Rosenberg § 119 Rn. 68). Eine Überwachung des Briefverkehrs darf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG, welches als unmittelbarer Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt ist, nicht verletzen. Ein Eingriff, der zudem nicht begründet wird, ist außerdem ein schwerer Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip. Es handelt sich bei dem diesem Beschluss zugrunde liegenden Brief um ein Schreiben, das weder unleserlich ist noch sich in unzulässiger Weise mit der Straftat beschäftigt noch entstellende Behauptungen über Verhältnisse in der Anstalt enthält. Insofern bin ich dadurch, dass der Brief nicht weitergeleitet wurde, in dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG ohne gesetzlichen Grund verletzt und beantrage die sofortige Weiterleitung des Briefes.

e) Besondere Argumentation, wenn du verheiratet bist oder im Rahmen ähnlicher Vertrauensverhältnisse

Gerade unter Ehepartnerinnen muss es zur Aufrechterhaltung der ehelichen Verbindung möglich sein, die Dinge genau so zu schildern, wie man sie empfindet, mögen diese Wertungen auch als unsachlich betrachtet werden (BVerfGE 35, 40, BVerfG NJW 2007, 1194, BVerfG NJW 1997, 185). Insofern bin ich in meinem Grundrecht aus Art. 2, Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG – das den Briefverkehr mit der Familie umfasst – in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 GG verletzt und beantrage die Aushändigung/Weiterleitung des Briefes.

f) Beschränkung des Umfangs des Briefverkehrs

Der Umfang des Briefverkehrs ist grundsätzlich unbeschränkt (Hilger in Löwe-Rosenberg § 119 Rn. 68, OLG Celle Beschluss v. 14.8.2009). Nur in Fällen, in denen der Briefwechsel auf ein solches Ausmaß ausgedehnt ist, dass eine Kontrolle nicht mehr mit einem vertretbaren Aufwand durchgeführt werden kann, ist eine Einschränkung im Einzelfall zulässig.

Dass der Umfang meines Briefverkehrs das sozial übliche Ausmaß übersteigt, wird nicht ersichtlich und ist auch nicht durch die Anstalt dargelegt.

Es ist grundsätzlich Sache der Justiz, wie sie die angeordneten Eingriffe in die Grundrechte der Gefangenen arbeitstechnisch bewältigt (BVerfG, NStZ 2008, 521; OLG Celle Beschluss v. 14.8.2009). Bereits am 19.2.1963 hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass „Schwierigkeiten bei der Überwachung Lästigkeiten sind, die grundsätzlich hingenommen werden müssen, denn die Grundrechte bestehen nicht nach Maßgabe dessen, was an Verwaltungseinrichtungen üblicherweise vorhanden oder an Verwaltungsregeln vorgegeben ist“ (BVerfGE 15, 288). Nach dem soeben Gesagten und insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass durch die Beschränkung meines Briefverkehrs erheblich in mein Grundrecht aus Art. 5 GG eingegriffen wird, ist diese daher rechtswidrig und sofort aufzuheben.

Als Beispiel: Die Kontrolle eines mehr als 217 Seiten umfassenden Schreibens soll nicht mehr zumutbar sein. Für angemessen gehalten wird dagegen (in der Regel) ein ausgehender Brief von zehn Seiten Umfang pro Tag (vgl. OLG Celle Beschluss v. 14.8.2009).

11. Zensur von Büchern und Zeitschriften (§ 12 Abs. 3 UVollzG NRW)

Solange bestimmte Bücher, Zeitungen und Zeitschriften nicht gegen ein Strafgesetz verstoßen oder geeignet sind, die Sicherheit und Ordnung der Anstalt zu gefährden, müssen sie ausgehändigt werden (§ 12 Abs. 3 UVollzG NRW). Da das Buch (die Zeitung) ... nicht verboten ist, liegt dieser Fall offensichtlich nicht vor. In der Begründung des Ablehnungsbescheides wurde auch keine Gefährdung für die Sicherheit und Ordnung hinreichend konkret dargelegt. Der pauschale Verweis auf diesen unbestimmten Rechtsbegriff ist nicht ausreichend, um mich in meinen Rechten zu beschränken.

Davon abgesehen ist keine Geschmacks- oder politische Zensur statthaft. Selbst wenn schließlich – aus welchen Gründen auch immer – der beanstandete Artikel zurückgehalten werden könnte, so ist die Nichtaushändigung der gesamten Zeitschrift völlig unverhältnismäßig. Es ist anerkannt, dass in einem solchen Fall nur der beanstandete Artikel aus einer Zeitschrift entfernt werden darf (vgl. OLG Hamburg NJW 1965, 2361).

11 a. Medizinische Versorgung (§§ 24, 25 UVollzG NRW)

Zu diesem Thema findest du Musteranträge in Kapitel 18 Die Gefängnismedizin.

11 b. Aufenthalt im Freien/Hofgang (§ 24 Abs. 2 UVollzG NRW)

§ 24 Abs. 2 UVollzG NRW regelt, dass dir ein Hofgang zusteht (mindestens eine Stunde täglich), wenn es die Witterung zulässt, es sei denn, du arbeitest im Freien. Willst du eine Verlängerung des Hofgangs beantragen, kannst du wie folgt argumentieren:

Durch die bisherige Freiheitsentziehung ist mein körperliches und seelisches Wohlbefinden auf das Äußerste beeinträchtigt worden. Um eine weitergehende Normalisierung meines Gesundheitszustandes zu erreichen, ist eine Verlängerung meines Hofgangs erforderlich. Insbesondere würde sich eine Verlängerung auf den Zweck der U-Haft sowie auf die Ordnung in der Vollzugsanstalt nicht negativ auswirken.

12. Besondere Sicherheitsmaßnahmen (§§ 42, 43 UVollzG NRW)

Allein die Tatsache, dass irgendeine Gefahr für die „Sicherheit und Ordnung der Anstalt“ „denkbar“ ist, reicht nicht aus, um die angeordneten gewaltigen und gewalttätigen Sicherheitsmaßnahmen (Fesselung, strenge Einzelhaft, Ausschluss von Gemeinschaftsveranstaltungen, Besuchsverbot, häufige Zellen- und Körperkontrollen usw.) zu rechtfertigen (vgl. OLG Oldenburg NJW 1975, 2219). Die Maßnahmen sind darüber hinaus mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar, da die angebliche Gefahr derart einschneidende Eingriffe gar nicht erforderlich macht. Die Sicherheitsmaßnahmen greifen derart in meine körperliche und psychische Integrität ein, dass ich schon jetzt an Gesundheitsbeschwerden und Konzentrationsstörungen zu leiden habe. Dadurch sehe ich mich daran gehindert, mich mit der erforderlichen Intensität auf meine Verteidigung vorzubereiten. Darüber hinaus ist meine Verhandlungsfähigkeit gefährdet. Der unerträgliche Zustand, die unmenschlichen Haftbedingungen, denen ich zurzeit ausgesetzt bin, können letztendlich zu dauerhaften Schäden führen, wenn die Anordnung der besonderen Sicherheitsmaßnahmen nicht unverzüglich zurückgenommen wird.

Lies hierzu auch die Vorbemerkung zu diesem Abschnitt (vor Muster Nr. 1).

13. Disziplinarmaßnahmen (Hausstrafen) (§§ 45, 46 UVollzG NRW)

Hast du die Hausstrafe schon hinter dir:

Zwar habe ich die Hausstrafe schon hinter mir, trotzdem besteht noch ein Rechtsschutzbedürfnis, das die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Anstalt erfordert: Derartige Rechtsbrüche passieren in dieser Anstalt immer wieder, so dass ich auch in Zukunft mit eigenmächtigen Verletzungen meiner Rechte zu rechnen habe.

Du musst immer vorher angehört werden, bevor eine Hausstrafe überhaupt verhängt werden darf (§ 46 Abs. 1 UVollzG NRW). Ist das nicht passiert, wende dich sofort an die Anstaltsleitung oder, wenn das nichts nützt, an die Haftrichterin. Schreibe „Eilsache“ auf den Umschlag und auf das Schreiben:

Ich bin von … darüber informiert worden, dass gegen mich eine Disziplinarmaßnahme geplant ist. (Jetzt Näheres über die Vorgeschichte, falsche Anschuldigungen richtigstellen, wenn dir Anschuldigungen überhaupt genau bekannt sind. Beweismittel, Mitgefangene als Zeuginnen benennen ...). Ich beantrage, dass mir umfassendes rechtliches Gehör gewährt wird. Das setzt voraus, dass mir alles mitgeteilt wird, was mir vorgeworfen wird. Ich muss über alle Ermittlungsergebnisse informiert werden, was bisher noch nicht geschehen ist. Eine Entscheidung zu meinem Nachteil ist auf dieser Grundlage nicht zulässig. Sofern die Vorwürfe auf mich belastenden Zeuginnenaussagen beruhen, verlange ich, dass mir die Namen der Zeuginnen genannt und ihre Aussagen vorgelegt werden. Eine Verteidigung gegen die Vorwürfe, eine Richtigstellung der falschen Anschuldigungen, ist anders gar nicht möglich.

Ist eine ganz bestimmte Hausstrafe verhängt worden – oder steht sie unmittelbar bevor –, so kannst du teilweise die Argumentation der vorangegangenen Muster (besondere Sicherungsmaßnahmen) übernehmen. Denn die Hausstrafen haben häufig ebenso einschneidende Auswirkungen wie die Maßnahmen, die auch bei Gefahr für „Sicherheit und Ordnung“ getroffen werden (z. B. der Arrest nach § 45 Abs. 2 Nr. 7). Baue deine Argumentation in einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 119a StPO ein, die du an die Haftrichterin – als Eilsache – schickst. Wichtigstes Argument ist dein Gesundheitszustand und die Vorbereitung deiner Verteidigung in dem anstehenden Strafprozess. Beides darf niemals beeinträchtigt werden. Außerdem kannst du immer damit argumentieren, dass die Hausstrafe unverhältnismäßig ist.

Die Einschränkung der Bewegung im Freien beeinträchtigt meinen Gesundheitszustand, da ich unter Kreislaufbeschwerden leide, wenn ich keine Gelegenheit zur Bewegung an der frischen Luft bekomme. Dieser Zustand beeinträchtigt zudem meine Konzentrationsfähigkeit, so dass auch meine Verteidigungsvorbereitungen erheblich darunter leiden. Die Maßnahme muss daher unverzüglich aufgehoben werden (bzw. darf gar nicht erst verhängt werden). Vgl. Piel/Püschel/Tsambikakis/Wallau ZRP 2009, 33, 37.

Bei Einschränkungen als Hausstrafe:

Die Einschränkung des Einkaufs beeinträchtigt mein körperliches Wohlbefinden erheblich. Ich bin aus gesundheitlichen Gründen darauf angewiesen, mir Zusatznahrung zu kaufen, da mir die Anstaltskost nicht immer bekommt. Als Raucherin bin ich zur Erhaltung meiner Konzentrationsfähigkeit auch darauf angewiesen, eine ausreichende Menge Tabak zur Verfügung zu haben. Der jetzige Zustand macht es mir unmöglich, mich auf meine Verteidigung vorzubereiten (vgl. Piel/Püschel/Tsambikakis/Wallau ZRP 2009, 33, 37).

Ähnlich kann man bei der Wegnahme von Büchern und anderen Lesematerialien argumentieren. Juristische Bücher brauchst du natürlich direkt für die Verteidigung. Andere zur Konzentration und Zerstreuung. Arrest macht eine Verteidigungsvorbereitung immer unmöglich.

13. Einzelunterbringung (§ 10 UVollzG NRW)

Wenn du dich dagegen wehren möchtest, dass du tagsüber und/oder nachts mit anderen Gefangenen die Zelle teilen musst und deswegen nie deine Ruhe hast, kannst du deinen Antrag auf Einzelunterbringung z. B. so begründen.

Seit … bin ich in wechselnden Konstellationen tagsüber und/oder nachts mit mindestens einer Gefangenen zusammen in einer Zelle von 8 qm untergebracht. Die Größe des Haftraums sowie die Tatsache, dass ich und meine Zellennachbarin keiner Arbeit in der Anstalt nachgehen können, macht es mir unmöglich, meine Privat- und Intimsphäre zu wahren. Die Situation ist aufgrund des 23-stündigen Einschlusses besonders belastend. Insbesondere habe ich nicht die nötige Ruhe, um mich angemessen auf mein bevorstehendes Verfahren und meine Verteidigung zu konzentrieren.

Die von mir bereits mehrfach beantragte Einzelunterbringung in einer regulären Abteilung des Untersuchungshaftvollzuges ist gesetzlich geboten (§ 10 UVollzG NRW, Art. 6 Abs. 2 EMRK) und unverzüglich umzusetzen.

Zum Schluss noch eine Erklärung der verwendeten Abkürzungen, um die man in juristischen Sachen kaum herumkommt und die wir in diesem Kapitel auch verwendet haben:

Abs. = Absatz

Art. = Artikel

Az. = Aktenzeichen

BVerfG = Bundesverfassungsgericht

BVerfGE 19, 347 = Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, Band 19, S. 347

EMRK = Europäische Menschenrechtskonvention

ff. = folgende Seiten

gem. = gemäß

GG = Grundgesetz

GPA = Gefangenenpersonalakte/ Gefangenenpersonalnummer

(auch GB-Nr., Gefangenenbuchungsnummer)

GVG = Gerichtsverfassungsgesetz

JVA = Justizvollzugsanstalt

KG = Kammergericht Berlin

LG = Landgericht

XY in Löwe-Rosenberg = Kommentar zur Strafprozessordnung, zitiert

nach Paragraph und Randnummer

MDR = Monatszeitschrift für Deutsches Recht, zitiert nach Jahr

und Seite

NJW = Neue Juristische Wochenschrift, zitiert nach Jahr und Seite

Nr. = Nummer

NStZ = Neue Zeitschrift für Strafrecht, zitiert nach Jahr und Seite

NStZ-RR = Neue Zeitschrift für Strafrecht Rechtsprechungs-Report,

zitiert nach Jahr und Seite

OLG = Oberlandesgericht

Rn. = Randnummer (im Gesetzeskommentar)

s. o./s. u. = siehe oben / siehe unten

StA = Staatsanwaltschaft

StPO = Strafprozessordnung

StV = Strafverteidiger (Name einer strafrechtlichen Fachzeitschrift)

UVollzG (NRW) = Untersuchungshaftvollzugsgesetz (des Landes

Nordrhein-Westfalen)

ZRP = Zeitschrift für Rechtspolitik, zitiert nach Jahr und Seite

vgl. = vergleiche

24.
Rechtsmittel
in der Strafhaft

Das knastinterne Verfahren

Der erste Schritt einer juristischen Auseinandersetzung spielt sich noch innerhalb der Anstalt ab: in Form von Anträgen“ und Beschwerden“, die man als Gefangene an die Anstaltsleitung richtet (beispielsweise gemäß § 84 StVollzG NRW). Sie werden oft grundlos abgelehnt und zurückgewiesen.

Der Vorteil ist hingegen, dass du die Kosten und „Nebenwirkungen“ gut überschauen kannst. Du benötigst dafür auch keine Anwältin.

Ihre Erfolgsquote ist innerhalb des zur Verfügung stehenden Rechtsschutzsystems am höchsten: bis zu 34 % bei der (ganz überwiegend mündlich eingelegten) Beschwerde i. S. d. § 108 StVollzG, ca. 25 % bei Petitionen und bis zu 15 % bei Gnadengesuchen. Die formlosen Rechtsbehelfe (also Anträge und Beschwerden) müssen keine „Maßnahme mit Regelungscharakter“ zum Gegenstand haben und du musst nicht beschwert sein, sondern kannst auch für Mitgefangene einen Rechtsbehelf einlegen.

Wird dein Antrag oder deine Beschwerde abgelehnt oder zurückgewiesen, kannst du eine sogenannte Gegenvorstellung oder „Remonstration“ mündlich oder schriftlich erheben. Das machst du immer gegenüber derjenigen, die die Entscheidung getroffen hat.

Wenn das nichts bringt, kommt eine Dienstaufsichtsbeschwerde (über das persönliche Fehlverhalten der Beamtin, siehe Kapitel Allgemeine Rechtsmittel) oder Fachaufsichtsbeschwerde (über das berufliche Fehlverhalten) in Betracht. Die legst du bei der Vorgesetzten der Beamtin ein. Wenn du dir nicht sicher bist, wer vorgesetzt ist, richte die Beschwerde an die (Teil-)Anstaltsleitung.

Du hast Anspruch auf eine Begründung der Entscheidung über deine Beschwerde (wenn auch nicht schriftlich).

Außerdem hast du jederzeit die Möglichkeit, dich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden (die allerdings dich selbst betreffen müssen) schriftlich oder – wie es die meisten Gefangenen machen – mündlich an die Anstalts- bzw. Abteilungsleiterin zu wenden. Diese muss mindestens wöchentlich entsprechende Sprechstunden abhalten, deren Zeitpunkt, Ort und Dauer in der Hausordnung festzuhalten sind.

Es muss ferner gewährleistet sein, dass auch einer Vertreterin der Aufsichtsbehörde (also des Landesjustizministeriums) anlässlich eines Besuchs in der Anstalt ein Anliegen vorgetragen werden kann; einen Besuch der Behördenvertreterin erzwingen kann man leider nicht.

Schließlich kannst du nach § 164 Abs. 1 Satz 1 StVollzG Anregungen und Beanstandungen beim Anstaltsbeirat vorbringen.

Wie jeder anderen steht auch und gerade Gefangenen das Recht zu, Petitionen an die Volksvertretungen bzw. Petitionsausschüsse des Bundes und der Länder einzureichen, die weder überwacht noch von der Anstaltsleiterin angehalten werden dürfen. Weitere Rechte sind die Erstattung einer Strafanzeige, die Anrufung der Datenschutz- oder Bürgerbeauftragten sowie diverser – europäischer – Institutionen und das Stellen von Gnadenanträgen.

Siehe dazu Kapitel 25 Allgemeine Rechtsmittel.

Antrag auf gerichtliche Entscheidung

Werden nun sämtliche dieser „formlosen“ Rechtsbehelfe abgeschmettert, so ist der nächste Schritt, einen „Antrag auf gerichtliche Entscheidung“, § 109 StVollzG, an die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht zu richten.

Anmerkung: Das Einzige, was jetzt noch in dem alten StVollzG des Bundes geregelt ist, ist das gerichtliche Verfahren, also nur ab § 109 StVollzG. Alles andere ist jetzt Ländersache, steht also im Gesetz des Bundeslandes drin, in dem dein Knast ist.

Das geht nur für dich selbst, du musst „in deinen Rechten verletzt sein“. Sind andere verletzt, bspw. Besucherinnen, die keine Besuchserlaubnis erhalten, können auch diese – in ihrem eigenen Namen – einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen.

Insgesamt liegt die Erfolgsquote von Anträgen von Gefangenen zwischen 1 % und 5 %, ist also verschwindend gering.

Du kannst aber auch mit Rechtsmitteln „pokern“: Beantragst du zum Beispiel eine gerichtliche Entscheidung (sogenannter 109er), müssen die Beamtinnen ihre jeweilige Entscheidung gegenüber dem Gericht schriftlich begründen, worauf sie oft keinen Bock haben. Lässt du dann durchblicken, dass du unter Umständen bereit bist, den Antrag zurückzuziehen, kannst du manchmal einen guten Kompromiss aushandeln.

Du solltest immer eine mündliche Verhandlung beantragen, was nämlich nur freiwillig für das Gericht ist. Erfahrungsgemäß fällt es der Richterin schwerer, deinen Antrag abzulehnen, wenn sie dir ins Gesicht gucken musste – wenn auch nicht viel. Jedenfalls kannst du dann nochmal mündlich alles vorbringen, was dir wichtig erscheint.

Das Verfahren ist leider auch für Gefangene nicht umsonst – du solltest also immer gleichzeitig Prozesskostenhilfe beantragen, ansonsten musst du, wenn du verlierst, von deinem Hausgeld die Kosten tragen – allerdings nur von dem Geld, das den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung überschreitet, § 121 Abs. 5 StVollzG (Bund).

Rechtsbeschwerde

Als letzte Instanz bleibt die „Rechtsbeschwerde“ gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer zum Oberlandesgericht, wenn sie dir nicht Recht gegeben hat (dabei herrscht allerdings sogenannter „Anwaltszwang“, das heißt, du kannst die Beschwerde nicht selbst einlegen). Die ist aber nur unter besonderen Umständen zulässig und wird fast immer abgeschmettert.

Der folgende Abschnitt ist ein Versuch, deutlich zu machen, wie das alles im Einzelnen funktioniert und was man dabei alles beachten muss, um wenigstens eine kleine Erfolgschance zu haben.

Danach noch Hinweise zu drei Spezialproblemen: Was man tun kann,

In dem darauffolgenden Abschnitt (24.2.) haben wir einige Musterbegründungen als Argumentationshilfen für die verschiedensten Lebenslagen im Knast zusammengestellt. Natürlich ist das nicht allumfassend. Es ist deshalb sinnvoll, sich auf jeden Fall das Strafvollzugsgesetz des jeweiligen Bundeslandes zu besorgen.

24.1. Darstellung des Rechtswegs anhand
von Beispielen mit Erläuterungen

Der erste Schritt: Anträge und Beschwerden an die Anstaltsleitung

Mit allen deinen Anträgen und Beschwerden musst du dich zuerst an die Anstaltsleitung bzw. an die von der Anstaltsleitung beauftragten Beamtinnen wenden.

Anträge, „Anliegen“, „Vormelder“ an die Anstaltsleitung

Wenn du zum Beispiel eine Schreibmaschine oder sonst einen Gegenstand beantragen willst, musst du ein Anliegen (Vormelder) an die Anstaltsleitung bzw. die zuständige höhere Beamtin schreiben. Dazu gibt es meist Vordrucke. So könnte das Anliegen z. B. aussehen (so ausführlich wird man es jedoch nur machen, wenn man mit Schwierigkeiten rechnet):

Name

Station

Zellennummer

Datum

An die Anstaltsleitung

Betrifft: Beschaffung und Benutzung einer Schreibmaschine


Hiermit beantrage ich die Beschaffung und Benutzung einer eigenen Schreibmaschine. Die Schreibmaschine wird von meinen Verwandten (Freundinnen usw.) beschafft und in der Anstalt abgegeben werden. Hilfsweise beantrage ich die Beschaffung einer Schreibmaschine durch die JVA auf meine Kosten. In diesem Fall wären noch Fabrikat, Preis usw. mit mir abzusprechen, was Sie gegebenenfalls bitte veranlassen wollen. Ich benötige die Schreibmaschine dringend zur Erledigung meiner reichhaltigen Korrespondenz. Ich weiß, dass in der Anstalt mehrere Gefangene eine eigene Schreibmaschine benutzen, und beantrage somit, mich diesen Gefangenen gleichzustellen.

Unterschrift

Beschwerden an die Anstalt

Anders als die gerichtlichen Rechtsmittel („formellen Rechtsmittel“) sind Beschwerden jetzt nach Landesrecht für jedes Bundesland gesondert geregelt, etwa § 84 StVollzG NRW (vgl. die Gesetzesübersicht im Anhang).

Genauso wie du im Prinzip „alles“ beantragen kannst, was du nicht hast, kannst du gegen jeden Zustand innerhalb der Anstalt eine Beschwerde einlegen, also z. B. gegen die Qualität des Essens, allgemeine Besuchsregelungen, den Zustand deiner Zelle, gegen Verfügungen der Anstaltsleitung oder von Bediensteten; natürlich kannst du dich auch darüber beschweren, dass ein Antrag abgelehnt wurde. Eine Beschwerde kannst du sowohl mündlich als auch schriftlich der Anstaltsleiterin (oder den „von ihr beauftragten Personen“, in größeren Knästen z. B. der Teilanstaltsleitung) vortragen. Jedoch nur schriftliche Beschwerden bewirken – vielleicht – einen schriftlichen Bescheid seitens der Anstaltsleitung. Da eine schriftliche Beschwerde der Anstaltsleiterin somit Arbeit macht und außerdem für dich kostenlos ist, kann es sinnvoll sein, häufig Beschwerden zu machen und dabei immer schriftliche Bescheide zu verlangen. Andererseits kann es dir dann aber auch passieren, dass du den Ruf bekommst, eine „Querulantin“ zu sein, weil du als eine von wenigen auf deine Rechte bestehst. Wichtig ist, dass du beim Beschwerdeschreiben darauf achtest, dass du nicht die Frist für ein Widerspruchsverfahren oder einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (zu beidem auf den nächsten Seiten) versäumst. Denn immer dann, wenn es einen schriftlichen Bescheid oder eine Verfügung der Anstalt wegen irgendeiner Angelegenheit gibt, die dich betrifft, beginnt mit dem Tag, an dem du diesen schriftlichen Bescheid erhältst, die Frist für das formelle Rechtsmittel zu laufen. Diese Frist für die nächste Instanz wird auch nicht etwa durch deine formlose Beschwerde gegen die Verfügung (den Bescheid) gestoppt, sondern läuft munter weiter, und während du erwartungsvoll auf die Beantwortung deiner Beschwerde wartest, ist die Frist vorbei – und mit ihr jede Möglichkeit, in dieser Sache weiter rechtlich vorzugehen. Faustregel ist also: Gegen einen störenden Zustand oder eine Maßnahme, die von der Anstaltsleitung nicht schriftlich verfügt worden ist, immer erstmal durch die Beschwerde einen schriftlichen Bescheid erwirken. Gegen Maßnahmen, die die Anstaltsleitung von sich aus schriftlich ankündigt oder erklärt, kann und muss man (wenn man die Frist nicht versäumen will) direkt in die nächste Instanz gehen, mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Die Beschwerde an die Anstaltsleitung kann man noch nebenbei einlegen. Im folgenden Musterbeispiel richtet sich die Beschwerde gegen die Beschlagnahme (oder „Zurhabenahme“, wie es korrekt heißt) einer Schreibmaschine aus der Zelle. Im vorliegenden Fall ist dies ohne schriftliche Verfügung im Rahmen einer Zellenkontrolle geschehen. Läge schon jetzt eine schriftliche Anordnung der Anstaltsleiterin vor, so müsstest du (neben der möglichen Beschwerde) sofort in die nächste Instanz (Antrag auf gerichtliche Entscheidung, siehe unten) gehen.

Name

Station

Zellennummer

Datum

An die Anstaltsleitung


Betrifft: Das Verschwinden meiner Schreibmaschine nach der Zellenkontrolle am ...


Als ich am ... (Datum) ... vom Hofgang wieder in meine Zelle kam, musste ich feststellen, dass mir meine seit langem genehmigte Schreibmaschine bei einer Zellenrazzia weggenommen worden war. Hiergegen lege ich hiermit Beschwerde gemäß § 84 Strafvollzugsgesetz NRW ein. Ich erwarte:

1. eine Erklärung für diesen Vorfall und

2. die sofortige Rückgabe meiner Schreibmaschine.

Ich brauche meine Schreibmaschine dringend zur Fortbildung, zum privaten, behördlichen und gerichtlichen Schriftwechsel sowie zur sonstigen Freizeitbeschäftigung, worauf ich nach § 52 Strafvollzugsgesetz NRW einen Anspruch habe. Da ich mit meiner Schreibmaschine ja wohl kaum die Sicherheit und Ordnung der Anstalt durcheinanderzubringen imstande bin, ist diese Maßnahme rechtswidrig und willkürlich. Ich bitte darum, mir in jedem Fall eine schriftliche Beantwortung meiner Beschwerde zukommen zu lassen, und kündige für den Fall, dass hier nicht umgehend Abhilfe geschaffen wird, weitere rechtliche Schritte an.

Unterschrift

Ein Widerspruchsverfahren gibt es seit 2013 nicht mehr; du kannst also sofort – auch ohne auf eine Bescheidung deiner Beschwerde warten zu müssen – daneben den § 109er (Antrag auf gerichtliche Entscheidung) einlegen.

Der Weg zu den Gerichten

Du hast jetzt zwei gerichtliche Instanzen vor dir, um endlich an die Schreibmaschine oder was auch immer heranzukommen.

1. Instanz: Landgericht, Strafvollstreckungskammer (Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 StGB)

2. Instanz: Oberlandesgericht (Rechtsbeschwerde nach § 116 StGB)

Spätestens von jetzt ab ist das Verfahren nicht mehr kostenfrei. Deshalb immer gleichzeitig „Prozesskostenhilfe“ beantragen. Näheres hierzu steht in Kapitel 26 Rechtsmittelkosten und Prozesskostenhilfe.

Schriftsätze an die Gerichte möglichst in zweifacher Ausführung (Abschrift oder Durchschrift) losschicken. Auf jeden Fall immer eine Abschrift selbst behalten, um nicht die Übersicht zu verlieren.

Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 StGB)

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist an die zuständige, d. h. die Strafvollstreckungskammer beim nächsten Landgericht zu richten. Welches Landgericht für den Knast, in dem du sitzt, zuständig ist, kannst du leicht im Knast erfahren. In deinem Antrag musst du benennen, dass du durch die Entscheidung der Anstaltsleitung in deinen Rechten verletzt bist. Das bedeutet, du musst aufführen, was passiert ist und was du willst, dass du also z. B. eine Schreibmaschine beantragt hast, diese dir nicht genehmigt wurde und du dennoch eine haben willst. Weiterhin solltest du angeben, in welchem Recht dich die Nichtgenehmigung verletzt – also z. B. bei der Schreibmaschine § 52 StVollzG NRW, wenn du in NRW sitzt. Wenn du dich auf ein Grundrecht berufst, solltest du dies auch angeben, z. B. Artikel 5 GG bei Zensurmaßnahmen. Wenn du keinen Gesetzestext zur Verfügung hast, dann reicht es auch, wenn du einfach beschreibst, was passiert ist und was du willst. Wichtig ist vor allem, dass du die Fristen einhältst. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muss innerhalb von zwei Wochen, nachdem du einen schriftlichen Bescheid von der Anstalt erhalten hast, bei der zuständigen Strafvollstreckungskammer eingegangen sein. Es reicht also nicht, dass du ihn zwei Wochen später losschickst. Dieser schriftliche Bescheid ist entweder die Ablehnung deines Antrages/Anliegens durch die Anstalt oder eine Verfügung der Anstalt gegen dich, z. B. die Anordnung von Zensurmaßnahmen. Bei einer solchen Verfügung, die die Anstalt von sich aus trifft, beginnt die Frist für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Erhalt dieser Verfügung zu laufen, unabhängig davon, ob du dich gegen diese Verfügung nochmal bei der Anstalt selbst beschweren willst. Du kannst die Frist aber auch dadurch einhalten, dass du der Urkundsbeamtin vom Amtsgericht, die regelmäßig in den Knast zu kommen hat, den Antrag innerhalb der 2-Wochen-Frist zu Protokoll gibst, ihn also der Urkundsbeamtin diktierst. Wenn du allerdings von der Anstalt nur einen mündlichen Bescheid bekommst, beginnt eine Frist von einem Jahr zu laufen. Dann kannst du also auch Wochen oder Monate nach der mündlichen Bekanntgabe einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen. Dies ist wichtig in den Fällen, in denen sich die Anstalt weigert, dir den Bescheid schriftlich zu geben.

Geht es bei dir um die Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung, so ist dir für das Verfahren regelmäßig eine Anwältin beizuordnen, wenn es nicht um eine ganz einfache Frage geht. Das solltest du dann beantragen oder mit deiner Verteidigerin besprechen.

Und so sieht nun das Musterbeispiel für einen solchen Antrag auf gerichtliche Entscheidung aus:

Name

Datum

Adresse


An das

Landgericht ...

Strafvollstreckungskammer

Adresse


Antrag von (Name)

auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 Strafvollzugsgesetz gegen den Leiter der Justizvollzugsanstalt ...

Ich beantrage

1. die Verfügung des Antragsgegners vom ... aufzuheben,

2. den Antragsgegner zu verpflichten, mir die Beschaffung und Benutzung einer eigenen Schreibmaschine zu gestatten,

3. die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Es wird gebeten, mir vorab die Geschäftsnummer dieses Antrages mitzuteilen und alle Schreiben des Antragsgegners zuzusenden zur Gewährung rechtlichen Gehörs nach Artikel 103 GG.

Begründung:

Die Antragstellerin beantragte am ... die Beschaffung und Benutzung einer eigenen Schreibmaschine. Dieser Antrag wurde von der zuständigen Sachbearbeiterin der Justizvollzugsanstalt, ..., am ... abgelehnt.

Im Folgenden musst du auf die Entscheidung der Anstaltsleitung eingehen und begründen, warum dadurch ein Recht von dir verletzt ist. Stärker als das im Muster möglich ist, musst du immer versuchen, dich mit den konkreten Äußerungen der Anstalt auseinanderzusetzen und sie zu widerlegen, zu sagen, was du daran falsch findest. Weiter unser Beispiel:

Die Verweigerung einer Schreibmaschine stellt eine rechtsfehlerhafte Anwendung des § 52 Abs. 1 StVollzG NRW dar und verletzt mich in meinen Grundrechten aus Art. 2 GG (freie Entfaltung der Persönlichkeit) und Art. 5 GG (Meinungsfreiheit). Zum einen steht mir nach § 21 StVollzG NRW das Recht auf Schriftwechsel zu, d. h. auch auf Benutzung einer Schreibmaschine (vgl. Boetticher in Alternativ-Kommentar zum Strafvollzugsgesetz § 70 Rn. 7). Ich habe bereits in meinem Antrag an die Justizvollzugsanstalt deutlich gemacht, dass ich die Schreibmaschine zur Erstellung von Schriftsätzen in Rechtssachen und zur Erledigung des privaten Schriftverkehrs benötige. Zum anderen steht mir die Schreibmaschine auch als „Gegenstand zur Fortbildung und Freizeitgestaltung“ nach § 52 Abs. 1 StVollzG NRW zu. Ich benötige nämlich die Schreibmaschine auch zur Teilnahme an Fortbildungskursen (z. B. Fernkurse, Schreibmaschinenkurse). Auch kann mir die Schreibmaschine nicht etwa wegen § 52 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 15 Abs. 2 StVollzG NRW, also wegen einer Gefährdung der Anstaltsordnung, verweigert werden, da keine wie von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verlangten konkreten Anhaltspunkte vorliegen (vgl. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.10.2006, 2 BvR 30/06). Was die Anstaltsleitung hierzu vorgebracht hat, ist alles andere als überzeugend. Durch die Grundsätze des Strafvollzugsgesetzes aus § 1 Abs. 1 und § 6 StVollzG NRW ist dies jedenfalls nicht gedeckt. (Hier näher auf das eingehen, was die Anstaltsleitung zur „Gefährdung von Sicherheit und Ordnung“ vorgebracht hat.)

Hier folgt jetzt noch die Begründung, warum dir Prozesskostenhilfe gewährt werden muss.

Unterschrift

Wie du den Antrag auf Prozesskostenhilfe begründen musst, was du da beifügen musst und was so ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung kosten kann, steht im nächsten Kapitel ( Kapitel 26 Rechtsmittelkosten und Prozesskostenhilfe). Das Gericht wird zunächst die Anstalt um eine Stellungnahme bitten. Der erste Satz in dem Musterentwurf, der auf das „rechtliche Gehör“ hinweist, soll sicherstellen, dass du die Stellungnahme der Anstalt auch zugestellt bekommst. Du wirst dann am besten darauf eingehen und ein zweites Schreiben zur Ergänzung der Antragsbegründung an das Gericht schicken. Stützt sich dein Antrag auf ein Verhalten, auf einen Vorfall oder auf irgendwelche anderen Tatsachen, die möglicherweise von der Anstaltsleitung bestritten oder verfälscht werden, so sollte man vorsorglich Zeuginnen benennen oder andere Beweismittel anbieten (Schriftstücke usw.). Sinnvoll ist es immer, Gedächtnisprotokolle anzufertigen und von den anwesenden Mitgefangenen bestätigen zu lassen. Eine solche schriftliche Zeuginnenaussage wird aufgewertet, wenn sie von der Zeugin „eidesstattlich versichert“ wird. Dies geschieht durch den Zusatz:

Diese Angaben versichere ich an Eides statt. Ich bin mir über die Bedeutung einer eidesstattlichen Versicherung bewusst; die strafrechtlichen Folgen einer falschen eidesstattlichen Versicherung sind mir bekannt.

Unterschrift (vollständigen Namen leserlich darunter schreiben)

Wie man gegen Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer vorgehen kann

Gegen alle Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer kannst du Rechtsbeschwerde (§ 116 StVollzG) einlegen, allerdings brauchst du dazu entweder eine Anwältin oder eine Urkundsbeamtin. Diese Urkundsbeamtin kommt umsonst „ins Haus“, es entstehen dir also keine zusätzlichen Kosten. Willst du der Urkundsbeamtin vorgeführt werden, musst du dies bei der Anstaltsleitung schriftlich beantragen; diesen Antrag immer mit dem dicken Vermerk „Fristsache“ versehen. Die Urkundsbeamtin muss dann mit dir die Sachlage besprechen, dich bei der Abfassung der Rechtsbeschwerde beraten und diese dann protokollieren. Dabei muss sie dafür sorgen, dass deine Rechtsbeschwerde keinerlei Formfehler enthält. Allerdings wird sie häufig versuchen, dich davon abzubringen, Rechtsbeschwerde einzulegen. Lass dich aber davon nicht beeindrucken, schließlich ist sie ja dazu da, etwas für dich zu machen. Willst du dich gegenüber der Urkundsbeamtin durchsetzen, ist es wichtig, dass du dir schon vorher einen Entwurf deiner Rechtsbeschwerde aufgeschrieben hast. Dabei musst du folgende Punkte beachten:

Auch hier müssen dir vom Gericht die Schriftsätze der Anstalt zur Stellungnahme zugesandt werden, da sonst ein Verstoß gegen deinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) vorliegt, wogegen du Verfassungsbeschwerde einlegen kannst (siehe dazu Kapitel 25.4 Allgemeine Rechtsmittel). Die Rechtsbeschwerde muss bei der Strafvollstreckungskammer, deren Entscheidung du angreifen willst, eingereicht werden. Die Entscheidung trifft dann das Oberlandesgericht. Die oben skizzierten besonderen „Zulässigkeitsvoraussetzungen“ der Rechtsbeschwerde bewirken in der Praxis fast immer, dass die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen wird.

Wenn du die Frist versäumt hast

Verzögert die Anstalt die Absendung des Antrages auf gerichtliche Entscheidung gem. § 109 StVollzG oder arbeitet die Post langsam, kann es passieren, dass dein Antrag nicht in der gebotenen Frist von zwei Wochen bei der Strafvollstreckungskammer eintrifft. Genauso kann es dir aus verschiedenen Gründen unmöglich sein, den Antrag binnen 14 Tagen zu schreiben, z. B. wegen Krankheit. Wenn die Frist aber nicht eingehalten ist, schmettert das Gericht den Antrag ab und teilt dir das mit. Wenn ein Antrag so abgelehnt wurde und auch dann, wenn du schon weißt, dass dein Antrag zu spät beim Gericht ankommen wird, kommt ein Antrag auf „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ nach § 112 Abs. 2 StVollzG in Frage. Ist ein solcher Antrag nämlich erfolgreich, so wird dein eigentlicher Antrag auf gerichtliche Entscheidung so behandelt, als sei er innerhalb der 2-Wochen-Frist beim Gericht eingegangen. Entscheidend ist, dass du keine Schuld an der Nichteinhaltung der Frist hast. Schuld daran muss etwas sein, was du nicht ändern konntest, z. B. die Anstalt, die Post, die Urkundsbeamtin, deine Krankheit, dein Mangel an Schreibwaren usw. Hat die Anstalt dich nie über die zu beachtenden Fristen durch eine „Rechtsmittelbelehrung“ informiert, so ist auch dies ein Wiedereinsetzungsgrund. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes genügt es für eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung aber, wenn du bei der Aufnahme in den Knast allgemein über deine Rechten und Pflichten informiert wurdest, wie es zum Beispiel § 8 Abs. 1 StVollzG NRW vorsieht. Dann muss dir für die einzelnen Entscheidungen der Anstalt keine Rechtsmittelbelehrung erteilt werden. Das ist gerade angesichts der Vielzahl von unterschiedlichen Rechtsmitteln mit unterschiedlichen Fristen eine Frechheit. Für dich bedeutet das, dass es egal ist, ob du eine Rechtsmittelbelehrung erhalten hast. Nur wenn du auch bei Aufnahme nicht über deine „Rechte und Pflichten“ belehrt wurdest, ist das ein Grund für die Wiedereinsetzung.

Dieser Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist wiederum in der Frist von zwei Wochen an die zuständige Strafvollstreckungskammer zu richten. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem das Gericht dir mitgeteilt hat, dass du die Frist nicht eingehalten hast. Weißt du aber schon vorher, dass du die Frist nicht einhalten wirst, z. B. wegen Krankheit, beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, an dem der Grund, wegen dem du die eigentliche Frist deines Antrages auf gerichtliche Entscheidung nicht einhalten konntest, entfällt, also bei Krankheit mit dem Tag, an dem du wieder gesund bist. Du musst dann gleich mit dem Antrag den Wiedereinsetzungsantrag stellen. Am besten man tut es immer sofort! Nun ein Beispiel für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an die Strafvollstreckungskammer:

Name

Datum

Adresse


An das

Landgericht ...

- Strafvollstreckungskammer -

Adresse

Hiermit beantrage ich gemäß § 112 Abs. 2 StVollzG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Ich beantrage den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Aktenzeichen ... zur Entscheidung zuzulassen.

I.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist fristgerecht gemäß § 112 Abs. 3 Strafvollzugsgesetz binnen zwei Wochen nach Erhalt des Schreibens der Strafvollstreckungskammer in dieser Sache vom ..., der Antragstellerin ausgehändigt am ..., gestellt.

II.

Begründung ...

Hier muss jetzt begründet werden, warum man schuldlos an der Fristversäumnis ist – zum Beispiel wegen Verschleppung durch die Anstalt, die Post, deine Krankheit usw. Unterschrift nicht vergessen. Bist du dir bei deinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht ganz sicher, ob er fristgemäß beim Gericht eingehen wird, so solltest du zur Sicherheit gleich mit diesem Schriftsatz den Wiedereinsetzungsantrag mit stellen. Du schreibst dann an den Anfang des Schriftsatzes:

Rein vorsorglich beantrage ich für den Fall, dass mein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht fristgemäß eingeht, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Begründung ...

Die von dir nicht verschuldeten Gründe sind „glaubhaft“ zu machen. Du solltest deshalb mögliche Beweise gleich mitschicken, z. B. eidesstattliche Versicherungen von Mitgefangenen, Schriftstücke, Bestätigung der Postbeamtin, dass du deinen Schriftsatz am Soundsovielten zur Post gegeben hast usw. Du kannst natürlich auch bei der Rechtsbeschwerde grundsätzlich einen Wiedereinsetzungsantrag bei Fristversäumung stellen. Aber Vorsicht: Hier muss er bereits 1 Woche nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden. Hast du nun auch die Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages versäumt, so ist noch nicht alles verloren: Du kannst dann noch einen „Antrag auf Wiedereinsetzung“ wegen Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist stellen. Dazu musst du natürlich ein zweites unverschuldetes Hindernis angeben, das dich an der fristgemäßen Antragstellung gehindert hat.

Wenn es sehr eilig ist

Wenn du einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 StVollzG gestellt hast, kann es ein halbes Jahr oder länger dauern, bis das Gericht entscheidet. Bis dahin hat dein Antrag nicht zur Folge, dass die angegriffene Maßnahme (z. B. Verschubung, Arrest) aufgehoben wird. D. h., die Anstalt kann die geplante Maßnahme trotzdem sofort durchführen, weil dein Antrag keine „aufschiebende Wirkung“ hat. Willst du erreichen, dass eine Maßnahme „sofort“ aufgehoben wird, so musst du beim Gericht die Aussetzung der Maßnahme“ beantragen (§ 114 Abs. 2 StVollzG). Voraussetzung für diesen Eilantrag ist, dass dir Nachteile oder Schaden drohen, die nachträglich nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Das ist z. B. bei allen Disziplinarmaßnahmen des § 80 Abs. 1 StVollzG NRW (mit Ausnahme des „Verweises“) oder bei Verlegung in eine andere Anstalt der Fall. Es ist möglich, den Eilantrag schon vor dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen. Für dich ist es aber weniger Arbeit, wenn du dies zusammen erledigst.

So kann der Zusatz aussehen, den du dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung hinzufügst:

Ich beantrage gemäß § 114 Abs. 2 StVollzG, den Vollzug der angefochtenen Maßnahme bis zur gerichtlichen Entscheidung auszusetzen.

Begründung:

Die Durchführung der angefochtenen Maßnahme würde die Verwirklichung meiner Rechte vereiteln / wesentlich erschweren, weil die Maßnahme nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Da keine höher zu bewertenden Interessen den sofortigen Vollzug der Maßnahme verlangen, muss der Vollzug ausgesetzt werden (vgl. Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, StVollzG, P Rn. 60).

In der Anordnung der Aussetzung des Vollzugs liegt auch keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache, vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. Januar 2015 – 2 BvR 1856/13 –, juris.

Mit diesem Aussetzungsantrag kannst du die Durchführung einer Maßnahme gegen dich verhindern. Willst du aber erreichen, dass die Anstalt etwas für dich macht, was du sehr dringend brauchst, also z. B. einen Besuch bei einer Ärztin zulässt, dann musst du den Erlass einer einstweiligen Anordnung“ beantragen. Wenn dir also durch Verweigerung einer beantragten Maßnahme nicht wiedergutzumachende Schäden drohen, schreibst du z. B.:

Ich beantrage gemäß § 114 Abs. 2 StVollzG i. V. m. § 123 Abs. 1 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung), der JVA xy einstweilen aufzugeben, den Besuch der Ärztin (Name, Adresse) bei mir in der JVA sofort zu ermöglichen.

Begründung:

Durch die Verweigerung der notwendigen ärztlichen Behandlung drohen mir gesundheitliche Schäden, die später nicht mehr rückgängig zu machen sind (am besten genauer ausführen). Damit sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erfüllt (vgl. Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, StVollzG P Rn. 63; Kamann/Spaniol in AK § 114 Rn. 6).


Wenn das Gericht deinem Antrag zustimmt, so muss die Anstalt sofort so handeln, wie du es beantragt hast. Das Gericht kann allerdings seine Entscheidung jederzeit ändern oder aufheben. Die Entscheidung des Gerichts ist nicht anfechtbar, du kannst also keine Beschwerde dagegen einlegen. Wichtig: Damit das Gericht deinen Antrag auch wirklich „eilig“ bearbeitet, solltest du sowohl auf den Antrag als auch auf den Briefumschlag dick EILANTRAG“ draufschreiben.

Wenn die Anstalt auf deinen Antrag bzw. Beschwerde nicht reagiert

Wenn du, drei Monate nachdem du einen Antrag an die Anstaltsleitung eingereicht hast, von der Anstaltsleitung überhaupt noch keinen (schriftlichen oder mündlichen) Bescheid hast, gibt es für dich folgende Möglichkeit: Du stellst einen Vornahme- und Verpflichtungsantrag nach § 113 StVollzG an die zuständige Strafvollstreckungskammer, indem du verlangst, dass die Anstalt endlich eine Entscheidung über deinen Antrag treffen soll (z. B. innerhalb von zwei Wochen). Gleichzeitig beantragst du, dass die Anstalt verpflichtet wird, eine Entscheidung in deinem Sinn zu treffen. Ein derartiger Vornahme- und Verpflichtungsantrag kann so aussehen:

Name

Datum

zz. JVA ...

Adresse

An das

Landgericht ...

Strafvollstreckungskammer

Adresse

Antrag von ... (Name) in der JVA ...

gegen

die Leiterin der JVA ...


auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 109 ff. StVoIlzG

Ich beantrage,

1. mir die Beschaffung und Benutzung einer Schreibmaschine auf eigene Kosten zu gestatten,

2. die Anstalt zu verpflichten, den unten ausgeführten Antrag der Antragstellerin binnen zwei Wochen zu bescheiden bzw. Stellung zu nehmen,

3. die Anstalt anzuweisen, nach der Rechtsauffassung des Gerichts zu verfahren.

Es wird gebeten, vorab die Geschäftsnummer dieses Antrages mitzuteilen und alle Schreiben der Antragsgegnerin der Antragstellerin zur Gewährung rechtlichen Gehörs zuzusenden. Begründung: Am ... (Datum deines ursprünglichen Antrags) stellte ich einen Antrag auf eine eigene Schreibmaschine. Diesen Antrag hat die Anstaltsleitung der JVA ... bisher nicht beschieden. Hinderungsgründe auf Seiten der Anstalt gegen eine Entscheidung in dieser Sache sind nicht zu erkennen. Das Unterlassen der Entscheidung über meinen o. a. Antrag verletzt mich in meinen Rechten aus § 52 Abs. 1 StVollzG NRW und Art. 5 Abs. 1 GG. Hier musst du nun die Gründe anführen, warum du eine Schreibmaschine oder Ähnliches haben willst, wobei du dieselben Gründe wie bei dem Antrag an die Anstalt nennen kannst. Folgender Zusatz ist noch sinnvoll: Da nunmehr über drei Monate ohne Entscheidung der Anstalt zu meinem Antrag auf eine eigene Schreibmaschine verstrichen sind, ist mir ein weiteres Warten auf eine Entscheidung der Anstaltsleitung in der o. a. Sache nicht mehr zuzumuten.

Unterschrift

Unter besonderen Umständen kannst du aber auch schon vor Ablauf der drei Monate einen solchen Antrag stellen. Dies zum einen bei einfachen Sachverhalten, wo du in den Gründen Folgendes anführen kannst:

Bei den von mir beantragten Gegenständen handelt es sich um einfache Sachverhalte, über die spätestens innerhalb einer Frist von 14 Tagen entschieden werden konnte. Ein weiteres Warten auf eine Entscheidung der Anstalt ist mir diesbezüglich nicht mehr zuzumuten.

Zum anderen ist eine Ausnahme von der 3-Monats-Frist dann gegeben, wenn eine frühere Anrufung des Gerichts wegen deiner besonderen Situation notwendig ist, wenn du z. B. die beantragten Gegenstände dringend benötigst. Du schreibst dann in den Gründen:

Soweit die 3-Monats-Frist noch nicht erreicht sein sollte, greift die Bestimmung des § 113 Abs. 1 letzter Halbsatz StVollzG.

Hier führst du die besonderen Gründe auf, wobei du die Begründung aus deinen Anträgen an die Anstaltsleitung übernehmen kannst.

Noch ein abschließender Hinweis: Neben dem „ordentlichen“ Rechts­weg, den wir gerade beschrieben haben, kannst du jederzeit auch Dienstaufsichtsbeschwerden, Strafanzeigen und Petitionen schreiben. Unter dem Titel „Allgemeine Rechtsmittel“, findest du in Kapitel 25 Allgemeine Rechtsmittel hierzu Näheres.

24.2. Musterbegründungen für Anträge und Beschwerden

Das Arbeiten mit den folgenden Musterbegründungen ist nicht einfach: Wir haben einige allgemeine Begründungen ausgesucht, die man bei immer wieder auftretenden Problemen anwenden kann. Dein Problem ist aber auch immer ein besonderes. Hinzu kommen die Regelungen deiner Anstalt, die Strafe, wegen der du sitzt, dein Ansehen dort, Besonderheiten der Situation, in der du rechtlich vorgehen willst. All das ist in den Mustern nicht erfasst. Sie können daher nur Hilfsmittel sein, das juristisch zu begründen, was du erreichen willst. Ihr Wert ist nur die Anerkennung, die die Juristinnen ihrem eigenen Zeugs geben. Für dich haben sie nur Wert, wenn du sie einigermaßen richtig anwendest. Entscheidend ist daher zunächst, dass du immer möglichst genau mit deinen eigenen Worten sagst, was du willst und wogegen du dich wendest. Wenn dazu eine Musterbegründung passt – umso besser. Wenn eine nicht so ganz passt, versuch sie auf dein Problem hin umzuformulieren. Wenn das nicht geht, lass die juristischen Sachen lieber weg. Wichtig ist aber, dass du das Strafvollzugsgesetz deines Bundeslandes mit den Verwaltungsvorschriften zur Hand hast, mit dem du argumentieren kannst. Und noch etwas: Schreibt nur eine einen Antrag, so fällt es der Anstalt nicht schwer, diesen abzulehnen. Machen dies aber viele und immer wieder, so werden die Beamtinnen vielleicht mürbe, weil es ihnen zu viel Arbeit macht, und sie geben nach. Wenn du dich auf juristische Argumentationen einlässt, wie wir in den folgenden Musterbegründungen, musst du dir im Klaren sein, dass die ganze Juristerei, von ihren Folgen abgesehen, was sehr Lächerliches ist. Das Auffälligste an juristischen Texten ist, dass andauernd zitiert wird, und zwar aus den Urteilen und Kommentaren, also letztlich aus dem, was andere Juristinnen geschrieben haben. Andere Wissenschaften belegen mit Fakten oder Statistiken, die Juristinnen, wie dies im Mittelalter in allen Wissenschaften üblich war, mit Zitaten. Da viele Juristinnen vieles gesagt haben, kannst du immer irgendwo eine Stelle finden, wo jemand gesagt hat, dass das, was du gerade brauchst, dir auch zusteht. So sind wir auch in den Mustern vorgegangen. Wenn du also irgendwas aus diesen zitierst, sei dir im Klaren, dass es auch genug andere Aussagen anderer Juristinnen gibt, die dem widersprechen. Begründet eine Juristin überhaupt, warum sie sich für diese und nicht für jene Meinung entschieden hat, tut sie dies meist mit an den Haaren herbeigezogenen, beliebig austauschbaren Argumenten oder stellt fest, dies sei „herrschende Meinung“ (abgekürzt h. M.). Die „herrschende Meinung“ braucht unter Juristinnen nicht näher begründet zu werden. Dementsprechend ist die unlogische Aussage eines hohen Gerichts im Allgemeinen mehr wert als die logische eines niedrigen. Eine gute juristische Begründung ist also keineswegs eine Versicherung, Recht zu bekommen, aber hier und da soll’s schon mal genützt haben; zumindest macht’s der Richterin mehr Arbeit. Ein Problem beim Zitieren ist, dass du dich meist auf reformerische Autorinnen berufen musst, die zwar liberalisieren, gleichzeitig aber auch den Knastbetrieb aufrechterhalten, oft genug sogar „effektivieren“ wollen. Das Programm dieser Reformerinnen ist: statt offener Repression „Sicherheitsmaßnahmen“, die die Gefangene nicht spürt, solange sie spurt. In den Musterentwürfen haben wir versucht, diese Reformatorinnen (z. B. Laubenthal, Nestler, Neubacher, Verrel und vor allem den Alternativkommentar) so einzubauen, dass die moderneren und besseren Sicherheitsmaßnahmen, die sie im Kopf haben, nicht gleich mit beantragt werden.

Bevor wir zu den Musterbegründungen für eine Reihe von besonderen Problemen kommen, zunächst noch ein paar wichtige allgemeine Hinweise zum Argumentieren, die man bei allem, was man beantragt (oder wogegen man sich beschwert) beachten sollte: Wie in der U-Haft wirst du auch in der Strafhaft ständig den bekannten alles- und nichtssagenden Floskeln begegnen, mit denen dir alles verboten und nichts erlaubt wird.

Die „Sicherheit und Ordnung“ in der Anstalt

Hier wird man fast immer entgegnen können, dass eine allgemein behauptete Gefährdung von Sicherheit und Ordnung nie ausreichen kann, irgendetwas zu verbieten oder anzuordnen. Solange die Anstaltsleitung keine konkreten Gründe für ihre Befürchtung vorbringen kann, ist die Maßnahme rechtswidrig (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.10.2006, 2 BvR 30/06). Nennt die Anstalt tatsächlich konkrete Gründe, so musst du in deiner Entgegnung versuchen, unwahre Behauptungen und Beschuldigungen zu widerlegen. Aber selbst wenn einmal die Sorge um Sicherheit und Ordnung „berechtigt“ wäre, so dürfte die Maßnahme oder das Verbot nicht „unverhältnismäßig“ sein.

Man baut seine Beschwerde oder den Antrag auf gerichtliche Entscheidung dann also folgendermaßen auf, indem man ausführt,

Dabei ist es immer sinnvoll, Verstöße gegen eine Vorschrift aus dem Strafvollzugsgesetz des jeweiligen Bundeslandes sowie Grund- und Menschenrechtsverletzungen als Folge der Maßnahme der Anstalt zu benennen. In Kapitel 23 Die Rechtsmittel in der U-Haft sind wir bereits etwas ausführlicher darauf eingegangen, wie man mit dem Argument der „Sicherheit und Ordnung“ umgehen kann. Das dort Gesagte gilt weitgehend auch für die Strafhaft.

Das „Vollzugsziel“

Anders als in der U-Haft, wo es nur um die Sicherung des Strafverfahrens geht und du noch als unschuldig betrachtet werden musst, sollen nach dem Gesetz in der Strafhaft etwa in NRW „Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen“ (§ 1 StVollzG NRW – andere Länder weichen teilweise davon ab; so wird etwa in Bayern zuerst der Schutz der Allgemeinheit vor Straftaten genannt, dann erst folgt der „Behandlungsauftrag“ des Lebens ohne Straftaten). Dieser „Behandlungsauftrag“ klingt erst einmal sehr „fürsorglich“, bedeutet aber letztendlich, dass du nicht nur gefangen gehalten, sondern auch noch nach deren Vorstellungen „erzogen“ werden sollst. Die Anstalt maßt sich an zu entscheiden, was angeblich „das Beste für dich“ sein soll. Wenn du dich überhaupt darauf einlassen willst, mit dem „Vollzugsziel“, dem Anspruch auf „Resozialisierung“ zu argumentieren, so ist es sinnvoll, bei Anträgen oder Rechtsmitteln immer mit Aus- und Weiterbildungsinteressen, Erhaltung von Kontakten nach draußen, Informationsbeschaffung, um den Anschluss nicht zu verlieren, usw. zu argumentieren.

Ein weiterer Grundsatz, den du immer gut zur Argumentation verwenden kannst, z. B. wenn es um überteuerte Telefonanbieter geht, ist der sogenannte „Angleichungsgrundsatz“. Danach soll das Leben im Knast möglichst dem Leben draußen angeglichen werden, wenn nicht der Knast eine Besonderheit erfordert. Schreibe, dass die dauernden Beschränkungen, Verbote, Disziplinarmaßnahmen nicht gerade geeignet sind, um dich auf die „Freiheit“ vorzubereiten.

Überblick zu den Musterbegründungen:

Zu diesen Sachen/Problemen kannst du auf den folgenden Seiten Muster­begründungen finden.

Wir wollen aber mit dieser etwas abschreckenden Liste keine falsche Angst bei dir erwecken; oft werden dir Gegenstände ganz unproblematisch genehmigt werden, ohne dass du direkt einen Antrag an ein Gericht stellen musst. Die folgenden Begründungen sind also nur für die Fälle gedacht, in denen sich die Anstalt weigert, dir den Gegenstand zu genehmigen, auf den du ein Recht hast. Du kannst die Begründungen für alle Rechtsmittel verwenden, auch wenn sie oft für §109er-Anträge formuliert sind.

1. Gegenstände, allgemeine Argumentation

2. Schreibmaterialien

3. Ausstattung des Haftraumes

4. Fernseher

5. Radio

6. Schallplattenspieler

7. Walkman

8. Kassettenrekorder

9. Tischlampe

10. Kochplatte, Tauchsieder

11. Geschirrspülmittel, Seife, Zahncreme usw.

12. Briefe

13. Zeitungen, Zeitschriften

14. Bücher

15. Pakete

16. Besuche

17. Einkauf, Geld

18. Verpflegung

19. Aufschluss

20. Isolierende Maßnahmen

21. Urlaub

22. Lockerungen

23. Verlegung in eine andere Anstalt

24. Selbstbeschäftigung

25. Kleidung, Wäsche

26. Telefon

27. Arbeitspflicht

28. Vorzeitige Entlassung

29. Antrag für Gefangene ohne deutschen Pass auf vorzeitige Abschiebung

(vor vollständiger Verbüßung der Haftstrafe in der BRD)

1. Gegenstände, allgemeine Argumentation

Zunächst eine allgemeine Argumentation, die du für jeden Antrag benutzen kannst:

Die Genehmigung eines Gegenstandes setzt nicht voraus, dass ich daran ein besonderes Bedürfnis vorweise. Die Versagung der Genehmigung ist daher unzulässig, da sie nicht erforderlich ist, um eine reale Gefahr abzuwehren, und im Übrigen gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Übermaß- und Schikaneverbot verstößt (§ 74 StVollzG NRW).

Häufig argumentieren die Anstalten damit, dass du schon so viele Sachen auf deiner Zelle hättest und es nicht einsichtig sei, warum du noch mehr brauchst. Oder damit, dass die Zelle zu unübersichtlich würde. Begründe dann, dass deine Zelle sehr wohl noch zu überblicken ist und dass dieser Gesichtspunkt nicht alleiniger Maßstab deines Lebens in der Anstalt sein darf.

Im Übrigen:

Genehmigungen zur Überlassung eigener Habe (§ 15 Abs. 2 Satz 2 StVollzG NRW) sollen großzügig erteilt werden. Der Anspruch auf Benutzung eigener Ausstattungsgegenstände wird nicht durch § 15 Abs. 2 Satz 3 eingeschränkt. Der Gesichtspunkt der Angemessenheit nach § 15 bemisst sich danach, was einer Gefangenen zur menschenwürdigen Gestaltung ihrer Privatsphäre zukommen muss, aber auch danach, was ihr von den räumlichen Gegebenheiten der JVA zugestanden werden kann (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, StVollzG D Rn. 59).

Bei den – auch die beispielhaft aufgezählte Übersichtlichkeit des Haftraumes mitumfassenden – Begriffen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt sind die Abwehr von konkreten Gefahren für Personen oder Sachen in der Anstalt und die Sicherung der Haft bezweckt (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, StVollzG D Rn. 67).

Solche konkreten Gefahren für Personen und Sachen sind vorliegend durch die Benutzung meiner privaten Bettwäsche (oder was auch immer du haben willst) nicht ersichtlich, vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03. April 2001 – 3 Ws 33/01 –, juris.

Selbst wenn eine Gefahr bestehen sollte, besteht jedoch die Möglichkeit, dieser Gefahr entgegenzuwirken. Der Besitz kann nur dann versagt werden, wenn die Gefahr nur mit einem der Anstalt nicht mehr zumutbaren Kontrollaufwand ausgeschlossen werden kann, LG Halle (Saale), Beschluss vom 07. März 2012 – 11 StVK 178/11 –, juris.

Ein solcher unzumutbarer Kontrollaufwand besteht hier nicht.

Insofern ist die Ablehnung meines Antrages vom ... durch die Anstalt / der Beschluss der Anstalt, den Gegenstand ... zur Habe zu nehmen, rechtswi­drig, vgl. OLG Karlsruhe a. a. O.

Nochmal allgemein zu Gegenständen in deinem Haftraum: In immer mehr Knästen wird die sogenannte REFA-Zeitwertliste angewandt. Auf dieser sind alle möglichen Gegenstände aufgelistet und mit einer Punktzahl angegeben, die beschreiben soll, wie viel Zeitaufwand es für die Schließerinnen bedeutet, diesen Gegenstand zu kontrollieren. Du darfst dann so viele Gegenstände auf deiner Zelle haben, bis du 2.400 Punkte erreicht hast – das bedeutet zwei Stunden Kontrollaufwand für deinen Haftraum. Alles Weitere wird dir dann nur genehmigt, wenn du andere Sachen dafür wieder rausschmeißt. Man kann von dieser Liste halten, was man will. Das Gute daran ist, dass alle die Gegenstände, die auf der Liste sind, grundsätzlich genehmigt werden müssen, solange du die 2.400 Punkte nicht überschreitest. Darauf kannst du dich auch dann berufen, wenn dein Knast diese Liste nicht benutzt. Wir haben dir daher ganz unten eine REFA-Liste angehängt. Damit kannst du argumentieren, dass in allen Knästen, die die Liste benutzen, der bestimmte Gegenstand genehmigt wird und dass auch du ihn daher bekommen musst. Vgl. OLG Koblenz ZfStrVo 2004, 311.

Gegenstände der Fortbildung und Freizeitbeschäftigung

Wenn es um Bücher, Bastelmaterial, Schreibmaterial, Pflanzen, Blumen usw. geht, kannst du dich auf das Strafvollzugsgesetz des Bundeslandes, in dem du sitzt, berufen:

§ 52 StVollzG NRW (z. B.) gewährt mir außerdem das Recht zum Besitz von Gegenständen, die der Fortbildung oder der Freizeitbeschäftigung dienen. Die Auswahl der Gegenstände ist in mein Belieben gestellt.

Normalerweise musst du diese Sachen auf eigene Kosten anschaffen. Kostenlos kannst du jedoch mindestens Schreibmaterial von der Anstalt verlangen, wenn du dafür kein Geld hast:

Aus der Pflicht der Anstalt, meinen Verkehr mit Personen außerhalb der Anstalt zu fördern (§ 21 Satz 2 StVollzG NRW), ergibt sich auch die Verpflichtung, finanzielle Barrieren für mich in angemessenem Umfang abzubauen (siehe Boetticher in: AK § 28 Rn. 12). Insbesondere das nötige Schreibmaterial ist mir von der Anstalt zu stellen.

Hast du selbst Briefpapier mitgebracht oder ist dir welches zugesandt worden, kannst du verlangen, dass es dir nach Prüfung durch die Anstalt ausgehändigt wird. Die Verweigerung des Papiers muss von der Anstaltsleitung begründet werden.

2. Schreibmaterialien

Während sich allgemein die Meinung durchgesetzt hat, dass mechanische Schreibmaschinen zur notwendigen Ausrüstung einer jeden Gefangenen gehören, gibt es Schwierigkeiten mit der Bewilligung elektrischer und elektronischer Schreibmaschinen. Argumentiert wird seitens der Behörden, es sei leicht, in ihnen etwas zu verstecken, und diesbezügliche Kontrollen seien im Gegensatz zu mechanischen Geräten zu aufwendig. Dies allerdings darf die Anstalt nicht einfach allgemein als Grund für eine Ablehnung vorbringen. Sie muss sich konkret mit der angeblich erhöhten Schwierigkeit der Sicherheitskontrolle der von dir beantragten Schreibmaschine auseinandersetzen (OLG Frankfurt v. 6.2.1985, 3 Ws 125/85). Wenn die Anstalt dennoch mit einer Sicherheitsgefährdung argumentiert, kannst du hilfsweise eine Verplombung des Geräts beantragen (vgl. Baumann, Strafverteidiger 1985, S. 294). Schließlich ist wegen des Grundsatzes der sozialen Gleichbehandlung von Gefangenen in der Anstalt auch noch von Bedeutung, ob andere Gefangene solche Schreibmaschinen haben, ob also elektrische oder elektronische Schreibmaschinen als „anstaltsüblich“ anzusehen sind (OLG Frankfurt v. 6.2.1985, 3 Ws 125/85). Grundsätzlich ist es Aufgabe der Anstalt, dafür zu sorgen, dass ich als Gefangene Zugang zu Freizeitgegenständen, wozu auch Schreibmaterial gehört, erhalte (vgl. Boetticher in: AK § 70 Rn. 9).

Das Schreibmaterial hat die Anstalt zu stellen, jedoch kann ich mir durch Vermittlung der Anstalt auch eigenes Briefpapier kaufen. Eingebrachtes oder das von mir eingebrachte (mir zugesandte) Briefpapier, das die Anstalt zur Habe genommen hat, muss mir nach Prüfung ausgehändigt werden, (vgl. Boetticher in AK, § 28 Rn. 12 am Ende).

Die Verweigerung des Papiers muss von der AL begründet werden. Wenn du keine Arbeit hast („schuldlos“) und daher kein Geld und auch sonst keine „Geldquellen“:

Aus der Förderungspflicht in § 21 Satz 2 StVollzG NRW ergibt sich für die Anstalt auch die Verpflichtung, finanzielle Barrieren für mich in angemessenem Umfang abzubauen (siehe Boetticher in: AK § 28 Rn. 12). Da ich die Kosten nicht selbst aufbringen kann, muss die Anstalt die Kosten übernehmen (siehe auch VVStVollzG Nr. 2 zu § 28).

In jedem Fall sind dringende Briefe an Behörden und Gerichte von der Anstalt zu finanzieren (Boetticher in AK § 28 Rn. 12).

3. Ausstattung des Haftraumes

Du hast das Recht, deinen Haftraum „in angemessenem Umfang“ mit eigenen Sachen auszustatten (§ 15 Abs. 2 Satz 1 StVollzG NRW). Es ist anerkannt, dass dazu nicht nur Einrichtungsgegenstände und Dekorationsobjekte, sondern auch elektrische Geräte und Küchenutensilien gehören. Dem Recht auf Ausstattung des Haftraumes muss auch „ein Anspruch auf Einkauf zulässiger Ausstattungsgegenstände entsprechen“. Häufig argumentieren die Anstalten damit, dass du die Sachen gar nicht benötigst, oder damit, dass du schon so viele Sachen auf deiner Zelle hättest und diese zu unübersichtlich würde. Begründe dann, dass dieser Gesichtspunkt nicht alleiniger Maßstab deines Lebens in der Anstalt sein darf und dass deine Zelle sehr wohl noch zu überblicken ist.

Im Hinblick auf die unbestimmten Rechtsbegriffe „Angemessenheit“ und „Übersichtlichkeit“ wird zunehmend ein ursprünglich in Rheinland-Pfalz entwickeltes und dort mittlerweile in allen Knästen (außer den Jugendstrafanstalten) angewandtes Modell verwendet: Für jeden Gegenstand wurde der notwendige Zeitaufwand für eine sorgfältige Kontrolle festgestellt, in Punkte umgerechnet und damit standardisiert (sogenannte „REFA-Haftraumkontrolle“).

Ist ein Gegenstand in die Formularliste zur „REFA-Haftraumkontrolle“ aufgenommen, hast du grundsätzlich einen Anspruch auf Erwerb des Gegenstandes, sofern – ggf. durch Herausgabe sonstiger Gegenstände – der Gesamtkontrollaufwand von 2.400 Punkten nicht überschritten wird.

Im Übrigen:

Die Übersichtlichkeit des Haftraumes ist nur ein Beispiel für die Sicherheit und Ordnung.

Bei den – auch die beispielhaft aufgezählte Übersichtlichkeit des Haftraumes mit umfassenden – Begriffen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt sind die Abwehr von konkreten Gefahren für Personen oder Sachen in der Anstalt und die Sicherung der Haft bezweckt (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, StVollzG D Rn. 67).

Solche konkreten Gefahren für Personen und Sachen sind vorliegend durch einen Wasserkocher in meinem Haftraum (oder was auch immer du haben willst) nicht ersichtlich, vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03. April 2001 – 3 Ws 33/01 –, juris.

Selbst wenn eine Gefahr bestehen sollte, besteht jedoch die Möglichkeit, dieser Gefahr entgegenzuwirken. Der Besitz kann nur dann versagt werden, wenn die Gefahr nur mit einem der Anstalt nicht mehr zumutbarem Kontrollaufwand ausgeschlossen werden kann, LG Halle (Saale), Beschluss vom 07. März 2012 – 11 StVK 178/11 –, juris.

Ein solcher unzumutbarer Kontrollaufwand besteht hier nicht.

Insofern ist die Ablehnung meines Antrags vom … durch die Anstalt / der Beschluss der Anstalt, den Gegenstand … zur Habe zu nehmen, rechtswidrig.

Elektrogeräte

Wenn eine Steckdose in der Zelle ist (mittlerweile fast überall), so solltest du Geräte mit Netzanschluss beantragen, so sparst du viel Geld für Batterien. Ein Batteriegerät kann dir dann immer noch genehmigt werden. Es liegt im Ermessen der Anstalt, die Stromzufuhr nachts zu sperren. Sie muss bei so einer Entscheidung aber immer einerseits dein Interesse sowie den Grundsatz, dass das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit wie möglich angeglichen werden soll (§ 2 Abs. 1 StVollzG NRW), andererseits eventuelle Gefahren für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt berücksichtigen. Zusätzlich legen die neuen Gesetze fest, dass Gefangene in angemessenem Umfang an den Stromkosten, die durch die Nutzung elektrischer Geräte entstehen, beteiligt werden können, was einigermaßen unsinnig ist, da die meisten Gefangenen sowieso schon ziemlich mittellos sind. Rechtsprechung hierzu gibt es, soweit ersichtlich, noch nicht. Will der Knast von dir Stromkosten erheben, versuche ruhig dagegen vorzugehen.Rundfunkgebühren musst du nicht bezahlen, weil Hafträume keine Wohnräume sind.

4. Fernseher

Zunächst eine allgemeine Argumentation, die du für jeden Antrag benutzen kannst: Nach der Lehre und nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG räumt das Grundrecht der Informationsfreiheit aus Art. 1 GG gerade auch das Recht auf freie Wahl der allgemein zugänglichen Informationsquellen ein. Es ist unstreitig, dass auch der Fernseher zu den allgemein zugänglichen Informationsquellen gehört, aus denen sich nach Art. 5 Abs. 1 GG jede, also auch du als Gefangene, ungehindert unterrichten darf. Wenn du nicht mit einem Ausbildungsinteresse argumentieren kannst, wird sich die Anstalt regelmäßig darauf berufen, dass deine Informationsfreiheit durch die Zulassung von Zeitschriften und Zeitungen sowie durch ein Informationsangebot der Anstalt ausreichend gewährleistet sei. Dagegen argumentiere:

Ich habe einen Anspruch auf die Benutzung eines eigenen Fernsehers, Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Juli 2011 – 1 Ws 70/11 –, juris.

Dieser ergibt sich aus § 51 Abs. 2 StVollzG NRW. Dem steht auch nicht die Sicherheit und Ordnung der Anstalt entgegen. Die Vorschrift ist abschließend, so dass weitere Gründe nicht berücksichtigt werden können. Eine unverhältnismäßige Überprüfung kann bei einem Fernseher nicht vorliegen. Die Gesamtheit der übrigen in der Anstalt vorhandenen Informationsquellen kann die Programmlücken des gemeinschaftlichen Fernsehens nicht ausgleichen. Programmlücken sind insbesondere dadurch gegeben, dass im gemeinschaftlichen Fernsehempfang der JVA ... keine oder nur selten Informationssendungen gezeigt werden, sondern nur Tagesschau und Spielfilme. Auch wenn Tageszeitungen politische und kulturelle Information liefern, sind sie kein Ersatz für das Fernsehen mit seiner aktuellen und vor Ort stattfindenden Berichterstattung mit allen ihren visuellen Eindrücken, die unerlässlich sind, um sich im 21. Jahrhundert qualifizierte Informationen zu verschaffen und ein eigenes Urteil zu bilden.

Besondere Argumentationen:

Es ist mir durch den frühen Nachteinschluss nicht möglich, mein Informationsinteresse durch die Teilnahme am Gemeinschaftsfernsehen genügend zu befriedigen. Ich beantrage daher eine Verlängerung des Gemeinschaftsfernsehens. Für den Fall, dass die Zeit für das Gemeinschaftsfernsehen aus vollzugsorganisatorischen Gründen nicht verlängert werden kann, beantrage ich hilfsweise, mir Einzelfernsehen zu gestatten.

Ich befinde mich in Einzelhaft und kann daher am Gemeinschaftsfernsehen nicht teilnehmen (OLG Frankfurt NStZ 1982, 350; KG v. 19.10.1981 – 2 Ws 141/81 Vollz; Schwind/Böhm § 69 Rz.7).

Ich nehme an einem allgemeinbildenden (Hauptschulabschluss usw.), berufsbildenden Unterricht teil, nämlich der Ausbildung ... Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 StVollzG NRW muss mir schon deswegen ein eigener Fernseher genehmigt werden, weil dieser eine bessere Ausbildung gewährleistet. In meinem Fall ist eine bessere Ausbildung durch die Sendungen ... und dadurch gewährleistet, dass ich für die Fächer Politik und Gesellschaftskunde weitere Informationen aus dem Fernseher beziehen kann. Mein Recht auf einen eigenen Fernseher ergibt sich im Übrigen auch aus § 51 Abs. 2 StVollzG NRW.

Im Zusammenhang mit der folgenden Argumentation solltest du beantragen, einen Fernkurs in Sprachen, Physik usw. machen zu können, zu dem es Fernsehkurse gibt:

Ich beabsichtige, in meiner Freizeit an einem Fortbildungskursus über ... teilzunehmen (vgl. § 30 Abs. 1 StVollzG NRW). Inhalte dieses Kurses werden nur durch die Teilnahme an der Fernsehsendung ... vermittelt. Da mir bestimmte Bildungsinhalte nur durch den Fernseher und nicht anders vermittelt werden können, muss mir der Fernseher genehmigt werden.

Ich kann infolge von Krankheit/Gebrechlichkeit nicht am Gemeinschaftsfernsehen teilnehmen (OLG Hamm v. 13.1.1986 1 Vollz Ws 251/85; LG Krefeld v. 26.11.1985 – 33 VollzG 11/85). Ich leide insbesondere an Durchblutungsstörungen und habe daher Anspruch auf Zulassung eines Einzelfernsehers (OLG Celle v. 13.2.1985 – 3 Ws 43/85 Vollz). Oder: Ich leide an Sehschwäche oder Schwerhörigkeit und habe daher Anspruch auf Zulassung eines Einzelfernsehers (OLG Frankfurt v. 17.2.1979 – 16 Vollz 18/79).

Falls die Anstalt mit „Sicherheit und Ordnung“ argumentiert:

Es ist seit Jahren in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Aushändigung eines eigenen batteriebetriebenen Fernsehers an Gefangene im Strafvollzug nicht die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdet, OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.07.2006 – 3 Ws 539, 540/06.

Es bleibt natürlich das Problem, wie du die Anschaffung des Fernsehers finanzierst, wenn du niemanden draußen hast.

4a. Multifunktionsgeräte

Wenn du die Kohle hast, dir einen neueren Fernseher leisten oder anmieten zu können, der über eine Internetfunktion verfügt, der Knast dir den aber nicht genehmigt, kannst du mit einem Urteil aus Sachsen-Anhalt argumentieren:

Hörfunk- und Fernsehgeräte i. S. d. § 51 StVollzG NRW sind auch solche Geräte, die über Zusatzfunktionen wie Internetbrowser oder Schnittstellen zur Datenübertragung verfügen, Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Juli 2011 – 1 Ws 70/11 –, juris.

Die technologische Entwicklung bei Fernsehgeräten hat dazu geführt, dass diese nicht mehr nur zur Bild- bzw. Programmwiedergabe dienen, sondern darüber hinaus auch durch zusätzlich integrierte Geräte, etwa einen CD/DVD-Rekorder, integrierten Satellitenempfänger, Internetbrowser oder durch vorhandene Schnittstellen zur Datenübertragung, über die Bildwiedergabe hinaus weitere Funktionen aufweisen, OLG Sachsen-Anhalt a. a. O.

Aufgrund der oben genannten in Fernsehgeräten integrierten Technologien könnte dies aber zu einem Verlust des Ausnahmecharakters des § 15 Abs. 2 StVollzG NRW und zu einer Aushebelung des Anspruches nach § 51 Abs. 2 StVollzG führen, zumal immer weniger Fernsehgeräte nur der Bildwiedergabe dienen. Auch die sich aus den technischen Möglichkeiten ergebenden abstrakten Missbrauchsgefahren können deshalb entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht zu einem generellen Verbot solcher Multifunktionsgeräte führen. Auch bei diesen ist vielmehr eine Einzelfallprüfung erforderlich, die sich neben der Beschaffenheit des Gerätes und dem Sicherheitsgrad der Justizvollzugsanstalt auch an den konkreten örtlichen Gegebenheiten und den persönlichen Verhältnissen der Strafgefangenen zu orientieren hat, OLG Sachsen-Anhalt a. a. O.

Insoweit ist auch der Angleichungsgrundsatz des § 2 Abs. 1 StVollzG NRW zu beachten, so dass auch die Sicherungsmaßnahmen den neuen Technologien, soweit dies möglich ist, angepasst werden müssen. Auch die Zumutbarkeit der Kontroll- und Sicherheitsvorkehrungen der Justizvollzugsanstalt unterliegt deshalb einer Entwicklung, OLG Sachsen-Anhalt a. a. O.

4b. Playstation und andere Konsolen

In vielen Knästen ist es dir erlaubt, eine ältere Konsole auf dem Haftraum zu haben.

Sollte dein Knast das nicht erlauben, kannst du das folgende Urteil zitieren:

Besitz und Betrieb einer „Sony Playstation I“ führen weder zu einer unangemessenen Belegung des Haftraums noch zu einer Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt. Auch der Integrationsgrundsatz steht dem Betrieb dieses Telespielgeräts nicht entgegen, OLG Nürnberg NStZ-RR 2002, 191.

Neuere Konsolen mit Speichermöglichkeiten, wie die Playstation II, werden oft versagt, weil man ja alles Mögliche raubkopieren könnte und damit Sicherheit und Ordnung gefährdet werden. Versuche mit folgender Argumentation zu deinem Recht zu kommen:

Gefangenen ist im angemessenen Umfang der Besitz von Gegenständen zur Freizeitbeschäftigung gestattet (§ 52 Abs. 1 StVollzG NRW). Hierzu zählt auch der Besitz einer Spielekonsole wie der X-Box 360, LG Hildesheim, Beschluss vom 04.05.2006 – 23 StVK 45/06, NStZ-RR 2006, 389.

Wegen der bloßen Möglichkeit des nach § 106 UrhG strafbaren „Rippens“ von Musik kann der Besitz nicht nach § 15 Abs. 2 StVollzG NRW versagt werden. Eine solche Möglichkeit kann nur in den Fällen, in der jede Art der Benutzung eines Gegenstands strafbar ist und nicht nur eine Möglichkeit der Benutzung, eine konkrete Gefahr darstellen (vgl. AK-Boetticher § 70 StVollzG Rn. 24).

Ich bin bereit, die vorhandenen USB-Ports unbrauchbar zu machen. Auch auf die Festplatte bin ich nicht angewiesen (vgl. Boetticher in AK, § 70 Rn. 21).

Schließlich erfordert auch die abnehmbare Frontplatte keinen unverhältnismäßigen Überprüfungsaufwand, denn diese kann mit einfachen Mitteln fest fixiert werden.

4c. Computer, Laptops

Computer und Laptops sind in Strafhaft grundsätzlich verboten; eine Ausnahme besteht, wenn du ihn für dein Studium oder deine Ausbildung brauchst.

4d. DVD-Player

DVD-Player müssen dir in der Regel erlaubt werden, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte dagegen sprechen.

Wird dir ein DVD-Player verweigert, argumentiere mit diesen Urteilen:

Von einem DVD-Abspielgerät, das nicht über eine Aufzeichnungs- und Speicherfunktion verfügt, und den für solche Geräte verwendbaren Datenträgern (DVDs) geht nicht schon generell-abstrakt eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt aus, der mit den im Rahmen einer ordnungsgemäßen Aufsicht anzuwendenden Kontrollmitteln der Anstalt nicht wirksam begegnet werden könnte, KG Berlin, Beschluss vom 22. 8. 2005 – 5 Ws 283/05 Vollz, NStZ-RR 2006, 61.

Daher lässt sich unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine Versagung der Nutzung allein unter Hinweis auf die dem Gerät als solchem innewohnende Gefährlichkeit nicht rechtfertigen, KG a. a. O., so auch OLG Frankfurt a. M., NStZ-RR 2005, Seite 191 und OLG Koblenz, Beschl. v. 21. 2. 2002 – 2 WS 1156/01.

Eine konkrete, von meiner Person ausgehende Gefahr ist weder von der Anstalt vorgetragen worden noch ersichtlich.

Pornographische DVDs oder welche mit FSK-18 dürfen dir aber verweigert werden.

5. Radio

Du kannst die allgemeine Argumentation über Informationsfreiheit von der Musterbegründung zum Fernseher auch für das Radio übernehmen. Nur den Begriff Fernseher durch Radio ersetzen. Haben schon andere Gefangene in der Anstalt Radios, kannst du damit argumentieren, dass bei einer Nichtgenehmigung bei dir der Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 GG verletzt ist. Wenn die Anstalt „Sicherheit und Ordnung“ anführt, weise darauf hin, dass das Radiogerät ja verplombt werden kann. Je sicherer die Anstalt ist, in der du sitzt, umso weniger kann die Sicherheit der Anstalt durch ein Radio mit UKW-Teil gefährdet sein. Verbleibende Sicherheitsrisiken müssen mit Rücksicht auf den Angleichungsgrundsatz (§ 2 Abs. 1 StVollzG NRW) hingenommen werden (OLG Frankfurt v. 14.11.1979 – 3 Ws 331/78). Nichts anderes gilt in Hochsicherheitstrakten (OLG Celle vom 20.3.1981 – 3 Ws 498/80).

Grundsätzlich müssen Radios deswegen genehmigt werden, AK-StVollzG/Boetticher § 69 Rn. 9/10.

6. CD-Player, Kassettenspieler, Plattenspieler

Die Verwaltung ist durch die Erstellung der Formularliste zur sogenannten REFA-Haftraumkontrolle hinsichtlich des vertretbaren Kontrollaufwandes eine Selbstbindung eingegangen. Dies hat zur Folge, dass die Strafgefangene sich die Ausstattung ihres Haftraums bis zu der festgesetzten Grenze selbst zusammenstellen kann, OLG Koblenz, Beschluss vom 21. Januar 2002 – 2 Ws 1156/01 –, juris.

Dass ein Knast Probleme mit solchen älteren Dingen macht, haben wir jetzt schon länger nicht mehr gehört.

Du kannst auch mit dem Gesetz argumentieren. Nach § 51 StVollzG NRW erhalten Gefangene Gelegenheit, ihre Freizeit sinnvoll zu gestalten. Insbesondere wenn du also eine Sprache lernen, Musik oder Hörbücher hören willst, müssen dir die Abspielgeräte genehmigt werden.

Gibt es in deinem Knast die REFA-Liste, musst du auf die 2.400 Punkte achten.

Du kannst ruhig auch Musikinstrumente beantragen, wenn du Lust dazu hast. Kleine Instrumente (Flöte, Gitarre) werden schon öfter genehmigt.

7. Internet

Internet gibt es für Strafgefangene mit wenigen Ausnahmen – teilweise bei Fernstudierenden – immer noch nicht. Es sind aber in einigen Bundesländern sogenannte Haftraummediensysteme geplant. Es gibt diese noch nicht, Pilotprojekte sollen 2016 beginnen. In der JVA Bremen soll z. B. ab 2018 über ein Haftraummediensystem ein kontrollierter Internetzugang möglich sein. Zu Beginn ist wohl eine Whitelist-Variante geplant, wonach nur auf bestimmte freigegebene Internetseiten zugegriffen werden kann. Nachrichtenseiten wie Spiegel Online oder eines regionalen Mediums, Seiten der Bundesagentur für Arbeit, JobCenter oder Immobilienportale sollen auf eine solche Liste gesetzt werden.

8. Kleintiere

In einigen JVAs werden kleine Tiere erlaubt, zum Beispiel Vögel. Einen Anspruch darauf hast du aber nach den meisten Gerichten nicht.

Versuche folgende Argumentation:

Der von mir beantragte Wellensittich stellt keine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt dar. Es handelt sich um einen kleinen Vogel, der zudem keine lauten Geräusche macht.

9. Tischlampe

Die Genehmigung zum Besitz einer Tischlampe wird durch § 15 Abs. 2 StVollzG NRW geregelt. Die Lampe kann dir von der Anstalt aus den in § 15 Abs. 2 StVollzG NRW geregelten Gründen verweigert werden. Bei einer Ablehnung deines Antrages auf Besitz einer Tischlampe muss die Anstalt jedoch eine Begründung vorlegen, aus der ersichtlich wird, worin die Unübersichtlichkeit oder die Gefahr konkret bestehen soll (OLG Celle, NStZ 1981, 238). Zusätzlich muss die Anstalt auch den Grad der drohenden Gefahr gegen dein Interesse an einer Tischlampe abwägen und berücksichtigen, dass das Leben im Knast den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit wie möglich angeglichen werden soll (§ 2 Abs. 1 StVollzG NRW). Dein Interesse an einer Tischlampe kann z. B. sein, dass du viel lesen musst (z. B. Fortbildung) oder/und du wegen des grellen und indirekten Neonlichtes in deiner Zelle an Sehstörungen leidest, denen durch das direkte Licht einer Tischlampe während des Lesens und des Schreibens wirksam entgegengetreten werden kann.

Vergleiche sonst auch: OLG Koblenz, StV 1990, 360; OLG Stuttgart NStZ 1988, 574; med. Notwendigkeit nötig: OLG Hamm BlStrK 1988-2, 2.

10. Kochplatte, Tauchsieder

Zum Antrag auf Besitz einer Kochplatte / eines Tauchsieders und zu der möglichen Ablehnung dieses Antrages durch die Anstalt gilt das Gleiche wie oben bei der Tischlampe:

Die Verweigerung einer Kochplatte / eines Tauchsieders im Haftraum stellt eine besondere Regelung dar. Die Anstalt muss die drohende Gefahr benennen und gegen deine Interessen abwägen (OLG Celle NStZ 1981, 238 zu § 19 StVollzG). Dabei müssen wiederum die allgemeinen Lebensverhältnisse so weit wie möglich berücksichtigt werden.

Alles, was in der REFA-Liste auftaucht, kann jedenfalls nicht deshalb verweigert werden, weil die Sicherheit und Ordnung der Anstalt auf andere Weise gefährdet wird, nur wenn du insgesamt über 2.400 Punkten liegst: OLG Koblenz ZfStrVo 2004, 311, OLG Zweibrücken 1 Ws 605/00 -Vollz-.

11. Geschirrspülmittel, Zahncreme, Seife usw.

In etlichen Anstalten werden Seifen, Zahncreme, Geschirrspülmittel usw. kostenlos von der Anstalt ausgegeben. Dies ist nur recht und billig, da der Staat eine Fürsorgepflicht für die von ihm Eingesperrten hat. Erkundige dich also und beantrage das auch gleich, du kannst dann auch wieder Geld sparen. Falls in „deiner“ Anstalt keine kostenlosen Reinigungsmittel ausgegeben werden, dann beschwere dich und argumentiere mit dem Gleichheitsgrundsatz, weil in anderen Knästen das Zeug ausgegeben wird (Knäste namentlich angeben!). So erhält z. B. in Hamburg jede Gefangene kostenlos: Kernseife, Zahncreme, Rasierseife, Rasierklingen, Schuhcreme (bei der Stationsbeamtin), Zahnbürsten, Schnürsenkel, Kamm (auf der Kammer). Mindestens wenn du keine Arbeit und daher auch kein Geld hast, kannst du auch wie folgt argumentieren:

Da ich unverschuldet arbeitslos bin, steht mir kostenlos Seife, Zahncreme (usw.) zu. Dies beruht auf der allgemeinen Fürsorgepflicht der Anstalt und speziell auf der Verpflichtung der Anstalt, für meine Gesundheit zu sorgen (§ 43 StVollzG NRW).

12. Briefe

Allgemeines zur Briefkontrolle

Einschränkung des Briefverkehrs:

Eine Beschränkung deines Schriftverkehrs wegen der Menge deiner Briefe ist absolut unzulässig. Dies steht in einigen Landesgesetzen und dem alten Bundesstrafvollzug wörtlich drin („unbeschränkt“, § 28 StVollzG). In einigen Bundesländern steht jetzt nicht mehr „unbeschränkt“ im Gesetz; trotzdem gilt das Gleiche auch hier, denn die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes BVerfGE 33, 1 gilt weiter für ganz Deutschland.

Porto:

Du solltest versuchen, deine Briefe von der Anstalt frankieren zu lassen (die Portofrage ist umstritten, vgl. Joester/Wegner in AK § 28 Rn. 12). Kann sich die Anstalt dazu nicht entschließen, dann darf sie jedenfalls unfrankierte Briefe auch nicht anhalten (OLG Celle in ZfStrVoSH 1979, 46) und muss die Finanzierung des Portos aus Eigengeld gestatten (OLG Frankfurt v. 12.8.1987 – 3 Ws 478/87).

Mindestens aber die lokale Post an Gerichte und Behörden kannst du zur kostenlosen Behördenpost geben (Joester/Wegner in AK § 28 Rn. 12).

Briefkontrolle:

Wegen der „Gefährdung von Sicherheit oder Ordnung“ oder deiner „Behandlung“ kann die Anstaltsleitung – aber nur sie! – eine Überwachung deines Briefverkehrs anordnen (§ 22 Abs. 2 StVollzG NRW). Für das Vorliegen solcher angeblicher Gefährdungen müssen allerdings konkrete, durch ein Gericht nachprüfbare Anhaltspunkte gegeben sein (LG Amberg InfoStVollzPR 1986, 139). In der Praxis sieht es leider rechtswidrigerweise häufig so aus, dass eine generelle Anordnung der Überwachung der Post erfolgt. Versuche ruhig, dich dagegen zu wehren, denn eigentlich muss eine Überwachung im Einzelfall angeordnet werden.

Von der Überwachung ausgenommen sind grundsätzlich der Schriftwechsel mit der Verteidigerin und – etwa in NRW – den folgenden Institutionen:

Die Adressen dieser Stellen findest du teilweise im Anhang. Falls nicht, frag die Beamtinnen nach den Adressen.

Gegen die Briefüberwachung kannst du so argumentieren:

Es liegen keine konkreten Gründe der Behandlung bzw. Sicherheit und Ordnung vor, weil …

An dieser Stelle musst du das Vorbringen der Anstalt entkräften, indem du schreibst, warum deine „Behandlung“ nicht gebietet, dass deine Post kontrolliert wird.

Daher ist die Überwachung rechtswidrig, denn die Anstalt hat nicht ausreichend die mit der Briefüberwachung verbundene Belastung meiner Kommunikation mit der Außenwelt beachtet (vgl. BT-Drucksache 7/918, 59; Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, StVollzG, E Rn. 70).

Die Beamtinnen der Zensur dürfen bei der Briefüberwachung weder „Randbemerkungen anbringen noch einzelne Stellen durchstreichen oder unkenntlich machen“ (VV Nr. 2 Abs. 3 zu § 29 StVollzG). Diese alte Regelung gilt sinngemäß auch für die neuen Landesgesetze. Auch darf die Anstaltsleiterin die Überwachung des Briefwechsels grundsätzlich nicht an Außenstehende (z. B. Polizeibeamtinnen) abgeben (OLG Celle ZfStrVollz 1979, 54; OLG Frankfurt vom 30.12.1985). Die Anstalt wird Schreiben in fremder Sprache übersetzen lassen (VV Nr. 2 Abs. 1 Satz 3 zu § 29 StVollzG). Die Kosten dafür muss aber die Staatskasse tragen (VV Nr. 3 zu § 29 StVollzG), es sei denn, sie sind „ohne zwingenden Grund in fremder Sprache abgefasst“ (§ 23 Abs. 3 StVollzG NRW), d. h., du und die Empfängerin könnt beide genauso gut auf Deutsch lesen und schreiben. Dann können dir die Kosten für die Übersetzung auferlegt werden. Das geht aber wirklich nur dann, wenn ihr beide genauso gut Deutsch versteht wie die Sprache, auf der ihr schreibt.

Abschließend zu diesem Thema sei gesagt, dass die Anstalt deine ein- oder ausgehende Post schnell und zügig weiterzuleiten hat. Formuliere z. B. so:

Die Anstalt muss gemäß § 21 Abs. 1 StVollzG NRW alle Schreiben unverzüglich weiterleiten. Auch die Überwachung meines Schriftwechsels darf keine Verzögerungen zur Folge haben (BT-Drucksache 7/918, S. 60).

Das bedeutet, die Weiterleitung muss ohne schuldhafte Verzögerung erfolgen (Joester/Wegner in AK § 30 Rn. 2). Hiergegen wird häufig verstoßen. Konkret bedeutet unverzüglich, dass normale Schreiben und erst recht Zustellungen, die am Vormittag eingehen, bis zum Abend verteilt werden müssen. Ist Post am Wochenende eingegangen, muss sie spätestens bis Montagabend der Gefangenen ausgehändigt werden (LG Trier v. 9.1.86 – 57 Vollz 210/86).

Das Gleiche gilt natürlich auch für ausgehende Post, die du versendest. Gibst du einen Brief der Beamtin so rechtzeitig, dass du damit rechnen kannst, dass er noch am Abend in den Briefkasten geworfen wird, kannst du dich darauf verlassen, dass er am nächsten Tag die Empfängerin erreicht, KG NStZ 1992, 455. Verpasst du durch die zu lange Kontrolle der Anstalt eine Frist, kannst du daher Wiedereinsetzung beantragen.

Anhalten von Briefen:

Die Anstalt muss dir immer mitteilen, dass und aus welchen Gründen ein Brief angehalten wurde (§ 23 Abs. 4 StVollzG NRW). In NRW sind die möglichen Gründe abschließend aufgezählt (§ 23 Abs. 1 StVollzG NRW); allerdings wieder mit der schwammigen Sicherheit und Ordnung in Nr. 1.

Teile des Briefes, auf die sich die Anhaltebegründung nicht bezieht, müssen dir mitgeteilt werden (VV Nr. 1 Satz 2 zu § 29 StVollzG). Frag also mal nach. Angehaltene Briefe müssen auf Kosten der Anstalt an die Absenderin zurückgeschickt werden, denn:

Das Anhalten eines Briefes ändert an den Eigentumsverhältnissen nichts. Deshalb sind solche Schreiben grundsätzlich an die Absenderin zurückzugeben (BT-Drucksache 7/918, 17).

Deshalb sollten Leute von draußen grundsätzlich ihre (oder eine „bessere“) Adresse auf den Brief schreiben. Eine allgemeine Argumentation gegen das Anhalten:

Stets muss die Anstalt beachten, welcher Schaden durch das Anhalten eines Briefes hervorgerufen wird, zumal darin die Einschränkung des Grundrechts auf Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG liegt (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, StVollzG, E Rn. 70). Diesen Grundsatz hat die Anstalt nicht beachtet, indem sie mir ohne ausreichende Begründung einen Teil meiner Kommunikation nach außen abgeschnitten hat.

Ein paar Argumente gegen Anhaltebegründungen (in § 23 StVollzG NRW sind alle aufgezählt), die am häufigsten benutzt werden:

Gefährdung der „Sicherheit oder der Ordnung“ der Anstalt:

In Anbetracht der grundsätzlichen Bedeutung der Meinungsfreiheit darf der Briefverkehr aufgrund der Generalklausel des § 23 StVollzG NRW nur in begründeten Ausnahmefällen unterbunden werden (vgl. Joester/Wegner in AK § 31 Rn. 2). Daher müssen von der Anstalt konkrete, im Einzelfall bestehende und durch ein Gericht überprüfbare Gefährdungen vorgetragen werden (LG Amberg InfoStVollzPR 1986, 139). Geringfügige Beeinträchtigungen oder Gefährdungen können das Anhalten von Briefen nicht rechtfertigen. Kein Anhaltegrund ist das Führen eines Künstlerinnennamens, wenn nicht darüber hinaus konkrete Gründe angeführt werden. Mangelnde Identifizierung alleine reicht als Anhaltegrund nicht aus (OLG Celle v. 15.7.81, 3 Ws 173/81). Da es um die Sicherheit derjenigen Anstalt geht, in der du einsitzt, reicht es zum Anhalten auch nicht aus, wenn du einen Brief erhältst, in dem jemand über Sicherheitsvorkehrungen einer anderen Anstalt berichtet (OLG Hamburg NStZ 1981, 239).

Ebenfalls kein pauschaler Anhaltegrund ist in der Regel der Kontakt mit Mittäterinnen oder gar mit anderen Gefangenen (Joester/Wegner in AK § 31 Rn. 3; zu Mitgefangenen vgl. auch OLG Zweibrücken v. 16.12.83 – 1 Ws 74/83). Auch hier muss die Anstalt konkrete Gründe anführen. Schriftwechsel mit der Presse ist zumindest so zu behandeln wie der Schriftwechsel mit jeder anderen (OLG Hamm MDR 1979, 428). Auch ein Vergleich von Haftbedingungen sowie die Wiedergabe von Zitaten aus Presseberichten über den sogenannten „Terrorismus“ zählen als pauschale Anhaltegründe nicht (OLG Celle v. 17.3.80 – 3 Ws 45/85; Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, StVollzG, E Rn. 71).

Die Gefährdung der Sicherheit und Ordnung muss konkret und von einigem Gewicht sein (OLG Nürnberg NStZ 1982, 399). Keine Gefährdung liegt vor bei der Broschüre positiv in Haft, die auch Merkblätter des Strafvollzugsarchivs der Uni Bremen enthält (BVerfG NStZ 2005, 286). Die Möglichkeit, dass du gut informiert von deinen Rechten Gebrauch machst und dadurch der Anstalt Aufwand entsteht, kann keine konkrete Gefahr für deren Ordnung darstellen (OLG München v. 21.9.2007, 3 Ws 499/07).

Pornohefte gefährden nicht die Ordnung der Anstalt, selbst wenn sie an Mitgefangene weitergegeben werden (OLG Düsseldorf MDR 1987, S. 76).

Unrichtige Darstellungen von Anstaltsverhältnissen“:

Wenn die Anstalt meint, dein Schreiben nach draußen stelle die Verhältnisse unrichtig dar, kann sie ein Begleitschreiben beilegen (§ 23 Abs. 3 StVollzG NRW). Wenn du davon erfährst, ohne dass die Anstalt es dir mitgeteilt hat, kannst du dich beschweren, da dich die Anstalt gem. VV Nr. 2 zu § 31 StVoIlzG davon zu unterrichten hat. Beschwere dich außerdem darüber, dass die Anstalt auf deine Kosten (Porto) ihre eigenen Briefe mitschickt.

Wie bei allen Argumentationen musst du dich mit der Begründung der Anstalt auseinandersetzen und versuchen nachzuweisen, dass dein Brief genau das beschreibt, was in der Anstalt passiert.

Jedenfalls darf dein Brief aber nicht angehalten werden. Darauf solltest du bestehen!

Bei „groben Beleidigungen“:

Du kannst beschreiben, wie sich die von dir „beleidigte“ Person verhält und dass dir deswegen das von dir für diese Person benutzte Wort ganz zutreffend vorkommt und von dir auf jeden Fall in Wahrnehmung berechtigter Interessen ausgesprochen oder aufgeschrieben wurde (Schönke/Schröder § 185 StGB Rn. 7). Für nahe Angehörige gibt es noch eine besondere Argumentation:

Mit Rücksicht auf die Erhaltung des grundrechtlich geschützten Instituts der Familie (Art. 6 GG) ist beim Anhalten von Briefen zwischen mir und meiner Ehepartnerin besonders „großzügig“ zu verfahren. Auch in der durch den Strafvollzug bedingten Trennungssituation muss es mir und meiner Ehepartnerin weitestgehend ermöglicht werden, eine offene Kommunikation – auch über Anstaltsverhältnisse usw. – zu führen (BVerfG in NJW 1997, 185; Joester/Wegner in AK, § 31 Rn. 9).

Aber auch auf enge Freundinnen muss letztere Argumentation ähnlich anzuwenden sein. Versuch’s doch mal so:

Der grundsätzlich garantierte Schutz meiner Privatsphäre umfasst nicht nur meine nahen Angehörigen, sondern gibt mir auch ein uneingeschränktes Äußerungsrecht gegenüber Menschen aus vergleichbar vertraulichen Freundeskreisen, so dass durch eine „Beleidigung“ das Anhalten meines Briefes an einen nahestehenden Freund nicht zu rechtfertigen ist. Jedem Menschen muss nämlich ein letzter Freiraum verbleiben, wo er befreit von rechtlichen Sanktionen vertrauliche Gespräche führen bzw. Briefe schreiben kann und in dem er durchaus auch seinen angestauten Emotionen Luft verschaffen darf (Rudolphi SK § 185 StGB Rn. 18/19; Lackner § 185 StGB Anm. 3b).

Fremde Sprache, Geheimschrift:

Dieser Anhaltegrund liegt nicht vor, wenn der Brief von einer migrantischen Gefangenen (oder an eine) ist, die die deutsche Sprache nicht beherrscht, sondern nur, wenn ohne zwingenden Grund in einer anderen Sprache geschrieben wird. Das ist nicht der Fall, wenn beide Beteiligten auf einer anderen Sprache besser schreiben und lesen können.

Wenn die Anstalt schon eine Überwachung für erforderlich hält, muss sie auch selbst für eine Übersetzung des Schreibens sorgen (BT-Drucksache 7/918, 60), deren Kosten grundsätzlich die Staatskasse zu tragen hat (Umkehrschluss aus § 23 Abs. 3 StVollzG NRW). Wenn die Anstalt die Schreiben von und an ausländische Gefangene dennoch anhält, helft ihnen beim Beschweren!

Wenn ein Brief wegen der Anlagen (z. B. Zeitungsausschnitte, Bilder usw.) angehalten wird, dann muss dir zumindest der Brief ausgehändigt werden.

Aus anderen als in § 23 Abs. 1 StVollzG genannten Gründen dürfen Briefe nicht angehalten werden (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, StVollzG, E Rn. 66)!

Einschränkung des Briefverkehrs:

Eine Beschränkung deines Briefverkehrs wegen der Menge deiner Briefe ist absolut unzulässig.

Um meinen Kontakt zur Außenwelt möglichst intensiv zu gestalten, ist es für mich notwendig, einen sehr umfangreichen Briefwechsel zu unterhalten. Eine Beschränkung meines Briefverkehrs wegen der Menge der Briefe ist gerade wegen dieser Intention, auf die auch § 21 StVollzG NRW abzielt, unzulässig.

Das Verbot eines Schriftwechsels mit bestimmten Personen außerhalb der Anstalt (§ 25 Nr. 2 StVollzG NRW) kann nur gegenüber den Gefangenen, nicht aber der außenstehenden Person ergehen (OLG Zweibrücken v. 2.10.1986 – 1 Vollz. (Ws) 74/86).

Briefwechsel mit bestimmten Personen:

Wenn dein Briefwechsel mit bestimmten Personen ganz verboten wird (was bei Angehörigen überhaupt nicht geht und bei anderen nur, wenn „zu befürchten ist, dass der Kontakt einen schädlichen Einfluss auf die Gefangene hat oder ihre Eingliederung behindert“, § 25 Nr. 2 StVollzG NRW):

Das Verbot meines Briefwechsels mit ... durch die Anstalt verstößt gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus § 74 Abs. 1 StVollzG NRW. Denn wenn die Anstalt schon der Auffassung ist, der Briefwechsel zwischen mir und ... könne so nicht zugelassen werden, dann hat sie nicht deutlich gemacht, warum sie den von ihr angenommenen angeblichen Gefahren nicht auch im Wege der Briefkontrolle nach § 31 StVollzG begegnen kann (Joester/Wegner in AK § 28 Rn. 5).

Auch können, wie schon mehrfach erwähnt, geringfügige Beeinträchtigungen der Ordnung in der Anstalt kein Verbot des Schriftwechsels begründen, weil das „Behandlungs- und Eingliederungsinteresse“ grundsätzlich Vorrang hat (LG Amberg InfoStVollzPR 1986, 139).

Schriftverkehr zwischen Gefangenen

Er darf nicht anders behandelt werden als sonstiger Schriftverkehr. Dies gilt auch für den Schriftverkehr zwischen männlichen und weiblichen Gefangenen (OLG Zweibrücken v. 16.12.1983 – 1 Ws 74/83).

13. Zeitungen, Zeitschriften

Bei der Zensur kann man zwei Arten feststellen: das generelle Bezugsverbot einer bestimmten Zeitung/Zeitschrift und das Anhalten einzelner Seiten bzw. ganzer Ausgaben.

Zum generellen Bezugsverbot:

Die Anstalt darf den Bezug einer Zeitschrift oder Zeitung nicht generell untersagen. Die Auswahl unter den Zeitungen und Zeitschriften steht mir völlig frei, soweit deren Verbreitung nicht mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Das Grundrecht der Informationsfreiheit lässt eine Auswahl der Publikationen unter Gesichtspunkten der Behandlung sowie der Sicherheit und Ordnung der Anstalt nicht zu (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, StVollzG, G Rn. 7; BT-Drucksache 71918, S. 74).

Zum Anhalten einzelner Seiten bzw. ganzer Ausgaben:

Die Anstalt darf dir nach § 52 Abs. 3 Satz 2 StVollzG NRW einzelne Ausgaben (in Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen auch Teile) von Zeitungen oder Zeitschriften nur dann vorenthalten, wenn sie das Ziel des Vollzuges oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erheblich gefährden würden. Der Grundsatz der Informationsfreiheit führt aber dazu, dass der Ausschluss von Zeitungen oder Zeitschriften auf das unerlässliche Maß zu beschränken ist (BVerfG NStZ-RR 1996, 55; OLG Celle v. 19.3.1980 – Ws 109/80). Als „unerlässlich“ hat das Bundesverfassungsgericht nur solche Maßnahmen bezeichnet, „ohne die der Strafvollzug zusammenbrechen würde“ (BVerfGE 41, 284). Die Anstalt muss auch prüfen, ob eine schonendere Maßnahme ausreicht, um die Funktionsfähigkeit des Strafvollzuges sicherzustellen (BVerfGE 41, 251).

Das Anhalten der ... (Zeitung/Zeitschrift) ist keinesfalls unerlässlich. Denn … (hier musst du gegen die Begründung der Anstalt argumentieren!) Die Entscheidung der Anstalt verletzt daher das Grundrecht auf Informationsfreiheit aus Art. 5 GG.

Wenn die Anstalt Unterschiede macht zwischen Zeitungen, die sie dir vermittelt, und denen, die du selbst beziehst:

Auch wenn die Zeitungen nicht durch die Vermittlung der Anstalt bezogen werden, sind sie nur nach den Grundsätzen des § 52 Abs. 3 StVollzG NRW zu beurteilen (OLG Celle in ZfStrVo 1980, 59).

Du hast das Recht, einzelne Seiten bzw. Ablichtungen, ebenso einzelne Nummern von Zeitschriften als Brief geschickt zu erhalten. Insoweit bedarf es keiner Genehmigung oder gar „Vermittlung“ durch die Anstalt im Sinne des § 52 Abs. 1 StVollzG (OLG Celle v. 13.2.1984 – 2 Vollz (Ws) 52/83, OLG Frankfurt v. 12.1.1982 – 3 (Ws) 817/81 StVollz).

Wenn eine Zeitung regelmäßig angehalten wird, obwohl kein generelles Bezugsverbot vorliegt:

Durch die permanente Annahmeverweigerung der Zeitung ... vgl. Annahmeverweigerungen vom ... usw. durch die Anstalt wird de facto ein Bezugsverbot für die Zeitung durchgeführt. Ein solches Bezugsverbot ist rechtswidrig. (Hier die Ausführungen vom generellen Bezugsverbot, s. o.)

14. Bücher

Nach § 52 Abs. 1 StVollzG NRW hast du – „in angemessenem Umfang“ – das Recht auf Besitz und Bezug von Büchern. Besitz heißt nicht nur Verfügungsmöglichkeit in deiner Zelle, sondern im gesamten Anstaltsbereich (Lesen eines Buches beim Hofgang, vgl. OLG Celle v. 6.2.1980 – 3 Ws 34/80 StVollz). Wenn die Anstalt argumentiert, Bücher dürften grundsätzlich nur über den Buchhandel oder direkt vom Verlag bezogen werden:

Auch in diesen Fällen muss stets geprüft werden, ob nicht von dieser grundsätzlichen Regelung eine Ausnahme gemacht werden muss, weil z. B. das von mir gewünschte Buch vergriffen ist oder wenn mir der Kauf eines teuren Buches nicht zuzumuten ist, weil ich es geschenkt bekommen kann (KG NStZ 1984, 478 m. Anm. Heischel).

Argumentiert die Anstalt mit einer Gefährdung des Vollzugsziels oder der Sicherheit und Ordnung der Anstalt (§ 70 Abs. 2 StVollzG), so muss sie eine Gefahr gerade in deinem persönlichen Fall nachweisen (OLG Celle v. 11.5.1981 – 3 Ws 312/81 StVollzG).

Die Gefangenenbücherei Dortmund verleiht übrigens kostenlos Bücher und andere Medien an Gefangene und Patientinnen in Justizvollzugsanstalten und Landeskrankenhäusern in ganz Deutschland sowie auch an deutschsprachige Gefangene im Ausland, hauptsächlich in den EU-Ländern.

Die Adresse findet ihr im Anhang.

15. Pakete

Die Möglichkeit, Pakete zu empfangen, hat sich mittlerweile durch die Landesvollzugsgesetze erheblich verschlechtert.

So ist der Empfang von Nahrungs- und Genussmitteln durch Pakete durch die neuen Gesetze verboten worden, z. B. § 28 Abs. 1 Satz 2 StVollzG NRW. In Sachsen sind nicht mal mehr Körperpflegemittel erlaubt. Versuche ruhig, dagegen einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen; du kannst gut mit dem Angleichungsgrundsatz argumentieren.

Glorreiche Ausnahme ist Brandenburg, dort sind Pakete mit Nahrungsmitteln noch erlaubt.

Zudem darf ein Paket nur mit vorheriger Erlaubnis der Anstalt empfangen werden; du musst also den Paketempfang beantragen.

Die Anstalt muss Merkblätter zum Paketverkehr haben und dir diese gem. VV Nr. 9 zu § 33 StVollzG aushändigen. Wenn du noch kein solches Merkblatt erhalten hast, verweise einfach auf die erwähnte Verwaltungsvorschrift. Nach wie vor solltest du einen Anspruch darauf haben, mindestens dreimal im Jahr – in der Regel Weihnachten, Ostern und Geburtstag – ein Paket zu empfangen, da durch den Paketempfang auch die sozialen Beziehungen nach außen gestärkt werden. Es handelt sich um einen Minimalanspruch, selbstverständlich kann dir die Anstalt auch mehr Pakete gestatten. Bei Mitgliedern anderer Religionsgemeinschaften können auch deren hohe Feiertage als Versendungszeitpunkt genommen werden. Katholikinnen können es mal mit dem Namenstag probieren.

Wenn du ein Paket zu einem anderen Zeitpunkt als zu diesen Terminen haben willst, weil du z. B. kurz vor Weihnachten aus dem Knast rauskommst oder weil du kurz vor einem der anderen Regeltermine Geburtstag hast oder weil du aus anderen Gründen den Paketempfangszeitpunkt ändern willst, argumentiere wie folgt:

Hat eine Gefangene keinen Glauben, kann eine Zusendungsbeschränkung auf die christlichen oder andere Feiertage nicht erfolgen. Es ist der Gefangenen vielmehr die Wahl zu lassen, ob sie den Paketempfang nicht über das Jahr verteilen will. Dies senkt auch die Arbeitsspitzenbelastung der Anstaltsbediensteten, da diese nicht alle Pakete im gleichen Zeitraum kontrollieren müssen (AK-Joester/Wegner, § 33 Rn. 3).

Annahmeverweigerung:

Sollte die Anstalt die Annahme deines Paketes verweigern, so bist du davon und über die Gründe der Annahmeverweigerung zu unterrichten (VV 5 III, 2 zu § 33 StVollzG). Die Anstalt darf bei Paketen aus dem Ausland nie die Annahme verweigern (VV 5 III zu § 33 StVollzG). Wirst du aus Sicherheitsgründen vom Paketempfang ausgeschlossen, argumentiere wie folgt:

Den Sicherheitsbedenken ist durch sorgfältigere Kontrollen zu begegnen, der Ausschluss vom Paketempfang ist daher unverhältnismäßig (vgl. Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, E Rn. 118, LG Düsseldorf v. 8.12.82 – StVollzG 5/82; OLG Hamm b. 16.2.84 – 1 Ws 9/84).

Teilweise findet sich diese Einschränkung des Paketempfangs in den Landesgesetzen nicht mehr, (BW, BY, HH), weil der Empfang von Paketen mittlerweile ja der Erlaubnis bedarf. Daraus folgt aber nicht, dass der Empfang von Paketen einfach ohne Gründe ganz untersagt werden kann, weil dieser Außenkontakt auch für die Vollzugszielerreichung sehr wichtig ist.

Gewichtsgrenze:

Eine Beschwerde gegen die Verweigerung wegen Überschreitung des zulässigen Höchstgewichts (5 kg Weihnachtspaket, jeweils 3 kg die beiden anderen Pakete) kannst du z. B. so begründen:

Da die zulässige Höchstgrenze nur unerheblich überschritten wurde und dies bei mir zum ersten Mal passiert ist, ist das Anhalten des Pakets nicht gerechtfertigt. Das Paket muss mir also ausgehändigt werden (Joester/Wegner in AK § 33 Rn. 10).

Befindet sich das Paket noch in der Anstalt, kannst du hinzufügen:

Hilfsweise beantrage ich, dass das Mehrgewicht aufbewahrt und mir der restliche Inhalt ausgehändigt wird (vgl. Joester/Wegner in AK § 33 Rz. 8).

Erlaubnis

Du kannst dir also nach wie vor Pakete zusenden lassen, brauchst dazu aber die Erlaubnis der Anstalt. Diese Erlaubnis solltest du grundsätzlich vorher einholen, um Komplikationen zu vermeiden. Beachte aber, dass Nahrungs- und Genussmittel verboten sind (Ausnahme Brandenburg). Argumentiere gegen die Ablehnung deines Antrages:

Die beantragten Pakete sollen Unterrichts- und Fortbildungsmittel/Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung/Entlassungskleidung enthalten. Die Voraussetzungen der VV Nr. 3 zu § 33 StVollzG sind also erfüllt. Auch der Gesetzgeber hat dem Paketempfang einen hohen Stellenwert unter dem Gesichtspunkt der Erleichterung der Lebensführung für die Gefangene und der Festigung ihrer Beziehungen zu Außenstehenden eingeräumt (vgl. Regierungsentwurf zum StVollzG, S. 62). Da die entsprechende Vorschrift großzügig zu handhaben ist (Joester/Wegner in: AK § 33 Rn. 12), muss mir der Empfang von Paketen gestattet werden, wenn nicht zwingende und nachprüfbare Gründe der Sicherheit und Ordnung dagegen sprechen. Im Übrigen habe ich einen Anspruch auf Vorbereitung auf die Entlassung, und der Inhalt des Paketes dient diesem Zweck.

Da ich seit der Föderalismusreform keinen Anspruch mehr habe, Pakete zu erhalten, muss die Ausstellung einer Erlaubnis nach § 28 Abs. 1 StVollzG NRW jedenfalls großzügig gehandhabt werden, damit die Norm noch dem Angleichungsgrundsatz gerecht werden kann.

Kosten:

Wenn dir durch Paketempfang Kosten entstehen und du kein oder nur wenig Geld hast, ist die Anstalt verpflichtet, die Kosten zu übernehmen (vgl. Protokolle des Deutschen Bundestages 1976, S. 1849; VV Nr. 8 zu § 33 StVollzG). Diese Regelung wird auch in einigen Landesgesetzen explizit getroffen, „in begründeten Fällen in angemessenen Umfang“ (BW, BY, BB, HH, MV, RP, SL, SN). Dies gilt auch, wenn du ein Paket verschicken willst; insbesondere dann, wenn du ein Paket mit Prozessunterlagen an deine Verteidigerin schickst (OLG Koblenz NStZ 83, 96; ZfStrVo 32, 378).

Sondereinkauf statt Paket:

In einigen Bundesländern wird dir als vermeintlicher Ausgleich dafür, dass du keine Nahrungsmittel mehr geschickt bekommen darfst, die Möglichkeit eines „Sondereinkaufs“ eingeräumt.

Dazu darfst du in Bayern und Hamburg dreimal jährlich an einem zusätzlichen Einkauf teilnehmen. Baden- Württemberg, Hessen und Niedersachsen haben auch eigene Regelungen. Jeweils dürfen auch Außenstehende hierfür Geld einzahlen, das du dann für den Sondereinkauf verwenden kannst.

Bist du in einem anderen Bundesland inhaftiert, versuche ruhig, eine ähnliche Regelung durchzudrücken:

Da mir mittlerweile nicht mehr gestattet ist, Nahrungsmittel enthaltende Pakete zu empfangen, muss mir zum Ausgleich das Recht auf einen Sondereinkauf gewährt werden, wie er in anderen Bundesländern vorgesehen ist. Damit steigt der Kontrollaufwand nicht. Anderenfalls verstößt die Regelung gegen Art. 3 GG.

16. Besuch

Jede Gefangene hat ein Recht darauf, grundsätzlich jede Besucherin für längere Zeit zu empfangen (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, E Rn. 13), wobei die Zahl der Besucherinnen grundsätzlich nicht beschränkt werden darf (Joester/Wegner in AK § 24 Rn. 8). Auch Gruppenbesuche sind zulässig, in Ausnahmefällen (z. B. Verwandte aus dem Ausland) auch mehr als drei Besucherinnen auf einmal (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, StVollzG, E Rn. 13). Eine Einschränkung durch die Hausordnung sehen die Gesetze nicht vor (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, E Rn. 13). Sollte dennoch eine deiner Besucherinnen abgewiesen werden, so weise sie darauf hin, dass sie hiergegen einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 StVollzG stellen kann (OLG Frankfurt NStZ 1982, S. 221). Du kannst aber natürlich jede Besucherin ablehnen (VV Nr. 1 zu § 24 StVollzG), so u. a. auch Behördenvertreterinnen wie z. B. Kriminalbeamtinnen, es sei denn, dass auch die Bürgerin außerhalb der Anstalt zu einem Kontakt mit der betreffenden Institution gezwungen werden könnte, wie z. B. bei einer richterlichen oder staatsanwaltlichen Vernehmung (Joester/Wegner in AK § 24 Rn. 2). Auf alle Fälle musst du jedes Mal vor einem Besuch gefragt werden, ob du die Besucherin überhaupt sehen willst. Es steht dir mindestens eine Stunde Besuch pro Monat zu, in NRW, MV und RP zwei Stunden (§ 19 Abs. 1 StVollzG NRW), in BB und SN vier Stunden.

Das ist aber die reine Mindestzeit, die Anstalten können und sollten darüber hinaus weiteren Besuch zulassen (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, E Rn. 18).

Sollte die Besuchszeit gegen deinen Willen z. B. in Besuchszeiten unter 30 Minuten aufgeteilt werden, so weise darauf hin, dass es in diesem Fall zu keinem inhaltlichen Gespräch mehr kommen kann (Joester/Wegner in AK § 24 Rn. 4; KS-Schöch 2002 § 7 Rn. 100), das resozialisierungsfördernd wirken kann.

Handelt es sich bei deinen Besucherinnen um Berufstätige bzw. um Auswärtige mit einem erheblichen Anreiseweg oder schulpflichtige Kinder, dann muss der Besuch auch am Wochenende genehmigt bzw. die zeitliche Zusammenfassung mehrerer Besuche ermöglicht werden (Joester/Wegner AK § 24 Rn. 11 unter Verweis auf BVerfG NJW 1976, S. 1311). Bei Auswärtigen besteht dabei, soweit es sich um Familienangehörige handelt, sogar die Möglichkeit der Übernahme der einmal monatlich wegen des Anstaltsbesuchs anfallenden Fahrtkosten durch das Sozialamt der Heimatstadt im Rahmen der §§ 12 und 27 BSHG, da Besuche zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens zählen und somit auch zum notwendigen Unterhalt gehören (OVG Münster v. 28.3.1984 ZfStrVo 1985, S. 118).

Findet darüber hinaus neben der gesetzlich festgelegten Mindestbesuchszeit in einem bestimmten Teilbereich der Anstalt noch eine zusätzliche Gemeinschaftssprechstunde statt, so hast du, selbst wenn du dich in einem anderen Bereich der Anstalt befindest, eventuell auch hierauf ein Teilnahmerecht. Du musst in diesem Fall nur nachweisen, dass 1. du nicht nur vorübergehend, sondern offenbar für die gesamte Dauer der Strafvollstreckung in diesem nicht derart bevorzugten Bereich untergebracht bist und 2. dir nicht angelastet werden kann, wenn bestimmte Voraussetzungen, auf die du keinen Einfluss nehmen kannst, nicht vorliegen, so z. B. die Anwesenheit einer ständigen Gruppenleiterin (LG Berlin v. 6.9.1985 InfoStVollzPR 1985, S. 373 ff.). Des Weiteren ist die Anstalt nach § 19 Abs. 3 StVollzG NRW dazu verpflichtet, weiteren Besuch zuzulassen, wenn du dies beantragst. Dazu gibt es zwei Begründungsmöglichkeiten:

- Der Besuch dient persönlichen/rechtlichen/geschäftlichen Angelegenheiten, die ich persönlich mit der Besucherin besprechen muss, weil ... Diese Angelegenheit kann auch nicht auf einen Zeitpunkt nach meiner Entlassung aufgeschoben werden, weil ...

- Der Besuch ist notwendig, um durch die Kontinuität der Kontakte mit Personen außerhalb der Anstalt meine Fähigkeit zum Aufbau sozialer Beziehungen – auch im Hinblick auf später – zu entwickeln.

Letzteres umfasst z. B. auch den Besuch einer freigewählten Ärztin oder einer Sachverständigen zwecks Erstellung eines Privatgutachtens, wobei es sich allerdings nach Meinung des OLG Hamm nicht um ein Privatgutachten über vollzugsspezifische Fragen handeln darf (Beschluss v. 30.8.1984 NStZ 85, S. 191). Lehnt die Anstalt deinen Antrag ab, kannst du dagegen anführen:

Es ist davon auszugehen, dass die Besuchsregelung des § 19 Abs. 1 StVollzG NRW das absolute Minimum und „an den Aufgaben des Strafvollzuges gemessen zu wenig“ ist (Regierungsentwurf zum StVollzG des Bundes, S. 58). Der Ermessensbestimmung des § 19 Abs. 3 StVollzG NRW kommt daher und auch unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Garantien der Gefangenen – nämlich der Gewährleistung einer kommunikationsfähigen Persönlichkeit – der Charakter eines Regelfalles zu (Hoffmeyer, Grundrechte im Strafvollzug, S. 198). Diesen Gesichtspunkt verkennt der Beschluss der Anstaltsleitung. Darüber hinaus gebietet es die Förderungspflicht der Anstalt, mir weitere Besuche zu gestatten (OLG München StV 1994, 554). Das trifft vor allem auf Besuche meiner engsten Bezugspersonen wie Verwandte, Verlobte usw. zu (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, StVollzG, E Rn. 15f.).

Einige Bundesländer gewähren zusätzliche Sprechzeiten, wenn du minderjährige Kinder hast, bspw. § 19 Abs. 2 NRW, zwei zusätzliche Stunden, ähnlich § 26 Abs. 1 S. 2 MV, § 33 Abs. 2 RP, § 26 Abs. 2 SL.

Argumentiere damit, wenn du in einem anderen Bundesland sitzt oder du zwar keine Kinder hast, aber zum Beispiel deine Ehegattin sehen möchtest. Für die gilt ja Art. 6 GG auch.

Langzeitbesuche

In einigen Bundesländern sind nun die lange bekannten und bewährten LZBs endlich gesetzlich normiert worden (§ 19 Abs. 4 StVollzG NRW, § 34 Abs. 4 BbgJVollzG, § 26 Abs. 4 HmbStVollzG, § 26 Abs. 4 StVollzG MV, § 33 Abs. 5 LJVollzG RP, § 26 Abs. 4 SL StVollzG, § 26 Abs. 4 SächsStVollzG).

Dieser dient der Angleichung der Lebensverhältnisse und ist daher auch in den anderen Bundesländern zu gewähren. Folgende Argumentation kannst du versuchen, wenn dir ein LZB verweigert wird:

Eine Zulassung eines Langzeitbesuchs dient nicht nur der Gegensteuerung, sondern auch der Angleichung der Lebensverhältnisse (SBJL, § 24 Rn. 13). Die Chancen der Fortdauer meiner Partnerschaft werden erhöht. Dies dient auch meiner Wiedereingliederung (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, E Rn. 23). Außerdem steht meine Ehe unter besonderem staatlichen Schutz (Joester/Wegner in AK, § 24 Rn. 26).

Deswegen ist die Anstalt verpflichtet, mir einen Langzeitbesuch mit meiner Ehepartnerin zu gestatten (vgl. LG Hamburg StVO 2000, 252).

Untersagung von Besuchen

Nach § 25 StVollzG NRW können Besuche allerdings auch von der Anstaltsleiterin untersagt werden. Wenn 1. die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde oder 2. bei Besucherinnen zu befürchten ist, dass sie einen schädlichen Einfluss auf dich haben oder 3. die Gefangenen mit Opfern von Straftaten der Gefangenen in Verbindung treten wollen und durch den Kontakt nachteilige Auswirkungen auf die Opfer oder gefährdete Dritte zu befürchten sind oder diese einer Kontaktaufnahme widersprochen haben.

Wenn deiner Meinung nach keiner dieser Gründe vorliegt oder aber die Ermessensentscheidung gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen hat, kannst du gegen ein solches Besuchsverbot einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (zur Erteilung einer Besuchserlaubnis) stellen, da es sich bei den oben genannten Gründen um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, die vom Gericht voll nachgeprüft werden können.

Ausgleich durch Telefonzeiten

Erhält eine Gefangene keinen Besuch (etwa 40 % der Gefangenen), so muss die Anstalt dafür sorgen, dass sie dafür nicht unter 40 Minuten in der Woche telefonieren kann (LG Fulda vom 16.07.2007, 5 StVK 214/07, Joester/Wegner in AK, § 24 Rn. 13).

Überwachung

Die Landesvollzugsgesetze treffen unterschiedliche Regelungen für die Überwachung von Besuchen. Teilweise wird auch nach optischer und akustischer Überwachung differenziert, wobei optische Überwachung zulässig ist, es sei denn, es „liegen im Einzelfall Erkenntnisse dafür vor, dass es der Überwachung nicht bedarf“, akustische nur bei Vorliegen besonderer Gründe. Grundsätzlich findet der Besuch ohne (akustische) Überwachung statt, es sei denn, wenn dies aus Gründen der Behandlung erforderlich ist oder konkrete Anhaltspunkte für eine Gefahr der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt vorliegen (§ 20 Abs. 2 StVollzG NRW). Ordnet die Anstaltsleiterin eine solche Überwachung an, muss sie dies begründen.

Gegenargumente:

Die von der Anstalt für die Begründung der Besuchsüberwachung vorgebrachten Ereignisse/Gründe sind unzutreffend und könnten, selbst wenn sie zuträfen, nur als geringfügige Beeinträchtigungen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gewertet werden. Dies ist jedoch kein ausreichender Anlass für Überwachungsmaßnahmen.

Zudem wurden konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer nicht anders abwendbaren Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt nicht dargelegt (vgl. Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, E Rn. 39).

Dass die Anstalt trotzdem die Überwachung angeordnet hat, stellt eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar (vgl. Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, E Rn. 38). Da die Besuchsüberwachung auch nach den im Strafvollzug herrschenden Grundsätzen nicht aus Gründen der „Resozialisierung“ oder „Sicherheit und Ordnung“ unerlässlich notwendig ist (vgl. Grünau § 27 Rn. 1), die Überwachung aber gleichzeitig einen schweren Eingriff in meine persönliche Sphäre und die meiner Besucherinnen darstellt, ist die Anordnung der Überwachung rechtswidrig (vgl. BT-Drucksache 7/918, 58 ff.).

Dies trifft z. B. auch auf Intimkontakte zu, die vom Grundrechtsschutz (bei Verheirateten z. B. der Schutz der Ehe in Art. 6 GG) umfasst sind und bei denen es nicht einzusehen ist, warum das Grundrecht der nicht inhaftierten Partnerin beeinträchtigt werden muss, zumal es sich hierbei nicht einmal um geringfügige und damit noch zulässige Störungen der Ordnung der Anstalt handelt (Joester/Wegner AK § 27 Rn. 6).

Für die akustische Überwachung aus „Behandlungsgründen“ (also das Vollzugsziel, ein künftiges straffreies Leben) gibt es eigentlich kaum einen Grund. Auch hier ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten:

Die angeordnete Überwachung aus Behandlungsgründen ist schon deswegen ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig, weil sich die Anstaltsleitung nicht mit milderen Mitteln, beispielsweise ein gemeinsames Gespräch und anschließender nicht überwachter Besuch, auseinandergesetzt hat (vgl. Joester/Wegner, AK § 27 Rn. 7, 9).

Wenn, wie in einigen Landesgesetzen geregelt (vgl. bspw. § 20 Abs. 1 Satz 2 StVollzG NRW), die optische Überwachung auch durch technische Hilfsmittel erfolgen darf, bedeutet dies jedoch nicht, dass eine Aufzeichnung erfolgen darf (vgl. Art. 30 Abs. 2 Satz 2 BayStVollzG).

Die Überwachung darf nur durch die Anstaltsleiterin oder einer von ihr dazu ermächtigten nachgeordneten Bediensteten durchgeführt werden. Unzulässig ist die Besuchsüberwachung durch Außenstehende und somit also auch durch Polizeibeamtinnen oder andere Behördenvertreterinnen. Diese können höchstens als Sachverständige hinzugezogen werden, wenn der Verdacht besteht, dass beim Besuch geheime Nachrichten, die die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden würden, übermittelt werden sollen und die mit der Überwachung betraute Bedienstete nicht über die erforderlichen Spezialkenntnisse bzw. das entsprechende Hintergrundwissen verfügt, um diese zu entschlüsseln (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, E Rn. 45). Sollte in deinem Fall die Überwachung durch eine Außenstehende erfolgen, so kannst du dich aber immer darauf berufen, dass die Vertraulichkeit der Wahrnehmung gewährleistet sein muss, denn die beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflicht besteht nicht im Verhältnis der Beamtin zu ihrer Dienstherrin, so dass also nicht ausgeschlossen werden kann, dass durch die Überwachung erlangte Kenntnisse weiterverwertet werden (OLG Frankfurt StV 1986, 349).

Zum Verhalten der überwachenden Beamtin:

Wenn die akustisch überwachende Beamtin den Besuch abbricht, kannst du einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen und die Feststellung beantragen, dass der Besuchsabbruch rechtswidrig war und in Zukunft in solchen Situationen zu unterbleiben hat. Im Übrigen müsste die Lauscherbeamtin der Besucherin eine (ggf. wiederholte) Abmahnung aussprechen, bevor sie den Besuch abbrechen darf (§ 20 Abs. 3 Satz 1 StVollzG NRW). Hat sie das nicht gemacht, liegt ein weiterer Grund für die Rechtswidrigkeit des Abbruchs vor. Rechtswidrig ist es auch, wenn der Besuchsraum, besonders wenn er noch mit einer Trennscheibe versehen ist, sowohl optisch (Fenster, Spion) als auch akustisch (schlechte Isolierung zum Nachbarraum) überwacht werden kann, da dies nicht mit den Rechtsstaatsprinzipien vereinbar ist (OLG Hamm v. 19.11.1984, MDR 1985, S. 434). Und letztlich kannst du dich in Hinblick auf die Übergabe von Gegenständen beim Besuch, die nur mit Erlaubnis möglich ist, auf den Angleichungsgrundsatz berufen, wonach es zu den Konventionen der Menschen in Freiheit gehört, bei Besuchen Geschenke auszutauschen. Allerdings musst du dich damit abfinden, dass sich diese Gegenstände in engen Wertgrenzen halten müssen, da hierdurch die Entstehung krasser sozialer Unterschiede im Gefängnis vermieden werden soll. Eine Überschreitung dieser Grenzen ist im Einzelfall aber dennoch möglich, und zwar dann, wenn dein Besuch aus beruflichen oder entfernungsmäßigen Gründen nicht jedes Mal zur Regelsprechstunde kommen kann (KG Berlin v. 12.9. 1984, ZfStrVo 1985, S. 181).

17. Einkauf, Geld

In den meisten Bundesländern ist Einkauf vom Eigengeld nur dann möglich, wenn die Gefangene ohne eigenes Verschulden (das wäre z. B. Arbeitsverweigerung) nicht über Haus- oder Taschengeld verfügt (§ 17 Abs. 2 StVollzG NRW, so auch Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen), und auch dann nur „in angemessenem Umfang“. Dies ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Wenn du findest, dass dir zu wenig Einkauf vom Eigengeld gestattet wurde, kannst du daher Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen und dich auf OLG Hamm NStZ 1989, 358 berufen.

Die Länder, in denen die Arbeitspflicht abgeschafft wurde, bestimmen, dass Gefangene, die Eigengeld haben, aber keine Vergütung erhalten, einen Teil ihres Eigengeldes als Hausgeld verwenden dürfen (BB, MV, RP, SL, SN).

Teilweise wird Eigengeld, das für den Einkauf gedacht ist, von der Anstalt als notwendiges Überbrückungsgeld zurückbehalten (§ 83 StVollzG Bund, § 63 Abs. 2 Satz 3 JVollzG BW III, Art. 52 Abs. 2 Satz 2 BayStVollzG). Dagegen gibt es zwei Argumentationen, zuerst:

Ich will das Geld für Gegenstände verwenden, die meiner sogenannten „Eingliederung in die Gesellschaft“ dienen (§ 2 Abs. 1 StVollzG NRW), nämlich für Zeitungen, Bücher usw., um mich wenigstens in Ansätzen mit Sachen zu beschäftigen, wie ich es auch in der Freiheit tue. In diesem Fall ist es der Anstalt verwehrt, vom Eigengeld Beträge für das notwendige Überbrückungsgeld zurückzuhalten (OLG München in ZfStVollz. I980, S. 122 ff.).

Wichtiger ist aber, dass das Eigengeld nicht immer dann einbehalten werden kann, wenn der volle Betrag des Überbrückungsgeldes noch nicht erreicht ist:

§ 83 Abs. 2 Satz 3 StVollzG (bzw. § 63 Abs. 2 Satz 3 JVollzG BW III, Art. 52 Abs. 2 Satz 2 BayStVollzG) verlangt vielmehr nur, dass der dem Ablauf der Strafzeit entsprechende Teilbetrag des Ü-Geldes als notwendiges Überbrückungsgeld zu zählen ist. Dieser Teilbetrag ist danach zu ermitteln, welcher Betrag in fortlaufender Fortschreibung zum voraussichtlichen Vollzugsende hin ein Erreichen des vollen Überbrückungsgeldes gewährleistet. Das heißt z. B., dass vom Eigengeld nichts abgezogen werden kann, wenn nach einem Drittel der Haftzeit ein Drittel des voraussichtlichen Ü-Geldes vorhanden ist. Nur dieser Teilbetrag kann als notwendiges Ü-Geld gemäß § 83 Abs. 3 Satz 2 StVollzG angesehen werden (vgl. OLG München in ZfStVollz 1980, S. 122 ff.).

Und nun ganz grundsätzlich gegen die Verwendung des Eigengeldes als Überbrückungsgeld:

Eigengeld darf grundsätzlich nicht zur Bildung des Überbrückungsgeldes herangezogen werden. Eine Umbuchung vom Eigengeld- auf das Überbrückungsgeldkonto ist unzulässig (OLG Hamm ZfStrVo 1988, 313). Denn nur das Ü-Geld ist gem. § 51 Abs. 3 StVollzG während der Dauer der Strafverbüßung der Verfügung der Gefangenen entzogen (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, F Rn. 182). Die Inanspruchnahme von Eigengeld zur Bildung der Rücklage würde das Eigengeld einer Verfügungsbeschränkung unterwerfen, der es ansonsten nicht unterliegt. Dafür bedürfte es einer gesetzlichen Grundlage, die es im Strafvollzugsgesetz nicht gibt, insbesondere nicht in § 37 StVollzG NRW (zur ausführlichen Begründung allerdings zur alten Rechtslage vgl. OLG Frankfurt am Main in ZfStVollz 1979, S. 255 ff.).

(Die neuen Ländergesetze sehen dies größtenteils anders; in NRW regelt § 38 Satz 2 StVollzG beispielsweise, dass du über dein Eigengeld nur verfügen kannst, soweit es nicht als Ü-Geld notwendig ist. Versuche dann zu argumentieren, dass es nicht als Ü-Geld nötig ist, weil du noch genug Zeit hast, dieses anzusparen.)

Umgekehrt ist es aber sehr wohl möglich, Teile des Überbrückungsgeldes in bestimmten Fällen zum Einkauf zu verwenden:

Aufwendungen, die zur Vorbereitung einer beruflichen Tätigkeit nach der Entlassung dienen, können gem. § 37 Abs. 3 StVollzG NRW vom Überbrückungsgeld bezahlt werden (vgl. OLG Frankfurt am Main in ZfStVollz 1979, S. 187 ff.). Da ich das genannte Buch/Gegenstand zur Vorbereitung meiner Tätigkeit als … nach der Entlassung benötige und mir nicht genug Eigengeld zur Verfügung steht, muss mir die Beschaffung dieses Buches/Gegenstandes mit Mitteln des Überbrückungsgeldes ermöglicht werden.

(Im Hamburger StVollzG ist in § 47 Abs. 3 Satz 2 ausgeführt, was dazu zählt: die Erlangung eines Arbeitsplatzes oder einer Unterkunft, die Finanzierung von Kleidung und Verkehrsmittelkosten bei Aufnahme einer freien Beschäftigung, Kosten der Krankenbehandlung; in NRW sind explizit die Tilgung von offenen Geldstrafen und Tatausgleich genannt; wird dir Ü-Geld für eine dieser Ausgaben verweigert, kannst du dich darauf berufen, auch wenn du in einem anderen Bundesland sitzt, sollten diese Zwecke gelten. Willst du das Ü-Geld für etwas anderes ausgeben, heißt das nicht, dass du es nicht zumindest mal versuchen solltest.)

Ist Geld für eine Gefangene in die Anstalt geschmuggelt worden, so darf der Betrag nicht dem Überbrückungsgeld gutgeschrieben werden, er ist nämlich als Eigengeld zu behandeln (OLG Celle vom 24.5.1983 (3 Ws 185/83 – StVollz) in ZfStrVo 1983, 383).

Häufigkeit des Einkaufs:

Eine nur monatlich gewährte Einkaufsmöglichkeit genügt nicht, zumal wenn der Erwerb verderblicher Lebensmittel betroffen ist (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, F Rn. 10, OLG Frankfurt ZfStrVo 1979, 57). Dem Angleichungsgrundsatz (§ 2 Abs. 1 Satz 1 StVollzG NRW) entspricht nur eine tägliche Einkaufsmöglichkeit (AK-Kellermann/Köhne, § 22 Rn. 3).

Die Preisgestaltung der Anstaltskauffrau muss marktgerecht sein, also den Preisen draußen entsprechen. Auch dies ergibt sich aus dem Angleichungsgrundsatz (§ 2 Abs. 1 Satz 1 StVollzG NRW; Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, F Rn. 10).

18. Verpflegung

Durch ständige und in großer Zahl vorgebrachte Beschwerden lässt sich vielleicht eine Verbesserung der Verpflegung erreichen. Hier eine kleine Argumentationshilfe:

Die Anstalt ist verpflichtet, für die „vollwertige Verpflegung nach den Grundsätzen der modernen Ernährungslehre“ zu sorgen. Dabei muss die Verpflegung nach dem Willen des Gesetzgebers „gesundheitsfördernd, kräftigend, bekömmlich, abwechslungsreich und schmackhaft“ sein (BT-Drucksache 7/918, S. 56).

Die Verpflegung darf kein zusätzliches Strafübel sein. Menge und Zusammensetzung müssen die Anforderungen des durchschnittlichen Bedarfs und der durchschnittlichen Qualität „draußen“ erfüllen. Auch dies ergibt sich aus dem Angleichungsgrundsatz (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, H Rn. 143).

Sonderverpflegung:

Durch § 16 Abs. 1 Satz 3 StVollzG NRW wird die Anstalt verpflichtet, dir die Befolgung der Speisevorschriften deiner Religionsgemeinschaft zu ermöglichen, d. h., es müssen die Sachen, die du nicht essen darfst, durch andere gleichwertig ersetzt werden („Austauschkost“). Ist die Anstalt dazu nicht in der Lage, hast du ein Recht auf Selbstverpflegung (BT-Drucksache 7/918, S. 56). Die Anstalt muss dir also die Beschaffung deiner Esswaren ermöglichen und auch weitestgehend finanzieren. Hierzu solltest du einen Antrag stellen und dich auf die Förderungspflicht der Anstalt berufen. Du brauchst dann natürlich auch eine eigene Kochplatte und einen Tauchsieder, um das Essen selbst zuzubereiten. Das Gleiche gilt auch für überzeugte Vegetarierinnen, wie das in § 63 Abs. 1 Satz 3 BbgVollzG auch explizit genannt wird.

Auf ärztliche Anordnung wird eine besondere Verpflegung gewährt. In Betracht kommt dies nicht nur bei kranken und alten, sondern auch bei heranwachsenden sowie bei schwer arbeitenden Gefangenen (AK-Kellermann/Köhne, § 21 Rn. 2). Rede doch mal mit der Ärztin … Der jeder Gefangenen rechnerisch zustehende Verpflegungssatz muss voll ausgeschöpft werden; wenn du kein Fleisch isst, musst du stattdessen etwas Gleichwertiges erhalten. Dass die Anstalt dir die Beschaffung deiner Esswaren ermöglichen muss (s. o.), hat das OLG Hamm entschieden (OLG Hamm vom 14.12.1983, 7 Voll – Ws – 140/83).

19. Aufschluss

Wenn du eine längere Aufschlusszeit erreichen willst:

Da keine Gründe des § 14 Abs. 2 Nr. 1–3 StVollzG NRW vorliegen, ist die Einzelunterbringung in der Freizeit rechtswidrig. Denn es entspricht den Intentionen des Gesetzgebers, das allgemein- menschliche Bedürfnis, sich in Gemeinschaft mit anderen aufzuhalten, hinreichend zu befriedigen (AK-Kellermann/Köhne § 17 Rn. 2; Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, D Rn. 48). Von einer „hinreichenden“ Befriedigung dieses Bedürfnisses kann jedoch bei einem monatlichen Aufschluss von lediglich … Stunden nicht die Rede sein. Im Gegenteil sieht das Gesetz vor, dass meine gesamte Freizeit in Gemeinschaft stattfinden darf.

20. Isolierende Maßnahmen

Allgemeines

Wenn du von anderen Gefangenen isoliert worden bist oder werden sollst, dann ist juristische Gegenwehr besonders nötig und auch besonders schwierig. Fordere die sofortige Benachrichtigung deiner Anwältin oder einer anderen Vertrauensperson (wenn du Ausländerin bist: einer Dolmetscherin). Versuche Kontakt mit dem Anstaltsbeirat aufzunehmen (der dich unüberwacht aufsuchen darf: § 106 Abs. 2 StVollzG NRW). Und stelle umgehend einen Eilantrag bei der Strafvollstreckungskammer:

Ich beantrage, den Vollzug der gegen mich getroffenen Isolationsmaßnahme … (ausführen) bis zur Entscheidung über ihre Rechtmäßigkeit auszusetzen. Diese Maßnahme ist ungerechtfertigt, weil … (begründen, siehe unten). Eine Eilentscheidung ist erforderlich, weil durch den sofortigen Vollzug der Maßnahme mein Recht auf Gemeinschaft während Arbeit und Freizeit (§ 14 StVollzG) vereitelt würde. Ein höher zu bewertendes Interesse an einem sofortigen Vollzug der Maßnahme vermag ich nicht zu erkennen.

Nach Vollstreckung der Maßnahme kannst du allenfalls noch die Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit erreichen (§ 115 Abs. 3 StVollzG). Versuche in jedem Fall festzustellen, ob es sich um eine Disziplinarmaßnahme oder um eine Sicherungsmaßnahme handelt. Auch wenn die unmittelbaren Auswirkungen für dich die gleichen sind: Die gesetzlichen Voraussetzungen und damit die Möglichkeiten der Gegenwehr sind sehr verschieden.

Disziplinarmaßnahmen

Die isolierenden Disziplinarmaßnahmen sind in § 80 Abs. 1 StVollzG NRW aufgezählt:

1. Verweis,

2. Beschränkung oder Entzug der Verfügung über das Hausgeld und des Einkaufs bis zu vier Wochen,

3. Beschränkung oder Entzug der Teilnahme an gemeinsamen Veranstaltungen bis zu sechs Wochen,

4. getrennte Unterbringung während der Freizeit bis zu vier Wochen,

5. Beschränkung oder Entzug des Besitzes von Gegenständen mit Ausnahme des Lesestoffs bis zu vier Wochen,

6. Beschränkung oder Entzug des Hörfunk- oder Fernsehempfangs bis zu sechs Wochen und

7. Arrest bis zu vier Wochen (d. h. Einzelhaft, evtl. in einem besonderen Arrestraum).

Andere Formen der Isolierung von den Mitgefangenen sind als Disziplinar­maßnahmen nicht zulässig.

Pflichtverstoß als Voraussetzung:

Disziplinarmaßnahmen dürfen gegen dich nur angeordnet werden, wenn du vorsätzlich gegen eine Pflicht aus dem Strafvollzugsgesetz oder der Hausordnung verstoßen hast (§ 79 Abs. 1 StVollzG NRW). In einigen Bundesländern werden zu ahndende Verstöße explizit aufgezählt (BB, HE, MV, RP, SL, SN; hier gibt es allerdings eine Generalklausel, nach der auch andere Verstöße geahndet werden dürfen).

Bestehe darauf, dass dir mitgeteilt wird, gegen welche Bestimmung du verstoßen haben sollst (§ 81 Abs. 1 Satz 3 StVollzG NRW). Ein bloßer Verdacht reicht auf keinen Fall aus (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, M Rn. 180, BVerfGK 9, 390, BayVerfGH BayVBl 2011, 562). Auch eine verdachtsweise Ablösung von der Arbeit bis zur Klärung im Disziplinarverfahren ist unzulässig, weil eine solche gesetzlich nicht geregelt ist. Solange es also nicht sicher ist, dass du das dir zur Last gelegte Verhalten begangen hast, darfst du keine „Diszi“ kriegen.

Argumentiere wie folgt:

Bloße Verstöße gegen Sitte und Anstand reichen als Grundlage einer Disziplinarmaßnahme ebenso wenig aus wie bloße Bagatellen (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, M Rn. 182).

Selbstmordversuch und Selbstbeschädigung dürfen nicht mit Disziplinarmaßnahmen beantwortet werden (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, M Rn. 192).

Auch aus § 4 Abs. 1 StVollzG NRW ergibt sich für mich keine Verpflichtung, an der Gestaltung meiner „Behandlung“ und an der Erreichung des Vollzugsziels mitzuwirken. Dementsprechend kann mein passives Verhalten keine Disziplinarmaßnahme rechtfertigen (OLG Celle 4.3.1985 – 3 Ws 495/84 StVollzG).

Die mir zur Last gelegte Beleidigung der Vollzugsbeamtin XY ist nicht geeignet gewesen, das geordnete Zusammenleben in der Anstalt zu stören. Deswegen darf mir auch keine Disziplinarmaßnahme auferlegt werden (OLG Stuttgart NStZ-RR 2012, 30).

Umstritten ist es, ob Flucht, Entweichung, Nichtrückkehr vom Urlaub oder die Begehung von Straftaten während der Strafverbüßung einen Disziplinartatbestand darstellen. Argumentiere wie folgt:

Ich darf nicht gezwungen werden, an meiner eigenen Einsperrung mitzuwirken. Meine Flucht (Entweichung, Nichtrückkehr usw.) erfüllt insbesondere auch nicht den Tatbestand des § 82 StVollzG NRW, weil diese Bestimmung nur die Sicherheit bzw. Ordnung innerhalb des räumlichen Bereichs der Anstalt gewährleisten soll (OLG Frankfurt NStZ 1997, 153).

Die bloße Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten während der Zeit der Strafverbüßung stellt keinen Disziplinartatbestand dar, wenn damit nicht gleichzeitig gegen ausdrückliche Pflichten des Strafvollzugsgesetzes oder der Hausordnung verstoßen wird (AK-Walter § 102 Rn. 6). Arrest

Seine Verhängung ist nur unter den zusätzlichen engen Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 StVollzG NRW zulässig, d. h., er darf nur „wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhängt werden“. In vielen Anstalten werden allerdings auch leichtere Verstöße zum Anlass für Disziplinarmaßnahmen genommen (z. B. Arbeitsverweigerung, betrunkene Rückkehr aus dem Urlaub, Beleidigung von Vollzugsbediensteten usw.). Dagegen solltest du dich wehren.

Als schwere Verfehlung sind nur solche anzusehen, die die innere und äußere Sicherheit durch Gefangenenmeuterei oder durch Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen gefährden (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, M Rn. 222). Liegt nur eine „einfache Verfehlung“ vor, dann kommt Arrest erst bei der zweiten Wiederholung (d. h. beim dritten Mal) in Frage.

In Brandenburg und Sachsen wurde der Arrest glücklicherweise abgeschafft!

Verfahren

Der Pflichtverstoß muss in einem förmlichen Verfahren (§ 81 StVollzG NRW: Sachverhaltsaufklärung; Anhörung der Gefangenen; Niederschrift) festgestellt und nachgewiesen werden. Um den Sachverhalt zu klären, muss die Anstalt sowohl belastende als auch entlastende Umstände ermitteln (§ 81 Abs. 1 Satz 2 StVollzG NRW). Wenn du der Meinung bist, dass die Disziplinarmaßnahme auf Verfahrensmängeln beruht, solltest du auch diese rügen, z. B.:

Bei der Sachverhaltsaufklärung sind folgende Zweifel an meiner Schuld nicht ausgeräumt worden: … (ausführen). Diese Zweifel müssen zu meinen Gunsten gewertet werden (KG 17.10.1980 – 2 Ws 300/80 Vollz).

Sicherungsmaßnahmen

In manchen Bundesländern gilt es als besonders liberal, statt der Disziplinarmaßnahme Arrest „besondere Sicherungsmaßnahmen“ zum Zweck der Isolation zu verhängen: Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände („Beruhigungszelle“, § 69 Abs. 2 Nr. 5 StVollzG NRW) oder (vorübergehende) Absonderung von anderen Gefangenen (§ 69 Abs. 2 Nr. 3 StVollzG NRW). Durch diese Sicherungsmaßnahmen können in der Praxis die engen Voraussetzungen und zeitlichen Begrenzungen (auf vier Wochen) des Disziplinararrestes unterlaufen werden, was dann gar nicht mehr liberal ist. Wenn eine Sicherungsmaßnahme gegen dich verhängt wird, nur um dich für vergangene „Pflichtverstöße“ zu disziplinieren, dann ist dies rechtswidrig und du kannst die Entscheidung unter diesem Gesichtspunkt angreifen (LG Nürnberg NStZ 1981, 78).

Gefahr als Voraussetzung

Voraussetzung einer Sicherungsmaßnahme ist, dass konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass bei dir entweder „in erhöhtem Maße“ Fluchtgefahr besteht oder die Gefahr, dass du Aggressionen gegen andere oder gegen Sachen oder gegen dich selbst entfaltest (§ 69 Abs. 1 StVollzG NRW). Darüber hinaus sollen diese Maßnahmen sogar noch zulässig sein, wenn – unabhängig von deinem Verhalten – nur dadurch die „Gefahr einer Befreiung oder einer erheblichen Störung der Anstaltsordnung vermieden oder behoben werden kann“ (§ 69 Abs. 3 StVollzG NRW). Hier solltest du betonen, dass im Gesetzgebungsverfahren von einer engen Auslegung dieser weiten Bestimmung die Rede war:

Die gegen mich ergriffenen Sicherungsmaßnahmen sind rechtswidrig, da eine erhebliche Störung der Anstaltsordnung gar nicht vorlag. Diese müsste nämlich der „Gefahr einer Befreiung“ entsprochen haben, wovon gar keine Rede sein kann. Nur eine enge Auslegung der Bestimmung kann den Intentionen des Gesetzgebers gerecht werden (Regierungsentwurf zum Strafvollzugsgesetz, S. 78).

Die Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum muss auf die unbedingt erforderliche Dauer beschränkt sein (AK-Feest/Köhne, § 88 Rn. 15, 19). Eine Überschreitung von 24 Stunden ist nicht zulässig (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, StVollzG, M Rn. 91 mit Verweis auf die Vorauflage).

Meine Entkleidung ist wegen der demütigenden Wirkung nicht zulässig. Ich muss stattdessen reißfeste Kleidung bekommen (EGMR NJW 2012, 2175).

Einzelhaft

Zusätzliche Voraussetzung für die Verhängung von Einzelhaft (d. h. Absonderung, die länger als 24 Stunden dauert) als Sicherungsmaßnahme ist, dass die unausgesetzte Absonderung von anderen Gefangenen „aus Gründen, die in der Person der Gefangenen liegen, unerlässlich ist“ (§ 89 StVollzG Bund). „Unerlässlich“ ist die Einzelhaft nur dann, wenn der gleiche Erfolg nicht durch andere, weniger schwerwiegende Maßnahmen erreicht werden kann (z. B. Verlegung, spezielle med. Behandlung usw.).

Die gegen mich verhängte Einzelhaft ist aufzuheben, da andere, weniger eingreifende Maßnahmen – wie ärztliche oder psychologische Konsultation – gar nicht versucht wurden (BVerfG StV 1999, 551).

Wenn du dennoch in Einzelhaft gelandet bist, solltest du dich gegen weitergehende Isolation (z. B. Besuchsverbote) wehren:

Einzelhaft darf nicht zu totaler Isolation führen. Insbesondere dürfen meine Kontakte zur Außenwelt nicht unterbunden werden (S/B/J/L § 90 Rn. 1). Ich beantrage daher, das gegen mich verhängte Besuchsverbot aufzuheben.

Auch wenn die Einzelhaft im Gesetz zeitlich nicht begrenzt ist, folgt eine Begrenzung aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz:

Die gegen mich verhängte Einzelhaft ist aufzuheben, da sie außer Verhältnis zu ihrem Anlass steht … (näher begründen). Die Anstalt muss die Unerlässlichkeit der Anordnung regelmäßig überprüfen (OLG Karlsruhe ZfStrVo 2004, 186). Da die Voraussetzungen für die Einzelhaft jedenfalls mittlerweile entfallen sind, habe ich einen Anspruch auf Aufhebung der Einzelhaft (OLG Frankfurt NStZ-RR 2002, 155).

Verfahren

Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen normalerweise nur von der Anstaltsleiterin oder der Inspektorin vom Dienst persönlich angeordnet werden (§ 81 Abs. 2 StVollzG NRW). Nur ausnahmsweise können auch andere Bedienstete die Maßnahme vorläufig anordnen, müssen aber unverzüglich die Entscheidung der Anstaltsleiterin einholen (Ausnahme: Baden-Württemberg; hier darf nur die Anstaltsleiterin). Dies geht ohnehin nur, wenn wirklich Gefahr im Verzug vorliegt. Dies ist eng auszulegen und konkret zu begründen (BVerfG NJW 2001, 1121). Ein förmliches Verfahren und eine Anhörung der Betroffenen sind nicht zwingend vorgeschrieben. Du solltest aber verlangen, dass die Anstaltsleiterin vom Dienst dir die Entscheidung persönlich erläutert.

Einschränkung der gemeinschaftlichen Unterbringung

Manche Anstaltsleitungen versuchen, Isolationsmaßnahmen zu verhängen und gleichzeitig Voraussetzungen der Disziplinar- bzw. Sicherungsmaßnahmen zu unterlaufen. Besonders beliebt ist es, die Isolation auf § 14 Abs. 2 StVollzG NRW zu stützen, da die Voraussetzungen dort besonders gering sind. Wenn du auf diesem Wege Einzelhaftbedingungen unterworfen wirst, wehre dich wie folgt:

§ 14 Abs. 2 StVollzG NRW gestattet nur eine „Einschränkung“, nicht den totalen Entzug der gemeinschaftlichen Unterbringung während der Arbeitszeit und Freizeit. Letzterer ist nur unter den Voraussetzungen des § 69 StVollzG möglich (OLG Frankfurt ZfStrVo 1979, S. 121; S/B/J/L § 17 Rn. 7). Wenn man mir eine schuldhafte Pflichtverletzung vorwirft, dann muss gezeigt werden, dass die Voraussetzungen der Disziplinarmaßnahmen vorliegen (OLG Nürnberg ZfStrVo 1980, S. 250; OLG München StV 1981, S. 246). § 14 Abs. 2 StVollzG NRW darf nicht dazu missbraucht werden, die gesetzlichen Bestimmungen über Disziplinarmaßnahmen und besondere Sicherungsmaßnahmen zu unterlaufen (LG Hamburg ZfStrVo 2001, 51).

Auch eine bloße Einschränkung der gemeinschaftlichen Unterbringung während der Arbeitszeit oder der Freizeit ist nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 StVollzG NRW vorliegen, welche eng auszulegen sind:

Schädlicher Einfluss ist nicht schon in einem bloß moralisch unerwünschten Verhalten zu sehen. Die Voraussetzungen von § 14 Abs. 2 Nr. 1 StVollzG NRW liegen daher nicht schon deshalb vor, weil das schlechte Beispiel von Arbeitsverweigerung allgemein geeignet sein könnte, „Schule zu machen“ (OLG Nürnberg StV 1981, S. 245).

Auch die bloße Tatsache, dass du als unbelehrbare Überzeugungstäterin giltst und befürchtet wird, du könntest andere in politisch motivierte Straftaten verwickeln, reicht für Einschränkungen nicht aus (OLG Hamburg StV 1983, S. 187). Desgleichen sind die Begriffe „Sicherheit“ bzw. „Ordnung“ der Anstalt stets eng auszulegen, d. h., die Einschränkungen müssen schon zwingend geboten sein. Es müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, nicht bloß Vermutungen oder ein unbestimmter Verdacht (KG Berlin 19.4.1983 – 5 Ws 111/83 Vollz).

21. Urlaub

Möglichkeiten eines Urlaubs sind im Strafvollzugsgesetz NRW in §§ 13 Abs. 5 StVollzG Bund i. V. m. 121 Nr. 1 StVollzG NRW, § 54 und § 13 (Sozialtherapie) geregelt. Nach § 54 kannst du unter bestimmten Voraussetzungen an bis zu 24 Tagen im Jahr aus der Haft beurlaubt werden. Dafür musst du aber normalerweise erstmal 6 Monate gesessen haben (§ 54 Abs. 2). Die meisten Bundesländer haben 21 Tage als Höchstgrenze. In einigen Bundesländern (BB, MV, RP, SL, SN) gibt es gar keine Höchstgrenze!

24 Tage bedeuten übrigens 24 mal 24 Stunden (BGH NJW 1988, 1989). Antretetage werden dabei nicht mitgezählt (§ 54 Abs. 1 Satz 2 StVollzG NRW).

(Ausnahme: Lebenslängliche erhalten erst nach zehn, in Bayern nach zwölf Jahren Urlaub, es sei denn, sie sitzen in Brandenburg oder Hamburg, dort gibt es keine Mindestvollzugszeit.) Dieser sogenannte Regelurlaub stellt keine Belohnung für braves Vollzugsverhalten dar: Die Tatsache, dass du mehr oder weniger häufig mit Disziplinarmaßnahmen überzogen wurdest, rechtfertigt allein noch nicht die Ablehnung deines Antrags. Der Regelurlaub dient vielmehr dazu, den schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs (§ 2 Abs. 1 StVollzG NRW) entgegenzuwirken und deine Kontakte nach draußen aufrechtzuerhalten. Du hast zwar keinen Anspruch auf Urlaub, aber ein Recht darauf, dass die Anstalt deinen Antrag genauestens prüft. Außerdem muss die Anstalt rechtzeitig (ohne große Verzögerung) über deinen Urlaubsantrag entscheiden (BVerfG ZfStrVo 1985, 311). Wenn die Anstalt den Antrag ablehnt, muss sie dir die entscheidenden Gründe mitteilen. Nicht ausreichend ist dabei der bloße Hinweis auf die Verwaltungsvorschriften (VV) zu § 13 StVollzG:

Die Begründung ist nicht ausreichend, da sie meinen konkreten Fall nicht berücksichtigt, sondern nur auf die Verwaltungsvorschriften verweist (OLG Celle JR 1978, 258). Mein Antrag darf nicht allein mit der Begründung abgelehnt werden, der Strafrest bis zur voraussichtlichen Entlassung betrage noch über 18 Monate (OLG Frankfurt NJW 1978, 334).

Es genügt auch nicht, darauf hinzuweisen, dass die zuständige Aufsichtsbehörde nicht zugestimmt hat (OLG Frankfurt 24.9.1986 – Ws 746/86 StVollz).

Der bloße Hinweis auf die bei einem ausländischen Gefangenen bestehende Ausweisungsverfügung reicht als Begründung nicht aus (OLG Frankfurt B1StVK 1981, H. 4/5, S. 10).

Die Vollzugsbehörde darf auch nicht nur die alten Gründe einer früheren Urlaubsablehnung bei einem neuen Antrag wiederholen (OLG Celle 27.6.1986 – Ws 290/86 StVollz). Eine im Voraus festgelegte Urlaubssperre ist rechtswidrig (OLG Bremen NStZ 1982, 84). Wenn du es besonders weit nach Hause hast, kannst du den Urlaub mit einem Ausgang (§ 54 Abs. 1 StVollzG NRW) kombinieren, um nicht deinen Urlaub auf der Reise zu verplempern (OLG Hamm NStZ 1986, 142).

§ 54 Abs. 2 StVollzG NRW besagt, dass in der Regel eine Wartezeit von sechs Monaten verstreichen soll, bevor du die 24 Tage Urlaub bekommen kannst. Wenn du aus der vorherigen U-Haft direkt in den Strafvollzug kommst, kann es angemessen sein, den Urlaub schon dann zu geben, wenn U-Haft und Strafhaft zusammen sechs Monate gedauert haben (LG Gießen, Beschluss vom 24.6.1985, 1 StVKVollz 381/85; S/B/J/L § 13 Rn. 12). Die Praxis der Behörden, die Beurlaubung von Lebenslänglichen (vgl. § 54 Abs. 4 StVollzG NRW) von beanstandungsfreien Ausführungen und Tagesausgängen abhängig zu machen, ist rechtswidrig (S/B/J/L § 13 Rn. 44). Auch bei Lebenslänglichen gelten – abgesehen von der Mindestverbüßungszeit – für den Urlaub die gleichen Gesichtspunkte wie bei den anderen Gefangenen.

Nach § 55 StVollzG kannst du zusätzlich aus „wichtigem Anlass“ beurlaubt werden. Ein wichtiger Anlass liegt vor, wenn eine persönliche, geschäftliche oder rechtliche Angelegenheit nur außerhalb des Knastes (also nicht durch einen Brief oder ein Telefongespräch) geregelt werden kann. Als wichtigen Anlass kannst du etwa anführen:

Ich muss zu Hause anwesend sein, um eine dringende Arbeit durchzuführen, die nur ich selbst ausführen kann (OLG Dortmund B1StVK 1982, H3, S. 3).

Ich muss dringende Klempnerarbeiten in der Wohnung ausführen / eine Untervermietung vorbereiten (LG Hamburg ZfStrVo SH 1978, 33).

Ich muss den nötigen Umzug meiner Familie aus wirtschaftlichen Gründen selbst durchführen (OLG Koblenz ZfStrVo 1979, 253).

Ich muss an einer externen Fortbildungsmaßnahme teilnehmen, die mir innerhalb der Anstalt nicht gewährt werden kann (OLG Frankfurt NStZ 1986, 189).

Ich muss meine Anwältin besuchen, die aus wirtschaftlichen Gründen nicht immer in die Anstalt kommen kann (OLG Hamburg 7.2.1997 – 3 Vollz 44/96).

Wichtiger Anlass ist auch eine länger andauernde, nicht lebensgefährliche Erkrankung einer Angehörigen (OLG Celle ZfStrVo 1986, 378).

Die Anstalten verweisen dich, wenn du Sonderurlaub beantragst, häufig in den Regelurlaub. Das ist aber dann bedenklich, wenn dadurch der Regelurlaub, der aus Gründen der Resozialisierung nicht zuletzt für Kontakte mit Angehörigen reserviert bleiben soll, ganz oder weitgehend für die Erledigung anderer Angelegenheiten verwendet werden müsste. Die Beurlaubung darf dann nicht auf Kosten des Regelurlaubs gehen.

Der Ermessensspielraum der Anstalt wird enger, je näher der voraussichtliche Entlassungszeitraum heranrückt (§ 59 Abs. 1 StVollzG). Innerhalb von neun Monaten vor der Entlassung kann Freigängerinnen Sonderurlaub bis zu sechs Tagen im Monat gegeben werden (§ 59 Abs. 2 StVollzG NRW). Dabei kommt es nur auf die Eignung zur Freigängerin an (§ 59 Abs. 2 StVollzG NRW).

Es kommt nicht darauf an, ob ich bereits einen der wenigen vorhandenen Freigängerinnenplätze erhalten habe. Vielmehr entscheidet nach herrschender Meinung ausschließlich meine („theoretische“) Eignung zur Freigängerin (BGH 14.11.1978 – 4 Str 463/78; OLG Celle 2.4.1986 – 3 Ws 78/86).

Wenn du rechtzeitig Regelurlaub beantragt hast, dein Antrag aber von der Anstalt abgelehnt wurde und dein Rechtsschutzverfahren bis zum Ablauf des Urlaubsjahres andauert, verfällt dein Regelurlaub nicht automatisch. Der Urlaub kann dir auch noch im folgenden Jahr bewilligt werden (OLG München v. 15.7.83 – 1 Ws 459/83 in ZfStrVo 1983, 184 ff.).

22. Lockerungen

Zunächst zur Rechtslage im Einzelnen:

1. Die Staatsanwaltschaft kommt im Strafvollzugsgesetz nicht vor. Dies entspricht einer konsequenten Trennung der Vollzugszuständigkeiten einerseits und der Vollstreckungszuständigkeiten andererseits. Die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde hat nur mit Vorfragen des Strafvollzugs zu tun (§§ 449 ff. StPO, z. B.: Ladung zum Strafantritt, Strafaufschub, Strafunterbrechung usw.).

2. In den bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften wird die Staatsanwaltschaft nur bei Staatsschutzdelikten, wie z. B. Hochverrat, bzw. im Zusammenhang mit Ermittlungs- oder Strafverfahren erwähnt.

2.1. Bei Staatsschutzdelikten ist vor Lockerungen die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde zu hören (VV Nr. 1 zu § 10, VV Nr. 5 zu § 11, VV Nr. 3 zu § 13 StVollzG). Im Übrigen sind hier Lockerungen nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig.

2.2. Bei Gefangenen, gegen die ein Ermittlungs- oder Strafverfahren anhängig ist, ist die „zuständige Behörde“ zu hören (VV Nr. 2 zu § 10, VV Nr. 6 zu § 11, VV Nr. 4 zu § 13 StVollzG). Mindestens bei Ermittlungsverfahren ist dies eindeutig die Staatsanwaltschaft. Angesichts der Verpflichtung der Ermittlungsbehörden, der Vollzugsanstalt über neue Strafverfahren Mitteilung zu machen (MiStra), erscheint eine Regelanfrage bei der StA jedoch überflüssig und sollte daher von den Vollzugsanstalten unterlassen werden.

3. In jedem Fall ist die Entscheidung über Lockerungen allein von der Vollzugsbehörde und ausschließlich nach den im Strafvollzugsgesetz geregelten gesetzlichen Kriterien (§ 53 StVollzG NRW) zu treffen (OLG Koblenz, Beschluss vom 22.11.1977 – 2 Vollz 10/77).

3.1. Wenn ein Strafverfahren anhängig ist, muss die Vollzugsanstalt prüfen, ob dieses im konkreten Fall einen Anhaltspunkt für erhöhte Fluchtgefahr oder für die Wahrscheinlichkeit neuer Straftaten während des Urlaubs darstellt (OLG Celle, Beschluss vom 29.8.1978 – Ws 22/78). Will die Staatsanwaltschaft Lockerungen um jeden Preis verhindern, muss sie einen Haftbefehl (Überhaft) beantragen; tut sie das nicht, dann hat die Vollzugsanstalt diesen Umstand im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung zu berücksichtigen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.5.1984 – 3 Ws 253/84 Vollz).

3.2. Wenn kein neues Strafverfahren läuft, besteht (außer bei Staatsschutzdelikten, wie z. B. Hochverrat) keine Veranlassung zu Rückfragen bei der Staatsanwaltschaft. Wird von ihr dennoch eine Stellungnahme abgegeben, so ist diese völlig unbeachtlich, da die Staatsanwaltschaft insoweit keinerlei Zuständigkeit besitzt.

Lockerungen des Vollzugs sind in § 53 StVollzG geregelt. Sie sollen der Wiedereingliederung dienen und den schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs entgegenwirken. Das Gesetz kennt nur zwei zwingende Voraussetzungen: Neben deiner Zustimmung darf keine Missbrauchs- oder Fluchtgefahr bestehen. Aber auch dann, wenn bei dir weder Flucht- noch Missbrauchsgefahr (§ 53 Abs. 1 StVollzG NRW) besteht, hast du keinen verbindlichen Anspruch auf Lockerungen. Du kannst allerdings verlangen, dass die Anstalt alle Gesichtspunkte deines Falles berücksichtigt, die gegen eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr sprechen. Eine Befürchtung im Sinne des § 53 Abs. 1 StVollzG NRW besteht nämlich nur, wenn aufgrund konkreter, darzulegender Umstände mit deiner Flucht oder dem Missbrauch der Vollzugslockerungen gerechnet werden kann (OLG Stuttgart, 25.5.1984 – 4 Ws 70/84). Nicht ausreichend ist es z. B., wenn die Anstalt deinen Antrag allein deshalb ablehnt, weil

Ebenso wenig reichen (andere) pauschale Begründungen und der bloße Hinweis auf Verwaltungsvorschriften für eine Ablehnung aus (OLG Koblenz ZfStrVo 1978, 123). Auch wenn du vor langer Zeit einmal aus dem Urlaub nicht zurückgekehrt bist, muss die Anstalt die Fluchtgefahr sorgfältig prüfen (OLG Frankfurt NStZ 1984, 190). Nicht gefallen lassen solltest du dir auch eine Ablehnung, welche mit Schuldschwere und Generalprävention argumentiert:

Nach herrschender Lehre (vgl. Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, E Rn. 145) ist es unzulässig, im Strafvollzug mit derartigen allgemeinen „Strafzwecken“ zu argumentieren. Aspekte der Schuld sind von den Vollzugsbehörden nicht zu berücksichtigen, weil darüber allein die Strafgerichte entscheiden (BVerfG ZfStrVo 1998, 180, 183).

Hat die Anstalt nach Abwägung aller für und gegen die Maßnahme sprechenden Umstände immer noch Bedenken, so können diese auch dadurch ausgeräumt werden, dass eine vertrauenswürdige Person oder eine Verwandte bei der Lockerung dabei ist („Begleitausgang“: OLG Celle StV 1988, 349).

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 StVollzG NRW muss dein Vollzugsplan Angaben darüber machen, ob und, wenn ja, zu welchem Zeitpunkt Lockerungen vorgesehen sind.

Mein Vollzugsplan sieht ab … Lockerungen vor. Von dieser Planung darf die Anstalt nicht ohne weiteres abweichen. Gründe, die schon zur Zeit der Planung vorgelegen haben und die der Behörde damals bekannt gewesen sind, können nicht später wieder herangezogen werden (OLG Frankfurt ZfStrVo 1985, 170).

Auch darf die Anstalt Lockerungen nicht für die Zukunft („Lockerungssperre“), sondern nur bei deinem jeweiligen Antrag ablehnen (OLG Schleswig 4.1.1983 – 2 Vollz Ws 197/82). Als Beispiele für Lockerungen erwähnt § 53 Abs. 2 StVollzG NRW die Außenbeschäftigung und den Freigang sowie die Ausführungen und den Ausgang:

Die Ausführung ist nicht nur eine vorbereitende Maßnahme für eine weitergehende Vollzugslockerung wie z. B. Urlaub oder Ausgang. Die Ausführung ist eine eigenständige Maßnahme, die gerade dann sinnvoll sein kann, wenn die Voraussetzungen für eine weitergehende Maßnahme nicht vorliegen (OLG Hamm NStZ 1985, 189). Insbesondere bei Lebenslänglichen können Ausführung und Ausgang der Vorbereitung und Erprobung für den Urlaub oder für die Gestaltung eines freien Beschäftigungsverhältnisses dienen (OLG Celle ZfStrVo 1981, 244). Hier gilt übrigens nicht die beim Urlaub von Lebenslänglichen vorgeschriebene 10-Jahres-Grenze des § 54 Abs. 4 StVollzG NRW (OLG Frankfurt MDR 1983, 78).

Ausführungen in Anstaltskleidung sind nur in Ausnahmefällen angebracht (OLG Frankfurt 22.11.1977 – Ws 147/78). Eine Fesselung bei der Ausführung setzt eine besonders große, mit konkreten Anhaltspunkten belegbare Gefahr voraus (OLG Celle 24.4.1985 – 3 Ws 63/85 StVollz).

Ein Ausgang kann auch zur Ausübung des Wahlrechts (BVerfG NStZ 1982, 83) oder zur Erleichterung der praktischen Durchführung eines Urlaubs (OLG Celle NStZ 1981, 276) gegeben werden.

Freigängerinnen können bei ihren früheren Arbeitgeberinnen beschäftigt werden. 

Weitere Lockerungen stehen unter den gleichen Voraussetzungen im Ermessen der Anstalt. Besonders gesetzlich geregelt sind der Urlaub (siehe oben) und Lockerungen „aus wichtigem Anlass“ (siehe oben). Die verschiedenen Arten von Lockerungen wie Ausgang, Urlaub oder Sonderurlaub können miteinander kombiniert werden (OLG Celle NStZ 1981, 276). Du kannst aber auch andere als die in § 53 Abs. 2 StVollzG NRW ausdrücklich erwähnten Lockerungsmöglichkeiten beantragen.

Nach § 57 StVollzG NRW kann die Anstaltsleiterin für die Lockerungen Weisungen erteilen. Folgende „Weisungen“ werden dort genannt:

wobei die Liste nicht abschließend sein soll. Wenn du mit einer Weisung gar nicht einverstanden bist, kannst du auch isoliert gegen diese Weisung Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen. Dies wird deinen Urlaub dann aber nach hinten verzögern.

Werden dir Lockerungen versagt, kannst du dagegen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen und diesen wie folgt begründen:

Hiermit stelle ich wegen Verweigerung von Vollzugslockerungen Antrag auf gerichtliche Entscheidung und beantrage,

den Bescheid der JVA vom yy.yy.xxxx (zum Beispiel die letzte Vollzugsplanfortschreibung) aufzuheben und mir Lockerungen zu gewähren, hilfsweise, die JVA zu verpflichten, mich neu zu bescheiden.

Begründung:

Ich wurde durch Urteil vom Gericht xy zu einer Freiheitsstrafe von x Jahren verurteilt. Mein Zweidritteltermin ist …, Strafende ist …

Seit dem xx.xx.xxxx befinde ich mich in der JVA …

Bis heute wurden mir keinerlei Lockerungsmaßnahmen gewährt. Dies mit der Begründung, dass aufgrund meiner ungünstigen Sozialprognose die Gefahr der Flucht und des Missbrauchs nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen sei. (Bescheid als Anlage 1 beifügen)

Dagegen ist mein Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulässig und begründet, weil die Gefahr des Missbrauchs und der Flucht überhaupt nicht begründet wird.

Hierfür müssten aber konkrete Anhaltspunkte vorliegen und auch genannt werden. Das macht die JVA nicht. Solche Anhaltspunkte dafür liegen auch nicht vor, da ... (ausführen).

Außerdem ist nicht maßgeblich, ob in meiner Person überhaupt die erneute Gefahr von Straftaten droht, sondern entscheidend ist, ob die gerade konkret ins Auge gefasste Lockerung sich voraussichtlich ungünstig auf das Verhalten der Gefangenen auswirken kann (KG, Beschluss vom 09.12.2009, 2 Ws 569/09 Vollz; OLG Karlsruhe ZfStrVo 2004, 108 (110)).

Die von mir beantragte Lockerung eines monatlichen Ausgangs (oder was du beantragt hast) birgt keine Gefahr der Flucht oder des Missbrauchs.

Jedenfalls müsste mir wegen des Verhältnismäßigkeitsprinzips aber ein begleiteter Ausgang oder eine Ausführung gewährt werden, da damit die Gefahr auf jeden Fall beseitigt werden könnte. Der Bescheid der JVA ist also schon deshalb ermessensfehlerhaft, weil er sich mit dieser Möglichkeit überhaupt nicht auseinandersetzt. Personalknappheit ist auch kein ausreichendes Argument, diese abzulehnen (OLG Hamm NStZ 1988, 198).Dem Antrag ist daher stattzugeben.

Wird auch der Antrag auf gerichtliche Entscheidung abgelehnt, kannst du dagegen Rechtsbeschwerde einlegen (s. o.). Dafür brauchst du allerdings eine Anwältin.

23. Verlegung in eine andere Anstalt

Eine Verlegung in eine andere Anstalt ist gesetzlich aus drei Gründen möglich (§ 11 StVollzG NRW): zur Förderung der Behandlung, aus vollzugsorganisatorischen Gründen oder aus anderen wichtigen Gründen.

Der erste kommt v. a. dann in Frage, wenn du in einem anderen Knast eine bessere schulische oder berufliche Ausbildung erhalten kannst (OLG Koblenz ZfStrVo SH 1979, 86) oder eine therapeutische Behandlung (OLG Schleswig FS 2011, 52).

Ein Antrag auf Verlegung in eine andere Anstalt kommt auch dann in Frage, wenn dein Knast so weit vom Wohnort deiner Familienangehörigen und Bekannten entfernt ist, dass diese dich nur schwer besuchen können. Für die Familie gilt auch Artikel 6 GG, bei Bekannten kannst du dich allein auf Artikel 2 GG berufen:

Da nur in der JVA (Ort) die Aufrechterhaltung des Kontaktes zu meinen Angehörigen und Bekannten und damit meiner individuellen Lebensumwelt möglich ist, habe ich aus Artikel 6 GG / Artikel 2 GG ein Recht auf Verlegung (vgl. BVerfG ZfStrVo 2006, 237), mit ausführlicher Begründung und weiteren Nachweisen.

Eine Schwelle der „Unerlässlichkeit“ der Verlegung gibt es nicht, das heißt, es genügt schon, wenn diese für meine weitere Entwicklung im Vollzug förderlich ist, um mein Behandlungsziel zu erreichen.

Wirst du innerhalb der Anstalt „verlegt“, so muss die Anstalt die Gründe ihrer Entscheidung bekanntgeben. Die Begründung, dass dies aufgrund „vertraulicher Hinweise“ erfolge, ist unzureichend (KG Berlin, 6.3.1984 – 5 Ws 492/83 Vollz). Gegen diese Entscheidung kannst du mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§§ 109 ff. StVollzG) vorgehen.

24. Selbstbeschäftigung

Unter Berücksichtigung meiner individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten (vgl. § 29 Abs. 2 StVollzG NRW) ist mir eine sinnvolle Beschäftigung im Rahmen des Beschäftigungsangebots der Vollzugsanstalt nicht möglich. Begründung: ... (vgl. dazu OLG Karlsruhe in ZfStrVo 1979, S. 54).

Oder:

Für mich besteht ein besonderer Anlass, einer Beschäftigung nachzugehen, die nur im Rahmen der Selbstbeschäftigung möglich ist. Denn nur durch Selbstbeschäftigung ist gewährleistet, dass ich meine Fähigkeiten als … erhalten/fördern kann. Begründung: … (vgl. dazu OLG Karlsruhe in ZfStrVo 1979, S. 54).

Dem stehen keine überwiegenden Gründe des Vollzugs entgegen; allgemein fiskalische Erwägungen reichen keinesfalls aus (BVerfGE 98, 169, Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, F Rn. 60).

Wenn du selbstständig bist, kannst du dich darauf berufen, dass Selbstbeschäftigung nach dem Wortlaut des Gesetzes auch außerhalb der Anstalt zulässig ist (OLG Frankfurt in NStZ 1981, 159 f.).

25. Kleidung, Wäsche

Anstaltskleidung ist nach wie vor in den meisten Bundesländern die Regel; Privatkleidung kann von der Anstalt zugelassen werden. In Hamburg und Niedersachsen ist Privatkleidung die Regel, und nur unter bestimmten Umständen kann Anstaltskleidung verordnet werden.

Die Gestattung von Privatkleidung ist Ermessenssache der Anstalt. Sie darf aber nicht deswegen abgewiesen werden, weil Dritte die Reinigung der Sachen übernehmen (BVerfG NStZ-RR 1997, 59). Es kann eine allgemeine Erlaubnis für das Tragen von Privatkleidung erteilt werden (AK-Kellermann/Köhne, § 20 Rn. 5).

Bei Ausgang, Urlaub usw. ist das Tragen eigener Kleidung zu gestatten (AK-Kellermann/Köhne, § 20 Rn. 8). Auch eine Vorführung zu einem Gerichtstermin ist damit vergleichbar (BVerfG NJW 2000, 1399).

26. Telefon

Einen direkten Anspruch auf Telefonate hast du als Gefangene nicht, sondern wieder mal nur einen Anspruch auf „fehlerfreie Ermessensentscheidung“. Vernünftige Gründe für ein Telefonat müssen für eine Erlaubnis zum Telefonieren aber ausreichen, denn „besondere Gründe“ verlangt das StVollzG nicht (in der Praxis wird das Telefonieren oft unproblematisch gestattet). Telefonkontakte werden von der Förderungspflicht der JVA umfasst. Daher erwächst in vielen Fällen aus der Möglichkeit zu telefonieren – vgl. § 24 Abs. 1 StVollzG NRW – die Pflicht der Anstalt, den Gefangenen Telefonate zu ermöglichen, um dem Angleichungsgrundsatz zu genügen (AK-Joester/Wegner § 32 Rn. 2).

Wenn du für das Telefonat sogar besondere Gründe hast (z. B. ist in Krisen häufig eine schnelle – also telefonische – Kontaktaufnahme wichtig), ist es für den Knast besonders schwer, dir das Telefonieren nicht zu erlauben.

Die Kosten für Telefonate musst du selbst tragen. Bist du dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in „begründeten Fällen in angemessenem Umfang“ übernehmen. Bei Behörden- und Anwältinnenkontakten wird dir stets die Erlaubnis zum Telefonieren gegeben werden müssen, denn schriftliche Anfragen von Gefangenen an Behörden oder Anwältinnen sind meist unpräzise und verlangen ausführlichere Nachfragen. Zudem besteht oft die Gefahr, dass, wenn du nur auf den Schriftverkehr angewiesen bist, Kontakte abgebrochen werden, weil sich Probleme im Schriftverkehr nicht lösen lassen und Besuche zu aufwendig sind. Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen Orts- und Ferngesprächen.

Die Überwachung der Telefonate hat sich gem. § 24 Abs. 2 StVollzG NRW an den Grundsätzen der Überwachung des Besuchs zu orientieren, d. h., dass eine akustische Überwachung grundsätzlich nicht erlaubt ist. Soll diese erfolgen, muss die Anstalt dies der Gefangenen vor Beginn und der Gesprächspartnerin zu Beginn des Gesprächs mitteilen (§ 24 Abs. 2 Satz 2 StVollzG NRW).

Da zur Rechtsdurchsetzung bei Ablehnung von Telefonaten durch die Anstalt der Prozessweg häufig zu lange sein dürfte, ist für die Herbeiführung einer schnellen Entscheidung an das Rechtsschutzverfahren nach § 114 Abs. 2 StVollzG zu denken, d. h., du kannst an das Gericht den Antrag auf Aussetzung des Vollzuges der angefochtenen Maßnahme stellen (s. o.).

Sind die Telefongebühren in deiner Anstalt zu hoch (wie z. B. bei Telio), kannst du eine Absenkung der Gebühren beantragen und dich dabei auf das Urteil des LG Stendal vom 30.12.2014, 509 StVK 179/13, berufen:

„Die Entscheidung der Vollzugsbehörde, den Antrag auf Senkung der Telefongebühren abzulehnen, verstößt gegen den Grundsatz, dass die Verhältnisse im Strafvollzug so weit wie möglich den allgemeinen Lebensverhältnissen angeglichen werden sollen.“

27. Arbeitspflicht

In den meisten Bundesländern gibt es auch nach den neuen Gesetzen immer noch die Arbeitspflicht. Nur Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Saarland und Sachsen verzichten darauf und wollen stattdessen mehr Wert auf individuelle Arbeitsmaßnahmen legen – die du aber dementsprechend auch ablehnen kannst.

Ansonsten ist Arbeit im Knast immer noch Zwangsarbeit zu einem lächerlichen „Arbeitsentgelt“, ohne Kranken- und Sozialversicherung, ohne Lohnfortzahlung im Krankheitsfall usw. Schließe dich der Ortsgruppe der Gefangenengewerkschaft an, wenn es bei dir im Knast schon eine gibt, oder gründet gemeinsam eine (siehe Kapitel 9 Arbeit, Geld, Einkauf, Essen; Kontaktaufnahme zur Gewerkschaft: Gefangenen-Gewerkschaft / Bundesweite Organisation (GG/BO) c/o Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Straße 4, D – 10405 Berlin). Die kämpft immerhin für den Mindestlohn auch im Knast und für eine Rentenversicherung, die, obwohl sie schon im alten Bundesstrafvollzugsgesetz vorgesehen war, bis heute nie umgesetzt wurde.

Gibt es in dem Knast, in dem du sitzt, die Arbeitspflicht, gibt es nur wenige Möglichkeiten, dieser zu entgehen.

Durchgesetzt wird die Arbeitspflicht auf zwei Wegen: Wenn du die Arbeit verweigerst, wird dir selbst das geringe Arbeitsentgelt noch gestrichen, und es können Disziplinarmaßnahmen verhängt werden. Hast du gute Gründe zur Arbeitsverweigerung gehabt, solltest du gegen eventuelle Disziplinarmaßnahmen Rechtsmittel einlegen. Stelle dabei heraus, dass nur freiwillige Mitarbeit der Resozialisierung dient und dass du durch die finanziellen Einbußen schon hart genug betroffen bist (AK-Däubler/Galli § 41 Rn. 1). Aber auch die finanziellen Einbußen musst du nicht in jedem Fall hinnehmen. Taschengeld (§ 35 StVollzG NRW) oder Einkauf vom Eigengeld (§ 17 Abs. 2 StVollzG NRW) erhältst du allerdings nur, wenn du „ohne eigenes Verschulden“ ohne Arbeit bist. Dies ist vor allem bei krankheitsbedingter Arbeitsverweigerung der Fall; aber auch wenn du dich aus religiösen Gründen weigerst, bestimmte Arbeitsbedingungen hinzunehmen (z. B. Durchsuchung mit völliger Entkleidung bei gläubigen Muslima: OLG Koblenz 2.10.1985 – 2 Vollz Ws 15/85).

Alternativen innerhalb der Arbeitspflicht

Nach § 29 StVollzG NRW bist du verpflichtet, eine dir zugewiesene, deinen körperlichen Fähigkeiten angemessene Arbeit auszuüben, zu deren Verrichtung du aufgrund deines körperlichen Zustandes in der Lage bist. Normalerweise wird dies eine dir von der Anstalt zugewiesene Arbeit sein. Du kannst verlangen, dass es sich um „wirtschaftlich ergiebige Arbeit“ handelt und dass dabei deine „Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen“ (§ 29 Abs. 2 StVollzG) berücksichtigt werden. Dabei ist aber von den Möglichkeiten der Anstalt auszugehen, d. h., vielfach sind zu wenig und gering qualifizierte Arbeitsplätze vorhanden, die du dann trotzdem ausüben musst. Du kannst aber auch versuchen, deine Arbeitspflicht auf eine andere, deinen Vorstellungen vielleicht entsprechende Art zu erfüllen:

a) Durch Teilnahme an Ausbildungsmaßnahmen wie Berufsausbildung, Umschulung oder Unterricht (§ 30 StVollzG NRW). Voraussetzung dafür ist deine „Eignung“. Hierbei ist das Problem, dass du unter Umständen eine Verlegung in eine JVA beantragen musst, in der die Ausbildungsmaßnahme angeboten wird.

b) Durch Selbstbeschäftigung (§ 31 Abs. 2 StVollzG NRW, s. o. Nr. 24), d. h. freiberufliche Tätigkeit. Insbesondere gilt dies für Gefangene, die schon draußen freiberuflich tätig waren (Künstlerinnen, Schriftstellerinnen usw.). Du kannst es aber auch sonst beantragen und, da die Normen mit Ausnahme Niedersachsens als „Soll-Vorschriften“ ausgestaltet sind, wie folgt argumentieren:

Da die Anstalt mir keine sinnvolle Beschäftigung zuweisen kann, hat sie aufgrund des Resozialisierungsgebots die Möglichkeit der Selbstbeschäftigung vorrangig zu prüfen (BVerfGE 98, 169, 210; OLG Hamburg NStZ 2000, 615; Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, F Rn. 66).

c) Im Rahmen eines freien Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der Anstalt (§ 39 Abs. 1 StVollzG NRW). Da dies praktisch nur im Wege des Freigangs möglich ist, musst du die Voraussetzungen dafür (§ 53 Abs. 2 Nr. 4 StVollzG NRW) erfüllen. Argumentiere:

Es ist stets ermessensfehlerhaft, einer Gefangenen, die sich für den offenen Vollzug eignet und eine gesicherte Außenbeschäftigung vorweisen kann, die Ausübung mit der Begründung abzulehnen, es seien nicht genügend Plätze im offenen Vollzug vorhanden (AK-Däubler/Galli § 39 Rn. 7). Nur gewichtige Vollzugsbelange können die Versagung der Erlaubnis rechtfertigen (BVerfGE 98, 169, 210).

d) Durch arbeitstherapeutische Beschäftigung (§ 29 Abs. 2 Satz 2 StVollzG NRW). Dies soll dir ermöglicht werden, wenn du – etwa aus psychischen Gründen – nur eingeschränkt arbeitsfähig bist.

Freistellung von der Arbeitspflicht

Wenn du ein Jahr lang deiner Arbeitspflicht genügt hast, kannst du einen Anspruch auf Erholung geltend machen. Du kannst dann beanspruchen, 20 Werktage von der Arbeitspflicht freigestellt zu werden (§ 33 Abs. 1 StVollzG NRW). Dies setzt nicht voraus, dass du der Arbeitspflicht ein Jahr lang ununterbrochen nachgekommen bist. Es kommt darauf an, ob die Unterbrechung unverschuldet oder von dir verschuldet war.

a) Wenn die im Laufe eines Jahres aufgetretenen Fehlzeiten unverschuldet waren (Krankheit, Betriebsferien, Arbeitslosigkeit usw.), werden diese bis zu sechs Wochen jährlich angerechnet (§ 33 Abs. 2 StVollzG NRW); danach kannst du anteilige Freistellung verlangen:

Da ich die Wartezeit von einem Jahr unverschuldet nur teilweise erfüllt habe, beantrage ich, mir wenigstens den entsprechenden Anteil an Erholungsurlaub zu bewilligen (vgl. OLG Koblenz NStZ 1985, S. 353).

b) Wenn die Fehlzeiten von dir „verschuldet“ waren (indem du z. B. einige Tage im Arrest zubringen musstest), reicht dies allein auch noch nicht aus, dir die Freistellung zu versagen. Denn die Vorschrift hat das Ziel, jemandem, der längere Zeit gearbeitet hat, die Möglichkeit zur körperlichen und seelischen Erholung zu geben. Argumentiere wie folgt:

Im Hinblick auf die Zielsetzung des § 33 StVollzG NRW wäre es rechtswidrig, mir die Freistellung allein deshalb zu versagen, weil ich eine Fehlzeit schuldhaft verursacht habe. Dies käme einer im Gesetz nicht vorgesehenen Disziplinarmaßnahme gleich (vgl. BVerfG, StV 1984, S. 428, Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, F Rn. 102). Ich beantrage daher, mir die Freistellung anteilig, entsprechend der von mir geleisteten Zahl von Arbeitstagen, zu bewilligen. Hilfsweise beantrage ich, die Wartezeit um die von mir „verschuldeten“ Fehlzeiten zu verlängern.

Ausnahmen von der Arbeitspflicht

Arbeitsverweigerung wird im Knast häufig mit Disziplinar- oder Sicherungsmaßnahmen beantwortet. Deshalb ist es besonders wichtig, die Ausnahmen von der Arbeitspflicht zu kennen. Im Gesetz selbst steht nur eine davon (§ 29 Abs. 4 StVollzG NRW). Danach gilt die Arbeitspflicht nicht für Gefangene, die über 65 Jahre alt sind, und auch nicht für werdende und stillende Mütter für sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung, für die gelten die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes (keine schwere Arbeit, ausreichende Zeit zum Stillen usw.).

Ebenfalls nicht zur Arbeit verpflichtet bist du natürlich im Krankheitsfall. Krank ist man offiziell nur, wenn man von der Anstaltsärztin krankgeschrieben ist (zu dem Thema findest du etwas in Kapitel 18 (Die Gefängnismedizin)). Umstritten ist es, ob du auch als Behinderte im Knast zur Arbeit verpflichtet bist. Du solltest jedenfalls einen behindertengerechten Arbeitsplatz verlangen. Eindeutiger ist die Situation, wenn du draußen eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehst. Argumentiere dann wie folgt:

Nach dem Angleichungsgrundsatz des § 2 Abs. 1 StVollzG NRW ist das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit wie möglich anzupassen. Es ist davon auszugehen, dass diejenige, die in Freiheit als erwerbsunfähig gilt, auch während des Strafvollzugs nicht anders behandelt werden darf (OLG Frankfurt NStZ 1985, 425, Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, F Rn. 89).

Bei Schwerbehinderten gilt dies ab dem 63. Lebensjahr, analog § 37 SGB VI (AK-Däubler/Galli § 41 Rn. 9, Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, F Rn. 89).

Wenn du gern arbeiten willst, aber es nicht genügend Arbeitsplätze gibt, bekommst du immerhin Taschengeld, weil du unverschuldet ohne Arbeit bist. Wenn du weißt, dass es freie Arbeitsplätze gibt, die du gern ausüben würdest, kannst du auch deswegen gerichtliche Entscheidung beantragen.

28. Vorzeitige Entlassung

Beim Antrag auf Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung dürfte es sich um das in deutschen Knästen bekannteste Strafvollstreckungsinstitut handeln. Für die, die es nicht weiß: Die gesetzliche Grundlage, in der du die Voraussetzungen findest, ist § 57 StGB, für „Lebenslängliche“ die §§ 57a, 57b StGB. Deine Entlassung erfolgt nur auf Bewährung, d. h., dir können Auflagen und Weisungen erteilt werden – ebenso ist ein Widerruf möglich (die §§ 56a bis 56g StGB gelten entsprechend).

Antrag auf Zweidrittelentlassung

Der Antrag ist an die für die JVA zuständige Strafvollstreckungskammer zu richten. Soweit die Anstalt den Antrag befürwortet, ist es in der Regel so, dass die Sozialarbeiterinnen die Antragstellung übernehmen und die Stellungnahme der JVA gleich an die Kammer mitschicken. Dazu besteht aber keine Verpflichtung. Du solltest also unbedingt darauf achten, dass die Antragstellung erfolgt, vor allem dass sie rechtzeitig (d. h. einige Wochen vor dem Zweidrittelzeitpunkt) erfolgt. Der Antrag sollte lauten:

Ich beantrage, die Reststrafe der gegen mich durch Urteil des … Gerichts in … vom … verhängten Freiheitsstrafe nach Verbüßung von zwei Dritteln zur Bewährung auszusetzen (§§ 57 Abs. 1 StGB).

Sollte der Antrag mehrere Verurteilungen betreffen, bei denen jeweils die Vollstreckung nach Verbüßung von zwei Dritteln unterbrochen wurde, müssen alle Urteile wie oben aufgeführt werden. Neben der Anstalt nimmt in der Regel auch die zuständige Staatsanwaltschaft zu deinem Antrag Stellung. Du hast nach § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO ein Recht darauf, von der Strafvollstreckungskammer mündlich gehört zu werden (darauf kann nur verzichtet werden, wenn alle Beteiligten sich einig sind, dass du entlassen werden sollst). Bereite dich hierauf gut vor. Hierzu solltest du auch die Stellungnahme der Anstalt anfordern. Für die Anstalt ist meistens die Erprobung im Rahmen von Vollzugslockerungen ausschlaggebend. Wenn da noch nichts gelaufen ist, stelle Anträge auf Ausführung, Ausgang, Urlaub. Neben der Voraussetzung, dass zwei Drittel der Strafe verbüßt sein müssen, hat die Vorschrift noch zwei unwichtige Bedingungen:

1. dass die Gefangene einwilligt (!) und

2. dass mindestens zwei Monate verbüßt sind, d. h., bei ganz kurzen Freiheitsstrafen läuft nichts. § 57 StGB gilt auch für die Ersatzfreiheitsstrafen (dies ist zwar umstritten, sollte aber auf jeden Fall versucht werden):

Anstelle einer uneinbringlichen Geldstrafe, welche gegen mich durch das Urteil des … Gerichts in … vom … verhängt wurde, verbüße ich eine Ersatzfreiheitsstrafe. Ich beantrage, den Rest dieser Strafe nach Verbüßung von zwei Dritteln zur Bewährung auszusetzen (vgl. OLG Koblenz v. 23. 12. 1994 – 2 Ws 866/84; NK/Dünkel § 57 Rn 6f m. w. N.).

Daneben gibt es dann noch eine wichtige Voraussetzung, nämlich dass die Strafvollstreckungskammer zu dem Schluss kommt, dass (so das Gesetz) „dies [deine Freilassung] unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann“. Wenn du auf Anhieb nicht weißt, was das heißen soll, bist du damit sicher mit vielen Juristinnen einig. Eines heißt es jedenfalls nicht, nämlich dass das Gericht überzeugt sein muss, dass keine Straftaten mehr begangen werden. Ein Restrisiko bleibt naturgemäß immer bestehen (MüKo-Groß § 57 Rn. 16). Konkret: Eine Reststrafaussetzung kann immer nur verantwortet werden, wenn wenigstens „eine naheliegende Chance für ein positives Ergebnis“ besteht (Fischer § 57 Rn. 14; aber bei einem potentiellen Gewalt- oder Sexualstraftäter sind wesentlich höhere Ansprüche an eine gute Kriminalprognose als z. B. bei einem Exhibitionisten zu stellen (OLG Karlsruhe v. 3.12.2007 – 1 Ws 230/07, StV 2008, 314.))

Bei der Entscheidung, ob deinem Antrag stattgegeben wird, berücksichtigt das Gericht auch dein Verhalten im Vollzug. Daher zeige, dass du eine gewisse „positive“ Entwicklung im Knast genommen hast – also im Zweifel lieber am Anfang „auffallen“ und nicht damit bis zum Ende warten. Weiter ist wichtig, die Aussicht auf einen Arbeitsplatz und Bindungen nach draußen nachzuweisen. Suche dir vor allem beizeiten eine Wohnung, frag mal bei einer Straffälligenhilfe oder ähnlichen Organisationen nach (vgl. Kapitel 12, die Entlassung).

Neben der Anstalt nimmt in der Regel auch die zuständige Staatsanwaltschaft zu dem Antrag Stellung. Ist eine dieser Stellen dagegen oder hat die Strafvollstreckungskammer Zweifel, wird in aller Regel eine mündliche Anhörung durchgeführt. Da solltest du natürlich einen „guten Eindruck machen“. Rechne aber auch damit, dass dir bei deiner Anhörung deine Tat wieder vorgehalten wird. Reagiere also bloß nicht überempfindlich, sondern zeige Einsicht und arrangiere dich, auch wenn es für den Moment unangenehm ist.

Antrag auf Gewährung von Halbstrafe

Für § 57 Abs. 2 StGB gilt weiterhin alles, was auch zur Zweidrittelentscheidung gesagt wurde, mit der Einschränkung, dass die Knäste hier von sich aus nie tätig werden. Grundvoraussetzung ist also zunächst, dass alle Voraussetzungen einer positiven Zweidrittelentscheidung vorliegen, siehe also oben. Der Antrag sollte lauten:

Ich beantrage, die Reststrafe der gegen mich durch das Urteil des … Gerichts in … vom … verhängten Freiheitsstrafe nach Verbüßung der Hälfte zur Bewährung auszusetzen (§ 57 Abs. 2 StGB).

Du kannst eine „Halbstrafe“ bekommen, wenn du Ersttäterin bist und deine Strafe zwei Jahre nicht übersteigt (§ 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB) oder die Gesamtwürdigung deiner Tat und Persönlichkeit sowie deiner Entwicklung im Vollzug ergibt, dass besondere Umstände vorliegen (§ 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB).

Beide Voraussetzungen sind durch das Wort „oder“ alternativ zu verstehen. D. h., dass du nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB zur Halbstrafe auch rauskommen könntest, wenn du Mehrfachbestrafte bist und/oder du dir eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren gefangen hast. In diesen Fällen musst du allerdings im Gegensatz zum Zweidrittelantrag die Hürde der „besonderen Umstände“ nehmen. Darunter ist unter „Gesamtwürdigung“ von Tat, Persönlichkeit und Entwicklung im Vollzug zu verstehen, dass du diejenigen Bereiche, wo du keine Pluspunkte sammeln konntest, mit anderen günstigen Bereichen ausgleichen kannst, damit „besondere Umstände“ für deine Entlassung vorliegen. Hierbei wird es maßgeblich auf dein Verhalten im Vollzug ankommen. Während du nach der alten Gesetzeslage schon bei der „Halbstrafe“ durchgefallen bist, weil in deiner Tat und Persönlichkeit nichts „Besonderes“ zu finden war, so nimmt der neue § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB deine Vollzugsentwicklung ausdrücklich in die Gesamtwürdigung mit auf. Also: Wenn du keine „besonderen Umstände“ in Tat und Persönlichkeit vorbringen kannst, versuche es mal mit „besonderen Umständen“ bei deiner Entwicklung im Vollzug. Weiterhin bleibt aber auch dein Strafurteil Grundlage bei der Gesamtwürdigung. Schreibst du also in deinen Antrag: „Ich will ‚Halbstrafe‘, weil ich es nicht gewesen bin“, dann kannst du es gleich lassen. Es können sich auch „besondere Umstände in der Tat“ aus dem Urteil ergeben (Ausnahmesituation usw.). Du solltest versuchen zu begründen, warum die Tat für dich selbst völlig „persönlichkeitsfremd“ war. Ein Stück Identitätsverleugnung wirst du in diesem Zusammenhang wohl oder übel hinnehmen müssen. Wenn du allerdings schon mehrfach wegen gleicher oder ähnlicher Delikte vorbestraft bist, wird dir wohl auch dies nix nützen. Auch nach der Tat eingetretene „besondere“ persönlichkeitsbezogene Umstände können erheblich sein. Hier sieht es allerdings besonders finster aus. So haben die Gerichte erst bei folgenden Sachverhalten „besondere Umstände“ angenommen:

Und noch eine weitere Erschwernis, wenn du wegen Eigentumsdelikten sitzt: Eine positive Entwicklung nimmt das Gericht nicht dann schon an, wenn du sagst, wo die Knete versteckt ist. Dies wird neuerdings als deine Verpflichtung angesehen, denn es ist durch § 57 Abs. 6 StGB ausdrücklich festgeschrieben, dass das Gericht von der Aussetzung deiner Freiheitsstrafe absehen kann, wenn du nichts zu dem Verbleib der Beute sagst. Überlege dir daher genau, was du bei deiner Anhörung dazu sagen willst.

Noch was für Leute, die mehrere Freiheitsstrafen abzusitzen haben: Grundsätzlich gilt, dass die kürzere Freiheitsstrafe vor der längeren vollstreckt wird (§ 43 Abs. 2 Strafvollstreckungsordnung). Sollst du aber das erste Mal in den Knast und bekommst z. B. eine Strafe von 20 Monaten (jedenfalls aber unter zwei Jahren) und eine Strafe von 15 Monaten, so solltest du versuchen, die kürzere z. B. durch Rechtsmittel (Berufung oder Revision, die du ja später wieder zurücknehmen kannst) hinauszuzögern, und die längere Strafe sofort antreten. Die Strafvollstreckungsbehörde muss nämlich neuerdings bei Erstbestraften unter zwei Jahren die erste Strafe schon nach der Hälfte, frühestens jedoch nach sechs Monaten unterbrechen, um die zweite zu vollstrecken (§ 454b Abs. 2 Nr. 1 StPO). Dadurch kannst du, wenn später beide Strafen zur Bewährung ausgesetzt werden, Zeit sparen. Das ist relativ kompliziert. Am besten sprichst du mit deiner Anwältin darüber.

Antrag auf Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe

Zu den Formalien gilt das oben Gesagte. Als Voraussetzungen sind hier zu nennen, dass 1. 15 Jahre der Strafe verbüßt sein müssen und 2. (neben der Einwilligung der Gefangenen) die Wahrscheinlichkeit besteht, dass außerhalb des Vollzugs keine weiteren Straftaten begangen werden (also wie bei Zweidrittel). Aber auch hier gibt es – natürlich – wieder eine Bedingung, die den Gerichten weiterhin freie Hand gibt. Weitere Voraussetzung ist nämlich (so das Gesetz), dass „nicht die besondere Schwere der Schuld der Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet“.

Hast du eine lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe abzusitzen, so werden bei der Feststellung der „besonderen Schwere der Schuld“ die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt (§ 57b StGB). Dies sind so einzelfallbezogene Kriterien, dass wir uns hierzu weitere Ausführungen ersparen.

Gutachten

Seit 1998 muss zudem bei der Frage der Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder einer Strafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Tat, für die Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann, ein Gutachten eingeholt werden.

Auch dieses Gutachten kannst du, wenn es negativ für dich ausfällt, angreifen. Das ist aber sehr schwierig. Wenn du die Mittel hast, nimm dir hierfür eine Verteidigerin. Vgl. auch Kapitel 20 Gutachten.

Rechtsmittel

Gegen eine Ablehnung der Aussetzung (egal nach welcher Vorschrift) ist die „sofortige Beschwerde“ (§§ 311 ff. StPO) gegeben. Die heißt deshalb so, weil sie, mit oder ohne Begründung, binnen einer Woche nach Zustellung der Entscheidung bei der Strafvollstreckungskammer, deren Entscheidung dir nicht passt, eingegangen sein muss. Entscheiden muss über die Sache dann das zuständige Oberlandesgericht. Wird die Aussetzung gewährt, so kann allerdings auch die Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidung „sofortige Beschwerde“ erheben. D. h., die erfreuliche Entscheidung wird erst nach einer Woche ab Zustellung bei der Staatsanwaltschaft „rechtskräftig“ (d. h. gültig). Erklärt die Staatsanwaltschaft nicht vorher Rechtsmittelverzicht, muss die Gefangene bis zum Ablauf der Woche noch drinbleiben.

Reststrafengesuch

Wenn sie deinen Antrag auf Zweidrittel ablehnen, kannst du ihn wiederholen. Beachte aber, dass das Gericht für weitere Anträge eine Sperrfrist von bis zu sechs Monaten festsetzen kann (§ 57 Abs. 6 StGB). Inhaltlich gilt hier dasselbe wie bei der Zweidrittelentlassung. Hier musst du jedoch in jedem Fall selbst einen Antrag bei der Strafvollstreckungskammer stellen. Gleiches gilt, wenn du einen schon einmal ausgesetzten Strafrest verbüßt, weil die Bewährung widerrufen wurde.

Gnadengesuche

Diese Gesuche kannst du jederzeit stellen. Weil es in den einzelnen Bundesländern verschiedene „Gnadeninstanzen“ gibt, die wir nicht alle aufführen können, ist es am sinnvollsten, wenn du deinen Gnadenantrag an die jeweilige Ministerpräsidentin bzw. Oberbürgermeisterin schickst. Diese muss, falls sie nicht selbst entscheidet, den Antrag an die zuständige Stelle weiterleiten. Sitzt du allerdings wegen Staatsschutzdelikten, musst du den Gnadenantrag an die Bundespräsidentin stellen. Bei Gnadengesuchen müssen ganz ungewöhnliche Gründe, insbesondere außerordentliche Härten für die Gefangene und/oder ihre Familie, vorliegen, ansonsten werden sie dein Gesuch ablehnen und auf die anderen Möglichkeiten der Strafaussetzung verweisen.

(Vgl. auch Kapitel 25 Allgemeine Rechtsmittel.)

29. Antrag für ausländische Gefangene auf vorzeitige Abschiebung (vor vollständiger Verbüßung der Haftstrafe in der BRD)

Wenn du ausländische Gefangene bist und dir die Freiheit in der Heimat wichtiger ist als die „Resozialisierung“ in deutschen Landen, kannst du bei der Staatsanwaltschaft einen Antrag auf vorzeitige Abschiebung stellen (Antrag gemäß § 456a StPO). Der Antrag gemäß § 456a StPO ist an die in der Strafsache zuständige Staatsanwaltschaft zu richten, unter dem Aktenzeichen, welches – in der Regel – oben auf dem Urteil steht. Formulierung:

In der Strafsache gegen mich, AZ: … Js … beantrage ich, von der weiteren Vollstreckung der gegen mich verhängten Freiheitsstrafe abzusehen (§ 456a Abs. 1 StPO).

Aus der Begründung sollte sich ergeben, welche Ausländerbehörde für die Ausweisung und Abschiebung zuständig ist und welche ausländerrechtlichen Maßnahmen schon gegen dich verhängt wurden. Damit ist schon der erste „Haken“ der Geschichte angesprochen. Sollte Ausweisung oder Abschiebung noch nicht rechtskräftig sein, muss praktisch die Gefangene selbst das ausländerrechtliche Verfahren gegen sich beschleunigen oder sogar erst in Gang bringen. Zur Beschleunigung ist es deshalb am besten, wenn man einen Durchschlag des Antrags an die zuständige Ausländerbehörde sendet mit der Bitte, sich mit der zuständigen Staatsanwaltschaft in Verbindung zu setzen. Die Ausländerbehörden sind dann – oft im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft – in der Regel erfreut und leiten die erforderlichen Schritte in die Wege. Argumentiere wie folgt:

Der Strafvollzug in der Bundesrepublik Deutschland stellt für mich eine besondere Härte dar, da ich sprachlich und kulturell in der Anstalt völlig isoliert bin. Ich beantrage daher, mich zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu entlassen.

Der Antrag gemäß § 456a StPO hat einen weiteren Haken: Die Staatsanwaltschaft ist oftmals versucht, die Entscheidung bis zum Zweidrittelzeitpunkt hinauszuzögern. Dies vor allem, wenn sie keine Neigung verspürt, dem Antrag stattzugeben. Um den Zweidrittelzeitpunkt gibt sie dem Antrag dann statt. Das hat zur Folge, dass der Strafrest vollstreckt wird (werden kann), sobald die Betroffene wieder in der Bundesrepublik angetroffen wird. Teilweise wird nach der Abschiebung sogar ein vorsorglicher Vollstreckungsbefehl erlassen. Diese Nachteile bestehen bei den oben beschriebenen Formen der vorzeitigen Entlassung nicht. Dann kann der Rest nur vollstreckt werden, wenn eine neue Straftat in der Bewährungszeit vorkommt oder sonst massiv gegen Bewährungsauflagen verstoßen wurde. Vergiss daher nicht, dass auch Ausländerinnen Anträge auf „Halbstrafe“ oder auf „Zweidrittelentlassung“ stellen können. Auch wenn Erfolge hier seltener sein dürften als bei Deutschen, ist das besser als ein Antrag nach § 456a StPO, insbesondere wenn du in der Bundesrepublik bleiben willst. Lehnt die Staatsanwaltschaft den Antrag nach § 456a StPO ab, ist dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 23 EGGVG gegeben. Der ist an das zuständige Oberlandesgericht zu richten. Da es sich aber um eine reine Ermessensentscheidung der Staatsanwaltschaft handelt, hat man da wenig Aussicht.

Vgl. auch Kapitel 7 Aufenthalt, Abschiebung und Abschiebehaft